Aktenzeichen 25 W (pat) 132/09
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 003 640.0
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Merzbach und des Richters k. A. Metternich
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2009 aufgehoben.
Gründe
I.
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Angemeldet ist als Wortmarke die Bezeichnung
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St. Lucia
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für die Ware “Tee”.
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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 16. Februar 2009 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen.
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Sie ist der Auffassung, dass es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe, und zwar hinsichtlich der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren handelt. Daher sei das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben. St. Lucia sei die Bezeichnung für einen Inselstaat im Atlantik. Dieser werde wirtschaftlich nahezu vollständig durch den Tourismus, die Landwirtschaft und den Export landwirtschaftlicher Güter (Bananen, Kaffee, Kakao, Kokosöl) bestimmt. Die Bezeichnung “St. Lucia” eigne sich als Herkunftsangabe für Tee bzw. dessen Bestandteile. Insbesondere Früchtetees und aromatisierte Tees enthielten getrocknete Fruchtstücke, es gebe auch Tees mit Kakaozusatz. Nur wenn die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort oder mit den Eigenschaften der als solche erkennbaren geographischen Region vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden könnten, scheide das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Dies sei aber nicht der Fall. Soweit “St. Lucia” einen Hinweis auf die “Heilige Lucia” darstelle, liege darin keine Schutz begründende Mehrdeutigkeit, da das angemeldete Zeichen jedenfalls als Herkunftshinweis in Betracht komme.
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Hiergegen richtet sich die von der Anmelderin erhobene Beschwerde.
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Sie beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle vom 16. Februar 2009 aufzuheben und der Anmeldemarke Schutz zu gewähren.
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Aus Sicht der Anmelderin handelt es sich bei der Anmeldemarke nicht um eine freihaltebedürftige Bezeichnung. Der karibische Inselstaat St. Lucia eigne sich klimatisch nicht als Teeanbaugebiet. Dass “St. Lucia” einen denkbaren geographischen Herkunftsort untergeordneter Inhaltsstoffe von Tee bezeichnen könne, ändere nichts an der Schutzfähigkeit. Zwar könnten vereinzelt Teesorten zur Verfeinerung des Geschmacks Kakao oder Bananen, die auf St. Lucia produziert würden, enthalten; diese Zutaten könnten aber alleine keine Geschmacksträger für Tee sein. Der deutsche Durchschnittsverbraucher werde “St. Lucia” nicht als Beschreibung für “Tee” verstehen, zumal Tee auf St. Lucia nicht angebaut werde und die Bezeichnung “St. Lucia” nicht als gebräuchlicher Begriff im Zusammenhang mit Tee nachweisbar sei. “St. Lucia” stehe im Übrigen auch nicht als geographische Herkunftsangabe im Vordergrund. Es sei der Name von mehr als … Orten, Kirchen und anderen Objekten weltweit, die auf die gleiche Namenspatronin, die Heilige Lucia, zurückgingen. Da sie mit dem Luciafest am 13. Dezember besonders gefeiert werde, denke der relevante Verkehr zuerst an die “Heilige Lucia von Syrakus”.
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Ferner sei eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit gegeben. Den deutschen Durchschnittsverbrauchern sei die Karibikinsel St. Lucia kaum bekannt, zumal sie ein weitaus weniger frequentiertes Touristenziel sei als andere Karibikinseln. Es handele sich um einen sehr kleinen Inselstaat; selbst wenn er als solcher bekannt sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der relevante Verkehr seine geographische Lage kenne. Da es mehr als … Orte mit dem Namen “St. Lucia” gebe, werde das Publikum nicht an den karibischen Inselstaat denken. Vielmehr werde jeder Verbraucher einen anderen Ort mit diesem Namen assoziieren; z. B. gebe es in Italien viele Städte mit diesem Namen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass der Verkehr davon ausgehen werde, dass der jeweilige Ort zum Teeanbau geeignet sei oder Tee von dort komme, so dass “St. Lucia” erkennbar nicht als geographische Herkunftsangabe diene. Er lasse keinen eindeutigen Hinweis auf die mögliche örtliche Lage und auch keine Zuordnung zu einem bestimmten Sprachraum zu. Der Durchschnittsverbraucher könne daher keine konkrete Vorstellung entwickeln, ob sich der bezeichnete Ort möglicherweise für Teeanbau eigne. Die Bezeichnung “St. Lucia” sei als Ausnahmefall zu sehen, da dieser Ortsname außergewöhnlich häufig vorkomme und daher nur in Kombination mit lokalisierenden Zusätzen, nicht aber in Alleinstellung zur Beschreibung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen dienen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
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Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.
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Die angemeldete Bezeichnung eignet sich nicht als geographische Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die beanspruchte Ware “Tee”.
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Zwar ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur die Eintragung solcher geographischer Bezeichnungen als Marken verboten, die Orte bezeichnen, die von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht werden, sondern auch solcher geographischer Bezeichnungen, die zukünftig von den betroffenen Unternehmen als Herkunftsangabe für die betreffende Warengruppe verwendet werden können. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung dieser Kreise die geographische Herkunft dieser Warengruppe bezeichnet werden kann, wobei insbesondere von Belang ist, inwieweit den beteiligten Verkehrskreisen die betreffende geographische Bezeichnung bekannt ist und welche Eigenschaften der bezeichnete Ort und die betreffende Warengruppe haben (EuGH/GRUR 1999, 725 [Tz. 29 ff.] – Chiemsee).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen die Erwägungen der Markenstelle, Früchtetees und aromatisierte Tees enthielten getrocknete Fruchtstücke oder Kakaozusätze, so dass mit Blick auf die landwirtschaftlichen Produkte des Karibikstaates “St. Lucia” – Bananen, Kakao, Kokosöl – diese Bezeichnung als geographische Herkunftsangabe für Bestandteile der beanspruchten Ware dienen könne, die Bejahung eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Marke nicht. Zwar hat die Markenstelle hinreichend belegt, dass Tees mit solchen Zusätzen bzw. Zutaten hergestellt und vertrieben werden (Bl. 21 – 23 der Amtsakte). Aus diesen Belegen folgt aber auch, dass insbesondere Früchteteemischungen mit einer Vielfalt unterschiedlicher Fruchtbestandteile und Aromen versehen werden (s. die Beispiele auf Bl. 23 – 24 der Amtsakte). Folgt man der Auffassung der Markenstelle, so würde dies darauf hinauslaufen, dass jede Bezeichnung eines geographischen Ortes, an welchem als Zutat für Teegetränke geeignete Produkte angebaut, hergestellt oder verarbeitet werden, für die Ware “Tee” freihaltebedürftig ist. Entsprechend müsste dann auch bei weiteren Nahrungsmitteln zu entscheiden sein, die in mehreren unterschiedlichen und ggf. auch ungewöhnlichen Kombinationen angeboten und vertrieben werden.
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Aus Sicht des Senats wird das grundsätzlich maßgebende Allgemeininteresse an der Freihaltung geographischer Herkunftsangaben bei einer solchen weiten Auslegung überspannt. Denn die Schutzfähigkeit der jeweils angemeldeten Marke ist auch hinsichtlich geographischer Herkunftsangaben anhand der jeweils konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu bemessen. Kommen eine Vielzahl von Produkten als Zutat bzw. Zusatz für Nahrungs- und Genussmittel in Betracht, ohne dass für diese Produkte selbst auch Markenschutz beansprucht wird, so erschließt sich eine Verbindung mit einer bestimmten geographischen Herkunft erst mittelbar, und zwar in mehreren Schritten einer gedanklichen Analyse, nämlich von den konkret beanspruchten Waren zu allen möglichen Zutaten und Zusätzen und sodann erst zu deren Herkunfts- oder Verarbeitungsorten. Nach Auffassung des Senats stellt deshalb eine geographische Angabe, die nur die Herkunft solcher Zutaten oder Zusätze bezeichnen kann, in Bezug auf die beanspruchte (Haupt-) Ware keine unmittelbare und damit hinreichend klare beschreibende Angabe dar.
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Im Übrigen lässt sich ein Freihaltungsbedürfnis der Bezeichnung “St. Lucia” für die Ware “Tee” auch aus anderen Gründen nicht bejahen. Aktuell lässt sich nicht nachweisen, dass Tee im Karibikstaat St. Lucia angebaut oder verarbeitet wird. Die Karibik ist, soweit ersichtlich, keine teeproduzierende Region. Anders ist dies – neben den USA – auf dem amerikanischen Kontinent bei mittelamerikanischen und südamerikanischen Staaten (Guatemala, Ecuador, Peru, Brasilien, Argentinien). Lediglich in einer Fundstelle ( www.gewuerzkarawane.de/tee/teeanbaugebiete.html ) ist für die Karibik Jamaika als Teeanbaugebiet ausgewiesen; dort ist aber auch ausgeführt, dass Teepflanzungen Höhenlagen von 600 – 2800 m benötigen. Dies trifft auf St. Lucia nur sehr bedingt zu (z. B. höchster Punkt 950 m; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/St_Lucia). Mit Blick auf die Lage, die Geographie und die wirtschaftlichen, insbesondere landwirtschaftlichen Strukturen des karibischen Staates St. Lucia wird davon auszugehen sein, dass dieser auch weiterhin kein Teeanbaugebiet darstellen und dort auch nicht in nennenswertem Umfang Teeverarbeitung stattfinden wird.
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Die Schutzunfähigkeit der angemeldeten Marke als geographische Herkunftsangabe ist auch aus anderen Gründen nicht gegeben. “St. Lucia” ist nicht nur der Name eines Inselstaates in der Karibik, sondern – wie sich aus den von der Anmelderin eingereichten Unterlagen ergibt (insbesondere Anlage 3 zum Schriftsatz vom 13. Mai 2009, Bl. 29 d. A.) – von insgesamt ca. … Orten, Kirchen und anderen Objekten weltweit. Darunter befinden sich zwar auch Orte mit diesem Namen, die in teeproduzierenden Staaten liegen, z. B. zwei Orte namens St. Lucia in Brasilien und zwei weitere Orte gleichen Namens in Ecuador. Es ist aber nicht ersichtlich, dass insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung und die regionale Infrastruktur für diese Orte ein Freihaltebedürfnis als Produktions- oder Verarbeitungsort der Ware “Tee” zu bejahen ist. Zudem wäre aufgrund der außergewöhnlich hohen Zahl von Orten mit dem Namen “St. Lucia” wohl regelmäßig ein lokalisierender Zusatz erforderlich, um eine konkrete geographische Herkunft zuordnen zu können (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 285).
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Für eine fehlende Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke spricht auch nicht die von der Markenstelle zitierte Entscheidung 24 W (pat) 93/05 – MONZA. Dort war die Bezeichnung “Monza” für Lampen und Zubehör als Marke angemeldet. Nach dieser Entscheidung kommt die italienische Stadt Monza, die in der Nähe von Mailand in einer wirtschaftsstarken Region mit hoher Industriedichte liegt, auch ohne aktuelle Produktion der beanspruchten Ware ohne weiteres als potentielle Herkunftsbezeichnung in Betracht. Vergleichbare Anknüpfungspunkte weist die Bezeichnung “St. Lucia” für die Ware “Tee” aber gerade nicht auf. Auch die Entscheidung 32 W (pat) 107/04 – Monte Carlo führt zu keinem anderen Ergebnis. Hier ging es u. a. auch darum, dass Monte Carlo als wirtschaftlich bedeutende Örtlichkeit z. B. in Bezug auf Lederwaren für den inländischen Verkehr eine gewisse Exklusivität vermittelt, d. h. dass der Verkehr damit auch positiv besetzte Vorstellungen verknüpft (vgl. Ströbele/Hacker, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 292). Eine vergleichbare Wirkung der Bezeichnung St. Lucia in Bezug auf Tee kann aber nicht festgestellt werden.
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Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Ausgehend von den o. g. Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis kann nicht festgestellt werden, dass die angemeldete Bezeichnung eine warenbeschreibende Angabe darstellt oder zu der Ware “Tee” einen engen beschreibenden Bezug aufweist. Es handelt sich mit Blick auf diese Ware auch nicht um einen Begriff, der nur als solcher und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden könnte.
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Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2009 war daher aufzuheben.