Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “typisierte Kuhdarstellung mit Deutschlandfarben (Bildmarke)” – überwiegend keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 544/10

Datum:
26.10.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 059 836.3
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Oktober 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Martens sowie den Richter Schell
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. März 2010 aufgehoben, soweit die Anmeldung auch für die Ware „Kakao“ zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die nachfolgend wiedergegebene Abbildung
2
für zahlreiche Waren der Klassen 29, 30 und 32.
3
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss eines Prüfers des gehobenen Dienstes vom 4. März 2010 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für die nachfolgend wiedergegebenen Waren
4
„Fleisch; Fleischextrakte; Milch und Milchprodukte; Molkereiprodukte, soweit in Klasse 29 enthalten; Milchkaffee, Kakao und Milchkakao, Speiseeis, Grießpudding; Milchreis; Pudding; Präparate für die Zubereitung von Getränken; Molke- und Milchgetränke.“
5
Zur Begründung ist ausgeführt, der angemeldeten Bildmarke fehle im Umfang der Zurückweisung jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), da sie sich in einer einfachen stilisierten Wiedergabe einer Kuh in den Farben der Deutschlandflagge erschöpfe. Der Durchschnittsverbraucher entnehme der Darstellung keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, sondern lediglich die bildhafte Sachinformation, dass es sich um Fleisch- bzw. Milchprodukte oder auch mit Milch versetzte Waren mit Herkunft aus Deutschland handele.
6
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt sinngemäß,
7
den angefochtenen Beschluss im Umfang der Zurückweisung aufzuheben.
8
Sie trägt vor, Schutzhindernisse lägen nicht vor. Insbesondere fehle der angemeldeten Marke für die zurückgewiesenen Waren nicht jegliche Unterscheidungskraft, da sie mehrdeutig sei und den Verbraucher dazu anrege, über die Bedeutung einer schwarz, rot und goldgelb gestreiften Kuh nachzudenken. Jedenfalls sei die vorliegende Bildmarke in ihrer konkreten Gestaltung keine beschreibende Angabe, schon weil Kühe üblicherweise nicht bunt gestreift seien. Bezüglich der von der Zurückweisung betroffenen Waren erwecke die Darstellung allenfalls Assoziationen mit den von den Verbrauchern gekauften Produkten. Die Anmelderin verweist auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Eintragungen von Wortmarken mit dem Bestandteil „Kuh“ sowie auf entsprechende Bildmarken.
II.
9
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Der beantragten Eintragung der angemeldeten Marke steht – mit Ausnahme für die Ware „Kakao“- das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Mit dieser Einschränkung hat die Markenstelle die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
10
Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdn. 31 ff. – Buchstabe Alpha). Die Eintragung einer Marke kommt somit nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft aufweist, um diese Herkunftsfunktion erfüllen zu können (vgl. BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist diese Voraussetzung bei einer angemeldeten Marke nicht erfüllt, widerspricht es dem Allgemeininteresse, dieses Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen. Ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist stets im Hinblick auf die mit ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen und aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen.
11
Bezüglich der noch im Streit stehenden Lebensmittel mit Ausnahme von „Kakao“ stellt die vorliegende Abbildung für die beteiligten Endverbraucher lediglich eine bildhafte Angabe bezüglich Art und Herkunft dieser Waren dar. Sie beschränkt sich auf die Sachaussage, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um Milchprodukte oder solche mit Milchanteil bzw. um Rindfleischprodukte handelt, die aus heimischer Produktion stammen. Die konkrete Tierdarstellung unterscheidet sich von einer naturalistischen Wiedergabe nur durch die gestreifte Farbgebung, die vom Verkehr zwanglos als die Farben der Bundesrepublik Deutschland und damit als Hinweis der Herkunft entsprechend gekennzeichneter Produkte aus dem Inland wahrgenommen wird. Die im Kopf- und oberen Rückenbereich des Tieres angebrachte Schattierung in Grau/Schwarz unterstreicht dabei nur die natürlichen Formen seines Körperbaus, ohne der Abbildung eine phantasievolle Note zu verleihen.
12
Durch die Medien erfährt der Verbraucher – anläßlich von Berichten über Lebensmittel-Skandalen oder zum Thema Milchpreisdumping – in den letzten Jahren immer wieder, wie wichtig es ist, beim Einkauf heimische Milcherzeuger zu unterstützen und auf die Herkunft der Fleischprodukte zu achten. Da die Kunden den Produkten aus einheimischer Tierhaltung auch weiterhin in der Regel das größte Vertrauen entgegenbringen, werden in der Werbung Aufzuchtbedingungen und Verarbeitung der Tiere im Inland üblicherweise als Verkaufsargument besonders herausgestellt. Nichts weiter als eine solche Sachinformation entnimmt der derart sensibilisierte Verkehr der vorliegenden Darstellung, wobei durch die Kombination der beschreibenden Angaben kein darüberhinaus gehender Gesamteindruck bzw. eine individualisierende Gestaltung entsteht.
13
Zur Unterscheidung nach der betrieblichen Herkunft der streitigen Waren ist die Bildmarke daher nicht geeignet. Denn ihr fehlt es gerade an charakteristischen Merkmalen, die über die bloße Sachaussage in bildlicher Form hinausgehen und aus denen der Verkehr eine Individualkennzeichnung entnehmen könnte. Soweit die Anmelderin die konkrete Abbildung als interpretationsbedürftig ansieht, kann ihr Hinweis auf die sogenannte Kuhparade/Cowparade eine für sie günstige Wertung nicht begründen. In den im städtischen Raum ausgestellten farbigen Tierplastiken (Kühe, Löwen oder Bären) mit künstlerischem oder nur dekorativem Anspruch sieht der Verkehr ohnehin keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft. Vielmehr ist die Darstellung einer Kuh ein beliebtes Motiv, insbesondere für Milchprodukte und solche Waren, die mit Milch hergestellt werden. Dies belegen gerade die von der Anmelderin schon im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten und dort zutreffend gewürdigten Eintragungen von Wort- und/oder Bildmarken mit unterschiedlichen Darstellungen solcher Tiere aus dem vorliegenden Warenbereich. In Kenntnis dieser Branchengewohnheiten entnimmt der Verkehr der angemeldeten Bildmarke mit ihrer typisierten Kuhdarstellung in den Deutschlandfarben keinerlei betriebskennzeichnende Bedeutung. Die von der Anmelderin genannten Voreintragungen rechtfertigen für sich gesehen keine abweichende Entscheidung. Maßgeblich ist vielmehr ausschließlich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse im Einzelfall gegeben sind. Der Umstand, dass (vermeintlich) identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen sind, ist demgegenüber nicht maßgebend (BGH I ZB 59/09 Entscheidung vom 17. August 2010, Tz 10 – = GRUR 2011, 230 SUPERgirl unter Bezugnahme auf EuGH GRUR 2009, 667 Rn. 14 f. – Bild digital u. a./ Präsident DPMA).
14
Bezüglich der Waren, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, steht der Eintragung der angemeldeten Marke daher das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Das gilt nicht bezüglich der Ware „Kakao“, da es sich bei dem Warenbegriff in Klasse 30 der amtlichen Klasseneinteilung um den Samen des Kakaobaumes (Kakaobohnen) sowie um das daraus gewonnene Pulver handelt, nicht aber um das umgangssprachlich häufig ebenso bezeichnete aus Kakaopulver zubereitete Getränk. Letzteres ist vielmehr in der vorliegenden Anmeldung von dem nachfolgenden Begriff „Milchkakao“ umfasst. Für die Ware „Kakao“ fehlt es damit aber an einem unmittelbar beschreibenden Bezug zu der angemeldeten Darstellung und es kann insoweit auch nicht jegliche Unterscheidungskraft verneint werden.
15
Eine Entscheidung konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Anmelderin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hatte und ein solcher Termin auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich war.


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