Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden eines optischen Elements“ – zur Kostenauferlegung – Nichtäußerung der Patentinhaberin trotz mehrerer Fristgesuche stellt keinen Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten dar

Aktenzeichen  14 W (pat) 19/09

Datum:
14.2.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 59 PatG
§ 80 Abs 1 PatG
Spruchkörper:
14. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2004 021 215


hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Dr. Gerster und Schell sowie der Richterin Dr. Münzberg
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 1.45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. März 2009 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 vom 11. Februar 2014, sowie Beschreibung vom 14. Februar 2014 und Zeichnungen wie erteilt.
2. Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.
1
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. März 2009 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 10 2004 021 215 mit der Bezeichnung
2
„Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden eines optischen Elements“
3
widerrufen.
4
Der Widerruf des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des erteilten Vorrichtungsanspruchs 17 gegenüber den aus
5
E3 US 5,436,764 und
6
E4 US 6,305,194
7
bekannten Vorrichtungen nicht neu sei.
8
Auf die erteilten Verfahrensansprüche 1 bis 16 und die weiteren im Einspruchsverfahren genannten Dokumente
9
E1 US 6,368,524 B1
10
E2 JP 2000 053 428 A (Patent Abstracts of Japan)
11
E5 EP 0 648 712 A2
12
E6 JP 2002 293 553 A (Patent Abstracts of Japan)
13
wurde im angefochtenen Beschluss nicht eingegangen.
14
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren in der mündlichen Verhandlung mit den gemäß Hilfsantrag 1 vom 11. Februar 2014 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 13 weiterverfolgt. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:
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Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit einer Mehrzahl von als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen (21; 23; 25), mit den folgenden Schritten:
16
Bereitstellen eines Formwerkzeugs (1), auf dessen Oberfläche eine Mehrzahl von Abformbereichen (3; 4) zum Abformen der optischen Strukturen auf ein Substrat (10) ausgebildet sind;
17
Bereitstellen des Substrats (10), wobei auf der dem Formwerkzeug (1) zugewandten Oberfläche des Substrats (10) eine Mehrzahl von vorgeformten Bereichen (16; 17) ausgebildet sind, die einem jeweiligen Abformbereich (3, 4) des Formwerkzeugs (1) gegenüber liegen;
18
Erwärmen des Substrats (10) auf eine Temperatur oberhalb einer Übergangstemperatur eines Materials des Substrats (10); und Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10), um das optische Element (20) mit der Mehrzahl von optischen Strukturen (21; 23; 25) auszubilden, deren Form durch die Form des jeweils zugeordneten Abformbereichs (3; 4) vorgegeben ist;
19
wobei
20
die Abformbereiche (3; 4) auf der Oberfläche des Formwerkzeugs (1) als Vertiefungen oder erhabene Abschnitte mit einem Profil ausgebildet sind, das korrespondierend zu dem Profil der auszubildenden optischen Strukturen ausgebildet ist,
21
die vorgeformten Bereiche (16; 17) auf der Oberfläche des Substrats (10) als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildet sind,
22
beim Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10) der jeweilige vorgeformte Bereich (16; 17) des Substrats (10) mit dem zugeordneten Abformbereich (3; 4) zunächst in einem zentralen Bereich (11) in Anlage gelangt, sodass sich ein Spalt (6), der zwischen einer Oberfläche des jeweiligen vorgeformten Bereichs (16; 17) und einer Oberfläche des zugeordneten Abformbereichs (3; 4) ausgebildet ist, von dem zentralen Bereich (11) zu einem Rand (2, 14) des jeweiligen vorgeformten Bereichs (16; 17) hin erstreckt und verbreitert,
23
das Substrat (10) und das Formwerkzeug (1) mit gegenüber liegenden Grundflächen bereitgestellt werden, die einen geringen Umformgrad bedingen, und das Substrat (10) bei dem Ausbilden des optischen Elements (20) durch das Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10) quer zu einer Richtung einer Druckbeaufschlagung im Wesentlichen nicht verbreitert wird.
24
Die Ansprüche 2 bis 13 betreffen Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1.
25
Die Patentinhaberin macht in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen geltend, dass die Gegenstände der nunmehr ausschließlich auf Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit einer Mehrzahl von als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen gemäß dem weiterverfolgten Hilfsantrag 1 ausführbar offenbart, aus den ursprünglichen Unterlagen ableitbar und gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch seien. Ausgehend von E3 würde dem Fachmann auch durch E1 kein Anlass oder Anregung gegeben, auf der Oberfläche des Substrats eine Mehrzahl von vorgeformten Bereichen in Zuordnung zu den zugeordneten Abformbereichen auszubilden. Der Kostenantrag der Einsprechenden sei zurückzuweisen.
26
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt,
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1. den Beschluss der Patentabteilung 1.45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. März 2009 aufzuheben und das Patent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass es die Fassung des Hilfsantrags 1 vom 11. Februar 2014 erhält,
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2. den Kostenantrag zurückzuweisen.
29
Die Einsprechende beantragt,
30
1. die Beschwerde zurückzuweisen,
31
2. der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
32
Sie macht geltend, dass im geltenden Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht klar sei, was „im Wesentlichen nicht verbreitert“ bedeute, wie weit umgeformt werden dürfe, um einen „geringen Umformungsgrad“ zu erreichen, und was unter einem „Profil“ zu verstehen sei, das korrespondierend zu dem Profil der auszubildenden optischen Strukturen ausgebildet sei, wobei zudem der Begriff „korrespondierend“ unklar sei. Die Ausführbarkeit des Streitpatents sei ebenfalls nicht gegeben, da dem Fachmann nicht gelehrt werde, wie das Substrat hergestellt werden könne, ohne dass es verbreitert werde. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei auch gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert. Auch der Schutzbereich sei erweitert, da nur noch Profile korrespondieren müssen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruhe auch ausgehend von E3 in Zusammenschau mit dem durch E1, E4 und
33
E7 US 6,070,436
34
belegten Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Durch den Umstand, dass sich die Patentinhaberin im Einspruchsverfahren nicht geäußert habe, sei es gerechtfertigt der Patentinhaberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
35
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
36
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.
37
1. Der Gegenstand des von der Patentinhaberin verteidigten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 11. Februar 2014 betrifft ein Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit den Merkmalen:
38
a) Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit einer Mehrzahl von als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen (21; 23; 25), mit den folgenden Schritten:
39
b) Bereitstellen eines Formwerkzeugs (1), auf dessen Oberfläche eine Mehrzahl von Abformbereichen (3; 4) zum Abformen der optischen Strukturen auf ein Substrat (10) ausgebildet sind;
40
c) Bereitstellen des Substrats (10), wobei auf der dem Formwerkzeug (1) zugewandten Oberfläche des Substrats (10) eine Mehrzahl von vorgeformten Bereichen (16; 17) ausgebildet sind, die einem jeweiligen Abformbereich (3, 4) des Formwerkzeugs (1) gegenüber liegen;
41
d) Erwärmen des Substrats (10) auf eine Temperatur oberhalb einer Übergangstemperatur eines Materials des Substrats (10); und
42
e) Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10), um das optische Element (20) mit der Mehrzahl von optischen Strukturen (21; 23; 25) auszubilden, deren Form durch die Form des jeweils zugeordneten Abformbereichs (3; 4) vorgegeben ist;
43
f) wobei die Abformbereiche (3; 4) auf der Oberfläche des Formwerkzeugs (1) als Vertiefungen oder erhabene Abschnitte mit einem Profil ausgebildet sind, das korrespondierend zu dem Profil der auszubildenden optischen Strukturen ausgebildet ist,
44
g) die vorgeformten Bereiche (16; 17) auf der Oberfläche des Substrats (10) als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildet sind,
45
h) beim Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10) der jeweilige vorgeformte Bereich (16; 17) des Substrats (10) mit dem zugeordneten Abformbereich (3; 4) zunächst in einem zentralen Bereich (11) in Anlage gelangt, sodass sich ein Spalt (6), der zwischen einer Oberfläche des jeweiligen vorgeformten Bereichs (16; 17) und einer Oberfläche des zugeordneten Abformbereichs (3; 4) ausgebildet ist, von dem zentralen Bereich (11) zu einem Rand (2, 14) des jeweiligen vorgeformten Bereichs (16; 17) hin erstreckt und verbreitert,
46
i) das Substrat (10) und das Formwerkzeug (1) mit gegenüber liegenden Grundflächen bereitgestellt werden, die einen geringen Umformgrad bedingen, und
47
j) das Substrat (10) bei dem Ausbilden des optischen Elements (20) durch das Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10) quer zu einer Richtung einer Druckbeaufschlagung im Wesentlichen nicht verbreitert wird.
48
2. Dieser Anspruch geht aus den erteilten Ansprüchen 1, 10 und 12 i. V. m. Abs. [0027, 0028, 0062, 0066, 0067] und [0068] sowie den Fig. 4 bis 7 der Streitpatentschrift hervor, die sich aus den Ansprüchen 1, 11 und 12, S. 4 Z. 11 bis 18, S. 5 Z. 8 bis 15, S. 7 Z. 24 bis 27, S. 7 Z. 37 bis S. 8 Z. 1, S. 14 Z. 7 bis 22 und S. 15 Z. 1 bis 28 i. V. m. Fig. 4 bis 7 der Erstunterlagen ableiten. Die Ansprüche 2 bis 13 des Hilfsantrags 1 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 9 und 13 bis 16, die aus den ursprünglichen Ansprüchen 2, 4 bis 10 und 14 bis 17 hervorgehen. Die Anspruchsfassung ist auch sonst nicht zu beanstanden. Auch das Merkmal f) ist entgegen der Auffassung der Einsprechenden zweifelsfrei aus den erteilten und ursprünglichen Unterlagen ableitbar. Denn sowohl aus dem erteilten Anspruch 11 i. V. m. Abs. [0027] und [0062] sowie Fig. 4, entsprechend Anspruch 12 sowie S. 7 Z. 24 bis 28, und S. 14 Z. 7 bis 22 i. V. m. Fig. 4 der Erstunterlagen, ist im Zusammenhang dargelegt, dass auf der Oberfläche des Formwerkzeugs Abformbereiche als Vertiefungen oder erhabene Abschnitte mit einem Profil ausgebildet sind, das auf die optische Funktion, die von der Oberfläche des auszubildenden optischen Elements ausgeübt wird, abgestimmt ist, bzw. das Profil der auszubildenden optischen Strukturen festlegen soll (im Detail Streitpatent Abs. [0027] 1. Satz, Abs. [0062] 2. Satz; Erstunterlagen S. 7 Z. 24 bis 27 und S. 14 Z. 9 bis 15). Das Profil der Vertiefungen oder erhabenen Abschnitte korrespondiert damit mit dem Profil der der auszubildenden optischen Strukturen, wie es Merkmal f) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 vorschreibt. Eine Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber dem erteilten Patent kann durch dieses Merkmal im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden daher nicht gesehen werden.
49
3. Die Einsprechende hat gerügt, dass es dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 an Klarheit mangle, der Antrag deshalb unzulässig sei und die Beschwerde auch aus diesem Grund zurückzuweisen sei. Die Gründe für den Widerruf eines Patents sind in § 21 (1) PatG jedoch abschließend aufgezählt. Mangelnde Klarheit der Ansprüche zählt daher nicht zu den Widerrufsgründen (vgl. Schulte PatG 9. Aufl. § 21 Rdn. 24; BPatG Mitt. 2014, 126, 1. Ls., 129/130 V 1.a – Batterieüberwachungsgerät m. w. N.). Auf mangelnde Klarheit des Anspruchs 1 kann der Widerruf und damit die Zurückweisung der Beschwerde folglich nicht gestützt werden.
50
Im Übrigen erschließt sich für den Fachmann, einen Ingenieur mit Erfahrung in der Herstellung optischer Elemente, insbesondere durch Pressen von Substraten, der Sinngehalt der Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen. So kann er unter Heranziehen der Beschreibung i. V. m. den Zeichnungen dem erteilten Streitpatent entnehmen, was unter „im Wesentlichen nicht verbreitert“ gemäß Merkmal j) des Anspruchs 1 zu verstehen ist. Insbesondere nach den Ausführungen in [0052] zur Heißformgebung ist ein Schmelzen des Substrats nicht vorgesehen, was eventuell zu einer Verbreiterung des Substrats quer zu einer Richtung einer Druckbeaufschlagung führen könnte, sondern bei der Heißformgebung ist lediglich eine Erwärmung beabsichtigt, damit die Oberfläche des Substrats verformt werden kann und zwar entsprechend Merkmal h) zur Schließung des sich vom Zentrum zum Rand hin verbreiternden Spalts zwischen Formwerkzeug und Substrat. „Im Wesentlichen“ ist hier also für den Fachmann lediglich so zu verstehen, dass geringfügige eventuell auftretende Verbreiterungen des Substrats vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 mit erfasst werden. Auch erschließt sich für den Fachmann eindeutig, was unter „Profil“ und „korrespondierend“ im Merkmal f) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu verstehen ist, wie bereits vorstehend dargelegt wurde. Der „geringe Umformungsgrad“ des Substrats gemäß Merkmal i) ist aus allen Figuren i. V. m. den entsprechenden Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents ersichtlich.
51
4. Das Verfahren gemäß geltendem Anspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann (§ 21 (1) 2 PatG). Wie vorstehend unter 2. erläutert, erschließt sich unter Heranziehen der Beschreibung i. V. m. den Zeichnungen aus den Unterlagen des Streitpatents, was unter „im Wesentlichen nicht verbreitert“ zu verstehen ist. Der Fachmann erhält dadurch im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden ausreichende Hinweise, wie er das Verfahren durchzuführen hat, damit das Substrat beim Ausbilden des optischen Elements (20) durch das Gegeneinanderdrücken des Formwerkzeugs (1) und des Substrats (10) quer zu einer Richtung einer Druckbeaufschlagung im Wesentlichen nicht verbreitert wird. Nach den Ausführungen in [0052] ist bei der Heißformgebung lediglich eine Erwärmung vorgesehen, damit die Oberfläche des Substrats verformt werden kann und zwar entsprechend Merkmal h) zur Schließung des sich von Zentrum zum Rand hin sich verbreiternden Spalts zwischen Formwerkzeug und Substrat, wobei gemäß Merkmal i) nur ein geringer Umformungsgrad erforderlich ist. Im Übrigen ist es dem Patentinhaber grundsätzlich unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen, sofern dies dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen (BGH Mitt. 2013, 554 1. Ls. – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
52
5. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist von der Einsprechenden nunmehr unbestritten neu.
53
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 betrifft gemäß Merkmal a) ein Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit einer Mehrzahl von als erhabenen Abschnitten oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen.
54
Aus den Druckschriften E1, E2, E5 und E7 sind Verfahren zur Heißpressformung zur Herstellung von optischen Elementen bekannt, bei denen aber nur optische Elemente mit einem solchen erhabenen Abschnitt oder einer Vertiefung hergestellt werden (vgl. E1: Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 bis 5; E2: Solution i. V. m. Fig.; E5: Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 bis 10; E7: Anspruch 1, Sp. 4 Z. 20 bis 29 und Fig. 1 bis 3e). Damit ist dieser Anspruch gegenüber diesen Entgegenhaltungen bereits deshalb neu.
55
Auch von E3, E4 und E6, die ebenfalls Verfahren zum Heißformpressen zur Herstellung optischer Elemente betreffen, bei denen zwar eine Mehrzahl solcher Strukturen ausgebildet wird, ist das Verfahren des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Denn in keiner dieser Druckschriften ist beschrieben, dass bei solchen Verfahren gemäß Merkmal c) und g) des Anspruchs 1 für das Heißformpressen ein Substrat bereitgestellt wird, das auf der dem Formwerkzeug zugewandten Oberfläche eine Mehrzahl als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildete vorgeformte Bereiche aufweist (vgl. E3: Sp. 4 Z. 12 bis 51, Sp. 6 Z. 22 bis Z. 50 i. V. m. Fig. 5 bis 8; E4: Anspruch 1, Abstract sowie Fig. 1 bis 8; E6: Solution, Figuren).
56
6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
57
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Ausbilden eines optischen Elements mit einer Mehrzahl von als erhabenen Abschnitten oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen durch Heißformgebung bereitzustellen, womit sich Gaseinschlüsse während der Heißformgebung noch wirkungsvoller vermeiden lassen, und das optische Element noch präziser und kostengünstiger als beim Stand der Technik hergestellt werden kann (vgl. geltende Beschreibung vom 14. Februar 2014 Abs. [0011]).
58
Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann insbesondere von E1 ausgehen, denn mit dem in E1 beschriebenen Verfahren zum Heißformpressen werden bereits Gaseinschlüsse vermieden (Sp. 2 Z. 12 bis 16, Sp. 4 Z. 21 bis 24).
59
E1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung asymmetrischer optischer Oberflächen, worin ein Substrat mit einem vorgeformten Bereich einem entsprechenden Abformbereich eines Formwerkzeugs gegenüberliegt. Bei der Heißverformung (Prägung) wird die Form des Abformbereichs auf die Vorform übertragen, wobei zunächst die zentralen Bereiche des Abformbereichs des Formwerkzeugs und des vorgeformten Substrats in Anlage kommen. Dabei bildet sich ein zum Rand hin verbreiternder Spalt, der bei fortlaufender Verformung ohne Verbreiterung des Substrats geschlossen wird (vgl. Sp. 5 Abs. 1 i. V. m. Fig. 1, 4).
60
Bei diesem Verfahren werden aber lediglich optische Elemente mit einer als erhabener Abschnitt oder Vertiefung ausgebildeten Struktur bereitgestellt. E1 ist kein Hinweis zu entnehmen, entsprechend dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gemäß Merkmal a) ein optisches Element mit einer Mehrzahl von als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildeten optischen Strukturen bereitzustellen.
61
Ein Verfahren zur Bereitstellung einer Mehrzahl optischer Elemente ist zwar aus E3 bekannt. Dabei werden aber zur Herstellung solcher Elemente lediglich Formwerkzeuge verwendet, auf deren Oberfläche eine Mehrzahl von Abformbereichen zum Abformen optischer Strukturen auf einem Substrat entsprechend dem Merkmal b) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 vorgesehen sind. Das Substrat weist aber keinen vorgeformten Bereich mit einem erhabenen Abschnitt oder einer Vertiefung auf (Sp. 4 Z. 12 bis 51, Sp. 6 Z. 22 bis Z. 50 i. V. m. Fig. 5 bis 8). Eine Anregung oder ein Hinweis gemäß den Merkmalen c), f) und g) auch ein Substrat bereitzustellen, das auf der dem Formwerkzeug zugewandten Oberfläche eine Mehrzahl als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildete vorgeformte Bereiche aufweist, deren Profil mit dem als erhabene Abschnitte oder Vertiefungen ausgebildeten Profil auf der Oberfläche des Formwerkzeugs korrespondiert, ist E3 aber nicht zu entnehmen.
62
Die Berücksichtigung der weiteren in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen entgegengehaltenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.
63
Die Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wird daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
64
7. Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 hat somit Bestand. Die geltenden Ansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 betreffen besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind mit diesem rechtsbeständig.
III.
65
Der zulässige Kostenantrag der Einsprechenden war zurückzuweisen. Im Einspruchs-Beschwerdeverfahren gilt ebenso wie im Einspruchsverfahren vor dem DPMA der Grundsatz der eigenen Kostentragung, so dass im Regelfall jeder Beteiligte unabhängig vom Ausgang des Verfahrens seine Kosten selbst trägt. Eine Kostenauferlegung bedarf gemäß § 80 Abs. 1 PatG besonderer, über den normalen Verfahrensgang hinausgehender Umstände, wie sie sich insbesondere aus einem erheblichen Verstoß eines Verfahrensbeteiligten gegen die allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht ergeben können (vgl. Schulte/Püschel, Patentgesetz, 9. Aufl. § 80 Rdn. 9). Wer in vorwerfbarer Weise durch Nachlässigkeit, Säumnis oder sonstige vermeidbare Störungen des Verfahrensablaufs unnötige Kosten verursacht, hat diese billigerweise zu tragen (Schulte/Püschel, a. a. O., § 80 Rdn. 13). Derartige Gesichtspunkte sind jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der bloße Umstand, dass sich die Patentinhaberin trotz mehrerer Fristgesuche nicht zur Sache geäußert hat, ist prozesstaktisch weder ungewöhnlich noch ist darin per se ein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten zu sehen. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, zur Sache vorzutragen oder nicht, wobei die betreffende Entscheidung ggf. eine zeitaufwändigere Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich machen kann, wie bspw. im Fall der Anhängigkeit weiterer das Streitpatent betreffenden Verfahren. Ein solches Verhalten kann somit für sich genommen noch nicht zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen führen, zumal es der Gegenseite in solchen Fällen freisteht, wiederholten Fristgesuchen zu widersprechen und somit einer inakzeptablen Verfahrensverzögerung entgegenzuwirken.
66
Weitere konkrete Anhaltspunkte, die einen Verstoß der Patentinhaberin bzw. ihrer Vertreter gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht nahelegen könnten, sind vorliegend aber weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.


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