Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 2/16 (EP)

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:170418U3Ni2.16EP.0
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 412 257
(DE 60 2009 021 745)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Schramm und die Richter Kätker, Dr.-Ing. Fritze, Dipl.-Ing. Wiegele und Dr.-Ing. Schwenke
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 4. Dezember 2009 beim Europäischen Patentamt in englischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 2 412 257 (Streitpatent), das die Priorität der italienischen Anmeldungen RM 20080656 vom 9. Dezember 2008, RM 20080657 vom 9. Dezember 2008, VR 20090039 vom 25. März 2009 und VR 20090059 vom 24. April 2009 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 60 2009 021 745 geführt wird. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit zwei Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Garment adapted to be associated to a device for the personal protection of a user“ und umfasst fünf Patentansprüche, deren Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
2
„Garment (2050) comprising a protection device (2001, 2101) and a pocket (2053, 2053a, 2053b) made at least partly of elastic material and intended to house the protection device (2001, 2101), said protection device (2001, 2101) comprising an inflatable member (2002, 2102) inside which an internal chamber (2003) is defined and a plurality of tie members (2005) which are distributed inside the internal chamber (2003) and stably connected to respective surface portions (2015, 2016, 2018, 2019) of said inflatable member (2002, 2102), wherein said inflatable member (2002, 2102) includes a first wall (2015) and a second wall (2016) which are fixed together along respective perimetral edges (2020, 2021) so as to form said internal chamber (2003), a first mesh (2018), which lines internally at least partly said first wall (2015), and a second mesh (2019) which lines internally at least partly said second wall (2016), said tie members (2005) having opposite ends (2005a, 2005b) which are fixed respectively to said first mesh (2018) and to said second mesh (2019).”
3
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 2 412 257 B1 verwiesen.
4
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:
5
NK4 WO 2008/044222 A2
6
NK6 US 2004/0040064 A1
7
NK7 US 2006/0248632 A1
8
NK8 US 2,719,542
9
NK9 US 2002/0145276 A1
10
NK10 WO 2007/022147 A2
11
NK11 US 2002/0163167 A1
12
NK12 US 2005/0067816 A1
13
NK13 US 4,416,641
14
NK14 CH 697 172 A5
15
NK15 DE 26 26 765 A1
16
NK16 DE 197 54 955 A1
17
NK17 EP 1 315 427 B1
18
NK21 US 2006/0175810 A1
19
NK22 DE 197 28 130 A1
20
NK23 US 6,032,299
21
NK23a US 5,402,535
22
NK24 US 2006/0242746 A1
23
NK25 Anlagenkonvolut betreffend die Vorbenutzung eines Airbags
24
NK26 E-Mail Bromm vom 2. Februar 2018
25
Nach Auffassung der Klägerin kann Patentanspruch 1 nicht einengend dahingehend ausgelegt werden, dass er nur einen Aufprallschutz für Motorradfahrer erfasse. Eine solche Auslegung habe keinen Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden. Dieser verlange lediglich das Vorliegen einer Vorrichtung, die dem Schutz von Personen vor körperlichen Beeinträchtigungen diene. Eine in der Beschreibung genannte eng formulierte Aufgabe schränke den Anspruchswortlaut nicht ein. Der Begriff „Schutzeinrichtung“ sei daher allgemein als Schutz von Personen vor körperlichen Beeinträchtigungen bei Sturz- oder Aufprallereignissen zu sehen. Auch sei das Merkmal einer teilweise aus elastischem Material gefertigten Tasche nicht dahingehend auszulegen, dass sich diese an die aufgeblasene oder entleerte Form des aufgeblasenen Elements anpasse.
26
Bei dieser Auslegung sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 bereits durch die Druckschrift NK6 neuheitsschädlich vorweggenommen, die einen dem Schutz des menschlichen Körpers dienenden Druckanzug mit einer Schutzvorrichtung in Form aufblähbarer Elemente (main bladder 12) enthalte, wobei das Innenfutter (mesh lining 82), dessen elastische Eigenschaften der Fachmann mitlese, zusammen mit den Gewebeteilen (mesh portions 26, 28, 30) und den Außennähten (peripheral seams 38) die Schutzvorrichtung bedecke und eine anspruchsgemäße Tasche bilde. Die Wände der Hilfsblasen (auxiliary bladders 60) kleideten jeweils die Wandungen der Hauptblase aus. Da die Zugbänder (spot stitches 32) in einem beliebigen Muster vorgesehen sein können, würde sie der Fachmann auch innerhalb der Hilfsblasen anordnen.
27
Auch die Druckschrift NK14 offenbare sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1. Sie beschreibe ein Kleidungsstück mit einem in elastische Unterwäsche integrierten Airbag als Schutzvorrichtung zum Schutz vor Verletzungen. Aus dem Umkehrschluss aus Absatz [0010] der Beschreibung, wonach die innere Schicht nur „beispielsweise“ aus fluiddichtem, jedoch dehnbaren Material bestehen könne, ergebe sich, dass die innere Schicht 9 auch aus einem leicht fluid- bzw. gasdurchlässigen, wenig dehnbaren Material gefertigt werden könne. Entsprechendes ergebe sich aus den Ansprüchen 8 bis 10 der NK14. Die innere Schicht 9 verlaufe in der Innenkammer parallel zu den Stegen 3, wobei sie die Funktion eines Zugbandes übernehme. Ab dem Punkt, an dem die Zugbänder auf die Airbaghülle träfen, somit funktional endeten, habe die innere Schicht 9 die dort die Hülle 2 auskleide, die Funktion eines streitpatentgemäßen Gewebes. Zumindest in der Ausführungsform, bei der die innere Schicht 9 mit zusätzlichen Nähten geführt werde, seien die Stege fest an die innere Schicht genäht.
28
Auch die Druckschrift NK23 offenbare alle Merkmale des Patentanspruchs 1. Sie erwähne z. B. Gummi und Neopren sowie KEVLAR® als mögliche Materialien. KEVLAR® werde in Abs. [0067] des Streitpatents ebenfalls genannt, dort ausdrücklich als „elastic kevlar“. Weiter offenbare die NK23 gemäß einer Ausführungsform Zugbänder in Form von seitlich aneinander liegenden Schichten von Mini-Airbags aus gewebten Material. Alternativ dazu offenbare auch die in der NK23 genannte und dort ausdrücklich in deren Offenbarungsgehalt übernommene NK23a einen Airbag mit Zugbändern, die an Wandungen auskleidenden Geweben befestigt seien.
29
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Unter Berücksichtigung des allgemein gehaltenen Anspruchswortlauts, der nicht auf Motorradsport oder gar Motorradrennsport beschränkt sei und der weder das Ausdehnen noch das Zusammenziehen der Schutzvorrichtung verlange, sei die objektive Aufgabe des Streitpatents dahingehend zu bestimmen, dass ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Kleidungsstück bereitgestellt werden solle, bei dem die Ausgestaltung der aufblasbaren Schutzvorrichtung auf die räumlichen Gegebenheiten des Kleidungsstücks Rücksicht nehme und einen gleichmäßigeren Schutz bereitstelle. Selbst wenn die Aufgabe zusätzlich die Entleerbarkeit und platzsparende Position des Airbags enthalte, so müsse darin auch aufgenommen werden, dass das Patent auch einen effektiven und gleichmäßigen Schutz gewährleisten solle.
30
Die Druckschrift NK7 offenbare ein Kleidungsstück mit einer aus einem sackähnlichen, aufblasbaren Element bestehenden Schutzvorrichtung, die aus zwei an den Umfangskanten zusammengenähten Bögen bestehe, Zugbänder aufweise und die von einer elastischen Tasche aufgenommen werde, nämlich dem elastischen Seiteneinsatz 32 als Fortsatz des Innenfutters, der zugleich einen Teil der Tasche bilde. Der Fachmann werde sich angesichts der unspezifischen Offenbarung der Verbindung der Zugbänder zu den Airbag-Wandungen Gedanken machen, wobei er neben der weniger beständigen Klebeverbindung jedenfalls auch die Verbindung durch Nähte als eine der nahe liegenden Verbindungsarten berücksichtigen werde. Um die Luftdichtigkeit zu bewahren, sei das Vorsehen von zusätzlichen, die Wandungen des Airbags auskleidenden Gewebeschichten, an denen die Zugbänder mit Nähten befestigt würden, eine der naheliegenden Lösungen. Hierfür erhalte er jeweils aus den Druckschriften NK9 und NK10 entsprechende Hinweise. Zur Vermeidung von Undichtigkeiten an den luftundurchlässigen Wandungen der Vorrichtung gemäß der NK7 erhalte der Fachmann im Übrigen auch aus den weiteren Druckschriften NK8 und NK11, die ebenfalls eng verwandte technische Gebiete beträfen, Hinweise auf die streitpatentgemäße Ausgestaltung der Befestigung von Zugbändern an einer die Wandung auskleidenden Gewebeschicht.
31
Auch ausgehend von der Druckschrift NK12, die eine Schutzvorrichtung in Form eines Kleidungsstücks, wie (flexible) Unterwäsche, mit in elastischen Taschen angeordneten aufblasbaren Mitteln beschreibe, die an den Rändern versiegelte Wände der aufblasbaren Kammer aufwiesen, gelange der Fachmann, der ein den Träger behinderndes ballonartiges Aufblasen verhindern wolle, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK8, NK9 oder NK10 zum Gegenstand des Streitpatents. Dies gelte auch, wenn der Fachmann einen gleichmäßigeren Schutz durch den Airbag gemäß der NK12 sicherstellen wolle, wobei er die NK12 mit jeweils einer der Zugbänder offenbarenden Druckschriften NK7, NK9, NK10 oder NK23a kombiniere.
32
Zudem gelange der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK13, die eine Schutzjacke mit aufblasbaren Mitteln als Stoßschutz beschreibe, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK8, NK9 oder NK10, um die Form der aufblasbaren Mittel im aufgeblasenen Zustand zu kontrollieren, zum Gegenstand des Streitpatents.
33
Weiter sei der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von der Druckschrift NK21 nahe gelegt. Diese offenbare ein Kleidungsstück mit einem in einer elastischen Jacke integrierten Airbag. Zur Ausgestaltung des eine ebenmäßige Form aufweisenden Airbags werde der Fachmann die NK9 oder NK10 heranziehen und einen Airbag in die Jacke gemäß NK21 integrieren, der über Zugbänder verfüge, die mit ihren Enden jeweils an den Gewebeschichten verbunden seien und das Gewebe zusätzlich mit einer Beschichtung abdichteten. Zudem wisse der Fachmann, dass er den Automobilairbag nur im Zuschnitt noch an die Jacke der NK21 bzw. an deren Tasche anpassen müsse.
34
Ebenso werde der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK22, die ein Kleidungsstück mit einem in einer Jacke integrierten Airbag offenbare, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK9 oder NK10 zum Gegenstand des Streitpatents gelangen, wobei die Verwendung von elastischem Material für die Tasche allgemein bekannt und damit nahe gelegt sei.
35
Als Ausgangpunkt könne auch von der Druckschrift NK9 oder NK10 ausgegangen werden. Angesichts der Aufgabe des Streitpatents sei es nahe liegend, den Airbag in eine elastische Tasche von Kleidungsstücken zu integrieren.
36
Auch ausgehend von der Druckschrift NK23, soweit man diese nicht bereits als neuheitsschädlich ansehe, sei der Gegenstand des Streitpatents nahe gelegt. Die NK23 offenbare eine in eine Jacke integrierte aufblasbare Schutzvorrichtung. Der Fachmann, der besseren Schutz durch gleichmäßigeres Volumen gewährleisten wolle, kombiniere die Druckschrift mit einer die Ausgestaltung von Airbags mit Zugbändern beschreibenden Druckschriften NK7, NK9, NK10 oder NK23a.
37
Selbst wenn man – zu Unrecht – die objektive Aufgabe des Streitpatents darin sehe, ein Kleidungsstück zu entwickeln, das eine Schutzvorrichtung für Personen mit aufblasbaren Elementen umfasse, die nur ein Mindestmaß an Raum einnähmen und nach Sturz- oder Aufprallereignissen entleert wieder in eine platzsparende Position bringbar seien, so beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von einer der Druckschriften NK9 oder NK10 oder von dem vorbenutzten Airbag gemäß NK25/NK26, die jeweils Airbags mit Zugbändern und zwei Gewebeschichten sowie Wandungen zeigten, wäre der Fachmann durch Kombination mit einer der Druckschriften NK21 oder NK23, die jeweils einen in eine elastische Tasche von Kleidungsstücken integrierten Airbag offenbarten, zum Gegenstand des Streitpatents gekommen.
38
Auch die Gegenstände der Unteransprüche seien nicht neu oder beruhten jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
39
Die mit Schriftsatz der Beklagten vom 3. April 2018 eingereichten Hilfsanträge rügt die Klägerin als verspätet.
40
Die Klägerin beantragt,
41
das europäische Patent 2 412 257 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
42
Die Beklagte beantragt,
43
die Klage abzuweisen,
44
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 oder 2 gemäß Schriftsatz vom 3. April 2018 erhält.
45
Gemäß Hilfsantrag 1 werden in den erteilten Patentanspruch 1 im Anschluss an die Einleitung „Garment (2050) comprising a protection device (2001, 2101) and a pocket (2053, 2053a, 2053b)“ folgende Wörter eingefügt:
46
„formed by a covering surface and an inner flap and …“
47
Außerdem wird folgendes Merkmal angefügt:
48
„…, wherein the garment comprises stitches, hooks or other systems suitable for fixing the inflatable member to the covering surface or to the inner flap.“
49
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem erteilten Patentanspruch mit dem Unterschied, dass zwischen den Wörtern „… intended to house the protection device (2001, 2101), …“ und „… said protection device (2001, 2101) comprising …“ folgende Passage eingefügt wird:
50
„… the pocket being formed by a covering surface and an inner flap, wherein an insert made of elastic material is inserted within the covering surface forming a superficial discontinuity in the covering surface, …“
51
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
52
Übersetzung von EP 2 412 257 B1 (Streitpatent)
53
WO 2015/181734 A1
54
Verordnung (EU) 2016/425 vom 9. März 2016
55
Europäische Norm EN 1621-4 (August 2012)
56
Urteil des Landgerichts München I aus dem parallelen Verletzungsverfahren vom 11. August 2017 (21 O 11358/16)
57
Nach Auffassung der Beklagten erkennt der Fachmann bei gebotener Auslegung der Patentschrift im Lichte der Gesamtoffenbarung, dass mit dem Streitpatent eine Schutzvorrichtung zum Personenschutz bei Aufprall- und/oder Sturzereignissen von Motorradfahrern geschaffen werden solle, die in der Lage sein müsse, Körperteile beim Aufprall und/oder Sturz im Rahmen einer sportlichen Aktivität zu schützen. Ein Schutz gegen Unterkühlung oder in Fällen von Seenot sei hingegen nicht Gegenstand des Streitpatents.
58
Damit sei die Druckschrift NK6 nicht neuheitsschädlich. Sie offenbare schon keine Schutzvorrichtung, sondern ein Kleidungsstück für Flugzeugpiloten, das dem Anlegen einer Vielzahl von Transmittern diene, mit denen an verschiedenen Körperstellen taktile Reize zur Orientierung des Piloten in unübersichtlichen Flugsituationen erzeugt werden könnten. Die Hauptblase (main bladder) sei über das gesamte Kleidungsstück verteilt und befinde sich nicht in einer Tasche. Zudem offenbare die Druckschrift keine ersten und zweiten Gewebe, die erste und zweite Wandungen auskleideten. Zwar weise die Vorrichtung gemäß einer Ausführungsform eine Hilfsblase mit zwei Wandabschnitten auf. Keiner dieser Abschnitte kleide jedoch die erste oder zweite Wandung der Hauptblase aus. Außerdem seien die punktförmigen Nähte 32, die die Klägerin als Zugbänder bezeichne, zwischen den Wandabschnitten der Hilfsblase vorgesehen.
59
Auch die Druckschrift NK14 sei nicht neuheitsschädlich. In der einzigen zweischichtigen Ausführungsform gemäß Fig. 7a seien die streitpatentgemäßen Merkmale über die Wandungen und ihre Auskleidung mit Geweben nicht offenbart. Zudem verfolge die NK14 ein anderes Konzept, bei dem Hülle und Stege eine Art Käfig zur Begrenzung der Ausdehnung der einzelnen Kammern bildeten.
60
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Offenbarungsgehalt der NK23a wegen der nur allgemeinen Verweisung nicht in den der NK23 inkorporiert. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Es fehle jedenfalls an einer zumindest teilweise aus elastischem Material gefertigten Tasche. Das Material KEVLAR® sei in der NK23 unelastisch.
61
Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die kein Kleidungsstück mit Schutzfunktion betreffende Druckschrift NK6 bilde ebenso keinen geeigneten Ausgangspunkt wie die einen völlig anders aufgebauten Airbag betreffende Druckschrift NK14.
62
Die Druckschrift NK7 möge zwar ein geeigneter Ausgangspunkt sein, sie offenbare aber keine Tasche aus teilweise elastischem Material (Merkmal 1.2.1). Die Taschen 27, 28 seien nicht flexibel sondern würden aufgeklappt. Zudem beschreite sie hinsichtlich der Aufnahme einer Volumenvergrößerung des aufgeblasenen Airbags NK7 einen anderen Weg, indem andere Elemente, wie das insert 32, die Expansion aufnähmen.
63
Die Druckschrift NK8 befasse sich mit einem wärmeisolierenden Material für Schlafanzüge. Die Druckschriften NK9 bis NK11 beträfen Autoairbags und offenbarten keine Kleidungsstücke, insbesondere nicht solche mit elastischen Taschen zur Aufnahme eines aufblasbaren Mittels. Auch sei es fernliegend, bei der Suche nach Verbesserungen einer tragbaren Schutzvorrichtung Anregungen auf dem Gebiet von großflächigen Airbags (NK9, NK10, NK11), die ein Herausschleudern eines Fahrzeuginsassen aus dem Fahrzeugfenster verhindern sollen, zu suchen. Diese Airbags seien nicht so ausgebildet, dass der Fahrer nach einem Unfall möglichst schnell und aerodynamisch unverändert die Fahrt fortführen könne. Im Übrigen werde sich der mit der Weiterentwicklung von Motorradwesten befasste Fachmann nicht mit Autoairbags beschäftigen, ebenso wenig umgekehrt. Hierfür bietet die Beklagte Sachverständigenbeweis an.
64
Die Druckschrift NK12 offenbare bereits keine elastische Tasche und könne damit ebenfalls nicht zum Gegenstand des Streitpatents führen, zumal der Fachmann keine Veranlassung habe, die gemäß der NK12 möglichst kleinen Airbags (Abs. 0013) durch andere Airbags zu ersetzen.
65
Auch auf das in der Druckschrift NK13 offenbarte Kleidungsstück für Seenotrettungssituationen würde der Fachmann zur Weiterbildung des Airbags gemäß der NK7 nicht zurückgreifen. Das elastische Mittel 165 verbinde lediglich in den Taschen eingearbeitetes Isolationsmaterial 80. Die Tasche selbst sei nicht aus elastischem Material gefertigt (Merkmal 1.2.1).
66
Die Druckschrift NK23 gebe keine Veranlassung, einen geänderten Airbagaufbau zu suchen. Bestenfalls würde der Fachmann den Nackenschutz gemäß der Druckschrift NK23a abwandeln, der aber nicht in einer Tasche angeordnet sei. Auch der weitere Stand der Technik offenbare keine elastische Tasche. Dies gelte insbesondere für die Druckschriften NK21 und NK22, die andere Lösungen für die Integration des Airbags vorsähen.
67
Auch die Gegenstände der Unteransprüche, die gesondert verteidigt würden, seien patentfähig.
68
Erst recht seien die Gegenstände der Hilfsanträge patentfähig. Die Hilfsanträge seien mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 PatG auch nicht als verspätet zurückzuweisen.


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