Aktenzeichen 3 Ni 2/16 (EP)
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 2 412 257
(DE 60 2009 021 745)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Schramm und die Richter Kätker, Dr.-Ing. Fritze, Dipl.-Ing. Wiegele und Dr.-Ing. Schwenke
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 4. Dezember 2009 beim Europäischen Patentamt in englischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 2 412 257 (Streitpatent), das die Priorität der italienischen Anmeldungen RM 20080656 vom 9. Dezember 2008, RM 20080657 vom 9. Dezember 2008, VR 20090039 vom 25. März 2009 und VR 20090059 vom 24. April 2009 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 60 2009 021 745 geführt wird. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit zwei Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Garment adapted to be associated to a device for the personal protection of a user“ und umfasst fünf Patentansprüche, deren Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
2
„Garment (2050) comprising a protection device (2001, 2101) and a pocket (2053, 2053a, 2053b) made at least partly of elastic material and intended to house the protection device (2001, 2101), said protection device (2001, 2101) comprising an inflatable member (2002, 2102) inside which an internal chamber (2003) is defined and a plurality of tie members (2005) which are distributed inside the internal chamber (2003) and stably connected to respective surface portions (2015, 2016, 2018, 2019) of said inflatable member (2002, 2102), wherein said inflatable member (2002, 2102) includes a first wall (2015) and a second wall (2016) which are fixed together along respective perimetral edges (2020, 2021) so as to form said internal chamber (2003), a first mesh (2018), which lines internally at least partly said first wall (2015), and a second mesh (2019) which lines internally at least partly said second wall (2016), said tie members (2005) having opposite ends (2005a, 2005b) which are fixed respectively to said first mesh (2018) and to said second mesh (2019).”
3
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 2 412 257 B1 verwiesen.
4
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:
5
NK4 WO 2008/044222 A2
6
NK6 US 2004/0040064 A1
7
NK7 US 2006/0248632 A1
8
NK8 US 2,719,542
9
NK9 US 2002/0145276 A1
10
NK10 WO 2007/022147 A2
11
NK11 US 2002/0163167 A1
12
NK12 US 2005/0067816 A1
13
NK13 US 4,416,641
14
NK14 CH 697 172 A5
15
NK15 DE 26 26 765 A1
16
NK16 DE 197 54 955 A1
17
NK17 EP 1 315 427 B1
18
NK21 US 2006/0175810 A1
19
NK22 DE 197 28 130 A1
20
NK23 US 6,032,299
21
NK23a US 5,402,535
22
NK24 US 2006/0242746 A1
23
NK25 Anlagenkonvolut betreffend die Vorbenutzung eines Airbags
24
NK26 E-Mail Bromm vom 2. Februar 2018
25
Nach Auffassung der Klägerin kann Patentanspruch 1 nicht einengend dahingehend ausgelegt werden, dass er nur einen Aufprallschutz für Motorradfahrer erfasse. Eine solche Auslegung habe keinen Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden. Dieser verlange lediglich das Vorliegen einer Vorrichtung, die dem Schutz von Personen vor körperlichen Beeinträchtigungen diene. Eine in der Beschreibung genannte eng formulierte Aufgabe schränke den Anspruchswortlaut nicht ein. Der Begriff „Schutzeinrichtung“ sei daher allgemein als Schutz von Personen vor körperlichen Beeinträchtigungen bei Sturz- oder Aufprallereignissen zu sehen. Auch sei das Merkmal einer teilweise aus elastischem Material gefertigten Tasche nicht dahingehend auszulegen, dass sich diese an die aufgeblasene oder entleerte Form des aufgeblasenen Elements anpasse.
26
Bei dieser Auslegung sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 bereits durch die Druckschrift NK6 neuheitsschädlich vorweggenommen, die einen dem Schutz des menschlichen Körpers dienenden Druckanzug mit einer Schutzvorrichtung in Form aufblähbarer Elemente (main bladder 12) enthalte, wobei das Innenfutter (mesh lining 82), dessen elastische Eigenschaften der Fachmann mitlese, zusammen mit den Gewebeteilen (mesh portions 26, 28, 30) und den Außennähten (peripheral seams 38) die Schutzvorrichtung bedecke und eine anspruchsgemäße Tasche bilde. Die Wände der Hilfsblasen (auxiliary bladders 60) kleideten jeweils die Wandungen der Hauptblase aus. Da die Zugbänder (spot stitches 32) in einem beliebigen Muster vorgesehen sein können, würde sie der Fachmann auch innerhalb der Hilfsblasen anordnen.
27
Auch die Druckschrift NK14 offenbare sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1. Sie beschreibe ein Kleidungsstück mit einem in elastische Unterwäsche integrierten Airbag als Schutzvorrichtung zum Schutz vor Verletzungen. Aus dem Umkehrschluss aus Absatz [0010] der Beschreibung, wonach die innere Schicht nur „beispielsweise“ aus fluiddichtem, jedoch dehnbaren Material bestehen könne, ergebe sich, dass die innere Schicht 9 auch aus einem leicht fluid- bzw. gasdurchlässigen, wenig dehnbaren Material gefertigt werden könne. Entsprechendes ergebe sich aus den Ansprüchen 8 bis 10 der NK14. Die innere Schicht 9 verlaufe in der Innenkammer parallel zu den Stegen 3, wobei sie die Funktion eines Zugbandes übernehme. Ab dem Punkt, an dem die Zugbänder auf die Airbaghülle träfen, somit funktional endeten, habe die innere Schicht 9 die dort die Hülle 2 auskleide, die Funktion eines streitpatentgemäßen Gewebes. Zumindest in der Ausführungsform, bei der die innere Schicht 9 mit zusätzlichen Nähten geführt werde, seien die Stege fest an die innere Schicht genäht.
28
Auch die Druckschrift NK23 offenbare alle Merkmale des Patentanspruchs 1. Sie erwähne z. B. Gummi und Neopren sowie KEVLAR® als mögliche Materialien. KEVLAR® werde in Abs. [0067] des Streitpatents ebenfalls genannt, dort ausdrücklich als „elastic kevlar“. Weiter offenbare die NK23 gemäß einer Ausführungsform Zugbänder in Form von seitlich aneinander liegenden Schichten von Mini-Airbags aus gewebten Material. Alternativ dazu offenbare auch die in der NK23 genannte und dort ausdrücklich in deren Offenbarungsgehalt übernommene NK23a einen Airbag mit Zugbändern, die an Wandungen auskleidenden Geweben befestigt seien.
29
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Unter Berücksichtigung des allgemein gehaltenen Anspruchswortlauts, der nicht auf Motorradsport oder gar Motorradrennsport beschränkt sei und der weder das Ausdehnen noch das Zusammenziehen der Schutzvorrichtung verlange, sei die objektive Aufgabe des Streitpatents dahingehend zu bestimmen, dass ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Kleidungsstück bereitgestellt werden solle, bei dem die Ausgestaltung der aufblasbaren Schutzvorrichtung auf die räumlichen Gegebenheiten des Kleidungsstücks Rücksicht nehme und einen gleichmäßigeren Schutz bereitstelle. Selbst wenn die Aufgabe zusätzlich die Entleerbarkeit und platzsparende Position des Airbags enthalte, so müsse darin auch aufgenommen werden, dass das Patent auch einen effektiven und gleichmäßigen Schutz gewährleisten solle.
30
Die Druckschrift NK7 offenbare ein Kleidungsstück mit einer aus einem sackähnlichen, aufblasbaren Element bestehenden Schutzvorrichtung, die aus zwei an den Umfangskanten zusammengenähten Bögen bestehe, Zugbänder aufweise und die von einer elastischen Tasche aufgenommen werde, nämlich dem elastischen Seiteneinsatz 32 als Fortsatz des Innenfutters, der zugleich einen Teil der Tasche bilde. Der Fachmann werde sich angesichts der unspezifischen Offenbarung der Verbindung der Zugbänder zu den Airbag-Wandungen Gedanken machen, wobei er neben der weniger beständigen Klebeverbindung jedenfalls auch die Verbindung durch Nähte als eine der nahe liegenden Verbindungsarten berücksichtigen werde. Um die Luftdichtigkeit zu bewahren, sei das Vorsehen von zusätzlichen, die Wandungen des Airbags auskleidenden Gewebeschichten, an denen die Zugbänder mit Nähten befestigt würden, eine der naheliegenden Lösungen. Hierfür erhalte er jeweils aus den Druckschriften NK9 und NK10 entsprechende Hinweise. Zur Vermeidung von Undichtigkeiten an den luftundurchlässigen Wandungen der Vorrichtung gemäß der NK7 erhalte der Fachmann im Übrigen auch aus den weiteren Druckschriften NK8 und NK11, die ebenfalls eng verwandte technische Gebiete beträfen, Hinweise auf die streitpatentgemäße Ausgestaltung der Befestigung von Zugbändern an einer die Wandung auskleidenden Gewebeschicht.
31
Auch ausgehend von der Druckschrift NK12, die eine Schutzvorrichtung in Form eines Kleidungsstücks, wie (flexible) Unterwäsche, mit in elastischen Taschen angeordneten aufblasbaren Mitteln beschreibe, die an den Rändern versiegelte Wände der aufblasbaren Kammer aufwiesen, gelange der Fachmann, der ein den Träger behinderndes ballonartiges Aufblasen verhindern wolle, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK8, NK9 oder NK10 zum Gegenstand des Streitpatents. Dies gelte auch, wenn der Fachmann einen gleichmäßigeren Schutz durch den Airbag gemäß der NK12 sicherstellen wolle, wobei er die NK12 mit jeweils einer der Zugbänder offenbarenden Druckschriften NK7, NK9, NK10 oder NK23a kombiniere.
32
Zudem gelange der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK13, die eine Schutzjacke mit aufblasbaren Mitteln als Stoßschutz beschreibe, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK8, NK9 oder NK10, um die Form der aufblasbaren Mittel im aufgeblasenen Zustand zu kontrollieren, zum Gegenstand des Streitpatents.
33
Weiter sei der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von der Druckschrift NK21 nahe gelegt. Diese offenbare ein Kleidungsstück mit einem in einer elastischen Jacke integrierten Airbag. Zur Ausgestaltung des eine ebenmäßige Form aufweisenden Airbags werde der Fachmann die NK9 oder NK10 heranziehen und einen Airbag in die Jacke gemäß NK21 integrieren, der über Zugbänder verfüge, die mit ihren Enden jeweils an den Gewebeschichten verbunden seien und das Gewebe zusätzlich mit einer Beschichtung abdichteten. Zudem wisse der Fachmann, dass er den Automobilairbag nur im Zuschnitt noch an die Jacke der NK21 bzw. an deren Tasche anpassen müsse.
34
Ebenso werde der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK22, die ein Kleidungsstück mit einem in einer Jacke integrierten Airbag offenbare, durch Kombination mit einer der Druckschriften NK9 oder NK10 zum Gegenstand des Streitpatents gelangen, wobei die Verwendung von elastischem Material für die Tasche allgemein bekannt und damit nahe gelegt sei.
35
Als Ausgangpunkt könne auch von der Druckschrift NK9 oder NK10 ausgegangen werden. Angesichts der Aufgabe des Streitpatents sei es nahe liegend, den Airbag in eine elastische Tasche von Kleidungsstücken zu integrieren.
36
Auch ausgehend von der Druckschrift NK23, soweit man diese nicht bereits als neuheitsschädlich ansehe, sei der Gegenstand des Streitpatents nahe gelegt. Die NK23 offenbare eine in eine Jacke integrierte aufblasbare Schutzvorrichtung. Der Fachmann, der besseren Schutz durch gleichmäßigeres Volumen gewährleisten wolle, kombiniere die Druckschrift mit einer die Ausgestaltung von Airbags mit Zugbändern beschreibenden Druckschriften NK7, NK9, NK10 oder NK23a.
37
Selbst wenn man – zu Unrecht – die objektive Aufgabe des Streitpatents darin sehe, ein Kleidungsstück zu entwickeln, das eine Schutzvorrichtung für Personen mit aufblasbaren Elementen umfasse, die nur ein Mindestmaß an Raum einnähmen und nach Sturz- oder Aufprallereignissen entleert wieder in eine platzsparende Position bringbar seien, so beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von einer der Druckschriften NK9 oder NK10 oder von dem vorbenutzten Airbag gemäß NK25/NK26, die jeweils Airbags mit Zugbändern und zwei Gewebeschichten sowie Wandungen zeigten, wäre der Fachmann durch Kombination mit einer der Druckschriften NK21 oder NK23, die jeweils einen in eine elastische Tasche von Kleidungsstücken integrierten Airbag offenbarten, zum Gegenstand des Streitpatents gekommen.
38
Auch die Gegenstände der Unteransprüche seien nicht neu oder beruhten jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
39
Die mit Schriftsatz der Beklagten vom 3. April 2018 eingereichten Hilfsanträge rügt die Klägerin als verspätet.
40
Die Klägerin beantragt,
41
das europäische Patent 2 412 257 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
42
Die Beklagte beantragt,
43
die Klage abzuweisen,
44
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 oder 2 gemäß Schriftsatz vom 3. April 2018 erhält.
45
Gemäß Hilfsantrag 1 werden in den erteilten Patentanspruch 1 im Anschluss an die Einleitung „Garment (2050) comprising a protection device (2001, 2101) and a pocket (2053, 2053a, 2053b)“ folgende Wörter eingefügt:
46
„formed by a covering surface and an inner flap and …“
47
Außerdem wird folgendes Merkmal angefügt:
48
„…, wherein the garment comprises stitches, hooks or other systems suitable for fixing the inflatable member to the covering surface or to the inner flap.“
49
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem erteilten Patentanspruch mit dem Unterschied, dass zwischen den Wörtern „… intended to house the protection device (2001, 2101), …“ und „… said protection device (2001, 2101) comprising …“ folgende Passage eingefügt wird:
50
„… the pocket being formed by a covering surface and an inner flap, wherein an insert made of elastic material is inserted within the covering surface forming a superficial discontinuity in the covering surface, …“
51
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
52
Übersetzung von EP 2 412 257 B1 (Streitpatent)
53
WO 2015/181734 A1
54
Verordnung (EU) 2016/425 vom 9. März 2016
55
Europäische Norm EN 1621-4 (August 2012)
56
Urteil des Landgerichts München I aus dem parallelen Verletzungsverfahren vom 11. August 2017 (21 O 11358/16)
57
Nach Auffassung der Beklagten erkennt der Fachmann bei gebotener Auslegung der Patentschrift im Lichte der Gesamtoffenbarung, dass mit dem Streitpatent eine Schutzvorrichtung zum Personenschutz bei Aufprall- und/oder Sturzereignissen von Motorradfahrern geschaffen werden solle, die in der Lage sein müsse, Körperteile beim Aufprall und/oder Sturz im Rahmen einer sportlichen Aktivität zu schützen. Ein Schutz gegen Unterkühlung oder in Fällen von Seenot sei hingegen nicht Gegenstand des Streitpatents.
58
Damit sei die Druckschrift NK6 nicht neuheitsschädlich. Sie offenbare schon keine Schutzvorrichtung, sondern ein Kleidungsstück für Flugzeugpiloten, das dem Anlegen einer Vielzahl von Transmittern diene, mit denen an verschiedenen Körperstellen taktile Reize zur Orientierung des Piloten in unübersichtlichen Flugsituationen erzeugt werden könnten. Die Hauptblase (main bladder) sei über das gesamte Kleidungsstück verteilt und befinde sich nicht in einer Tasche. Zudem offenbare die Druckschrift keine ersten und zweiten Gewebe, die erste und zweite Wandungen auskleideten. Zwar weise die Vorrichtung gemäß einer Ausführungsform eine Hilfsblase mit zwei Wandabschnitten auf. Keiner dieser Abschnitte kleide jedoch die erste oder zweite Wandung der Hauptblase aus. Außerdem seien die punktförmigen Nähte 32, die die Klägerin als Zugbänder bezeichne, zwischen den Wandabschnitten der Hilfsblase vorgesehen.
59
Auch die Druckschrift NK14 sei nicht neuheitsschädlich. In der einzigen zweischichtigen Ausführungsform gemäß Fig. 7a seien die streitpatentgemäßen Merkmale über die Wandungen und ihre Auskleidung mit Geweben nicht offenbart. Zudem verfolge die NK14 ein anderes Konzept, bei dem Hülle und Stege eine Art Käfig zur Begrenzung der Ausdehnung der einzelnen Kammern bildeten.
60
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Offenbarungsgehalt der NK23a wegen der nur allgemeinen Verweisung nicht in den der NK23 inkorporiert. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Es fehle jedenfalls an einer zumindest teilweise aus elastischem Material gefertigten Tasche. Das Material KEVLAR® sei in der NK23 unelastisch.
61
Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die kein Kleidungsstück mit Schutzfunktion betreffende Druckschrift NK6 bilde ebenso keinen geeigneten Ausgangspunkt wie die einen völlig anders aufgebauten Airbag betreffende Druckschrift NK14.
62
Die Druckschrift NK7 möge zwar ein geeigneter Ausgangspunkt sein, sie offenbare aber keine Tasche aus teilweise elastischem Material (Merkmal 1.2.1). Die Taschen 27, 28 seien nicht flexibel sondern würden aufgeklappt. Zudem beschreite sie hinsichtlich der Aufnahme einer Volumenvergrößerung des aufgeblasenen Airbags NK7 einen anderen Weg, indem andere Elemente, wie das insert 32, die Expansion aufnähmen.
63
Die Druckschrift NK8 befasse sich mit einem wärmeisolierenden Material für Schlafanzüge. Die Druckschriften NK9 bis NK11 beträfen Autoairbags und offenbarten keine Kleidungsstücke, insbesondere nicht solche mit elastischen Taschen zur Aufnahme eines aufblasbaren Mittels. Auch sei es fernliegend, bei der Suche nach Verbesserungen einer tragbaren Schutzvorrichtung Anregungen auf dem Gebiet von großflächigen Airbags (NK9, NK10, NK11), die ein Herausschleudern eines Fahrzeuginsassen aus dem Fahrzeugfenster verhindern sollen, zu suchen. Diese Airbags seien nicht so ausgebildet, dass der Fahrer nach einem Unfall möglichst schnell und aerodynamisch unverändert die Fahrt fortführen könne. Im Übrigen werde sich der mit der Weiterentwicklung von Motorradwesten befasste Fachmann nicht mit Autoairbags beschäftigen, ebenso wenig umgekehrt. Hierfür bietet die Beklagte Sachverständigenbeweis an.
64
Die Druckschrift NK12 offenbare bereits keine elastische Tasche und könne damit ebenfalls nicht zum Gegenstand des Streitpatents führen, zumal der Fachmann keine Veranlassung habe, die gemäß der NK12 möglichst kleinen Airbags (Abs. 0013) durch andere Airbags zu ersetzen.
65
Auch auf das in der Druckschrift NK13 offenbarte Kleidungsstück für Seenotrettungssituationen würde der Fachmann zur Weiterbildung des Airbags gemäß der NK7 nicht zurückgreifen. Das elastische Mittel 165 verbinde lediglich in den Taschen eingearbeitetes Isolationsmaterial 80. Die Tasche selbst sei nicht aus elastischem Material gefertigt (Merkmal 1.2.1).
66
Die Druckschrift NK23 gebe keine Veranlassung, einen geänderten Airbagaufbau zu suchen. Bestenfalls würde der Fachmann den Nackenschutz gemäß der Druckschrift NK23a abwandeln, der aber nicht in einer Tasche angeordnet sei. Auch der weitere Stand der Technik offenbare keine elastische Tasche. Dies gelte insbesondere für die Druckschriften NK21 und NK22, die andere Lösungen für die Integration des Airbags vorsähen.
67
Auch die Gegenstände der Unteransprüche, die gesondert verteidigt würden, seien patentfähig.
68
Erst recht seien die Gegenstände der Hilfsanträge patentfähig. Die Hilfsanträge seien mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 PatG auch nicht als verspätet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
69
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. In der Sache erweist sie sich jedoch als nicht begründet.
I.
70
1. Das Streitpatent betrifft ein Kleidungsstück zur Verwendung mit einer Schutzvorrichtung zum Personenschutz, welche in der Lage ist, einen Insassen, einen Motorradlenker oder einen ähnlichen Benutzer bei Aufprall- und/oder Sturzereignissen im Rahmen einer sportlichen und/oder beruflichen Aktivität zu schützen.
71
2. Die Aufgabe des Streitpatents ist darin zu sehen, ein Kleidungsstück bereitzustellen, das eine Schutzvorrichtung für Personen mit aufblasbaren Elementen umfasst, die nur ein Mindestmaß an Raum einnehmen und nach Sturz- oder Aufprallereignissen entleert wieder in eine platzsparende Position bringbar sind.
72
Diese Aufgabe ist nicht spezifisch für den Bereich des Motorradrennsports. Auch bei anderen Aufprall- und/oder Sturzereignissen im Rahmen einer sportlichen und/oder beruflichen Aktivität ist es für den Benutzer des Kleidungsstücks wichtig, dass die aufblasbaren Elemente entleert wieder in eine platzsparende Position bringbar sind, um den Ort des Ereignisses, der ggf. noch Gefahren birgt, ungehindert zu verlassen.
73
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 durch ein Kleidungsstück mit folgenden Merkmalen:
74
1 Garment (2050) comprising
75
1.1 a protection device (2001, 2101) and
76
1.2 a pocket (2053, 2053a, 2053b)
77
1.2.1 made at least partly of elastic material and
78
1.2.2 intended to house the protection device (2001, 2101),
79
1.3 said protection device (2001, 2101) comprising an inflatable member (2002, 2102) inside which an internal chamber (2003) is defined and
80
1.4 a plurality of tie members (2005) which are distributed inside the internal chamber (2003) and stably connected to respective surface portions (2015, 2016, 2018, 2019) of said inflatable member (2002, 2102),
81
1.5 wherein said inflatable member (2002, 2102) includes a first wall (2015) and a second wall (2016) which are fixed together along respective perimetral edges (2020, 2021) so as to form said internal chamber (2003),
82
1.6 a first mesh (2018), which lines internally at least partly said first wall (2015), and a second mesh (2019) which lines internally at least partly said second wall (2016),
83
1.7 said tie members (2005) having opposite ends (2005a, 2005b) which are fixed respectively to said first mesh (2018) and to said second mesh (2019).
84
In der deutschen Übersetzung lautet die Merkmalsgliederung:
85
1 Kleidungsstück (2050), umfassend
86
1.1 eine Schutzvorrichtung (2001, 2101) und
87
1.2 eine Tasche (2053, 2053a, 2053b),
88
1.2.1 die zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigt ist und
89
1.2.2 ausgebildet ist, um die Schutzvorrichtung (2001, 2101) aufzunehmen,
90
1.3 wobei die Schutzvorrichtung (2001, 2101) ein aufblasbares Mittel (2002, 2102), in dem eine innere Kammer (2003) definiert ist, und
91
1.4 mehrere Zugbänder (2005) umfasst, welche innerhalb der inneren Kammer (2003) verteilt und fest mit entsprechenden Flächenteilen (2015, 2016, 2018, 2019) des aufblasbaren Mittels (2002, 2102) verbunden sind,
92
1.5 wobei das aufblasbare Mittel (2002, 2102) eine erste Wandung (2015) und eine zweite Wandung (2016) umfasst, welche an den entsprechenden Umfangskanten (2020, 2021) derart miteinander verbunden sind, dass die innere Kammer (2003) ausgebildet wird,
93
1.6 ein erstes Gewebe (2018), welches im Innern wenigstens zum Teil die erste Wandung (2015) auskleidet, und ein zweites Gewebe (2019), welches im Innern wenigstens zum Teil die zweite Wandung (2016) auskleidet,
94
1.7 wobei die Zugbänder (2005) gegenüberliegende Enden (2005a, 2005b) aufweisen, welche jeweils mit dem ersten Gewebe (2018) und dem zweiten Gewebe (2019) verbunden sind.
95
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Diplom-Textilingenieur mit mehrjähriger praktischer Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung und Umsetzung von technischen Textilien und Schutzbekleidung, insbesondere Schutzbekleidung im Motorradbereich.
II.
96
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs1 erfordert zunächst eine Auslegung einzelner Merkmale.
97
a) Unter den Anspruchswortlaut fällt jedes Kleidungsstück (Merkmal 1) mit einer in einer Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material angeordneten, aufblasbaren Schutzvorrichtung. Das Kleidungsstück kann beispielweise ein Motorradanzug sein (vgl. Abs. [0024]). Darauf ist der Anspruch 1 seinem Wortlaut nach jedoch nicht beschränkt. Neben Motorradfahrern sollen auch andere Nutzer bei Aufprall- und/oder Sturzereignissen im Rahmen einer sportlichen und/oder beruflichen Aktivität geschützt werden (vgl. Abs. [0001]).
98
b) Die Schutzvorrichtung (Merkmal 1.1) umfasst ein aufblasbares Element, das in seinem Inneren eine Innenkammer definiert, in welcher eine Mehrzahl von Zugelementen verteilt und auf stabile Weise mit entsprechenden Oberflächenabschnitten des aufblasbaren Elements verbunden ist (vgl. Abs. [0018]). Dabei ist die Schutzvorrichtung nicht das Kleidungsstück selbst, sondern ist in einer daran angeordneten Tasche aufgenommen (vgl. Abs. [0186] bis [0188] i. V. m. Fig. 43, 44, 45).
99
c) Eine streitpatentgemäße Tasche (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.2.2) dient der Unterbringung der Schutzvorrichtung. Die Tasche ist zumindest teilweise aus elastischem Material gefertigt, wodurch sich die Tasche an die aufgeblasene und entleerte Form des aufblasbaren Elements anpasst (vgl. Abs. [0018], [0019], [0188] i. V. m. Fig. 43, 44, 45).
100
d) Ein eine Wandung zum Teil auskleidendes Gewebe ist ein an der Wandung anliegendes, nicht beabstandetes Gewebe, das die Wandung teilweise überdeckt (Merkmal 1.6).
101
2. Das Kleidungsstück gemäß Patentanspruch 1 ist neu.
102
Keine der Entgegenhaltungen offenbart unmittelbar und eindeutig sämtliche im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Merkmale.
103
a) Die Druckschrift NK6 betrifft ein Kleidungsstück, insbesondere ein Kleidungsstück zum Anlegen eines Drucks an einen Träger und/oder zum Positionieren und Anlegen eines Drucks an Transmitter (Taktoren, Bio-Feedback-Sensoren), um sie gegen den Träger des Kleidungsstücks zu drücken, während Körperbewegungen unter positiver oder negativer Schwerkraft erfolgen (vgl. Abs. [0001]).
104
Das Kleidungsstück (garment 10) umfasst als Schutzvorrichtung wirkende aufblähbare Elemente (main bladder 12, auxiliary bladder 60) und ein Innenfutter (lining 82), das sich im Bereich des Schritts und der Achselhöhlen als Gewebe (mesh portions 26, 28, 30) fortsetzt (vgl. Abs. [0044], [0046] i. V. m. Fig. 1, 2 sowie Abs. [0051] i. V. m. Fig. 3).
105
Das Innenfutter 82 und dessen Gewebe-Fortsätze in den Bereichen des Schritts 26 und der Achselhöhlen 28, 30 bilden eine dem Körper zugewandte Schicht des Kleidungsstücks 10 (vgl. Fig. 1 bis 6). Die umfangsseitigen Nähte (peripheral seams 38) gehören zum aufblähbaren Element 12 und bilden dessen luftdichte Abdichtung (vgl. Abs. [0048]).
106
Der Schichtaufbau ist in den Fig. 3 bis 6 dargestellt. Das Innenfutter 82 bildet die innere Schicht, auf der die innere Wand (inner wall 70) und die äußere Wand (outer wall 72) des aufblähbaren Element 12 angeordnet sind. Eine weitere, das aufblähbare Element 12 nach außen abdeckende Schicht, ist nicht dargestellt. Auch wenn das aufblähbare Element 12 ein weiteres aufblähbares Element für konkave Körperstellen (auxiliary bladder 60) aufnimmt, bilden weder das aufblähbare Element 12 selbst noch dessen äußere Wand 72 zusammen mit dem Innenfutter 82 eine Tasche.
107
Demnach offenbart die Druckschrift NK6 keine zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigte Tasche zur Aufnahme einer Schutzeinrichtung (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.2.2).
108
b) Die Druckschrift NK14 betrifft einen Airbag für Kleidungsstücke in Gestalt eines einwandigen (vgl. Abs. [0009] i. V. m. Fig. 1a) und eines doppelwandigen (vgl. Abs. [0016] i. V. m. 7a, 7b) Airbags.
109
Das am Körper 10 anliegende Kleidungsstück 5 ist im Bereich des Airbags 1 doppelwandig ausgebildet, so dass eine Tasche 6 für den Airbag 1 entsteht. Die Tasche 6 kann beispielsweise aus einem wenig dehnbaren Material bestehen und einen Teil der Funktion der Hülle 2 übernehmen. Die Tasche 6 kann auch separat innen oder außen am Kleidungsstück 5 angebracht und abnehmbar sein (vgl. Abs. [0019] i. V. m. Fig. 12).
110
Bei dem Kleidungsstück kann es sich um eine Unterhose 14 handeln. Der Airbag 1 liegt in seiner Ruhestellung zusammen mit der Unterhose 14 am Körper 10 an. Ein in dieser Weise integrierter Airbag wird kaum wahrgenommen und kann daher im täglichen Leben getragen werden, ohne die Lebensqualität des Trägers zu beeinflussen (vgl. Abs. [0020] i. V. m. Fig. 14, 15a, 15b). Der erwähnte Tragekomfort bezieht sich nicht auf das Material der Unterhose, sondern auf das Anliegen des Airbags in seiner flachen Ruhestellung am Körper, wodurch der Airbag vom Träger nicht als störend empfunden wird (vgl. Abs. [0006], [0016]).
111
Die Hinweise, dass die Tasche beispielweise aus einem wenig dehnbaren Material bestehen kann bzw. dass es sich bei dem Kleidungsstück um eine Unterhose handelt, lassen nicht – wie von der Klägerin vorgetragen – den unmittelbaren und eindeutigen Schluss zu, dass eine solche Tasche zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigt ist (Merkmal 1.2.1).
112
Die Klägerin verweist auf die Abs. [0010], [0016], wonach die innere Schicht nur beispielsweise fluiddicht und dehnbar ist, während die äußere Schicht ein fluiddurchlässiges, weniger dehnbares Gewebe (Baumwolle, Polyester, Polyamid) sei. Im Umkehrschluss sei damit unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die innere Schicht und die als Zugbänder anzusehenden Stege auch aus einem Gewebe gebildet seien. Dies ergäbe sich auch aus den Ansprüchen 8 bis 10.
113
Dieser Umkehrschluss kann nicht gezogen werden. Ein erstes Gewebe, welches im Innern wenigstens zum Teil eine erste Wandung auskleidet, und ein zweites Gewebe, welches im Innern wenigstens zum Teil die zweite Wandung auskleidet, sind damit nicht unmittelbar und eindeutig offenbart (Merkmal 1.6).
114
Hingegen ist der in Abs. [0010] beispielhaft genannte zweischichtige Aufbau in Abs. [0016] detailliert beschrieben. Die äußere Schicht, die Hülle 2, und die Stege 3 sind aus einem wenig dehnbaren, fluiddurchlässigen Material gefertigt, während die innere Schicht 9 aus einem dehnbaren luftdichten bzw. fluiddichten Material besteht und zwischen der Hülle 2 und den Stegen 3 angeordnet ist. In der flachen Ruhestellung ist das dehnbare Material 9 zusammengezogen, bildet beispielsweise schmale Bänder innerhalb der Hülle 2 und nimmt dadurch nur einen Teil der Fläche der fluiddurchlässigen Hülle 2 ein, so dass der Träger im Bereich des Airbags wenig schwitzt (vgl. Abs. [0010], [0016] i. V. m. Fig. 7a, 7b).
115
Dieser Vorteil entfällt, wenn die innere Schicht als Gewebe und die Stege als Zugbänder aus einem wenig dehnbaren, fluiddurchlässigen Material (Baumwolle, Polyester, Polyamid) ausgebildet und von einer als streitpatentgemäßen Wandung anzusehenden äußeren Schicht aus einem fluiddichten Material vollständig umschlossen sind. Die Fläche der fluiddichten äußeren Schicht entspricht dann auch in der Ruhestellung der Fläche der wenig dehnbaren, fluiddurchlässigen inneren Schicht. Infolge der nun größeren Fläche des fluiddichten Materials wird der Träger nun mehr schwitzen. Diese der Lehre der Druckschrift NK14 widersprechende Variante eines zweischichtigen Aufbaus liest der Fachmann nicht unmittelbar mit.
116
Nichts anderes gilt für den Wortlaut der Ansprüche 8 bis 10, die das Merkmal 1.6 ebenso nicht unmittelbar und eindeutig offenbaren.
117
c) Die Druckschrift NK23 offenbart ein von einem Jockey 10 getragenes, eine Schutzvorrichtung (airbags) umfassendes Kleidungsstück (jacket 14) (vgl. Sp. 4, Z. 54 bis 67; Merkmale 1, 1.1).
118
Die aufblasbare Schutzvorrichtung (layer 84 of mini-airbags, air-pockets 86) ist zwischen einer äußeren Schicht (outer layer 80 of ballistic nylon) und einer inneren Schicht (inner layer 90 of ballistic nylon) des Kleidungsstücks angeordnet (vgl. Sp. 8, Z. 48 bis 65 i. V. m. Fig. 5).
119
Die Klägerin ist der Auffassung, durch die Nennung von Gummi und Neopren als geeignete Materialien für die Jacke, sei ein elastisches Material für eine Tasche offenbart (vgl. Sp. 9, Z. 16 bis 22). Auch das dort genannte KEVLAR® sei elastisch.
120
Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. Die zitierte Textstelle besagt, dass geeignete Jacken-Materialien auch solche für die Airbagkonstruktion verwendete Materialen, wie Gummi mit textilem Überzug (rubber with cloth covers) oder Neopren mit KEVLAR® Aramidfaser-Verstärkung (neoprene with KEVLAR® aramid fiber reinforcement) sind.
121
Die Angabe „reinforcement“ beschreibt die Verstärkung als den eigentlichen Zweck der „KEVLAR® aramid fiber“ im Material „neoprene with KEVLAR® aramid fiber reinforcement“. Mit der Aramidfaser ist die Form des Airbags im aufgeblasenen Zustand vorgegeben, während Neopren die Abdichtung bewirkt. Nichts anderes gilt für das Material „rubber with cloth covers“.
122
KEVLAR® selbst ist ein Aramid, das zugfest und zäh ist, aber einen geringen Elastizitätsmodul aufweist. Die Erwähnung von „elastic kevlar“ im Streitpatent (vgl. Abs. [0067]) als elastisches Material mit hoher Reißfestigkeit weist daher abweichend von dem in der Druckschrift NK23 beschriebenen KEVLAR®-Material auf ein speziell ausgebildetes KEVLAR® mit zusätzlichen elastischen Eigenschaften hin.
123
In der Druckschrift NK23 sind keine elastischen Eigenschaften der genannten drei Materialien beschrieben. Demnach ist auch keine teilweise aus diesen Materialien angefertigte Tasche elastisch ausgebildet (Merkmal 1.2.1).
124
Die Schutzvorrichtung umfasst aufblasbare Mittel (layer 84 of mini airbags, air pockets 86), in denen eine innere Kammer definiert ist (vgl. Sp. 8, Z. 55 i. V. m. Fig. 5; Merkmal 1.3).
125
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf Sp. 9, Z. 6 bis 15 geltend macht, dass die Mini-Airbags 84 in die Lufttaschen 86 integriert werden vermag ihr der Senat nicht zu folgen.
126
Dort ist ab Z. 10 ausgeführt:
127
„Also, the ordering of the layers of FIG. 5 can be changed without departing from the scope of the invention. By way of a further example, the air pockets 86 can be inverted with the layer 84 of mini-airbags. This ordering is sometimes preferred by providing a more comfortable fit to the body once the jacket is actuated.”
128
Demnach können beide Schichten (air pockets 86, layer 84 of mini-airbags) miteinander vertauscht werden. Diese [umgekehrte] Reihenfolge ist manchmal bevorzugt, um bei aktivierter Jacke eine komfortablere Anpassung an den Körper bereitzustellen.
129
Somit fehlt es neben den Zugbändern (Merkmale 1.4, 1.7) bereits an einem aufblasbaren Mittel mit einer ersten und einer zweiten Wandung, sowie einem ersten Gewebe, welches im Innern wenigstens zum Teil die erste Wandung auskleidet, und einem zweiten Gewebe, welches im Innern wenigstens zum Teil die zweite Wandung auskleidet (Merkmale 1.5, 1.6).
130
Zu den fehlenden Merkmalen 1.4 bis 1.7 verweist die Klägerin auf die in Sp. 9, Z. 31 bis 42 der Druckschrift NK23 einbezogene Druckschrift NK23a. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die dort erwähnten weiteren Materialtechnologien, Luft- und Gasquellen und Betätigungsmechanismen sowie weitere nützliche Informationen, also auch die Lehre aus der Druckschrift NK23a (US 5,402,535), sich auf alle Figuren bezögen, die im Anschluss an diese Textstelle in der Druckschrift NK23 diskutiert würden. So könnten die Lufttaschen (air pockets 86) gemäß Druckschrift NK23 durch einen aus der Druckschrift NK23a bekannten großen Airbag, der auch Zugbänder aufweise, ersetzt werden.
131
Der Senat schließt sich dieser Sichtweise nicht an. Die Einbeziehung umfasst nur die Gegenstände, die in der einbezogenen Druckschrift unmittelbar und eindeutig offenbart sind.
132
Die Druckschrift NK23a betrifft einen von einer Person am Hals getragenen aufblasbaren Nackenschutz (vgl. Sp. 1, Z. 9 bis 11, Fig. 1, 2). Das aufblasbare Element (inflatable member 21) des Nackenschutzes weist ein längliches geschlossenes röhrenförmiges Element oder eine Blase (elongated closed tubular member or bladder 23) aus Gummi, Nylon oder einem Elastomer mit einer äußeren Abdeckung (outer cover 25) auf, die aus einem synthetischen flexiblen Material wie NOMEX gebildet ist. Das aufblasbare Element 21 wird um den Hals der Person gelegt und mittels Befestigungselementen (fasteners 29, 31) zusammengefügt (vgl. Sp. 2, Z. 58 bis 63 i. V. m. Fig. 1, 3). Das Element 21 weist eine Lasche (tab 125) mit Schnappverschlüssen (snaps 127) zur Verbindung mit an der Weste (vest 129) angeordneten Schnappverschlüssen auf (vgl. Sp. 3, Z. 21 bis 24 i. V. m. Fig. 1).
133
Die von der Klägerin in der Druckschrift NK23 zitierte Textstelle (Sp. 9, Z. 31 bis 42) zur Einbeziehung der Druckschrift NK23a nimmt Bezug auf nachfolgend diskutierte Figuren in der NK23, zu denen auch ein Nackenschutz gehört (vgl. Sp. 10, Z. 15 bis 49 i. V. m. Fig. 6, 6A bis 6D).
134
Mit der Einbeziehung der Lehre der Druckschrift NK23a in die Druckschrift NK23 zählt nunmehr zwar eine weitere Ausführungsform eines Nackenschutzes zu deren Offenbarungsumfang. Der Druckschrift NK23a ist aber kein Hinweis zu entnehmen, dass der Nackenschutz in einer Tasche eines Kleidungsstücks aufgenommen ist (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.2.2).
135
Die weitere von der Klägerin in der Druckschrift NK23 angeführte Textstelle (vgl. Sp. 9, Z. 6 bis 10) beschreibt, dass aus fachmännischer Sicht eine andere oder alternative Mantelschichtung möglich ist, beispielweise durch das Einfügen zusätzlicher Schichten von Nylon zwischen die äußere Schicht 80 und die innere Schicht 90. Im darauffolgenden Satz (vgl. Sp. 9, Z. 10 bis 12) ist zudem die oben bereits angesprochene Änderung der Reihenfolge der Schichten erwähnt. Ein Zusammenhang zu den auf diese Textstellen nachfolgend erwähnten und mit einzubeziehenden Patenten (vgl. Sp. 9, Z. 31 bis 53) ist nicht ersichtlich.
136
d) Auch die übrigen Entgegenhaltungen offenbaren das Merkmal 1.2.1 nicht unmittelbar und eindeutig.
137
3. Das Kleidungsstück gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
138
a) Die Druckschrift NK7 betrifft eine aufblasbare Vorrichtung zum Schutz von Personen und ein eine solche Vorrichtung aufweisendes Kleidungstück (vgl. Abs. [0001]).
139
Das Kleidungsstück (garment 26) umfasst eine Tasche (pockets 27, 28) zur Aufnahme der Schutzvorrichtung (sac-like element 11) (vgl. Abs. [0001], [0027], [0038] i. V. m. Fig. 1 bis 8; Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.2.2).
140
Die Schutzvorrichtung ist als aufblasbares Mittel (inflatable sac-like element 11) ausgebildet, das eine erste und eine zweite Wandung (sheets 12) umfasst, die an ihren Umfangskanten unter Ausbildung einer inneren Kammer miteinander verbunden sind. In der inneren Kammer sind mehrere Zugbänder (flexible partition members P) verteilt und mit den Flächenteilen (sheets 12) des aufblasbaren Mittels fest verbunden angeordnet (vgl. Abs. [0014] bis [0016], [0027], [0032] i. V. m. Fig. 4; Merkmale 1.3, 1.4, 1.5).
141
Bei normalem Gebrauch sind die Taschen (pockets 27, 28) an dem Rückteil (back portion 29) des Kleidungsstücks gefaltet. Zwischen dem Rückenteil und dem Vorderteil (front portion 31) sind an der Schulter und den Seiten elastische Einsätze (resilient inserts 32) angeordnet. Diese Einsätze lassen die Expansion der Schutzvorrichtung zu, bei der sich auch die Taschen unter Öffnung ihrer Befestigungselemente (fastening elements 30) entfalten (vgl. Abs. [0038] bis [0040], [0047], Fig. 8, 10).
142
Die elastischen Einsätze sind keine Fortsätze des Rückenteils und gehören daher nicht zur Tasche. Die Taschen selbst sind nicht aus zumindest teilweise elastischem Material angefertigt (Merkmal 1.2.1).
143
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Art der Verbindung der Zugbänder an den Wandungen in der Druckschrift NK7 nicht beschrieben sei (vgl. Abstract, Abs. [0032] i. V. m. Fig. 4). Bei einer Nahtverbindung entstünden Löcher in den Wandungen, dies führe zu einer nicht gewollten Luftdurchlässigkeit der Wandungen. Der Fachmann habe daher Anlass, im Stand der Technik nach Lösungen zu suchen, wie trotz einer Nahtverbindung die Luftundurchlässigkeit der Wandungen gewährleistet sei. Eine solche Lösung sei in der Druckschrift NK8 beschrieben. Alternativ würde der Fachmann die Druckschrift NK9 oder NK10 bzw. NK11 i. V. m. dem allgemeinen Fachwissen berücksichtigen.
144
Die Druckschrift NK8 offenbart ein aufblasbares, mehrlagiges Gewebe zur Wärmeisolierung und zur Herstellung von Schlafanzügen (vgl. Sp. 1, Z. 14 bis 17). Das Gewebe weist zwei mittels Verbindungsfäden (connector warps 20) verbundene Lagen (two plies 10, 11) auf, deren äußere Oberfläche zu Dichtheitszwecken gummiert oder beschichtet ist (vgl. Sp. 2, Z. 54 bis 57, Sp. 2, Z. 69 bis Sp. 3, Z. 7 i. V. m. Fig. 1).
145
Die Druckschrift NK9 betrifft eine Schutzvorrichtung für Kraftfahrzeuge (vgl. Abs. [0003], [0013]). Die Fig. 4 zeigt einen Querschnitt durch zwei vorkonfigurierte Seiten-Airbags (pre-configured side air curtains) gemäß Fig. 1 mit einer Textilstruktur aus zwei Gewebelagen (multi-layered woven textile fabric, textile fabric 10), Zugelementen (tethers 34) und einem Saum (woven connectors 44). Die beiden Gewebelagen weisen außenseitig eine Beschichtung (polymeric film coatings 11, 12) auf (vgl. Abs. [0038] i. V. m. Fig. 4).
146
Die Druckschrift NK10 offenbart einen einstückig gewebten Airbag mit integral ausgebildeten Zugbändern. Der Airbag kann außenseitig beschichtet sein (vgl. S. 3, Z. 4 bis 8, Z. 30 bis 32).
147
Die Druckschrift NK11 betrifft eine am Dach eines Fahrzeugs angeordnete aufblasbare Schutzvorrichtung, welche die Fahrzeuginsassen bei einem seitlichen Aufprall oder einem Überschlag schützen soll (vgl. Abs. [0001], [0003]).
148
Ob der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK7 einen Anlass gehabt und die Druckschriften NK8, NK9, NK10 oder NK11 (letztere i. V. m. allgemeinem Fachwissen) berücksichtigt hätte, kann dahinstehen, da keine dieser Druckschriften eine Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material offenbart oder nahe legt (Merkmal 1.2.1).
149
b) Die Druckschrift NK12 betrifft ein Kleidungsstück (active protection garment, APG) mit darin angeordneten Airbags zum Schutz einer Person (vgl. Abs. [0009], [0010]; Merkmale 1, 1.1).
150
Die Airbags sind in dem Kleidungsstück direkt oder in Taschen (pockets) desselben angeordnet. Die in Taschen angeordneten Airbags lassen sich zur Reinigung der Kleidung entfernen (vgl. Abstract, Abs. [0010], [0013], [0044], [0121], [0122] i. V. m. Fig. 10; Merkmal 1.2, 1.2.2, 1.3).
151
Bei dem Kleidungsstück kann es sich u. a. um ein Unterhemd (undershirt), eine Unterhose (underpants) oder Unterwäsche (undergarment) handeln (vgl. Abs. [0112], [0115] i. V. m. Fig. 8A, 8B, 9A, 9B). Ein elastisches Material für die Tasche eines solchen Kleidungstücks ist damit noch nicht offenbart.
152
Hingegen ist offenbart, dass das Material des Kleidungsstücks aus Fasern hergestellt sein kann, die in ihrem nicht aktivierten Zustand (unactivated state) hochflexibel (highly flexible) sind. Nach der Aktivierung werden die Fasern steifer (rigid) und bieten zusätzlichen Schutz beim Aufprall (impact) und Rutschen (skid) besonders für Motorradfahrer bei einem Sturz. Bei den Fasern kann es sich um Nitinolfasern handeln, eine Nickel-Titan-Legierung mit Formgedächtniseigenschaften (shape-memory) (vgl. Abs. [0116], [0118]).
153
In den Fig. 5A bis 5C ist das Aufblasen einer Hose (shorts 10) während des Sturzes der tragendenden Person in drei Phasen dargestellt. Taschen an der Hose sind nicht gezeigt. Eine Vergrößerung der Hose oder einer Tasche setzt kein elastisches Material voraus. Hierfür reichen Faltungen des Materials aus.
154
Elastische Eigenschaften des Materials des Kleidungsstücks oder der daran angeordneten Taschen sind in der Druckschrift NK12 nicht offenbart (Merkmal 1.2.1).
155
Nach Auffassung der Klägerin dürften Kleidungsstücke mit Airbags den Träger nicht behindern. Eine solche unerwünschte Behinderung trete bei ballonartigem Aufblasen des Airbags in dieser Druckschrift jedoch auf (vgl. Fig. 5B, 5C). Dies sei bei Kleidungsstücken wie Unterwäsche nicht erwünscht. Der Fachmann habe daher Anlass nach Lösungen im Stand der Technik suchen, die ein ballonartiges Aufblasen verhinderten.
156
Ob der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK12 einen solchen Anlass gehabt und die von der Klägerin angeführten Druckschriften NK7, NK8, NK9, NK10 oder NK23a berücksichtigt hätte, kann dahinstehen. Auch diese Druckschriften offenbaren keine Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material oder legen eine solche nahe (Merkmal 1.2.1).
157
c) Die Druckschrift NK13 betrifft ein Kleidungsstück für Notfallsituationen, insbesondere eine Schutzjacke. Diese Schutzjacke soll vor Kälte schützen, dem Träger im Wasser Auftrieb verleihen und in der Größe anpassbar sein (vgl. Sp. 1, Z. 6 bis 10, Z. 25 bis 32, Sp. 1 Z. 66 bis Sp. 2, Z. 15; Merkmal 1).
158
Die Jacke umfasst eine von zwei Schichten (layer 82, 84) gebildete Tasche, in der eine Isolationsschicht (insulation layer 86) und aufblasbare Mittel (inflatable bladder 88) angeordnet sind, wobei im aufblasbaren Mittel 88 eine Kammer (inflatable chamber 102) definiert ist (vgl. Sp. 4, Z. 51 bis 56, Sp. 5, Z. 24 bis 28 i. V. m. Fig. 6; Merkmale 1.1, 1.2, 1.2.2, 1.3).
159
Zur Anpassung an verschiedene Körpergrößen können an der Isolationsschicht 80 elastische Mittel (elastic means 165) angeordnet sein, die sich gegenüber der Schicht 84 abstützen (vgl. Sp. 6, Z. 48 bis 56 i. V. m. Fig. 10). Damit ist zwar ein elastisches Element in der Tasche offenbart, aber noch keine teilweise aus elastischem Material angefertigte Tasche selbst (Merkmal 1.2.1).
160
Nach Auffassung der Klägerin weiß der Fachmann, dass aufblasbare Mittel, insbesondere solche ohne Zugelemente, in Kombination mit Kleidungsstücken aufgrund der Unförmigkeit im aufgeblasenen Zustand wenig akzeptiert sind. Der Fachmann habe daher Anlass, im Stand der Technik nach Lösungen zu suchen, die es erlauben, die Form des aufblasbaren Mittels im aufgeblasenen Zustand zu kontrollieren.
161
Eine solche Unförmigkeit im aufgeblasenen Zustand liegt hier nicht vor. Die Fig. 3 bis 6 zeigen das aufblasbare Mittel 88 umfassend zwei Schichten (sheets 98, 100). Mittels Nähten (welds, bonds 104) ist die aufblasbare Kammer 102 unterteilt (vgl. Sp. 5, Z. 24 bis 31). Diese Unterteilung verhindert eine unförmige, ballonartige Form im aufgeblasenen Zustand. Die Nähte 104 wirken bereits wie die streitpatentgemäßen Zugbänder.
162
Selbst wenn der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK13 die Druckschriften NK8, NK9 oder NK10 berücksichtigt hätte, führt diese Zusammenschau nicht zu einer Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material oder legt eine solche nahe (Merkmal 1.2.1).
163
d) Die Druckschrift NK21 offenbart ein Airbag-System für ein Fahrzeug, insbesondere für ein zweirädriges Kraftfahrzeug (vgl. Abs. [0002]).
164
Das System umfasst ein Kleidungsstück (jacket 10), das ein Vorderteil (front main section 10F) und ein Rückteil (rear main section 10R) aufweist, sowie mehrere Airbags (front air bag 20F, rear air bag 20R), in denen eine innere Kammer definiert ist. Die Airbags 20 sind an der Innenseite (backside) des Kleidungsstücks 10 befestigt (attached). Der frontseitige Airbag 20F ist auf der körperzugewandten Seite (back surface) des aufklappbaren Vorderteils 10F angeordnet. Der rückseitige Airbag 20R ist auf der dem Körper zugewandten Seite (back surface) des Rückenteils 10R angeordnet (vgl. Abs. [0033] i. V. m. Fig. 4; Merkmale 1, 1.1, 1.3).
165
Die in Fig. 4 gezeigte Darstellung des frontseitigen Airbags 20F mittels durchgezogener Linien für sichtbare Bereiche und gestrichelter Linien für verdeckte Bereiche an dem aufklappbaren Vorderteil 10F lässt erkennen, dass der frontseitige Airbag 20F dort angebracht und nicht in einer Tasche am oder im aufklappbaren Vorderteil 10F angeordnet ist. Gleiches gilt für die Darstellung des rückseitigen Airbag 20R bei Blick in das geöffnete Kleidungsstück 10. Die durchgezogene Linie zeigt die sichtbare Körperkante des rückseitigen Airbags 20R, während beispielsweise die gestrichelte Linie im Bereich der Schulter den vom vorderen Schulterabschnitt des Kleidungsstücks 10 verdeckten Bereich zeigt.
166
Die Darstellung beider Airbags 20F, 20R mit sichtbaren und verdeckten Körperkanten in Fig. 4 i. V. m. den Abs. [0031] bis [0034] offenbart eindeutig, dass beide Airbags innenseitig am Kleidungsstück und nicht in einer Tasche angeordnet sind. Bei in einer Tasche angeordneten Airbags 20F, 20R müssten diese mit durchgehend gestrichelter Linienführung dargestellt sein, da ihre Körperkanten von der sie aufnehmenden Tasche verdeckt wären.
167
Der Einwand der Klägerin, dass sich aus der Formulierung „is provided on, and integrated with“ in Abs. [0033] nicht nur die Anordnung der Airbags am Kleidungsstück sondern auch die Anordnung in einer Tasche im Kleidungsstück ergäbe, überzeugt daher nicht.
168
Die Druckschrift NK21 offenbart somit keine aus zumindest teilweise elastischen Material angefertigte Tasche zur Aufnahme der Schutzvorrichtung (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.2.2).
169
Nach Auffassung der Klägerin gebe diese Druckschrift zum Aufbau der Airbags keine Hinweise, so dass der Fachmann veranlasst sei, im Stand der Technik zu suchen.
170
Ob der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK21 einen solchen Anlass gehabt und die Druckschriften NK7, NK9 oder NK10 berücksichtigt hätte, kann dahinstehen, denn auch diese Druckschriften offenbaren keine Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material oder legen eine solche nahe (Merkmal 1.2.1).
171
e) Die Druckschrift NK22 betrifft einen Airbag für Motorradfahrer zur Verminderung der Verletzungen im Falle eines Unfalls (vgl. Sp. 1, Z. 3 und 4; Merkmale 1, 1.1).
172
Der Airbag soll beispielsweise direkt am Körper befestigt sein, d. h. an der Bekleidung mit einer Sollreißstelle. Dazu ist eine Anbringung im Futter eines Lederanzugs denkbar (vgl. Sp. 1, Z. 42 bis 44; Merkmale 1.2, 1.2.2).
173
Der Fachmann ist nach Auffassung der Klägerin nunmehr veranlasst, die aus den Druckschriften NK15, NK16 und NK21 bekannte Verwendung elastischen Materials an Motorradkleidung auch auf eine einen Airbag aufnehmende Tasche zu übertragen, da dies vor dem Hintergrund des technischen Problems des Streitpatents objektiv zweckmäßig sei.
174
Diese Veranlassung ist ausgehend von der Druckschrift NK22 nicht gegeben. Elastische Eigenschaften der Bekleidung sind dort nicht beschrieben. Hingegen ist eine Sollreißstelle an der Bekleidung vorgeschlagen, welche das Entfalten des Airbags zulässt.
175
Der Hinweis auf den PKW-Bereich (vgl. Sp. 1, Z. 25, 26) würde den Fachmann gemäß Klägersicht veranlassen, auf Fachwissen aus dem Automobilbereich zurückzugreifen und in den Druckschriften NK9 und NK10 offenbarte Airbags in Betracht ziehen.
176
Ob der Fachmann ausgehend von der Druckschrift NK22 den von der Klägerin vorgetragenen Anlass gehabt und die Druckschriften NK9 oder NK10 berücksichtigt hätte, kann letztlich dahinstehen. Auch diese Druckschriften offenbaren keine Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material oder legen eine solche nahe (Merkmal 1.2.1).
177
f) Wie zur Neuheit bereits ausgeführt, offenbart die Druckschrift NK23 auch bei Einbeziehung der Druckschrift NK23a keine zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigte Tasche (Merkmal 1.2.1).
178
Auch die von der Klägerin genannten Druckschriften NK7, NK9 und NK10, die in Verbindung mit den Druckschrift NK23 und der einbezogenen Druckschrift NK23a eine mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents belegen sollen, offenbaren keine solche Tasche oder legen diese nahe (Merkmal 1.2.1).
179
g) Die Druckschrift NK24 betrifft ein mit einem Airbag ausgerüstetes Kleidungstück, insbesondere ein Schutzsystem für Motorradfahrer bei Unfällen (vgl. Abs. [0001]). Eine zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigte Tasche zur Aufnahme eines Airbags offenbart diese Druckschrift nicht (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.2.2).
180
Die Klägerin macht geltend, dass der Schutz des Motorradfahrers durch ein von PKW bekanntes Airbagkonzept realisiert sei, wobei die Airbags so angepasst werden, dass sie die erforderliche Form der Kleidung annähmen (vgl. Abs. [0016]).
181
Ob der Fachmann diesem Hinweis folgt und aus dem Automobilbau bekannte Airbagkonzepte auch auf in Taschen eines Kleidungsstücks angeordnete Airbags überträgt, kann dahinstehen, da diese Airbagkonzepte (vgl. NK9, NK10, NK11) keine zumindest teilweise aus elastischem Material angefertigte Tasche zur Aufnahme eines Airbags offenbaren oder nahe legen.
182
h) Auch die im Streitpatent genannte Druckschrift NK4 führt nicht weiter. Nach deren Lehre ist ein Airbag in der Tasche eines Kleidungsstücks angeordnet, um den Schutz von Sportlern, insbesondere Motorradfahrern, bei Stürzen zu erhöhen (vgl. S. 1, Z. 6 bis 9, S. 7, Z. 7 bis 12). Gemäß dieser Druckschrift existieren Bemühungen, Airbagsysteme für Motorradfahrer zu entwickeln, um ein Rennen trotz ausgelöstem Airbag fortsetzen zu können (vgl. S. 1, Z. 10 bis 13, S. 8. Z. 10 bis 13).
183
Das Problem, das mit dem dem Streitpatent zugrunde liegenden Problem vergleichbar ist, ist dort mit anderen Mitteln gelöst. Bei Aktivierung des Airbags (inflatable member 101) reißen die Nähte (seams 150) am Kleidungsstück (garment 104) definiert auf und der Airbag 101 tritt aus der Tasche (pocket 128) aus. Nach dem Sturz kann der ausgelöste Airbag 101 an den dafür vorgesehenen Verbindungsmitteln (connection means 103) vom Kleidungsstück 104 entfernt werden. Die geöffneten Taschen 128 sind dann durch zusätzliche Schließmittel (closing means 180) verschließbar (vgl. S. 8, Z. 3 bis 17 i. V. m. Fig. 5A, 5B, 7A).
184
Anregungen für eine Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material gibt die Druckschrift NK4 nicht.
185
i) Die Verwendung elastischen Materials an Kleidungsstücken ist auch aus den Druckschriften NK15 und NK16, nicht aber aus der Druckschrift NK17 bekannt.
186
Die Druckschrift NK15 betrifft eine Schutzkleidung für Rennfahrer, insbesondere für Motorradfahrer (vgl. Anspr. 1). Die Schutzkleidung weist aufblasbare Kissen auf, zu deren Entfaltung und Ausdehnung die Schutzkleidung über elastische Einsätze 2, 3, 4 aus zwei oder mehr Lagen elastischen luftdurchlässigen Materials verfügt. Diese Einsätze verleihen dem Träger bzw. Motorradfahrer zudem Bewegungsfreiheit und fördern die Durchlüftung der Schutzkleidung (vgl. S. 5, letzter Abs. bis S. 7, 1. Abs., S. 8, letzter Abs. bis S. 9, 2. Abs. i. V. m. Fig. 1 bis 3, 5).
187
Die Verwendung elastischen Materials an der Außenseite eines Sicherheitsanzugs für Zweiradfahrer ist in der Druckschrift NK16 beschrieben. Zwischen die Innenlage 2 und die elastische Außenlage 3 wird Gas zur Bildung von Gaspolstern eingeblasen (vgl. Anspr. 1, Sp. 1, Z. 20 bis 30, Z. 50 bis 54). Der Anzug ist demnach selbst die Schutzvorrichtung. Daher führt die Lehre dieser Druckschrift von einer in einer Tasche angeordneten Schutzeinrichtung weg.
188
Die Druckschrift NK17 offenbart ein mehrteiliges Kleidungsstück mit Schutzeinrichtungen, umfassend u. a. eine Weste aus flexiblen Verbundmaterial (vgl. Anspr. 1, 2, 3), nicht aber aus elastischem Material.
189
Diese Druckschriften geben keine Hinweise auf in einer Tasche aus teilweise elastischem Material angeordnete Airbags (Merkmal 1.2.1) und gehen nicht über den Offenbarungsgehalt der Druckschrift NK21 hinaus, die bereits die Verwendung elastischen Materials an einem Kleidungsstück beschreibt, welches das Aufblasen und die Entfaltung eines an dem Kleidungsstück angeordneten Airbags zulässt.
190
Da die Verwendung elastischen Materials bei aufblasbaren Kleidungsstücken bekannt sei, stelle sich nach Auffassung der Klägerin die Verwendung elastischen Materials für die Tasche für den Fachmann als objektiv zweckmäßig dar und läge daher für ihn nahe (vgl. BGH GRUR 2014, 647, 649 – Farbversorgungssystem).
191
Der Stand der Technik offenbart nicht unmittelbar und eindeutig die Verwendung elastischen Materials für eine einen Airbag aufnehmende Tasche eines Kleidungsstücks, sondern schlägt die Verwendung des elastischen Materials an von der Tasche verschiedenen Bereichen des Kleidungsstücks vor.
192
Daher gehört die Verwendung elastischen Materials für eine solche Tasche als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach noch nicht zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns. Mangels Kenntnis über eine solche Verwendung stellt sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang noch nicht als objektiv zweckmäßig dar.
193
j) Auch ausgehend von der Druckschrift NK9 oder NK10 in Zusammenschau mit der Druckschrift NK21 oder NK23 gelangt der Fachmann nicht zu einer Tasche aus zumindest teilweise elastischem Material (Merkmal 1.2.1).
194
Dies gilt ebenso für den Airbag eines VW Touran, dessen Vorbenutzung die Klägerin mit dem Anlagenkonvolut NK25 und dem Dokument NK26 geltend gemacht hat, in Zusammenschau mit der Druckschrift NK21 oder NK23.
195
4. Somit hat der Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung Bestand. Die Unteransprüche 2 bis 5 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und haben daher zusammen mit diesem Anspruch ebenfalls Bestand.
196
Auf die Hilfsanträge 1 und 2 der Beklagten einzugehen, erübrigt sich daher.
III.
197
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
198
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
199
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
200
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
201
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.