Sozialrecht

Elterngeld Plus – Anrechnung von Krankengeld im Bezugszeitraum

Aktenzeichen  B 10 EG 3/20 R

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:180321UB10EG320R0
Normen:
§ 3 BEEG vom 10.09.2012
§ 4 BEEG vom 18.12.2014
§ 26 Abs 2 BEEG vom 10.09.2012
§ 44 SGB 5
Art 3 Abs 1 GG
Art 20 Abs 1 GG
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Lüneburg, 21. Mai 2019, Az: S 8 EG 3/17, Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 6. November 2019, Az: L 2 EG 6/19, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld ohne Anrechnung von Krankengeld.
2
Die Klägerin ist Mutter eines am 8.7.2015 geborenen Sohns. Mit diesem und dem Kindsvater lebte sie in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. Sie betreute und erzog ihr Kind selbst. Vor der Geburt ihres Sohnes war die Klägerin einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen und hatte zudem im geringen Umfang als selbstständige Rechtsanwältin gearbeitet. Für die ersten vier Lebensmonate ihres Sohnes wählte die Klägerin Basiselterngeld. Ab dem fünften Lebensmonat beantragte sie wegen einer beabsichtigten Teilzeittätigkeit Elterngeld Plus.
3
Mit Bescheiden vom 17.11. und 29.12.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Basiselterngeld für die ersten vier Lebensmonate und Elterngeld Plus für den fünften bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Für den Zeitraum des Elterngeld Plus-Bezugs ermittelte der Beklagte einen vorläufigen Zahlbetrag von monatlich 634,45 Euro.
4
Nach Ende ihres Mutterschutzes nahm die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit im Umfang von unter 30 Wochenstunden wieder auf. Bedingt durch eine Erkrankung bezog die Klägerin jedoch ab dem 7.4.2016 – jedenfalls bis zum Ablauf des Elterngeldbezugszeitraums – kein Erwerbseinkommen mehr, sondern Krankengeld. Aufgrund dessen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.9.2016 idF des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2017 endgültig Elterngeld Plus für den fünften bis achten Lebensmonat in Höhe von monatlich 828,36 Euro, für den neunten Lebensmonat in Höhe von 801,64 Euro und für den zehnten bis zwölften Lebensmonat in Höhe des Sockelbetrags von monatlich 150 Euro. Grund für die geringere Bewilligung ab dem neunten Lebensmonat war die Anrechnung des Krankengelds. Gegenüber der vorläufigen Bewilligung kam es zu einer Überzahlung von 609,88 Euro, die der Beklagte zurückforderte.
5
Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben, mit der sie den Bezug von Elterngeld Plus für den neunten bis zwölften Lebensmonat des Kindes ohne Anrechnung von Krankengeld begehrt. Das SG hat der Klage unter Verweis auf den Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung stattgegeben (Urteil vom 21.5.2019). Das LSG hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Die von der Klägerin beanstandete Anrechnung sei auch für das Elterngeld Plus ausdrücklich vorgesehen. Für eine weitergehende Auslegung oder Rechtsfortbildung sei kein Raum. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz werde hierdurch nicht verletzt. Im Ergebnis eröffne das Elterngeld Plus lediglich eine Option auf höhere Gesamtleistungen, deren tatsächliche Realisierung verbleibe jedoch in der Risikosphäre der betroffenen Eltern (Urteil vom 6.11.2019).
6
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4 Abs 3 iVm § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Wenn auf das Elterngeld Plus auch Krankengeld angerechnet werde, das nachgeburtliches (Teilzeit-)Einkommen ersetze, könne das Elterngeld sein Ziel, die Teilzeitarbeit während des Elterngeldbezugs zu fördern, nicht verwirklichen. Die finanzielle Sicherung ihrer Familie habe sich nach der Geburt des Kindes auf zwei Säulen, nämlich Erwerbseinkommen in Teilzeit und Elterngeld, gestützt. Die durch die Erkrankung weggefallene Säule des Erwerbseinkommens sei durch das Krankengeld ersetzt worden. Ließe das Krankengeld darüber hinaus auch die existenzsichernde Säule des Elterngelds entfallen, gehe dies über das “normale” eigene Risiko der weiteren Arbeitsfähigkeit hinaus. Eine derartige Vermischung von Elterngeld und Krankengeld sei nicht gewollt und auch sozialpolitisch nicht vertretbar. Trotz Vollzeittätigkeit vor der Geburt verbleibe ihr für den zehnten bis zwölften Lebensmonat ihres Kindes lediglich Elterngeld in Höhe des (halben) Mindestbetrags. Dies verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und tangiere auch das Sozialstaatsprinzip. Die Möglichkeit, das gewählte Modell im Nachhinein zu ändern – auf die das LSG hingewiesen habe -, sei Bestandteil der Beratungspflicht des Beklagten, der dieser nur unzureichend nachgekommen sei.
7
Die Klägerin beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. November 2019 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. Mai 2019 zurückzuweisen.
8
Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9
Er verteidigt das angegriffene LSG-Urteil. Ergänzend trägt er vor, eine Beratung sei im Streitfall bereits deswegen nicht möglich gewesen, da die Klägerin die Tatsache, dass sie Krankengeld beziehe, trotz Hinweises im Leistungsbescheid nicht frühzeitig, sondern erst im Rahmen der endgültigen Bewilligung nach Beendigung des Bezugszeitraums mitgeteilt habe.


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