Sozialrecht

Erstattung der vollen Kosten eines Widerspruchsverfahrens

Aktenzeichen  S 11 R 1211/15

Datum:
22.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X SGB X § 63
SGB VI SGB VI § 102
SGG SGG § 87, § 90, § 102

 

Leitsatz

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen sind zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Für die Kostenquote kommt es daher entscheidend auf den Umfang des Erfolges an, der vom Verfahrensgegenstand aus zu betrachten ist.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der Widerspruchsbescheid vom 19.05.2015 enthält hinsichtlich des Kostenausspruches eine selbstständige Beschwer.
Die entstandenen Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren betragen 431,79 Euro. Davon ist die Übernahme von 3/4 anerkannt, so dass die Klageforderung 107,95 Euro beträgt.
Die Klage ist jedoch sachlich nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten durch die Beklagte gemäß § 63 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.
Der Widerspruch ist insoweit erfolgreich gewesen, als dem Kläger eine Zeitrente von 26 Monaten gewährt wurde. Für die Kostenquote kommt es entscheidend auf den Umfang des Erfolges an, der vom Verfahrensgegenstand aus zu betrachten ist.
Der Kläger stellte einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Da § 102 SGG im Regelfall die Zeitrente vorsieht, ist von einer maximal dreijährigen Zeitrente als „gewollte“ Rente auszugehen, sofern der Streitgegenstand nicht näher eingegrenzt wird. Anders als die Beklagte ausführt, kann nicht von einer gewollten Dauerrente ausgegangen werden, zumal auch die Formblätter zur Rentenantragstellung eine Unterscheidung zwischen Zeitrente und Dauerrente nicht vorsehen.
Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 04.12.2015 eine befristete Rente von insgesamt zwei Jahren und zwei Monaten gewährt. Da seitens des Klägers ein Einverständnis mit einer Zeitrente von zwei Jahren und zwei Monaten nicht signalisiert wurde, hat die Beklagte den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2015 zurückgewiesen. Aus der Tatsache, dass der Kläger mit Erlass des Zeitrentenbescheides das Widerspruchsverfahren nicht als beendet ansah, musste die Beklagte davon ausgehen, dass sich das Widerspruchsverfahren mit Erlass des Zeitrentenbescheides nicht erledigt hat. Die Beklagte hatte somit entsprechend des Erfolges des Widerspruchsverfahrens (Zeitrente von 2 Jahren und 2 Monaten) eine Kostenquotelung vorzunehmen (vgl. Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 63 SGB X Rdnr. 21).
Unter Beachtung des Erfolges des Widerspruchsverfahrens (Zeitrente von 2 Jahren und 2 Monaten) und der im Regelfall gemäß § 102 SGG maximal möglichen Zeitrente von 3 Jahren ist eine Kostenübernahme seitens der Beklagten von 3/4 nicht zu beanstanden.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Klageforderung 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und keine wiederkehrende Leistungen von mehr als 1 Jahre betroffen sind. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil – soweit ersichtlich – von einer Entscheidung der höheren Gerichte ab.

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