Sozialrecht

Urlaubsabgeltung

Aktenzeichen  5 A 421/19 MD

Datum:
28.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0428.5A421.19MD.00
Normen:
§ 7 Abs 4 UrlVO
§ 7 Abs 4 UrlV ST 2014
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Eine Abgeltung von über den Mindestjahresurlaub hinausgehenden Urlaubsansprüchen sieht § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA nicht vor. Die analoge Anwendung anderer Rechtsvorschriften kommt wegen der gewollten Beschränkung der Abgeltung auf den Mindestjahresurlaub mangels Regelungslücke nicht in Betracht.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, bzw. soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus den Kalenderjahren 2014 bis 2016. Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt im Range eines Kriminalhauptmeisters tätig. Seine beiden Söhne sind 1996 und 2003 geboren. Der Kläger sparte in den Jahren 2001-2009 90 Tage Urlaub an. Seit Oktober 2011 war der Kläger mit Ausnahme von wenigen Monaten durchgängig dienstunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 17.08.2016 versetzte die Beklagte den Kläger mit Ablauf des 31.08.2016 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 13.11.2018 – 5 A 258/17 MD –).
Mit Bescheid vom 15.04.2020 gewährte die Beklagte als finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus den Kalenderjahren 2010-2016 für die Kalenderjahre 2015 und 2016 eine Urlaubsabgeltung für 33,3 Urlaubstage. Die Bezügestelle zahlte dem Kläger daraufhin mit den Versorgungsbezügen für November 2020 unter Berücksichtigung der dem Kläger für die letzten 3 Monate vor der Zurruhesetzung zustehenden Bezüge in Höhe von monatlich 3.617,81 € für die 33,3 Urlaubstage nach einem anteiligen Bruttobetrag i. H. v. 5.560,30 € einen Nettobetrag i. H. v. 4.271,09 € aus.
Mit der bereits am 09.12.2019 erhobenen Klage hat der Kläger Abgeltungsansprüche wegen des angesparten Urlaubs aus den Jahren 2001-2009 (90 Tage) und wegen des Erholungsurlaubs für die Jahre 2014 bis 2016 (insgesamt 48,96 Urlaubstage: anteilig 2,3 Tage für 2014, 28 Tage für 2015 und anteilig 18,66 Tage für 2016) in Höhe von insgesamt 23.216,04 € (15.036,30 € für 90 Tage Ansparurlaub zzgl. 8.179,74 € für 48,96 Tage Erholungsurlaub) nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit geltend gemacht. Die Geltendmachung von weitergehenden Urlaubsabgeltungsansprüchen für die Jahre 2011 – 2014 behalte er sich vor. Im Anschluss an die mit Bescheid vom 15.04.2020 gewährte und ausgezahlte Urlaubsabgeltung hat der Kläger geltend gemacht, der Auszahlungsbetrag sei zu gering. Auszugehen sei ausweislich der für August 2016 von einem monatlichen Bruttobetrag i. H. v. 3.619,89 € für die Monate vor der Zurruhesetzung, so dass sich die Gesamtforderung des Klägers für die 33,3 Tage auf 5.563,43 € belaufe. Wegen der Urlaubsabgeltungsansprüche hat der Kläger nunmehr Ansprüche für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von jeweils 20 Urlaubstagen (anstelle der ursprünglich geforderten 48,96 Tage) geltend gemacht. Der Abgeltungsanspruch für das Urlaubsjahr 2016 stehe dem Kläger in Höhe des Mindesturlaubs von 20 Tagen unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens im § 3 Abs. 2 S. 2 UrlVO LSA ungemindert zu, weil er erst in der 2. Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt worden sei.
Der Kläger hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15.04.2020 Urlaubsabgeltung für die Jahre 2015 und 2016 gewährt hat.
Er beantragt nunmehr noch,
die Beklagte zu verpflichten, ihm Urlaubsabgeltung für weitere 90 Urlaubstage zu bewilligen und ihm hierfür einen Betrag i. H. v. 15.036,30 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
Im Übrigen hat der Kläger seine Klage zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Klage sei als Untätigkeitsklage unzulässig, weil der Kläger vor Erhebung der Klage weder einen Antrag auf finanzielle Abgeltung gestellt noch ein Widerspruchsverfahren durchlaufen habe. Wegen der 90 Tage nicht in Anspruch genommenen Ansparurlaubs komme eine Urlaubsabgeltung nicht in Betracht, weil eine Urlaubsabgeltung nach der Urlaubsverordnung nur für den nicht in Anspruch genommenen Mindesturlaub vorgesehen sei. Für das Jahr 2011 stehe dem Kläger ein Abgeltungsanspruch nicht zu, weil er den Mindesturlaub in Anspruch genommen habe. Wegen der Jahre bis 2014 seien Urlaubsansprüche verfallen, weil sie nicht binnen 15 Monaten nach dem jeweiligen Kalenderjahr in Anspruch genommen worden seien. Für das Jahr 2015 stehe dem Kläger ein Abgeltungsanspruch für 20 Urlaubstage, für das Jahr 2016 anteilig für die Monate Januar bis August i. H. v. 13,3 Urlaubstagen zu.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf die gewährte Urlaubsabgeltung i. H. v. 33,3 Urlaubstagen in der Hauptsache für erledigt erklären haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen hat die Klage hat keinen Erfolg. Die Ablehnung der weitergehenden Urlaubsabgeltungsansprüche durch die Beklagte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die hier allein noch streitige Bewilligung einer finanziellen Abgeltung des in den Jahren 2001 bis 2009 angesparten und bis zur Zurruhesetzung nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs im Umfang von 90 Tagen kommt allein § 7 Abs. 4 UrlVO LSA in Betracht. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen liegen indes nicht vor. Nach dieser Regelung ist krankheitsbedingt vor Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht in Anspruch genommener Erholungsurlaub von Amts wegen im Rahmen des unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaubs von 4 Wochen abzugelten, soweit er nicht verfallen ist.
Der vom Kläger nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 UrlVO LSA mit Rücksicht auf die Betreuung seiner 1996 und 2003 geborenen Kinder angesparte Urlaub kann nicht finanziell abgegolten werden, weil es sich bei dem angesparten Urlaub nicht um den unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaub i. S. d. § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA handelt. Denn nach § 8 Abs. 1 UrlVO LSA können Beamte mit Dienstbezügen auf Antrag nur den über den unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaub von 4 Wochen hinausgehenden Urlaubsanspruch ansparen, solange sie mindestens ein Kind unter 12 Jahren tatsächlich betreuen.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 4 UrlVO LSA für eine Abgeltung von über den Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsansprüchen nicht in Betracht. Für eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 4 UrlVO LSA fehlt es an einer ausfüllungsbedürftigen, unbeabsichtigten Regelungslücke. Entsprechendes gilt für die vom Kläger erwogene analoge Anwendung des §§ 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes oder die entsprechende Anwendung der §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 i. V. m. 251 Abs. 1 BGB. § 7 Abs. 4 UrlVO LSA sieht nach dem klaren Wortlaut der Regelung einen Abgeltungsanspruch nicht für jeglichen Erholungsurlaub, sondern nur für den im Rahmen des unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaub von 4 Wochen für den Fall vor, dass der Beamte den Urlaub krankheitsbedingt vor Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht hat antreten können. Angesichts der nach Wortlaut und Gesetzessystematik bewussten Beschränkung des Umfangs des Abgeltungsanspruchs auf den unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaub kommt eine entsprechende Anwendung von Rechtsvorschriften zur Abgeltung auch des über den unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaub hinausgehenden angesparten Urlaubs nach Maßgabe des § 8 UrlVO LSA mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Die Urlaubsabgeltung ist in § 7 Abs. 4 UrlVO LSA für die Landesbeamten abschließend geregelt. Darüber hinausgehende Ansprüche sollten nach dem in Wortlaut und Gesetzessystematik zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht begründet werden, zumal weder ersichtlich noch geltend gemacht ist, dass oder weshalb eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen über den Mindesturlaub hinaus verfassungs- oder unionsrechtlich geboten sein könnte. Sind somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des die Urlaubsabgeltungsansprüche abschließend regelnden § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA – wie hier – nicht erfüllt, so darf der vom Gesetzgeber bezweckte Ausschluss von Abgeltungsansprüchen nicht durch eine Analogie unterlaufen werden.
Die Beklagte hat die für die 33,3 Urlaubstage bewilligte Urlaubsabgeltung auch der Höhe nach zutreffend bemessen. Zum einen ist die Beklagte bei der Wahl der Bemessungsgröße zutreffend von einer durchschnittlichen gewöhnlichen Besoldung der letzten 3 Monate vor Eintritt in den Ruhestand (vgl. § 7 Abs. 4 S. 4 UrlVO LSA) i. H. v. 3.617,81 € ausgegangen. Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 4 S. 5 UrlVO LSA das Grundgehalt (3.172,77 €), die allgemeine Stellenzulage (78,47 €), den Familienzuschlag Stufe 1 (128,91 €), den Familienzuschlag Stufe 2 (110,28 €) und eine Polizeizulage (127,38 €) berücksichtigt. Soweit der Kläger annehmen wollte, dass auch die in der Besoldungsmitteilung für August 2016 ebenfalls enthaltenen vermögenswirksamen Leistungen nach § 58 LBesG LSA i. H. v. 6,65 € bei der Bemessung zu berücksichtigen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze, weil nach § 7 Abs. 4 S. 7 UrlVO LSA bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von den Dienstbezügen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 und 6 und Abs. 4 Nr. 1 LBesG LSA auszugehen ist. Die vermögenswirksamen Leistungen nach den §§ 57 f. LBesG indes gehören nicht zu den Dienstbezügen im Sinne des § 1 Abs. 3 LBesG oder den Anwärterbezügen im Sinne des §§ 1 Abs. 4 Nr. 1 LBesG, sondern zu den sonstigen Bezügen im Sinne des §§ 1 Abs. 4 Nr. 3, 57 Abs. 2 LBesG LSA.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen im Sinne des §§ 161 Abs. 2 S. 1 VwGO, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Abgesehen davon, dass die Untätigkeitsklage im Zeitpunkt der Klageerhebung unzulässig gewesen ist, weil der Kläger vor Erhebung der Klage seine Ansprüche bei der Beklagten außergerichtlich nicht geltend gemacht hatte, spricht für die Kostenlastentscheidung der Rechtsgedanke des § 161 Abs. 3 VwGO, wonach die Kosten in den Fällen des § 75 VwGO der Behörde zur Last fallen, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Dies wird man nach Lage der Dinge im vorliegenden Fall nicht annehmen können, wenngleich die Behörde gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 UrlVO LSA über die Urlaubsabgeltung von Amts wegen zu entscheiden hat. Denn es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, weshalb der Kläger meint, mit einer Bescheidung rechnen zu dürfen, wenn er sich vor Erhebung der Klage nicht zunächst mit der Bitte um Bescheidung an die Behörde wendet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im 1. Rechtszug auf 23.116,04 € festgesetzt.
Gründe
Die Bemessung der Höhe des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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