Aktenzeichen 7 K 220/16
Leitsatz
Gründe
Finanzgericht München
Az.: 7 K 220/16
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort: Keine Änderung eines Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn der Stpfl. dem früher zuständigen Finanzamt der maßgebende Sachverhalt mitgeteilt.
In der Streitsache
gegen
…
wegen Körperschaftsteuer 2008 Gewerbesteuermessbetrag 2008
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 22. August 2016
für Recht erkannt:
1. Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2008 und Gewerbesteuermessbetrag 2008 vom 10.4.2014 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015 werden dahingehend geändert, dass der Steuerbilanzgewinn um 43.500 € herabgesetzt und die Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend neu berechnet werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens zu jeweils gleichen Teilen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite “www.bundesfinanzhof.de” lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit dem Firmennamen AB GmbH durch notariellen Vertrag vom 11.4.2005 und einem Stammkapital von 25.000 € mit Sitz in X errichtet wurde. Gesellschafter waren Frau A (51%) und Herr B (49%). Mit notariellem Vertrag vom 21.4.2009 wurden sämtliche Anteile auf Frau C übertragen und der Sitz unter Änderung der Firma in AB Service GmbH nach … verlegt.
Mit Schreiben vom 3.12.2008 teilte der ursprüngliche steuerliche Vertreter der Klägerin dem damaligen zuständigen Finanzamt . mit, dass gegen den Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid Einspruch eingelegt werde, da die Klägerin seit Gründung Verluste erwirtschaftet habe und sie das Unternehmen Anfang des Jahres 2008 aus finanziellen Gründen verkaufen musste. Eine Kopie eines Kaufvertrages vom 25.2.2008 zwischen der Klägerin und Herrn Z über den Verkauf eines Friseursalons in … zum Kaufpreis von 43.500 € war dem Schreiben beigefügt.
Die Körperschaftsteuererklärung für 2008 nebst Bilanz und Gewinn-und Verlustrechnung zum 31.12.2008, die einen Verlust von -16.906 € auswiesen, sowie die Gewerbesteuererklärung 2008 wurden am 27.1.2011 von der neuen Geschäftsführung beim nunmehr zuständigen beklagten Finanzamt eingereicht. Das Finanzamt erließ am 10.2.2011 den Körperschaftsteuerbescheid 2008 und den Gewerbesteuermessbescheid 2008, in denen der erklärte Verlust der Besteuerung zugrunde gelegt und der bis dahin bestehende Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) aufgehoben wurde.
Am 18. April 2012 ging beim Finanzamt eine Kontrollmitteilung des Finanzamts . ein, in der mitgeteilt wurde, dass die Klägerin aus dem Verkauf zweier Filialen in und mit Rechnungsdatum von jeweils vom 25.2.2008 Zahlungen in Höhe von jeweils 43.500 € erhalten hat. Der Kontrollmitteilung waren Kopien der beiden Kaufverträge beigefügt. Auf Anfrage des Finanzamts bei der Klägerin, in welcher Steuererklärung der Gesamterlös erklärt worden sei, teilte die Geschäftsführerin der Klägerin mit, dass sie von dem Verkauf in 2008 nichts wisse und dieser dementsprechend auch nicht berücksichtigt worden sei. Bei dem Gesellschaftsabtretungsvertrag vom 21.4.2009 habe sie lediglich einen „leeren GmbH-Mantel” erworben und habe weder das Firmenkonto noch den Kaufpreis für die beiden Friseursalons übertragen bekommen. In der Gewinn und Verlustrechnung 2008 sei der Veräußerungserlös i. H. v. 87.000 € nicht enthalten. Das Finanzamt stellte Ermittlungen beim Käufer der beiden Friseursalons, Herrn Z an. Dieser teilte mit, dass der Kaufpreis i. H. v. 87.000 € an die Klägerin bezahlt worden sei, teilweise durch Überweisung auf das Bankkonto der Klägerin, teilweise auf Anweisung der Klägerin durch Überweisung an Dritte als Ausgleich für dort bestehende Verbindlichkeiten.
Das Finanzamt erließ mit Datum vom 10.4.2014 geänderte Steuerbescheide für 2008. Dabei erhöhte es den Steuerbilanzgewinn um 87.000 € und setzte dementsprechend einen Gewinn i. H. v. 70.094 € an. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015).
Dagegen richtet sich die Klage, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass ein Zahlungszufluss bei der Klägerin nicht erfolgt sei und die gesamte Konstellation auf einem Betrugstatbestand hinweise.
Die Klägerin beantragt,
die Aufhebung der Änderungsbescheide vom 10.4.2014 und der hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Senat hat die Streitsache mit Datum vom 19.7.2016 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22. August 2016 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
1. In materiell-rechtlicher Hinsicht besteht kein Zweifel, dass der Kaufpreis für die beiden im Streitjahr veräußerten Friseursalons i. H. v. 87.000 € dem erklärten Gewinn der Klägerin hinzuzurechnen ist. Dieser Veräußerungserlös wurde bei der Ermittlung des Gewinns durch die Klägerin gemäß dem am 27.1.2011 beim Finanzamt eingereichten Jahresabschluss nicht berücksichtigt. Der Kaufpreis wurde von der Klägerin im Streitjahr auch in voller Höhe realisiert, indem der Erwerber der beiden Friseursalons den Kaufpreis teilweise auf ein Bankkonto der Klägerin, teilweise auf Anweisung der früheren Geschäftsführung der Klägerin auf Bankkonten Dritter als Ausgleich für dort bestehende Verbindlichkeiten der Klägerin überwiesen hat.
2. Das Finanzamt war jedoch hinsichtlich des Veräußerungserlöses aus der Veräußerung des Friseursalons in Langenselbold verfahrensrechtlich nicht befugt, die bestandskräftigen und nicht mehr unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheide vom 10.2.2011 zu ändern. Die Veräußerung des Friseursalons war aktenkundig, da mit Schreiben vom 3.12.2008 der damalige steuerliche Vertreter dem damals zuständigen Finanzamt . die Veräußerung mitgeteilt hat und eine Kopie des Kaufvertrags vom 25.2.2008 vorgelegt hat. Da sich diese Unterlagen in der Veranlagungsakte befanden, waren sie auch dem beklagten Finanzamt bekannt, denn bekannt i. S. v. § 173 Abs. 1 AO ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort für den betreffenden Steuerpflichtigen geführten Akten, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (vgl. Forchhammer in Schöll/Leopold/Madle, Abgabenordnung, § 173 Rz. 22). Alle notwendigen Informationen waren dem Finanzamt damit bekannt, so dass insoweit keine neue Tatsache vorlag. Auch eine andere Änderungsvorschrift ist nicht einschlägig.
Etwas anderes gilt für den Veräußerungserlös aus der Veräußerung des Friseursalons in . . Die Veräußerung dieses Friseursalons war dem Finanzamt nicht bekannt. Aus dem Schreiben des Steuerberaters vom 3.12.2008 ging auch nicht hervor, dass die Klägerin zwei Friseursalons veräußert hat. Insoweit lag für das Finanzamt daher eine neue Tatsache vor, die zu einer Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO führte.
Damit war das Finanzamt nur zu einer Erhöhung des Gewinns um 43.500 € berechtigt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.