Steuerrecht

Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft

Aktenzeichen  II R 18/17

Datum:
17.6.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.170620.IIR18.17.0
Normen:
§ 1 Abs 2a GrEStG 1997
§ 17 Abs 3 S 1 Nr 2 GrEStG 1997
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 wird zur Berücksichtigung mittelbarer Strukturen auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Hat die Finanzbehörde nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen für einen zu einem bestimmten Zeitpunkt durch einen bestimmten Rechtsvorgang verwirklichten Erwerbsvorgang gesondert festgestellt, kann sie den Bescheid weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren dahingehend ändern, dass der Erwerbsvorgang durch einen zu einem anderen Zeitpunkt und einen anderen Rechtsvorgang verwirklichten Erwerbsvorgang ausgetauscht wird.
3. Ist der Erwerbsvorgang auf einen unzutreffenden Zeitpunkt festgestellt worden, ist der Bescheid aufzuheben und ggf. ein neuer Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu erlassen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 29. März 2017, Az: 7 K 439/10 GE, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29.03.2017 – 7 K 439/10 GE aufgehoben.
Der Bescheid des Beklagten über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 14.08.2009 und der Änderungsbescheid vom 12.12.2016 werden aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde am 24.10.2000 unter einer anderen Firma (A-KG) gegründet. Am Kapital der A-KG in Höhe von 10.000 € waren als Kommanditistinnen die B-GmbH zu 1 % und die C-GmbH zu 99 % beteiligt. Die persönlich haftende Komplementär-GmbH war nicht am Kapital der A-KG beteiligt. An der C-GmbH war D zum 09.12.2003 zu 16 % beteiligt. Im November 2000 erwarb die A-KG von der C-GmbH ein Grundstück.
2
Am 21.03.2007 übertrug die C-GmbH aus ihrem Kommanditanteil an der A-KG einen Anteil in Höhe von 600 € (6 %) auf D. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Beteiligung von D an der C-GmbH 40 %. Am 03.04.2007 änderte die C-GmbH ihre Firma in E-GmbH und wurde am 04.04.2007 auf die F-GmbH verschmolzen. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erfolgte am 20.04.2007.
3
Am 23.12.2008 wurden in das Handelsregister der A-KG folgende Eintragungen vorgenommen: 1. das Eintreten des D mit 600 € als neuer Kommanditist, 2. die Namensänderung der C-GmbH in E-GmbH, 3. die Herabsetzung deren Kommanditanteils auf 9.300 € sowie 4. deren Ausscheiden als Gesellschafterin und 5. der Eintritt der F-GmbH im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge.
4
Mit Bescheid vom 14.08.2009 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) fest, dass mit der Handelsregistereintragung vom 23.12.2008 ein Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden habe. Durch die Verschmelzung der C-GmbH mit der F-GmbH und durch den Eintritt des D seien insgesamt 99 % der Anteile an der A-KG auf neue Gesellschafter übergegangen. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die A-KG erhob am 10.09.2009 Einspruch ohne Begründung. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2010 wurde der Einspruch unter Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung als unbegründet zurückgewiesen.
5
Mit ihrer Klage trug die Klägerin vor, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Der Erwerbsvorgang sei unrichtig bezeichnet. Nicht die C-GmbH, sondern die E-GmbH sei auf die F-GmbH verschmolzen worden. Die Verschmelzung der E-GmbH auf die F-GmbH sei mit notariellem Vertrag vom 04.04.2007 vereinbart und am 20.04.2007 in das Handelsregister eingetragen worden. Der Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestandes sei mit der Handelsregistereintragung in das Handelsregister der A-KG am 23.12.2008 unrichtig angegeben. Erst mit der Eintragung des D als Kommanditisten der A-KG sei die Übertragung der 6 % Anteile von der C-GmbH auf D vom 21.03.2007 wirksam geworden. Im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung am 20.04.2007 sei die E-GmbH folglich noch mit 99 % an der A-KG beteiligt gewesen. Somit seien bereits zu diesem Zeitpunkt mehr als 95 % auf die F-GmbH übergegangen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG sei –wenn überhaupt– an diesem Tag verwirklicht worden. Wenn man davon ausginge, dass die Übertragung des Kommanditanteils von 6 % am 21.03.2007 wirksam geworden sei, sei der Tatbestand nicht erfüllt. Durch die Übertragung des Anteils an der A-KG von der vormaligen C-GmbH auf D sei dieser unmittelbarer Gesellschafter der Klägerin geworden. Nach Tz. 4 des gleichlautenden Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder vom 26.02.2003 (BStBl I 2003, 271) sei er i.S. von § 1 Abs. 2a GrEStG “Altgesellschafter”. “Altgesellschafter” seien hiernach u.a. die Gesellschafter, die vor Beginn des Fünfjahreszeitraums oder vor Erwerb des Grundstücks unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt gewesen seien. Eine Ausnahme für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gebe es nicht. Erst in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25.02.2010 (BStBl I 2010, 245) werde zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften differenziert und die Auffassung vertreten, dass nur Kapitalgesellschaften, nicht aber deren Anteilseigner Altgesellschafter i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG sein könnten. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe entschieden, dass eine derartige Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften nicht zulässig sei (BFH-Urteil vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833). Die Frage, ob auch Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft Altgesellschafter sein könnten, sei abschließend noch nicht geklärt. Die Klägerin habe auf die Fortgeltung des Erlasses vom 26.02.2003 vertrauen dürfen. Der Erlass vom 25.02.2010 entfalte keine Rückwirkung.
6
Das FA hat den angefochtenen Feststellungsbescheid während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 12.10.2016 nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert. Der Bescheid wurde an die A-KG adressiert. Er stellte nunmehr die Besteuerungsgrundlagen für einen am 20.04.2007 verwirklichten Tatbestand fest. Grundlage sei die Verschmelzung der C-GmbH (neu E-GmbH) mit der F-GmbH und der Eintritt des D, wodurch 99 % der Anteile an der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen seien.
7
Die Klägerin trug vor, der Änderungsbescheid sei nichtig, zumindest rechtswidrig. Sie habe am 18.11.2011 ihren Sitz verlegt. Das FA sei daher für den Erlass des Änderungsbescheids nicht mehr zuständig gewesen. Es handle sich um einen Verstoß gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit, die zu einer Nichtigkeit führe und auch nicht durch eine Zustimmung des nunmehr zuständigen Finanzamtes nach § 26 Satz 2 AO geheilt werden könne. In dem geänderten Bescheid sei zudem der Vorname des Kommanditisten D falsch bezeichnet worden. Ferner sei der Adressat des Bescheids falsch bezeichnet. Sie –die Klägerin– habe ihre Firma gewechselt. Als Adresse hätte daher ihre jetzige Firma angegeben werden müssen.
8
Das FA hat den Bescheid vom 12.10.2016 mangels ordnungsgemäßer Bezeichnung mit Bescheid vom 12.12.2016 nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO erneut geändert und unter Beibehaltung des bisherigen Inhalts den Vornamen des D korrigiert und als Adressaten des Bescheids nunmehr die neue Firma der Klägerin angegeben.
9
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 852 veröffentlicht.
10
Nach Auffassung des FG war das FA für den Erlass des Änderungsbescheids vom 12.12.2016 zuständig. Zwar sei ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 26 Satz 1 AO durch die Sitzverlegung der Klägerin eingetreten. Allerdings habe das zuständige Finanzamt der Fortführung des Feststellungsverfahrens gemäß § 26 Satz 2 AO zugestimmt. Durch die Sitzverlegung habe sich die sog. Verbandszuständigkeit nicht geändert. Der Änderungsbescheid sei auch hinreichend bestimmt. In dem letzten Änderungsbescheid werde auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung der E-GmbH auf die F-GmbH mit Eintragung in das Handelsregister der GmbHs, die jeweils am 20.04.2007 erfolgten, abgestellt. Zu diesem Zeitpunkt seien insgesamt 99 % der Anteile an der vormaligen A-KG übertragen worden; 93 % von der E-GmbH auf die F-GmbH und weitere 6 % von der vormaligen C-GmbH auf D am 21.03.2007. Im Übrigen sei ein Grunderwerbsteuerbescheid nicht allein deshalb rechtswidrig, weil jener der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang nicht an dem in dem Steuerbescheid genannten, sondern an einem anderen Tage zustande gekommen sei. Die fehlerhafte Bezeichnung des Kommanditisten D sei mangels Verwechselungsmöglichkeit unerheblich.
11
Die Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass D als Altgesellschafter anzusehen wäre. D sei trotz seiner Beteiligung an der E-GmbH neuer Gesellschafter der A-KG geworden. Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits Gesellschafterin einer Personengesellschaft sei, seien an letzterer nicht unmittelbar beteiligt. Zivilrechtlich gebe es keine mittelbare Beteiligung der Anteilseigner der Kapitalgesellschaft an der Personengesellschaft. Daher könne nur die Kapitalgesellschaft selbst, nicht jedoch deren Anteilseigner Altgesellschafter der Personengesellschaft sein. Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des BFH in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833 ergebe sich nichts anderes, weil dieses ausschließlich Änderungen im mittelbaren Gesellschafterbestand betreffe und nicht wie im Streitfall den Wechsel einer Beteiligung des Anteilseigners der Kapitalgesellschaft in eine unmittelbare Beteiligung an der Personengesellschaft. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf gehabt, nach den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 26.02.2003 (BStBl I 2003, 271) behandelt zu werden. Sie habe nicht auf den Fortbestand dieser Erlasse vertrauen dürfen.
12
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung des § 1 Abs. 2a GrEStG und die fehlerhafte Anwendung der gleichlautenden Ländererlasse.
13
Die Klägerin beantragt,die Vorentscheidung sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 14.08.2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 12.12.2016 aufzuheben.
14
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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