Steuerrecht

Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung

Aktenzeichen  3 K 911/18

Datum:
6.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GmbH-Stpr – 2020, 378
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 100 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 3, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S.1

 

Leitsatz

Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung können bei einer Wegezeit von regelmäßig deutlich unter einer Stunde nicht angesetzt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 vom 27.06.2016 und für 2015 vom 22.03.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das Finanzamt hat zu Recht Aufwendungen der Klägerin wegen doppelter Haushaltsführung nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen, denn der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort bzw. Ort der ersten Tätigkeitsstätte der Klägerin fallen nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auseinander.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2013 nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG 2013).
Eine doppelte Haushaltsführung liegt ab dem Veranlagungszeitraum 2014 nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG 2014 f).
Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1.000 € im Monat (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG ab Veranlagungsjahr 2014).
2. Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort müssen auseinanderfallen (vgl. BFH-Urteile vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 m.w.N.; vom 08.10.2014 VI R 16/14, BStBl II 2015, 511; Schmidt/Krüger, EStG, 38. Aufl., § 9 Rz. 229; Oertel in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 9 Rz. 99, 108). Denn nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen einen Zweithaushalt führt und auch der vorhandene „eigene Hausstand“ am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 m.w.N.).
Die Gesetzesfassung ab dem Jahr 2014 verwendet zwar statt des Begriffes „Beschäftigungsort“ den Begriff „Ort der ersten Tätigkeitsstätte“. Diese geänderte Formulierung ändert jedoch nichts an der Erforderlichkeit des Auseinanderfallens von Hausstand und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte.
3. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte. Das Gesetz selbst konkretisiert nicht weiter, was unter dem Wohnen am Beschäftigungsort im Einzelnen zu verstehen ist. Nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Begriff des Beschäftigungsorts weit auszulegen und darunter insbesondere nicht nur die nämliche politische Gemeinde, in der die Arbeitsstätte (ab 2014: erste Tätigkeitsstätte) liegt, zu verstehen (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2018 VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712; vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 m.w.N.). So hatte der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 09.11.1971 VI R 96/70, (BStBl. II 1972, 134; s.a. BFH-Urteil vom 16.12.1981 VI R 227/80, BStBl. II 1982, 302) darauf erkannt, dass ein Arbeitnehmer auch dann am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von dort aus zur Arbeitsstätte fährt oder fahren kann. An dieser dem Tatbestand der doppelten Haushaltsführung und dem Veranlassungsprinzip geschuldeten Rechtsprechung hat der BFH grundsätzlich festgehalten. Er hat entschieden, dass eine Wohnung dem Wohnen am Beschäftigungsort dient, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen, und hat dies bei einer einfachen Entfernung von 36 km oder Wegezeiten von etwa einer Stunde bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 19.04.2012 VI R 59/11, BStBl. II 2012, 833 Rn. 15; vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 m.w.N.; Schmidt/Krüger, EStG, 38. Aufl., § 9 Rz. 229; Oertel bei Kirchhof, EStG 18. Auflage, § 9 Rz. 108f).
4. Die Entscheidung darüber, ob die fragliche Wohnung so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Sie ist aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu treffen und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen und Wegezeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings kein allein entscheidungserhebliches Merkmal (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2018 VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712; vom 19.04.2012 VI R 59/11, BStBl. II 2012, 833 Rn. 13). Eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das Einkommensteuergesetz nicht. Sie können sich deshalb in Ausnahmefällen sogar in derselben politischen Gemeinde befinden, wenn ausnahmsweise ein tägliches Fahren nicht zumutbar erscheint. (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 m.w.N.; Schmidt/Krüger, EStG, 38. Aufl., § 9 Rz. 229).
5. Bei Anwendung dieser Grundsätze unter Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls ist der Senat der Auffassung, dass im Streitfall der eigene Hausstand und der Beschäftigungsort bzw. Ort der ersten Tätigkeitsstätte bei der Klägerin nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auseinanderfallen. Zwar hatte die Klägerin ihren Familienwohnsitz in P und übte im Klagezeitraum ihre nichtselbständige Arbeit auch teilweise in Q aus, jedoch war der Klägerin ein tägliches Aufsuchen ihrer Arbeitsstätte möglich. Allein die Tatsache, dass die Wohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Gemeinden liegen, begründet nicht eine doppelte Haushaltsführung. Vielmehr ist im Rahmen der gebotenen weiten Auslegung danach zu fragen, ob Arbeitnehmer derartige Wegstrecken üblicherweise täglich zurücklegen bzw. ob ihnen ein tägliches Aufsuchen der Arbeitsstätte möglich ist. Die Klägerin nutzte nach ihrer Einlassung für die Fahrten stets ein Kraftfahrzeug. Die Entfernung von der Wohnung in P zum Arbeitsort in Q beträgt bei Nutzung der kürzesten Entfernung nach Routenplaner 40 km und die Fahrtzeit 37 Minuten. Bei Nutzung einer anderen Straßenverbindung beträgt die Entfernung 40 km und die Fahrtzeit 42 Minuten. Damit liegt der Zeitaufwand für die Fahrt deutlich unter einer Stunde. Solche Fahrtzeiten für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden von einer Vielzahl von Arbeitnehmern auf sich genommen und sind zumutbar ohne dass diese darin Anlass für einen Umzug oder eine Zweitwohnung näher an der Arbeitsstätte sehen. Ein solcher Zeitaufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist angesichts steigender Mobilitätsanforderungen nicht unüblich und die Wohnung in P liegt damit noch im Einzugsbereich der Arbeitsstätte der Klägerin. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin – worauf sie in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – für den Weg bei winterlichen Straßenbedingungen länger braucht. Abzustellen ist hierbei auf die normalen und nicht auf die gelegentlich auftretenden ungewöhnlichen Streckenverhältnisse. In Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalles befindet sich die Wohnung der Klägerin in P damit noch im Einzugsgebiet (im weiteren Sinne) von Q.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der frühen Öffnungszeit und der späten Schließungszeit der D GMBH, denn auch dies wird von einer Vielzahl von Arbeitnehmern auf sich genommen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch der Kläger außerhalb des Klagezeitraums mehrfach täglich Fahrten zwischen P und Q unternimmt und hierbei die Fahrtdauer in seinem Zeitplan mit 30 Minuten ansetzt. Dies zeigt, dass die Fahrtstrecke für Arbeitnehmer zumutbar ist.
6. Die Aufwendungen können auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG das speziellere Gesetz. Ein Arbeitnehmer, der am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, kann die Aufwendungen für die Wohnung nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehen. Ein Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl. II 2018, 404 Rn. 20 ff).
7. Für die Jahre 2013 und 2014 hat die Klage auch deshalb keinen Erfolg, da die Klägerin erst ab dem 01.11.2014 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der D GMBH stand.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Erzielt der Steuerpflichtige noch keine Einnahmen, liegen vorab entstandene Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (Schmidt/Krüger, EStG 38. Auflage, § 9 Rz. 95; Oertel in Kirchhof, EStG 18. Auflage, § 9 Rn. 23). Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass er im Zeitpunkt der Aufwendungen bereits den Entschluss gefasst hatte, steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen (Schmidt/Krüger, EStG 38. Auflage, § 9 Rz. 95).
b) Im Streitfall liegt keine entgeltliche Tätigkeit der Klägerin im Jahr 2013 vor. Die Klägerin trägt zwar vor, dass der Insolvenzverwalter ihr in Aussicht gestellt habe, entgeltlich angestellt zu werden, sobald die Massesituation dies zulasse. Dies kann aber noch nicht im Jahr 2013 gewesen sein. Zwar hatte die Klägerin die Einleitung des Insolvenzverfahren bei der D GMBH am xx.12.2013 beantragt. Nach der Handelsregistereintragung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom xx.01.2014 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Der Insolvenzverwalter konnte daher im Jahr 2013 der Klägerin noch nicht eine Beschäftigung in Aussicht gestellt haben. Damit liegt im Jahr 2013 kein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang der Aufwendungen mit späteren Einnahmen vor.
c) Im Jahr 2014 liegt eine entgeltliche Tätigkeit der Klägerin erst ab dem 01.11.2014 vor. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom …03.2014. Die Klägerin wurde vom Insolvenzverwalter erst mit Geschäftsführervertrag vom 01.11.2014 mit Wirkung ab diesem Tag als Geschäftsführerin der D GMBH in Insolvenz, Q eingesetzt und erzielte damit erst ab diesem Zeitpunkt Einkünfte. Der Senat konnte für die Monate Januar bis Oktober 2014 einen hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen nicht feststellen. Es war von Januar bis Oktober 2014 offen, wie es mit der D GMBH weitergeht; erst ab dem 01.11.2014 stand fest, dass die Masse für ein Beschäftigungsverhältnis ausreicht. Für die Monate November und Dezember 2014 hat das Finanzamt die Aufwendungen ohne Rechtsgrund (s.o. 5. und 6.) angesetzt, sodass die Klägerin insoweit nicht beschwert ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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