Steuerrecht

Ausfall einer privaten Darlehensforderung

Aktenzeichen  IX R 5/20

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.271020.IXR5.20.0
Normen:
§ 17 Abs 4 EStG 2009
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009
§ 20 Abs 2 S 2 EStG 2009
§ 20 Abs 4 EStG 2009
§ 20 Abs 6 S 3 EStG 2009 vom 25.07.2014
§ 10d Abs 4 S 4 EStG 2009 vom 08.12.2010
§ 32d Abs 2 Nr 1 S 1 Buchst b S 2 EStG 2009
§ 26b EStG 2009
EStG VZ 2014
§ 40 Abs 2 FGO
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 24.10.2017 – VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831).
2. Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 28. Januar 2020, Az: 10 K 2166/16 E, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten wird –soweit das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28.01.2020 – 10 K 2166/16 E die Klägerin betrifft– als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil –soweit es den Kläger betrifft– aufgehoben.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Klageverfahrens bis zum 27.01.2020 fallen den Klägern zu 63 % und dem Beklagten zu 37 % zur Last; die Kosten des Klageverfahrens ab dem 28.01.2020 und die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger zu 59 % und der Beklagte zu 41 %.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung ausgefallener Darlehen.
2
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden im Streitjahr 2014 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit Mitte 1996 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der im Jahr 1993 gegründeten A-GmbH (GmbH) mit einem Stammkapital von 50.000 DM. Die Kläger gewährten der Gesellschaft Darlehen, und zwar am 01.08.2010 und am 01.08.2011 über jeweils 10.000 €, am 10.01.2012 über 130.000 €, wovon allerdings nur 128.000 € in Anspruch genommen wurden, am 28.06.2013 über 40.000 € und am 04.11.2013 über 10.000 €. Die nicht besicherten Darlehen waren jeweils mit 5 % p.a. (endfällig) zu verzinsen. Ihre Laufzeit betrug –abgesehen von dem letzten, lediglich für die Dauer von sechs Monaten gewährten Darlehen– 36 Monate.
3
Die Hausbank der GmbH riet dieser am 19.03.2012 zu einer Umschuldung. Am 19.12.2012 lud sie die Kläger zu einem Gespräch in die Bank ein, in dem es um die Themen “Unternehmensliquidität und Unternehmensverkauf”, “Verkauf der gebrauchten Maschinen” und “Verkauf der Gewerbeimmobilie” gehen sollte. Am 17.10.2013 sperrte die Hausbank unter Hinweis auf die Überziehung der Girokonten sämtliche für die GmbH ausgestellten Karten.
4
Durch Gesellschafterbeschluss vom 15.12.2014 wurde die GmbH zum 31.12.2014 aufgelöst; die Auflösung wurde am 15.01.2015 im Handelsregister eingetragen. Nach Beendigung der Liquidation, bei der die Kläger im Januar 2016 noch Zahlungen auf ihre Forderungen in Höhe von 277,75 € erhielten, wurde die GmbH am 07.04.2016 gelöscht.
5
Die am 01.08.2010 und am 01.08.2011 gewährten Darlehen zahlte die GmbH am 22.03.2013 bzw. am 14.04.2014 einschließlich Zinsen vollständig zurück. Das Darlehen über 130.000 € wurde in der Zeit vom 14.04. bis zum 21.11.2014 zu rund 60 % zurückgezahlt; offen blieb ein Betrag in Höhe von 51.234,17 €. Eine Rückzahlung auf die im Jahr 2013 gewährten Darlehen unterblieb jedoch. Die rückständigen Zinsen für die Darlehen beliefen sich auf 20.279,58 €.
6
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machten die Kläger einen Verlust aus der Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 1, 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 88.247 € geltend. Dabei berücksichtigten sie neben dem Stammkapital (25.564,59 €) die nicht bzw. nicht vollständig zurückgezahlten Darlehen nebst rückständiger Zinsen (121.513,75 €) im Teileinkünfteverfahren (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG) zu 60 %. Im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen stellten die Kläger den Antrag auf Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge (§ 32d Abs. 6 EStG) sowie auf Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge (§ 32d Abs. 4 EStG). Zudem beantragte der Kläger, den Verlust, soweit er sich nicht im Streitjahr auswirke, gemäß § 10d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG in Höhe von 36.120 € in das Vorjahr zurückzutragen.
7
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) setzte die Einkommensteuer für 2014 auf 0 € fest, berücksichtigte dabei aber nur einen Auflösungsverlust in Höhe von 18.339 € (Bescheid vom 31.03.2016). Als krisenbedingtes Darlehen könne nur das am 04.11.2013 gewährte Darlehen über 10.000 € angesehen werden. Die bis dahin gewährten Darlehen seien hingegen entweder zurückgezahlt oder –wie das Darlehen über 130.000 €, soweit noch nicht getilgt, und das Darlehen über 40.000 €– bei Eintritt der Krise nicht zurückgefordert worden. Ein über die Kenntnisse des Klägers im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der GmbH verfügender Steuerpflichtiger hätte eine solche Forderung allenfalls mit einem erheblichen Abschlag erworben. Der gemeine Wert dieser Darlehen sei bei Kriseneintritt mit nicht mehr als 0 € anzusetzen. Das am 04.11.2013 gewährte Darlehen könne zudem nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden, sondern nur insoweit, als der Kläger als Gesellschafter der GmbH Darlehensgeber sei (50 %). Die Anschaffungskosten beliefen sich daher auf 30.564,59 € (25.564,50 € zuzüglich 5.000 €), so dass sich ein Auflösungsverlust von 18.339 € ergebe.
8
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage verfolgten die Kläger zunächst die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts von 45.709 € (18.339 € zuzüglich 60 % von [51.234 € zuzüglich 40.000 €] x 1/2). Zuletzt begehrten sie den Abzug der geltend gemachten Positionen mit einem Betrag von 30.339 € nach § 17 Abs. 4 EStG (Kläger) und einem Betrag von 51.234 € nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 6 EStG (beide Kläger). Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 444 veröffentlichten Urteil vom 28.01.2020 gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.
9
Im Rahmen der Einkünfte nach § 17 Abs. 4 EStG sei neben dem Stammkapital der auf den Kläger entfallende Teil (50 %) des am 28.06.2013 gewährten und bis zum Abschluss der Liquidation nicht zurückgezahlten Darlehens über 40.000 € (im Teileinkünfteverfahren) zu berücksichtigen. Das FA habe zu Unrecht angenommen, dass die GmbH erst im Oktober 2013 in eine Situation geraten sei, in der ihr der Kläger als ordentlicher Kaufmann nur noch Eigenkapital, nicht aber Fremdkapital zugeführt hätte. Vielmehr sei vom Eintritt der Krise schon bei der Gewährung des Darlehens vom 28.06.2013 auszugehen. Demgegenüber könne nicht angenommen werden, dass die Krise bereits bei Gewährung des Darlehens vom 10.01.2012 eingetreten gewesen sei. Damit könne dieses Darlehen, soweit es nicht getilgt worden sei, nicht bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts berücksichtigt werden. Denn die wirtschaftliche Situation der GmbH sei dem Kläger als Alleingesellschafter-Geschäftsführer in allen Einzelheiten bekannt gewesen. Gleichwohl habe der Kläger keine Maßnahmen ergriffen, das Darlehen über 130.000 € zu kündigen und zurückzufordern, sobald erste Anzeichen der Krise sichtbar geworden seien. Er habe das Darlehen vielmehr stehen gelassen und damit in seinem Wert bis auf 0 € verfallen lassen. Mit diesem Wert sei es bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts anzusetzen.
10
Daneben sei das am 10.01.2012 gewährte Darlehen, soweit es noch nicht getilgt gewesen sei (51.234 €), als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, und zwar auch insoweit, als die Darlehensgewährung durch die Klägerin erfolgt sei. Denn nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG führe der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust.
11
Als Verlust berücksichtigt werden könne der Ausfall einer Darlehensforderung allerdings nur, wenn das Darlehen in der Absicht gewährt worden sei, dadurch positive Einkünfte zu erzielen. Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sei bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG grundsätzlich –für jede einzelne Kapitalanlage getrennt– zu prüfen. Die durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen führten dazu, dass die Einkünfteerzielungsabsicht für Kapitalanlagen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 (widerleglich) zu vermuten sei.
12
Danach habe der Ausfall des im Jahr 2012 gewährten Darlehens, soweit die GmbH es nicht zurückgezahlt habe, nicht aber der Ausfall der im Jahr 2013 gewährten Darlehen zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geführt. Die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht sei lediglich bezüglich der Darlehen vom 28.06. und 04.11.2013 widerlegt. Denn diese beiden Darlehen seien zu Zeitpunkten gewährt worden, zu denen sich die GmbH bereits in einer Krise im Sinne der Rechtsprechung zu eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten befunden habe.
13
Anders verhalte es sich dagegen bei dem bereits am 10.01.2012 gewährten, mit 5 % p.a. zu verzinsenden Darlehen. Die GmbH habe sich bis Anfang 2012 noch nicht in einer derart schlechten wirtschaftlichen Lage befunden, dass dadurch die Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt wäre. Die Krise sei erst im weiteren Verlauf des Jahres eingetreten. Außerdem habe die GmbH nicht nur die in den Jahren 2010 und 2011 gewährten Darlehen nebst Zinsen, sondern auch einen Großteil des Darlehens vom 10.01.2012 zurückgezahlt.
14
Soweit die der GmbH am 28.06. und am 04.11.2013 gewährten Darlehen auf den Kläger entfielen und aufgrund der Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung des Auflösungsverlusts nur zu 60 % anzusetzen seien, komme eine weitergehende Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht in Betracht. Dem Kläger fehle hinsichtlich dieser Darlehen die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht.
15
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von Bundesrecht. Zu Unrecht habe das FG den Verlust aus dem stehen gelassenen Darlehen in Höhe von 51.234,17 € anerkannt. Der endgültige Ausfall einer solchen Darlehensforderung könne nicht als Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG berücksichtigt werden. Dem stehe § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG entgegen. Denn das Darlehen sei durch stehen lassen dem Grunde nach eigenkapitalersetzend geworden.
16
Das FA beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
17
Die Kläger beantragen,die Revision zurückzuweisen.
18
Sie nehmen auf die angefochtene Entscheidung Bezug.


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