Steuerrecht

Ausgestaltung der Zweitwohnungssteuer

Aktenzeichen  M 10 K 16.1328

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 6 Abs. 1, Art. 102 Abs. 2a
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
KAG Art. 3 Abs. 1
MeldeG MeldeG Art. 15 Abs. 2 S. 2
ZwStS § 2

 

Leitsatz

1 Bei der Auslegung des in einer Zweitwohnungsteuersatzung verwendeten Begriffs der “Hauptwohnung” darf grundsätzlich auf melderechtliche Bestimmungen zurückgegriffen werden. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen und vorwiegend genutzten Zweitwohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten ist im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG unzulässig. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Beurteilung des überwiegenden Aufenthalts des nicht getrennt lebenden Ehegatten und für die Frage der vorwiegend benutzten Wohnung der Familie kommt es ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse an. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Beweislast für das Vorliegen des Steuertatbestandes trägt der Steuergläubiger; der Steuerpflichtige ist aber mitwirkungspflichtig. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
5 Das Innehaben einer Zweitwohnung setzt die (alleinige oder gemeinschaftliche) tatsächliche Verfügungsgewalt und die rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung voraus; auf die melderechtlichen Verhältnisse kommt es dabei nicht an. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
6 Das Innehaben mehrerer Ferienwohnungen im selben Feriengebiet kann ein Indiz dafür sein, dass es sich um eine reine Kapitalanlage handelt, und zwar auch dann, wenn das Objekt für einen längeren Zeitraum infolge eines geführten Baumängelprozesses leer steht. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
7 Für die Zweitwohnungsteuerpflicht kommt es darauf an, dass die betroffenen Räume zur Nutzung als Wohnung objektiv geeignet sind; auf die Erfüllung aller bauordnungsrechtlichen Anforderungen kommt es hingegen nicht an. (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren der Klägerin zu 2) wird eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1) abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten ihrer Verfahren zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Nachdem die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Juli 2016 zurückgenommen hat, ist ihr Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO mit der Kostenfolge nach § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.
II.
Über die Klage des Klägers kann im Einverständnis mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
III.
Die zulässige Klage des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Bescheide der Beklagten jeweils vom 28. Mai 2015 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2015 (betreffend Wohnung Nr. 13) und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 4. März 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Zweitwohnungsteuer ist die Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 5. Juli 2005 in der Fassung der letzten Änderungssatzung vom 21. Dezember 2005.
Mit dem Erlass dieser Satzung hat die Beklagte von der Ermächtigung in Art. 3 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 Gebrauch gemacht, wonach die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben können, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind.
Die Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuer in der Satzung vom 5. Juli 2005, deren Erlass Fehler nicht erkennen lässt, hält sich im Rahmen der Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 KAG und des identischen bundesrechtlichen Begriffs der örtlichen Aufwandsteuer in Art. 105 Abs. 2a GG. Auch sind die einzelnen satzungsrechtlichen Bestimmungen mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere verstößt § 2 ZwStS nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Nach § 2 Satz 1 ZwStS ist – steuergegenständliche – Zweitwohnung jede Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat.
Soweit die Klagepartei geltend macht, aus § 2 ZwStS ergebe sich eine verfassungswidrige Benachteiligung von Ehegatten, weil dort formalistisch den Vorschriften des Meldegesetzes gefolgt werde, ohne dass eine Sonderregelung für sog. Erwerbszweitwohnungen Verheirateter vorgesehen sei, und sie sich hierzu auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00 u. 1 BvR 2627/03 – (BverfGE 114, 316-338) beruft, geht diese Argumentation fehl.
Eine besondere Benachteiligung von Ehegatten resultierte in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daraus, dass in den dortigen Fällen die angewendeten Regleungen der jeweiligen Zweitwohnungsteuersatzungen explizit an das jeweilige (Landes-) Melderecht anknüpften. Nach den jeweils einschlägigen melderechtlichen Regelungen wurde dort zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz bestimmt, so dass es für Verheiratete ausgeschlossen war, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer zu entgehen; steuerlich belastet wurde dort somit jeweils die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen, sondern bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung eine Zweitwohnung zu begründen. Da von einer derartigen steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer solche Personen nicht erfasst wurden, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten wurden, sah das Bundesverfassungsgericht in diesen konkreten Fällen einer „melderechtlichen Zwangslage“ in der Zweitwohnungsteuererhebung eine nicht gerechtfertigte besondere finanzielle Belastung Verheirateter und damit einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Anders als die vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffenen Zweitwohnung-steuersatzungen bestimmt die Satzung der Beklagten aber das „Innehaben einer Zweitwohnung“ in Abgrenzung zur „Hauptwohnung“ eigenständig ohne expliziten Rückgriff auf das Melderecht zum Steuergegenstand (vgl. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 ZwStS).
Zwar liegt auch in einem solchen Fall, in dem der Satzungsgeber bei der Bestimmung des Steuergegenstandes nicht explizit auf die Regelungen des Melderechts Bezug genommen hat, deren Heranziehung bei der Auslegung des Begriffs der „Hauptwohnung“ nahe (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – juris Rn. 43); dies gilt insbesondere für die Bestimmung in Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Meldegesetz vom 8. Dezember 2006 – MeldeG 2006 – (GVBl S. 990), der als Hauptwohnung grundsätzlich die vorwiegend benutzte Wohnung definiert und in Satz 5 als Hilfsmaßstab den „Schwerpunkt der Lebensbeziehungen“ ergänzt.
Allerdings wäre die uneingeschränkte Gleichsetzung von Zweitwohnung und Nebenwohnung im melderechtlichen Sinne systemfremd; die Satzungsauslegung darf insoweit nicht zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfG, B.v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201/214 f., Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion).
Daher verbietet es sich hier gerade mit Blick auf die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00 u. 1 BvR 2627/03 – (a.a.O.) zu den sog. „Erwerbszweitwohnungen“, die in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 MeldeG enthaltene Fiktion, wonach für nicht dauernd von der Familie getrennt lebende Verheiratete die Familienwohnung als Hauptwohnung gilt, bei der Auslegung des § 2 ZwStS uneingeschränkt zu übernehmen (ausführlich BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – juris Rn. 43 f.; B.v. 8.7.2007 – 4 ZB 07.899 – juris Rn. 6; U.v. 6.3.2013 – 4 B 12.1388 – juris Rn. 19 f.).
Vielmehr ist § 2 ZwStS verfassungskonform so auszulegen, dass – unabhängig von der melderechtlichen (Zwangs-)Einstufung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 MeldeG als Nebenwohnung – die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen und vorwiegend genutzten Zweitwohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten unzulässig ist; unter Beachtung dieser Maßgaben ist ein Verstoß des § 2 ZwStS gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht feststellbar.
2. Die Beklagte hat ihre Satzung in den angefochtenen Bescheiden jeweils vom 28. Mai 2015 – betreffend Wohnung Nr. 13 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2015 – auch fehlerfrei vollzogen.
Der Kläger ist steuerpflichtig, weil er im Anwesen … weil 16 im Gemeindegebiet der Beklagten die Wohnungen Nr. 13, 5 und 8 laut WEG-Aufteilungsplan in den streitgegenständlichen Zeiträumen ab 2012 jeweils als Zweitwohnungen innehatte.
a. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seine Hauptwohnung im Sinne des § 2 ZwStS in der B. Straße 84 in … hat.
aa. Wie oben ausgeführt (Ziffer II. 1. m.w.N.) darf bei der der Auslegung des Begriffs Hauptwohnung grundsätzlich auf die Bestimmung in Art. 15 Abs. 2 MeldeG zurückgegriffen werden, wobei sich allerdings – unabhängig von der melderechtlichen (Zwangs-) Einstufung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 MeldeG – die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen und vorwiegend genutzten Zweitwohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG verbietet (BVerfG, B.v. 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00 u. 1 BvR 2627/03 – BVerfGE 114, 316-338/juris).
Soweit der Kläger vorträgt, bei der Wohnung Nr. 13 handle es sich um eine solche „Erwerbszweitwohnung“, folgt das Gericht seiner Argumentation nicht.
Der Familienwohnsitz des Klägers und seiner Familie befand sich zunächst in dem Anwesen … weil, bis nach seinen Angaben die Familie aus persönlichen Gründen der Ehefrau, nämlich aufgrund erheblicher „Reibereien“ mit den Miteigentümern in der Wohnanlage, nach … gezogen sei. Der Kläger behielt dabei die Wohnung Nr. 13 jedoch nicht aus spezifisch beruflichen Gründen im Sinne der Anforderungen der Rechtsprechung.
Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur sog. Erwerbszweitwohnung basiert darauf, dass zum von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben auch die Entscheidung der Eheleute gehört, zusammenzuwohnen, und diese Entscheidung zur gemeinsamen Wohnung auch bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem Ortswechsel verbunden ist, aufrechtzuerhalten (vgl. im Einzelnen BVerfG, B.v. 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00 u. 1 BvR 2627/03 – juris Rn. 92).
Der Kläger ist beruflich selbständig und betreibt mit seiner Ehefrau zusammen eine Hausverwaltung; Sitz der Firma ist – ebenso wie der Familienwohnsitz – in der …straße 84 in …
Es mag zwar sein, dass der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit auch nach dem Umzug teilweise weiterhin vom Anwesen in … weil aus nachgegangen ist, dort regelmäßig auch abends und nachts mit anschließender Übernachtung gearbeitet hat und die Wohnung über die entsprechende Infrastruktur wie ein Arbeitszimmer, Telefonanlage und Internet-Server verfügt.
Dennoch handelt es sich bei dem so vorgetragenen Vorhalten und Nutzen der Wohnung Nr. 13 nicht um eine besondere finanzielle Belastung als zwangsläufiger Aufwand für die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf unter Bedingungen hoher Mobilität, die den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berühren würde (vgl. dazu BVerfG a.a.O. juris Rn. 5), sondern um einen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringenden Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf.
bb. Ungeachtet dessen ist dem Kläger auch nicht der Nachweis gelungen, dass es sich bei der Wohnung Nr. 13 im Anwesen … weil 16 um seine Hauptwohnung im Sinne seiner vorwiegend benutzten Wohnung handelt (Art. 15 Abs. 2 Satz 1 MeldG).
Für die Frage des überwiegenden Aufenthalts des nicht getrennt lebenden Ehegatten kommt es ebenso wie für die Frage der vorwiegend benutzten Wohnung der Familie allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an (BayVGH, U.v. 6.3.2013 – 4 B 12.1388 – juris Rn. 20).
Grundsätzlich trifft die Beweispflicht für das Vorliegen des Steuertatbestandes zwar den Steuergläubiger (§ 88 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 a KAG), allerdings obliegen dem Steuerpflichtigen Mitwirkungspflichten, insbesondere die Abgabe einer Steuererklärung (§ 90 AO, § 9 ZwStS). Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht nachgekommen. Auch hat er im Verwaltungsverfahren und anschließend im gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen (z.B. durch objektive Nachweise zu den Verbrauchsdaten Wasser/Strom) und auch nicht unter Beweis gestellt, dass er in den streitigen Veranlagungszeiträumen überwiegend in … aufenthältlich war. Er hat insoweit lediglich vorgetragen, dass er möglicherweise weniger als die Hälfte der Zeit tatsächlich in … weil gewohnt habe, dies aber nichts an der Tatsache ändere, dass er sich dort längere Zeit im Jahr als in … aufgehalten habe, sofern er nicht – beruflich bedingt oft mehrere Wochen – im Ausland gewesen sei.
Unabhängig davon, dass die vorgetragenen mehrwöchigen beruflichen Auslandsaufenthalte des Klägers nach Auffassung des Gerichts eher dem Firmensitz und damit den Aufenthalten in … zugeschlagen werden müssten, lassen sich seine tatsächlichen Aufenthaltsorte und -zeiten nicht abschließend nachträglich klären; im Hinblick auf die Mitwirkungspflicht und der sphärenorientierten Mitverantwortung des Klägers im Besteuerungsverfahren ergibt sich hier auch nichts anderes aus der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht.
Infolgedessen ist hier auf die Vermutung Art. 15 Abs. 2 Satz 5 MeldG zurückzugreifen, wonach in Zweifelsfällen die vorwiegend benutzte Wohnung dort ist, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt.
Da sich sowohl der Familienwohnsitz als auch der Firmenwohnsitz des Klägers in der …str. 84 in … befinden, ist das Gericht davon überzeugt, dass hier auch der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liegt.
b. Der Kläger war ab 2012 auch Inhaber der Wohnungen Nr. 13, 5 und 8 im Sinne von §§ 2 Satz 1, 3 Abs. 1 ZwStS.
Das Innehaben setzt in diesem Zusammenhang die – alleinige oder gemeinschaftliche – tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an der betreffenden Zweitwohnung voraus, es bestimmt sich eigenständig und unabhängig von den melderechtlichen Verhältnissen (BayVGH, U.v. 14.2.2007 – 4 N 06.367 – juris Rn. 60).
Als Eigentümer der Wohnungen war der Kläger rechtlich verfügungsbefugt. Auch hat er sich in den veranlagten Zeiträumen hinsichtlich der Wohnungen Nr. 5 und 8 nicht seiner tatsächlichen Verfügungsmacht begeben, indem er sie – gewerblich – als Ferienwohnungen an Dritte vermietet hat.
Zwar kann das Innehaben mehrerer Ferienwohnungen im selben Feriengebiet im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung im Einzelfall ein Indiz für ein gewerbliches Tätigwerden darstellen und somit auf eine reine Kapitalanlage hindeuten (BVerwG, U.v. 6.12.1996 – 8 C 49.95 – NVwZ 1998, 178; BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 4 ZB 11.1406 – juris); dies gilt auch dann noch, wenn das Objekt für einen längeren, u.U. sogar mehrjährigen Zeitraum infolge eines geführten Baumängelprozesses leer steht (BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 4 B 13.592 – juris).
Der Kläger hat hier für die streitigen Zeiträume aber weder seine Vermietungsbemühungen noch einen (baumängelbedingten) Leerstand bezüglich der Wohnungen Nr. 5 und 8 geltend gemacht bzw. substantiiert untermauert. Vielmehr hat er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er außer der Wohnung Nr. 13 ab 2012 auch die Wohnungen Nr. 5 und 8 – als baulich verbundene Wohneinheit – selbst regelmäßig zusammen mit seinen Kindern genutzt habe und damit zur persönlichen Lebensführung vorgehalten hat.
Bei Vorliegen des satzungsmäßigen Tatbestandes können auch mehrere Wohnungen im Gemeindegebiet und sogar im selben Feriengebiet zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden (BVerfG, B.v. 29.6.1995 – 1 BvR 1800/94 – NVwZ 1996, 57 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 4 ZB 11.1406 – juris).
c. Nicht zu folgen ist schließlich auch der Auffassung des Klägers, die Besteuerung der Wohnungen Nr. 5 und 8 sei wegen des Vorliegens erheblicher bauordnungsrechtlicher Sicherheitsmängel und einer drohenden Nutzungsuntersagung durch die Bauaufsichtsbehörde ausgeschlossen.
Im Zweitwohnungsteuerrecht reicht es aus, wenn die betroffenen Räume zur Nutzung als Wohnung objektiv geeignet sind. Dies setzt nicht die Erfüllung aller bauordnungsrechtlichen Anforderungen voraus (vgl. BFH, U.v. 27.8.2003 – II R 53/01 – juris Rn. 10 f.; BayVGH, B.v. 29.10.2015 – 4 ZB 15.830 – juris Rn. 16). Anderenfalls wären einzelne Zweitwohnungsinhaber von der Steuerpflicht nur deshalb befreit, weil sie ihre Wohnung baurechtswidrig nutzen. Ein solcher Gesetzesverstoß kann aber kein zulässiger Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Privilegierung sein (BayVGH, B.v. 29.10.2015 – 4 ZB 15.830 – juris Rn. 16; ebenso VGH BW, U.v. 18.12.1986 – 2 S 964/86 – juris).
Auch im vorliegenden Fall kommt es demzufolge nicht darauf an, ob die Nutzung der Wohnungen Nr. 5 und 8 mit Blick auf die fehlende Terrassenabsicherung bauordnungsrechtlich unzulässig wäre und untersagt werden könnte.
Im Übrigen hat die Bauaufsichtsbehörde unter dem 12. November 2015 festgestellt, dass bauaufsichtliche Maßnahmen nicht veranlasst, sondern die unterschiedlichen Zielsetzungen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft vielmehr zivilrechtlich zu klären seien.
d. Die Heranziehung des Klägers zur Zweiwohnungsteuer ist entgegen seiner Auffassung auch nicht infolge des Gemeinderatsbeschlusses der Beklagten vom 28. Mai 2008 ausgeschlossen. Hiernach soll unter anderem eine Veranlagung nach der ZwStS dann nicht bzw. nur eingeschränkt durchgeführt werden, wenn in … nicht gemeldete Personen dort nachweislich mehr als eine Ferienwohnung vermieten (Nr. 5 des Beschlusses) oder wenn es sich bei der Zweitwohnung um ein ehemaliges Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung handelt (Nr. 1 des Beschlusses).
Unabhängig von der Rechtsnatur dieses Beschlusses – es handelt sich wohl um eine sie im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots selbst bindende Verwaltungspraxis der Beklagten – erfüllt der Kläger die dort formulierten Voraussetzungen nicht.
Die Wohnungen des Klägers wurden nach seinen Angaben jedenfalls ab 2012 nicht mehr vermietet, sondern durch ihn und seine Familie eigengenutzt.
Ferner handelt es sich bei der Wohnung Nr. 13 ersichtlich nicht um die „elterliche Wohnung“ des Klägers im Sinne des Gemeinderatsbeschlusses, da seine Eltern dort nicht mehr wohnen. Mit Blick auf die umfassende Rechtsprechung zu den unterschiedlichsten Konstellationen der so genannten „Kinderzimmerfälle“, in der es meist um die Frage der Besteuerung von zu Ausbildungs- oder Studienzwecken genommenen „auswärtigen“ Zweitwohnungen geht (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 17.2.2010 – 1 BvR 529/09 – juris), wollte die Beklagte mit dieser Verwaltungsvorschrift wohl klarstellen, dass sog. Kinderzimmer im Elternhaus nicht als zweitwohnungsteuerpflichtige Zweitwohnung angesehen werden können, auch wenn die „Kinder“ nach ihrem Auszug dort noch mit Zweitwohnsitz gemeldet sind; in der Regel dürfte es insoweit aber ohnehin an einem Innehaben im Sinne einer rechtlich abgesicherten Nutzungsmöglichkeit fehlen (vgl. hierzu VG Düsseldorf, U.v. 30.11.2009 – 25 K 4324/09 – juris m.w.N.).
e. Schließlich ist die Steuerfestsetzung auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Gemäß § 4 Abs. 3 ZwStS ist als Steuermaßstab für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen; sie wird von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
Die Beklagte hat der Bemessung in den streitgegenständlichen Bescheiden für die betroffenen drei Wohnungen jeweils eine geschätzte monatliche Nettokaltmiete von 12,- Euro pro m² zugrunde gelegt. Auf Aufforderung des Gerichts hat sie diese Schätzung unter dem 10. August 2016 u.a. durch Vorlage einer Auflistung vereinbarter Mietpreise für 7 vergleichbare Objekte untermauert, die im Durchschnitt 12,81 Euro je m² betragen. Das Gericht hält diese Einschätzung für nachvollziehbar und geht mit der Beklagten davon aus, dass wertbildender Faktor hierbei vor allem die Lage direkt an der Uferpromenade zum … ist und sich die vorgetragenen Baumängel – v.a. Fehlen von Kfz-Stellplätzen und unzureichende Terrassenabsicherung bei den Wohnungen 5 und 8 – demgegenüber allenfalls geringfügig bemerkbar machen.
IV.
Die Klage des Klägers war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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