Steuerrecht

Die Überlassung einer Wohnung an einen Angehörigen – Streit um die Aufhebung einer Zweitwohnungssteuerfestsetzung

Aktenzeichen  M 10 K 18.4400

Datum:
11.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19504
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
BayKAG Art. 13 Abs. 1
AO § 130

 

Leitsatz

1. Für das Merkmal des Innehabens einer Wohnung im Sinne einer Satzung zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an. (Rn. 24 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass sich ein Eigentümer der Nutzungsmöglichkeiten auch gegenüber einem Angehörigen begibt, etwa durch Vereinbarung eines Mietvertrages, der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften oder einer Zweckbestimmung. Ein solches Verhältnis ist aber bei einer unentgeltlichen Überlassung auf Grundlage eines Leihvertrages nicht gegeben, bei dem es dem Eigentümer vor allem jederzeit rechtlich möglich ist, die Wohnung selbst zu nutzen. (Rn. 32 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig; sie ist insbesondere am 4. September 2018 fristgerecht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Ablehnungsbescheid vom 3. August 2018 ausweislich des Eingangsstempels der Rechtsanwaltskanzlei bereits am selben Tag bei dem Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist. Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 3. August 2018 wurde mit einfachem Brief versandt; der Tag der Aufgabe zur Post ist nicht in den Akten vermerkt. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gilt in solchen Fällen der Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Drei-Tages-Fiktion gilt auch bei nachweislich früher zugegangenem Verwaltungsakt (Füssenich in BeckOK, AO, 8. Ed. 1.4.2019, § 122 Rn. 173). Die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO begann daher – bei unterstellter Aufgabe zur Post am 3. August 2018 – am 7. August 2018 zu laufen und endete am 6. September 2018.
2. Die zulässige Klage ist jedoch weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet. Die Klägerin hat keinen aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null verdichteten Anspruch auf Aufhebung der Zweitwohnungsteuerbescheide vom 12. November 2014 und 3. Mai 2016 für die Jahre 2013 bis 2016. Der entsprechende Ablehnungsbescheid vom 3. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch ein Anspruch auf entsprechende Neuverbescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO steht ihr nicht zu.
a) Anspruchsgrundlage für die Aufhebung der bestandskräftigen, aber nach Ansicht der Klagepartei rechtswidrigen Zweitwohnungsteuerbescheide vom 12. November 2014 und 3. Mai 2016 ist Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 Abs. 1 AO.
b) Entsprechende Aufhebungsanträge sind mit Schreiben vom 9. Februar und 16. Juni 2017 gestellt worden.
c) Die Anspruchsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 AO sind jedoch nicht erfüllt, so dass es auf die Frage der Ermessensreduzierung auf Null schon nicht ankommt.
Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Zweitwohnungsteuerbescheide vom 12. November 2014 und 3. Mai 2016 betreffend die Jahre 2013 bis 2016 liegen hier nicht vor, da diese Bescheide nicht rechtswidrig sind.
aa) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer mit Bescheiden vom 12. November 2014 und 3. Mai 2016 ist § 1 Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der … … (Zweitwohnungsteuersatzung – ZwStS) der Beklagten vom 22. Dezember 2006. Diese Satzung der Beklagten ist wirksam (vgl. BVerfG, B.v. 17.2.2010 – 1 BvR 2664/09 – BayVBl. 2010, 535 ff.); diesbezügliche Bedenken sind auch weder ersichtlich noch vorgetragen.
bb) Die Zweitwohnungsteuerbescheide vom 12. November 2014 und 3. Mai 2016 sind materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Regelungen der Zweitwohnungsteuersatzung zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt.
Nach § 1 ZwStS wird eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet erhoben. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS ist Zweitwohnung im Sinne der Satzung der Beklagten jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS ist Zweitwohnung weiterhin jede Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat.
Im maßgeblichen Zeitraum hatte die Klägerin als Eigentümerin die Wohnung in der …-straße 8 für die Lebensführung ihrer Mutter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS inne. Die von der Klägerin und ihrer Mutter gewählte Ausgestaltung ihrer Wohnsituation schließt das Innehaben der Wohnung seitens der Klägerin nicht aus.
Für das Merkmal des Innehabens kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an. Auch für Angehörige kann eine Zweitwohnung vorgehalten werden. Wer eine Wohnung einem Angehörigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, betreibt selbst Aufwand. Er ist Inhaber der Wohnung, soweit er sie weiterhin hält und sich der Verfügungsmacht über sie nicht begibt, sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass sich ein Eigentümer der Nutzungsmöglichkeiten auch gegenüber einem Angehörigen begibt, etwa durch Vereinbarung eines Mietvertrages, der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften oder einer Zweckbestimmung. Dies ist im vorliegenden Fall aber nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.
(1) Die Mutter der Klägerin nutzte die Wohnung …-straße 8 unentgeltlich auf Grundlage eines Leihvertrages. Ein Mietvertrag, der die Anwendung der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften nach sich gezogen hätte, war zwischen der Klägerin und ihrer Mutter nicht, auch nicht konkludent geschlossen worden. Die klägerseits vorgetragene Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Mutter, die Mutter habe in der Wohnung …-straße 8 gewohnt und sei für alle Kosten aufgekommen, reicht nicht aus, um eine entgeltliche Mietvereinbarung anzunehmen. Sie beinhaltet gerade keine Gegenleistung an die Klägerin für die Nutzung der Wohnung und wäre im Übrigen mit einem fremden Dritten so nicht abgeschlossen worden.
Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin entsteht eine Entgeltlichkeit und eine daraus folgende Anwendung der mietvertraglichen Regelungen auch nicht aufgrund des „Wohnungstauschs“ zwischen der Klägerin und ihrer Mutter. Die Mutter der Klägerin bewohnte nämlich die Wohnung der Klägerin in der …-straße 8 und die Klägerin selbst wohnte in der Wohnung …-straße 23, für die die Mutter der Klägerin ein Nießbrauchsrecht und damit eine dem Eigentum vergleichbare Position hat.
Nach den Angaben der Klägerin und ihrer Mutter in der mündlichen Verhandlung hat eine vertragliche Vereinbarung im Sinne eines Austauschs von Willenserklärungen, die ein Mietvertrag voraussetzt, nicht stattgefunden. Auch gingen die Klägerin und ihre Mutter nicht davon aus, dass die wechselseitige Nutzung der Wohnungen im Sinne einer Entgeltlichkeit gemeint sei. Auf Nachfrage des Gerichts gab die Klägerin an, sie hätten für den hypothetischen Fall, dass die Mutter der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum aus der von ihr bewohnten Wohnung in der …-straße 8 in eine andere Wohnung ausgezogen wäre, keine Regelung getroffen. Aber sie wäre nicht davon ausgegangen, in diesem Fall Miete an ihre Mutter zahlen zu müssen, weil diese nicht mehr in den Genuss der Nutzung der Wohnung in der …-straße 8 gekommen wäre. Ein Mietvertrag wurde somit weder geschlossen noch entsprach er dem Willen der Parteien.
(2) Somit hat die Mutter der Klägerin die Wohnung …-straße 8 im Rahmen eines Leihverhältnisses genutzt. Hierfür war weder die Anwendung der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften noch eine Zweckbestimmung vereinbart, welche eine Zweitwohnungsteuerpflicht ausschließen könnten.
Der Klägerin war es rechtlich jederzeit möglich, die Wohnung …-straße 8 selbst zu nutzen. Dass sie dies nicht vorhatte und sich eine Rückforderung der Wohnung auf ihre eigene Wohnsituation hätte auswirken können, hindert nicht die rechtliche Möglichkeit, auf die es für das Innehaben einer Wohnung allein ankommt. Denn durch einen Leihvertrag wird der Verleiher einer Wohnung nach § 598 BGB verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Wohnung unentgeltlich zu gestatten. Die Leihe begründet ein unentgeltliches schuldrechtliches Wohnrecht, das der Verleiher während der Leihzeit weder dem Entleiher entziehen noch sonst beeinträchtigen darf. Der Entleiher kann deshalb die Herausgabe der Wohnung an den Eigentümer auf Grund seines Rechts zum Besitz verweigern. Allerdings kann der Verleiher, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist, die Wohnung nach § 604 BGB jederzeit zurückfordern.
Diese Möglichkeit ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Leihverhältnis nur nach den §§ 573 ff. BGB für ein Mietverhältnis über Wohnraum gekündigt werden kann, somit ein berechtigtes Interesse als Kündigungsgrund erforderlich ist und die Kündigungsfristen einzuhalten sind. Hierfür ist erforderlich, dass der Verleiher sich die Nutzungsmöglichkeit nicht jederzeit verschaffen kann, sondern vertraglich an das mietvertragliche Kündigungsrecht gebunden ist oder etwa eine Rückforderung im Rahmen eines Leihverhältnisses an den Wegfall eines bestimmten Zweckes gebunden ist.
Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Anwendung der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften im Rahmen des Leihverhältnisses ist nicht vereinbart worden. Auch eine bestimmte Zweckbindung liegt nicht vor. Nach Auskunft der Klägerin und ihrer Mutter in der mündlichen Verhandlung ist die Nutzung der Wohnung …-straße 8 durch die Mutter der Klägerin nicht an einen bestimmten vorübergehenden Zweck gebunden gewesen.
(3) Die festgesetzte Steuer ist auch der Höhe nach gegenüber der Klägerin korrekt festgesetzt worden (§§ 3 bis 6 ZwStS). Fehler wurden insoweit nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich.
d) Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung der Zweitwohnungsteuerbescheide schon nicht erfüllt sind, bleibt auch der hilfsweise gestellte Antrag auf erneute Verbescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) ohne Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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