Steuerrecht

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte

Aktenzeichen  II R 26/18

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230221.IIR26.18.0
Normen:
§ 13b Abs 2 S 2 Nr 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008
§ 4h Abs 3 S 6 EStG 2002 vom 16.07.2009
§ 76 Abs 1 S 1 FGO
§ 8 Abs 1 KStG 2002 vom 14.08.2007
§ 8a KStG 2002 vom 14.08.2007
Art 3 Abs 1 GG
R E13b.10 Abs 1 S 1 ErbStR 2011
R E13b.10 Abs 1 S 2 ErbStR 2011
R E13b.10 Abs 1 S 3 ErbStR 2011
R E13b.10 Abs 1 S 4 ErbStR 2011
R E13b.14 Abs 1 S 1 ErbStR 2019
R E13b.14 Abs 1 S 2 ErbStR 2019
R E13b.14 Abs 1 S 3 ErbStR 2019
R E13b.14 Abs 1 S 4 ErbStR 2019
§ 13b Abs 2 S 2 Nr 1 S 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008
§ 13b Abs 2 S 2 Nr 1 S 2 Buchst a Alt 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008
§ 13b Abs 2 S 2 Nr 1 S 2 Buchst c ErbStG 1997 vom 24.12.2008
§ 13b Abs 1 Nr 2 ErbStG 1997 vom 24.12.2008
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig. Ein Einfluss nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.
2. Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft verpachtet, ist auch dann von einer steuerschädlichen Nutzungsüberlassung an Dritte auszugehen, wenn Erwerber des Betriebsvermögens der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.
3. Zwei Betriebe bilden keinen Gleichordnungskonzern, wenn sie durch mehrere Personen beherrscht werden.

Verfahrensgang

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 25. April 2018, Az: 9 K 1857/15, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25.04.2018 – 9 K 1857/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch den Tod seines Vaters, des Erblassers, am …2012 den in der Form eines Einzelunternehmens geführten A-Betrieb. Der A-Betrieb war ursprünglich ein Autohaus und wurde auf einem Grundstück in Z (Betriebsgrundstück) betrieben.
2
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18.12.1984 wurde die J-GmbH gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. der Handel mit sowie die Reparatur von Kraftfahrzeugen. Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist der Kläger.
3
Am 17.12.1984 wurde das Betriebsgrundstück mit Wirkung zum 01.01.1985 mit sämtlichen Betriebsräumen von dem A-Betrieb an die J-GmbH zu deren Betrieb als Autohaus –inklusive der darin befindlichen Maschinen und sonstigen Einrichtungsgegenstände– verpachtet.
4
Am 27.03.1985 wurde in das Handelsregister hinsichtlich der J-GmbH eine Einzelprokura zugunsten des Erblassers eingetragen. Sie erlosch mit dessen Tod am …2012.
5
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 06.11.1997 erteilte der Erblasser dem Kläger eine frei widerrufliche Generalvollmacht. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde der Kläger dadurch von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit und berechtigt, sämtliche geschäftliche Entscheidungen allein zu treffen.
6
Ab dem Jahr 1999 wurde die Ausstellungsfläche der J-GmbH erweitert. Die Verträge und der Schriftwechsel weisen als Bauherrn den Erblasser auf. Die Verträge mit den die Erweiterung ausführenden Unternehmen wurden vom Kläger abgeschlossen und die Erklärungen über eine Bauabnahme ebenfalls von ihm abgegeben.
7
Der Erblasser meldete sein Gewerbe am 19.06.2000 zum 01.01.1985 um und gab als neu ausgeübte Tätigkeit “Vermietung und Verpachtung” an. Zum …2012 wurde das Gewerbe wegen vollständiger Aufgabe abgemeldet.
8
In seiner Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts, welche am …2014 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) eingegangen ist, gab der Kläger den gemeinen Wert des gesamten Betriebsvermögens mit 687.634 € und den Wert des Betriebsgrundstücks mit 611.250 € an. Verwaltungsvermögen war nach der Erklärung des Klägers nicht vorhanden.
9
Mit Bescheid vom …2015 über die gesonderte Feststellung des Werts des Betriebsvermögens auf den …2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) und die gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. bis 29.06.2013 (ErbStG a.F.) (Feststellungsbescheid) stellte das FA den Wert des Betriebsvermögens mit 695.217 € fest. Die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens wurde mit 611.250 € festgestellt.
10
Ein Einspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren vernahm das FG in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 auf Antrag des Klägers eine Zeugin, die in dem Betrieb beschäftigt war (A). Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, bei dem Betriebsgrundstück handle es sich um Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. Eine Rückausnahme nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. würde nicht eingreifen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 2047 veröffentlicht.
11
Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a, Buchst. b Doppelbuchst. aa und Buchst. c ErbStG a.F. sowie § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
12
Er führt im Wesentlichen aus, bei dem A-Betrieb und der J-GmbH hätte es sich zwar um zwei rechtlich getrennte Unternehmen gehandelt. Beide Unternehmen hätten aber faktisch unter einer gemeinsamen Leitung durch den Kläger und den Erblasser gestanden. Der Erblasser hätte in der J-GmbH faktisch seinen Willen allein durchsetzen können. Er hätte die Bereiche Marketing, Finanzen, Einkauf/Verkauf und die Strategieplanung der J-GmbH faktisch allein bestimmt. Beispielsweise hätte er eine maßgebliche Erweiterung des Betriebsgrundstücks als Bauherr durchgeführt. Dies sei durch die Aussage der Zeugin A in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bestätigt worden. Das FG habe die Zeugenaussage unzutreffend gewürdigt. Außerdem habe er –der Kläger– dem Erblasser Prokura für die J-GmbH erteilt. Er selbst habe wiederum über eine Generalvollmacht verfügt, die ihn berechtigt habe, alle Geschäfte allein zu führen. Der A-Betrieb sei bis zum Tod des Erblassers originär betrieblich tätig gewesen. Durch die gemeinsame Geschäftsleitung des A-Betriebs und der J-GmbH durch den Kläger und den Erblasser liege ein Gleichordnungskonzern i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor. Ein solcher könne auch dann gegeben sein, wenn eine natürliche Person an der Spitze einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft stehe und beide beherrsche. Der erweiterte Konzernbegriff finde ebenso Anwendung, wenn keine Konsolidierungsfähigkeit bestehe. Der Gleichordnungskonzern entstehe durch eine tatsächlich ausgeführte einheitliche Leitung. Die einheitliche Leitung müsse nicht von einer Person ausgeübt werden, sondern an der Spitze könne ebenso eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) stehen. Die Zeugin A habe durch ihre Aussage bestätigt, dass zwischen dem Kläger und dem Erblasser eine GbR bestanden habe, die den A-Betrieb sowie die J-GmbH geleitet habe.
13
Der Kläger beantragt sinngemäß,die Vorentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom …2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …2015 dahingehend zu ändern, dass die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 € festgestellt wird, sowiedie Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
14
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
15
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


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