Steuerrecht

Erfolglose Klage gegen erweiterte Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  RO 5 K 18.776

Datum:
9.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 245
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann sich aus einer lang andauernden, wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit ergeben, auf die größere Steuerrückstände hindeuten. Beträge unter 5.000,00 € genügen hierfür regelmäßig nicht. (Rn. 52 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, ist für die gewerberechtliche Bewertung irrelevant. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Gewerbeuntersagungsverfahren obliegt es dem Gewerbetreibenden, hinreichend substantiierte Angaben zu machen, die eine Prüfung ermöglichen, ob ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vorliegt. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten oder die Eintragung im Schuldnerverzeichnis rechtfertigen die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit. (Rn. 64 und 67) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gem. § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Parteien wurden mittels Schreiben vom 24.07.2019 auf die mögliche Entscheidung mittels Gerichtsbescheid hingewiesen und haben dazu Stellung genommen.
II.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom 14.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
1. Der Bescheid erfüllt die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2 GewO. Es liegen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit des Klägers in Bezug auf sein Gewerbe dartun, die Untersagung war zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch die Annahme, dass der Kläger auch für die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leistung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie für alle Gewerbe unzuverlässig ist.
a) Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (etwa BVerwG, Urteil vom 19.03.1970 – I C 6/69, VerwRspr 1971, 223, 224; Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 52.78, juris, Rn. 17; Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 5; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29). Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29).
Die Unzuverlässigkeit muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO aus Tatsachen ergeben. Diese Tatsachen – die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind – sind von der Behörde danach zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft schließen lassen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 31). Dazu werden die Tatsachen bewertet und das zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden prognostiziert. Nach den festgestellten, zeitlich zurückliegenden Tatsachen müssen zukünftige Verstöße wahrscheinlich sein (BVerwG, Urteil vom 16.9.1975 – I C 44/74, NJW 1976, 986, 988; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 32). Diese Tatsachen müssen dabei nicht unmittelbar im Gewerbebetrieb entstanden sein, sie müssen sich allerdings auf das Gewerbe beziehen und die Unzuverlässigkeit jedenfalls im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 33).
Der Begriff der Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden in Form eines moralischen oder ethischen Vorwurfes noch einen Charaktermangel voraus (BVerwG, Urteil vom 29.03.1966 – I C 62.65, juris, Rn. 7; Urteil vom 05.08.1965 – I C 69.62, juris, Rn. 37; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30). Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens, unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu untersagen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 16; Beschluss vom 23.11.1990 – 1 B 155/90, juris, Ls. 1; Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 21). Entfallen die Untersagungsvoraussetzungen danach, wird die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht berührt. Wohlverhalten nach Bescheidserlass kann nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 09. April 1997 – 1 B 81/97, Rn. 7). Der Bescheid des Landratsamtes Regensburg wurde mit der Bekanntgabe gegenüber dem Klägervertreter am 23.04.2018 erlassen.
aa) Die Unzuverlässigkeit des Klägers kann hier schon aus einer lang andauernden, wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geschlossen werden. Diese ergibt sich hier bereits aus den Steuerrückständen des Klägers im Zeitpunkt des Bescheidserlass in Höhe von 167.852,13 EUR.
Das Fehlen von Geldmitteln kann die ordnungsgemäße Führung des Betriebes im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindern. Von dem Gewerbetreibenden muss im Interesse eines redlichen und ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund fällt nur dann weg, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und – trotz seiner Schulden – nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 15; BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO § 35 Rn. 23a). Dabei kommt es nicht darauf an, welche Ursachen zu der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft im Wesentlichen an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise an (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146/80, juris, Rn. 15).
Steuerschulden sind Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Damit Staat und Gemeinden ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können, sind auf den pünktlichen Eingang der von ihnen erhobenen Steuern angewiesen. Ein Gewerbetreibender, der sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entzieht, versucht damit, sich im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten erfüllen. Es kann daher von dem Gewerbetreibenden nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führt (BVerwG, Beschluss vom 17.01.1964 – VII B 159/63, VerwRspr 1964, 983, 984 f.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind Steuerrückstände nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch der Zeitraum, während dessen der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1988 – 1 B 164/87, juris Rn. 3; Beschluss vom 19.01.1994 – 1 B 5/94, juris, Rn. 6).
Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 – 1 B 81/97, juris Rn. 4). Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 52b; vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen vom 14.12.2010, IV A 3-S 0130/10/10019, BStBl I 2010, 1430).
Irrelevant ist dabei, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, Beschluss vom 01.02.1994 – 1 B 9/94, juris, Rn. 3; Beschluss vom 29.01.1988 – 1 B 164/87, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 13.06.2006 – 22 ZB 06.1392, juris, Rn. 2; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51).
Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses befand sich der Kläger gegenüber dem Finanzamt Regensburg mit 164.718,78 EUR im Rückstand. Diese Steuerrückstände des Klägers sind absolut und auch im Verhältnis zu der Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht. So erwirtschaftete der Kläger nach Angaben des Klägervertreters insgesamt im Zeitraum 02.01. bis 18.12.2017 einen Gesamtumsatz von etwa 120.000,00 EUR brutto, im Zeitraum 02.01. bis 18.05.2018 von etwa 78.500,00 €. Die Umsatzsteuerrückstände des Klägers von 160.000,00 EUR betrugen damit im Zeitpunkt des Bescheidserlasses mehr als seinen gesamten Jahresumsatz in 2017. Die Steuerfestsetzungen beruhen zwar im Wesentlichen auf Steuerschätzungen. Auf die Ermittlungsgrundlage der Steuerrückstände kommt es nicht an.
Ferner hatte der Kläger zum 21.03.2018 bei der Realsteuerstelle Regensburg Rückstände in Höhe von 3.133,35 EUR.
Auch verfolgt der Kläger kein sinnvolles und erfolgsversprechendes Sanierungskonzept.
Ein umfassendes tabellarisches Sanierungskonzept wurde jedoch trotz entsprechender Aufforderung des Landratsamtes nicht vorgelegt. Im Gewerbeuntersagungsverfahren obliegt es dem Gewerbetreibenden, hinreichend substantiierte Angaben zu machen, die eine Prüfung ermöglichen, ob ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vorliegt. (Hess. VGH, Urteil vom 26.11.1996 – 8 UE 2858/96, juris, Rn. 35).
Bezüglich der Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt hat der Kläger zwar gegenüber dem Landratsamt vorgeschlagen, 15.000,00 EUR ab Dezember 2017 in Raten von jeweils 1.500,00 EUR im Monat abzubezahlen. An die Realsteuerstelle Regensburg zahlt er monatlich 300,00 EUR.
Angesichts der erheblichen Gesamtrückstände – insbesondere gegenüber dem Finanzamt Regensburg – kann hier insgesamt nicht von einem umfassenden Sanierungskonzept ausgegangen werden. Es bezieht sich nicht auf die gesamten Zahlungsrückstände des Klägers. Ferner wäre auch der Sanierungsvorschlag gegenüber dem Finanzamt nicht ausreichend gewesen. Der Kläger hatte nur angeboten, 15.000,00 EUR zu bezahlen.
bb) Desweiteren ergibt sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit aus der Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten durch den Kläger. So hat er seit dem Jahr 2013 keine Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen mehr eingereicht. Auch die Umsatzsteuervoranmeldungen werden seit dem 2. Quartal 2016 nicht mehr eingereicht. Ferner hat der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009, 2010 und 2012 unterlassen, die erforderlichen Einkommenssteuererklärungen abzugeben, genauso wie die Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013.
In den Urteilsgründen des Urteils des Amtsgerichts Regensburg vom 25.06.2018, Az. 23 Ds 157 Js 25311/17, wurde festgestellt, dass Kläger entgegen der ihm bekannten Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe einer inhaltlich den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 eine unrichtige Steuererklärung eingereicht habe, indem er zu geringe Betriebseinnahmen und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte um sich hierdurch wissentlich und willentlich finanzielle Vorteile auf Kosten des Staates zu verschaffen. Ebenso habe der Angeklagte es unterlassen, entgegen der ihm bekannten Verpflichtung, pflichtwidrig zu den gesetzlichen Abgabeterminen die erforderlichen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009, 2010 und 2012 und die Umsatzsteuererklärung für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013 einzureichen, mit dem Ziel und dem Willen, dass Einkommensteuer und Umsatzsteuer spätestens zum Veranlagungsschluss nicht festgesetzt wurden, um sich so entsprechende Steuervorteile zu verschaffen.
Diese tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes Regensburg können auch im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides herangezogen werden. Im relevanten Bewertungszeitpunkt – dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses – waren diese tatsächlichen Umstände bereits gegeben.
cc) Ebenfalls ergibt sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers aus seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis. Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zeigen, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit war und damit nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mittels Haftbefehl BayVGH, Beschluss vom 03.08.2015, Az. 22 ZB 15.1271, juris, Rn. 12; Beschluss vom 28.08.2013, Az. 22 ZB 13.1419, juris, Rn. 19).
Der Kläger wurde am 22.05.2017 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. In dieser kommt zum Ausdruck, dass der Kläger auch nicht bereit ist, seinen Gläubigern – hier wohl dem Finanzamt Regensburg – durch die Auskunft über sein Vermögen die Vollstreckung zu ermöglichen.
dd) Schließlich kann dahinstehen, ob die Rückstände bei der SOKA Bau sowie der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft tatsächlich bestehen und eine Unzuverlässigkeit des Klägers auch in dieser Hinsicht begründen. Die festgestellten Tatsachen genügen bereits, um eine Unzuverlässigkeit des Klägers zu bejahen.
b) Die Gewerbeuntersagung war zum Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass die Steuerrückstände des Klägers im Verlauf des Verfahrens weiter steigen werden.
Eine abstrakte Gefahr in Form einer nach der Lebenserfahrung typischerweise anzunehmende Gefährdungslage ist hier gegeben (BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO, § 35 Rn. 35). Eine solche liegt jedenfalls darin, wenn Vermögen der öffentlichen Hand gefährdet wird, etwa durch die unberechtigte Vorenthaltung von Umsatzsteuern (OVG Bautzen, Beschluss vom 08.03.2011 – 3 B 354/10, juris, Rn. 9).
Die Steuerrückstände des Klägers sind während des Verwaltungsverfahrens erheblich angestiegen. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses hatte der Kläger Steuerrückstände gegenüber dem Landratsamt in Höhe von etwa 160.000,00 EUR, im Zeitpunkt der Anregung des Verfahrens durch das Finanzamt Regensburg betrugen diese noch etwa 90.000,00 EUR.
c) Der Bescheid ist ferner verhältnismäßig. Es ist kein milderes Mittel ersichtlich, das die Gefahr für die Allgemeinheit mit gleicher Wirksamkeit beseitigt. Bei der Gewerbeuntersagung handelt es sich um die ultima ratio zur Abwehr der Gefährdungen aus der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (Landmann/Rohmer/Marcks, 81. EL März 2019, GewO § 35 Rn. 78).
Die Beeinträchtigung des Klägers stand nicht außer Verhältnis zu den Schäden, die bei Fortsetzung der Tätigkeit zu erwarten sind. Eine teilweise Untersagung oder die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen wäre weniger wirksam. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass während des laufenden Verwaltungsverfahrens die Steuerrückstände weiter angestiegen sind und der Kläger seine sonstigen steuerrechtlichen Pflichten – insbesondere zur Erklärung – erheblich verletzt hat.
d) Die Gewerbeuntersagung konnte gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie auf die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie auf alle anderen Gewerbe erstreckt werden.
aa) Durch den Bescheid des Landratsamtes Regensburg wurde ein tatsächlich betriebenes Gewerbe untersagt (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 29).
bb) Es war auch im Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu erwarten, dass der Kläger auf eine andere gewerbliche Tätigkeit ausweicht. Diese Wahrscheinlichkeit folgt schon aus der Tatsache, dass der Gewerbetreibende – trotz Unzuverlässigkeit – an seiner gewerblichen Tätigkeit festhielt. Durch sein Festhalten an dem ausgeübten Gewerbe bekundet er regelmäßig seinen Willen, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine zukünftige, anderweitige gewerbliche Tätigkeit des Klägers in Zukunft ausschließen (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 29).
Die gewerbliche Tätigkeit des Klägers erfasste bereits verschiedene Tätigkeiten. So übte er neben dem Verkauf, der Verlegung und der Verfugung von Naturfliesen auch den Verkauf von KfZ-Zubehör und neuen Sportgeräten aus. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch bei Untersagung dieser Tätigkeiten weitere gewerbliche Tätigkeiten aufnehmen würde.
cc) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
2. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 und Ziffer 5 des Bescheides erfüllen die Voraussetzungen der Art. 29, 30, 31, 36 des Bayrischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
3. Die Kostenentscheidung ist ebenfalls rechtmäßig. Als Veranlasser des Verfahrens hat der Kläger dessen Kosten gem. Art. 2 Abs. 1 KG zu tragen. Die Bescheidsgebühr von 500,00 EUR entspricht Art. 5, 6 Abs. 2 KG in Verbindung mit Tarifnummer 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses zum KG. Diese setzt einen Kostenrahmen von 50,00 EUR bis 2.000,00 EUR für Gewerbeuntersagungen nach § 35 Abs. 1 GewO fest. Die Höhe ist unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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