Steuerrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung nach Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  22 ZB 17.786

Datum:
12.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 110448
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Darlegungsgebot im Berufungszulassungsverfahren.
2 Veränderungen der Sachlage während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, auch ein Verhalten des Gewerbetreibenden selbst, können eine zuvor im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu treffende Unzuverlässigkeitsprognose zusätzlich bestätigen oder – umgekehrt – einen Hinweis auf eine unerwartet günstige, von der Prognose abweichende Entwicklung geben. Eine im maßgeblichen Zeitpunkt rechtsfehlerfrei getroffene (negative) Prognose wird durch solche Veränderungen aber nicht rechtsfehlerhaft. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.2027 2017-01-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wehrt sich mit seiner Anfechtungsklage gegen eine von der Beklagten mit Bescheid vom 5. April 2016 verfügte erweiterte Gewerbeuntersagung. Die gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 17. Januar 2017 abgewiesen.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen der Kläger in der Antragsbegründung nicht entgegen getreten ist, hatte der Kläger beim Finanzamt nach dessen Mitteilung vom 24. Februar 2016 aktuell Schulden in Höhe von 14.000 €, die insgesamt bis ins Jahr 2012 zurück reichten und deren älteste einzelne Forderung bereits am 30. Juli 2014 fällig war. Bei der Beklagten hatte der Kläger Gewerbesteuerrückstände in Höhe von 3.200 €, die seit der Fälligkeit am 15. August 2014 stetig aufgelaufen waren.
Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die negative Prognose über die künftige gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Klägers sei zu Recht auf dessen erhebliche Zahlungsrückstände beim Finanzamt und beim Kassen- und Steueramt der Beklagten, auf die Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten durch den Kläger und auf dessen wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit gestützt worden. Dass die Steuerschulden auf Schätzbescheiden beruhten, sei nicht entscheidungserheblich. Die genannten Rückstände des Klägers hätten sich im Lauf der Zeit beständig erhöht; der Kläger habe die zu leistenden Vorauszahlungen nicht erfüllt und Zahlungen nur vereinzelt und in geringer Höhe geleistet. Der Kläger sei zudem vermögenslos. Im Schuldnerverzeichnis gebe es sieben Eintragungen zum Kläger, zuletzt sei am 23. Februar 2016 „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ eingetragen worden; eine der Eintragungen habe die Anordnung der Erzwingungshaft zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung betroffen. Ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept zur Tilgung seiner Schulden habe der Kläger nicht; Zeichen für eine Besserung der wirtschaftlichen Situation seien beim Kläger nicht erkennbar. Der Kläger habe ferner seine Erklärungspflichten für die Jahre 2013 und 2014 nur unzureichend erfüllt. Dass dies – wie der Kläger einwende – auf seinen Steuerberater zurückzuführen sei, den der Kläger vergeblich zu erreichen versucht habe, sei entscheidungsunerheblich; Fehler des Steuerberaters müsse der Kläger sich zurechnen lassen. Auf positive Veränderungen nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, dem Erlass des angefochtenen Bescheids, komme es nicht an; solche dem Kläger günstige Entwicklungen seien in einem Verfahren auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 GewO geltend zu machen.
Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 17. Januar 2017 beantragt und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
Über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung konnte ohne Anhörung der Beklagten entschieden werden, da sich aus der Antragsbegründung (vgl. zur Maßgeblichkeit der darin enthaltenen Darlegungen § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass der einzige vom Kläger für sich in Anspruch genommene Zulassungsgrund (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegt.
Ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 und 7a, m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).
1. Vorliegend leistet die Antragsbegründung nicht die gebotene substantiierte Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung derart, dass der Streitstoff durchdrungen oder aufbereitet wird. „Darlegen“ bedeutet „etwas erläutern“, „näher auf etwas eingehen“ oder „etwas substantiieren“ (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 9.3.2017 – 22 ZB 16.1872 – juris Rn. 9, Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 194 m.w.N.). Ein solches substantiiertes Eingehen auf die tragenden Gründe des Verwaltungsgerichts und eine Darlegung, weshalb diese Erwägungen im Ergebnis zu einer falschen Entscheidung geführt hätten, findet sich in der Antragsbegründung nicht. Der Kläger beschränkt sich vielmehr im ersten Absatz auf S. 2 seiner Antragsbegründung vom 10. Mai 2017 darauf, denselben Sachverhalt lediglich zu referieren, von dem auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist; eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen findet hier nicht statt.
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers im dritten Absatz der S. 2, wonach die negative Prognose über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Klägers deswegen falsch sei, weil der Kläger von seinem Steuerberater buchstäblich „hängen gelassen“ worden sei. Das Verwaltungsgericht hat insofern ausgeführt (Urteilsabdruck – UA – S. 11 oben), dass die Unzuverlässigkeitsprognose nicht bereits deshalb unberechtigt ist, weil das zu dieser Prognose führende Verhalten nicht dem Gewerbetreibenden persönlich, sondern einem Dritten „anzulasten“ ist, dessen sich der Gewerbetreibende zur Erfüllung seiner Pflichten bedient hat; aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht den Einwand des Klägers, er habe sich erfolglos bemüht, die ausstehenden Steuererklärungen über seinen Steuerberater einzureichen, als nicht durchgreifend angesehen. Diese Rechtsansicht stimmt mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, namentlich der des Verwaltungsgerichtshofs, überein. Sonach ist ein Gewerbetreibender auch dann unzuverlässig, wenn er sich zur Erledigung beruflich bedingter Pflichten Dritter bedient, die die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Gewerbetreibenden das Fehlverhalten des Dritten bekannt sein musste, ohne dass er sogleich für Abhilfe sorgt (so im Fall eines Steuerberaters: BayVGH, B.v. 22.3.2017 – 22 ZB 17.374 – juris Rn. 8). Dass der Kläger – vorausgesetzt, sein Einwand hinsichtlich des Verschuldens seines früheren Steuerberaters trifft überhaupt zu – nicht in der Lage gewesen sei, rascher Abhilfe zu schaffen, ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht. Die seitens des Klägers nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts und die eigenen Aussagen des Klägers sprechen vielmehr für das Gegenteil: In der Antragsbegründung führt der Kläger seine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit darauf zurück, dass er im Jahr 2015 (wegen des nach einem größeren Auftrag ausgebliebenen Kundenentgelts) in eine „finanzielle Schieflage“ geraten sei. Eine im Jahr 2015 eingetretene finanzielle Notlage erklärt allerdings nicht, weshalb die Steuerrückstände des Klägers bis ins Jahr 2012 zurück reichen und er schon ab dem 30. Juli 2014 fällige Steuerforderungen nicht beglichen und nicht beim Finanzamt auf eine Klärung des Sachverhalts in seinem Sinne hingewirkt hat. Davon abgesehen kann auch in dem fast zweijährigen Zeitraum vom Juli 2014 bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids im April 2016 von einem „ausreichenden Bemühen“ des Klägers, die (angeblichen oder tatsächlichen) Versäumnisse seines früheren Steuerberaters zu beheben, nicht ausgegangen werden; die Darlegung des Klägers, er und sein Bevollmächtigter hätten vergeblich den Steuerberater zu erreichen versucht und der Kläger habe zunächst wegen des damit verbundenen zeitlichen und finanziellen Mehraufwands einen Wechsel des Steuerberaters gescheut, reicht dafür nicht aus. Dies gilt um so mehr, als es für den Kläger nahegelegen hätte, tatsächliche und ernsthafte Bemühungen um eine Bereinigung der steuerlichen Defizite wenigstens der Beklagten vor Erlass des angefochtenen Bescheids vorzutragen, die Behörde von einer absehbaren künftigen Verbesserung seiner wirtschaftlich und gewerberechtlich prekären Lage zu überzeugen und auf diese Weise die Gewerbeuntersagung abzuwenden. Der Kläger hat sich aber auf die Anhörung durch die Beklagte hin nicht einmal geäußert.
Unabhängig von den Unzuverlässigkeitsgründen in steuerlicher Hinsicht (Steuerschulden und Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten) tragen zur berechtigten Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers aber auch dessen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis bei, die auf eine über die Verletzung von Steuerpflichten hinausreichende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Klägers schließen lassen.
2. Der Kläger trägt in der Antragsbegründung (Schriftsatz vom 10.5.2017, S. 2 ab dem zweiten Absatz) außerdem vor, die negative Zuverlässigkeitsprognose sei deswegen ungerechtfertigt, weil er nunmehr einen anderen Steuerberater beauftragt habe, der sich der Bereinigung der steuerlichen Probleme des Klägers angenommen habe. Daraus können sich ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber schon deswegen nicht ergeben, weil bei einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist, so dass nach diesem Zeitpunkt geschehene Veränderungen der Sachlage außer Betracht bleiben (BayVGH, B.v. 31.1.2014 – 22 ZB 13.1859 – juris Rn. 13 m.w.N.). Aus der materiellrechtlichen Besonderheit eines vom Untersagungsverfahren gesonderten Wiedergestattungsverfahrens (§ 35 Abs. 6 GewO) und aus dem dieser Regelung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Motiv ergibt sich, dass die Frage der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden – obwohl die Gewerbeuntersagung ihrem Regelungsgehalt nach ein Dauerverwaltungsakt ist – allein nach der Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu beurteilen ist (BayVGH, B.v. 23.5.2011 – 22 ZB 11.502 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – GewArch 1991, 110 unter Hinweis u.a. auf BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1).
Veränderungen der Sachlage während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, auch ein Verhalten des Gewerbetreibenden selbst, können eine zuvor im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu treffende Unzuverlässigkeitsprognose zusätzlich bestätigen oder – umgekehrt – einen Hinweis auf eine unerwartet günstige, von der Prognose abweichende Entwicklung geben. Eine im maßgeblichen Zeitpunkt rechtsfehlerfrei getroffene (negative) Prognose wird durch solche Veränderungen aber nicht rechtsfehlerhaft.
Vorliegend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Januar 2017, also weit nach Erlass des angefochtenen Bescheids, vorgetragen, „jetzt werde er“ einen neuen Steuerberater beauftragen, um die ausstehenden Erklärungen möglichst bald einzureichen. Sollten diese Bemühungen des Klägers erfolgreich sein und er auch die übrigen im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bestehenden Gründe für die Annahme seiner gewerblichen Unzuverlässigkeit ausräumen können, so wäre dies – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (UA, S. 11 unten) – im Rahmen eines Wiedergestattungsverfahrens geltend zu machen. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewerbeuntersagung ändert sich dadurch aber nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).

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