Steuerrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  22 ZB 21.371

Datum:
19.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24962
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a
GewO § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Weigerung bei Eintragungen im Vollstreckungsportal, durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, ist nicht mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung zu vereinbaren und rechtfertigt die Annahme der Leistungsunfähigkeit, welche eine Gewerbeuntersagung trägt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch die Vollstreckung wegen angeblich privater Verbindlichkeiten gegen den Gewerbetreibenden bzw. in dessen Vermögen perpetuieren dessen wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verlangt die Formulierung einer Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinausgehend für eine Vielzahl von Fällen klärungsbedürftig wäre. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 18.3981 2020-12-18 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seinem Antrag auf Berufungszulassung wie schon im erstinstanzlichen Verfahren gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Am 18. August 2015 zeigte der Kläger der Beklagten die Ausübung eines Gewerbes an.
Auf Grundlage eines an sie gerichteten Schreibens des Finanzamts München vom 27. November 2017, in welchem u.a. auf (zum damaligen Zeitpunkt) bestehende Steuerrückstände des Klägers in Höhe von 31.731,77 Euro, fehlende Umsatzsteueranmeldungen für die Monate ab Februar 2016 und die fehlende Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2015 hingewiesen wurde, leitete die Beklagte ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen den Kläger ein. Eine Abfrage im Vollstreckungsportal u.a. zum 25. Juni 2018 ergab drei den Kläger betreffende Eintragungen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
Auf die Anhörung vom 13. März 2018 äußerte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 30. April 2018 und 18. Juni 2018, dass die vom Finanzamt gemeldeten Steuerrückstände auf Schätzungen basieren würden und viel zu hoch seien. Der Kläger habe zwischenzeitlich seine Steuerschulden sowie Rückstände bei der Industrie- und Handelskammer beglichen; Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2017 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Februar 2016 bis einschließlich März 2018 seien abgegeben worden.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2018 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes “Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz); Einzelhandel mit Feinkost; Einzelhandel mit Lebensmitteln; Einzelhandel mit Geschenkartikeln” im stehenden Gewerbe (Nr. 1 des Bescheids) und erweiterte die Untersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie auf jede selbstständige Gewerbetätigkeit (Nr. 2). Zudem wurde dem Kläger aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens 10 Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3); für den Fall, dass der Kläger dem nicht nachkomme, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 4). Dem Kläger wurden die Kosten des Verwaltungsverfahrens auferlegt (Nrn. 5 und 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger im gewerberechtlichen Sinne unzuverlässig sei, insbesondere da er seinen Zahlungs- und Erklärungspflichten seit Jahren nicht ordnungsgemäß nachkomme. Er befinde sich in ungeordneten Vermögensverhältnissen, seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit halte unvermindert an.
Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 18. Dezember 2020 ab. Die Beklagte sei zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen. Die negative Prognose hinsichtlich des Klägers rechtfertige sich aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen, wobei es grundsätzlich unerheblich sei, ob den Gewerbetreibenden bezüglich dieser Tatsachen/Umstände ein Verschuldensvorwurf treffe. Der Kläger habe ausweislich der entsprechenden Eintragungen im Vollstreckungsportal in drei Fällen die Vermögensauskunft nicht abgegeben. Der Kläger sei folglich freiwillig nicht bereit, die ihm im Vollstreckungsverfahren obliegende Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, zu erfüllen, und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig. Daher könne dahinstehen, ob der Kläger im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch erhebliche Steuerrückstände beim Finanzamt gehabt habe.
Mit am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 31. Januar 2021 beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die Zulassung der Berufung gegen das am 2. Januar 2021 zugestellte Urteil und begründete dies mit Schriftsätzen vom 27. Februar 2021 und (vertiefend bzw. ergänzend) vom 14. Mai 2021.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 31. März 2021, den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung vorliegen.
1. Keiner der vom Bevollmächtigten des Klägers angeführten Zulassungsgründe i.S.v. § 124a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ist dargelegt und liegt vor.
1.1 Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 18. Dezember 2020 (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62f.).
Der Bevollmächtigte des Klägers trägt insoweit zunächst vor, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bescheidszustellung, am 10. Juli 2018, sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Steuererklärungen eingereicht und seine Steuerrückstände auf nur noch 2.882,46 Euro reduziert habe. Auf die Steuerschulden hätte das Erstgericht daher nicht mehr abstellen dürfen. Aber auch die zuletzt noch nicht gelöschten – nach Angaben des Bevollmächtigten – zwei Einträge im Vollstreckungsportal seien nicht geeignet, das Urteil des Erstgerichts zu begründen.
Beide Einwände des Klägerbevollmächtigen vermögen keine ernstlichen Zweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts München zu begründen. Ob etwaige Steuerrückstände des Klägers zur Prognose seiner künftigen (Un-)Zuverlässigkeit bei Bescheidserlass berücksichtigt werden konnten, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen (vgl. UA S. 10, Rn. 26), so dass das diesbezügliche Vorbringen ins Leere geht. Dass das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeitsprognose durch die – laut Aktenlage zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses drei (vgl. bspw. Behördenakte Bl. 57, Abfrage am 25.6.2018; Bl. 133, Abfrage am 29.10.2018) – Eintragungen des Klägers im Vollstreckungsportal bzw. die damit dokumentierte mehrmalige Nichtabgabe einer Vermögensauskunft rechtfertigt, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken und entspricht auch der ständigen Rechtsprechung (u.a.) des Senats (vgl. etwa zuletzt BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.1088 – juris Rn. 13; B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.363 – juris Rn. 25). Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die diesbezügliche Weigerung des Klägers, durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, nicht mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung zu vereinbaren ist und die Annahme rechtfertigt, dass der Kläger nicht nur leistungsunwillig, sondern auch leistungsunfähig ist. Soweit der Klägerbevollmächtigte dazu – im Übrigen ohnehin unsubstantiiert und unbelegt – einwendet, dass es sich bei den Einträgen zum einen um “private Verbindlichkeiten” des Klägers handle, wird schon nicht klar, inwieweit dies etwas an der rechtlichen Einschätzung der Leistungsunfähigkeit und -unwilligkeit des Klägers ändern soll. Auch solche angeblich “privaten” Verbindlichkeiten können und werden offensichtlich auch gegen den Kläger bzw. in dessen Vermögen vollstreckt und perpetuieren seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit. Ebenso unterstreicht der Gedanke, dass es scheinbar einen Unterschied machen soll, wenn der Kläger “bloß” bei “privaten” Verbindlichkeiten eine Vermögensauskunft verweigert, den Eindruck der (generellen) Leistungsunwilligkeit des Klägers. Gleiches gilt im Ergebnis für den weiteren Einwand des Klägerbevollmächtigten, dass der Kläger zum anderen schlicht Termine zur Erteilung von Auskünften über die Vermögensverhältnisse nicht eingehalten habe – im Ergebnis räumt der Kläger so selbst ein, dass er sich seinen Pflichten als Gewerbetreibender nicht bewusst ist bzw. diese nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit wahrnimmt.
Soweit der Kläger vorbringt, die Gewerbeuntersagung sei “völlig überzogen und unverhältnismäßig”, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (vgl. im Übrigen zum insoweit strengen Maßstab der Verhältnismäßigkeit etwa BayVGH, B.v. 8.5. 2020 – 22 ZB 20.127 – juris Rn. 41 m.w.N.).
1.2 Weder im Vortrag, dass die Beurteilung nicht gelöschter, alter Eintragungen im Vollstreckungsregister im Hinblick auf die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit dem Berufungsgericht vorbehalten sein sollte, noch im Vortrag, dass die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich schwierig sei, liegt eine ausreichend substantiierte Darlegung, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
1.3 Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt, denn es wurde keine Rechtsfrage formuliert, die über den Einzelfall hinausgehend für eine Vielzahl von Fällen klärungsbedürftig wäre (zum diesbezüglichen Darlegungserfordernis vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Soweit der Klägerbevollmächtigte die Frage aufwirft, ob noch verbliebene geringe und leichte Versäumnisse und Verstöße eine erweiterte Gewerbeuntersagung rechtfertigten, ist dies nicht entscheidungserheblich, das es sich bei den Eintragungen im Vollstreckungsregister nicht um “verbliebene geringe Verstöße” handelt. Generell wird nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die vorliegende Rechtssache grundsätzliche, über den Fall hinausgehende Bedeutung etwa im Hinblick auf die in ständiger Rechtsprechung bereits geklärten Voraussetzungen zum Erlass einer (auch erweiterten) Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewO haben soll.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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