Steuerrecht

Erweiterte Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  RN 5 K 18.59

Datum:
3.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33577
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 7
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
1. Die Klage ist zulässig. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass seinen Klageantrag nur auf die Teile des Bescheides bezieht, die den Kläger betreffen. Dabei handelt es sich um die Ziffern 2a, 2b, 3, 4 sowie 5b.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid ist, soweit er den Kläger betrifft, rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
a) Die Untersagung der angemeldeten Tätigkeit des Klägers nach Ziffer 2 lit. a) des Bescheides vom 8.12.2017 nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
aa) Der Bescheid ist insoweit formell rechtmäßig.
(1) Das Landratsamt P. ist gem. § 155 Abs. 2 GewO, § 37 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) i.V.m. § 35 Abs. 7 GewO für den Erlass der Gewerbeuntersagung zuständig.
(2) Der Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamtes vom 15.9.2017 und weiterem Schreiben vom 13.10.2017 zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung nach Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) angehört. Die IHK … wurde ebenfalls mit Schreiben vom 15.9.2017 zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung gegen den Kläger nach § 35 Abs. 4 GewO als zuständige Industrie- und Handelskammer angehört.
bb) Der Bescheid ist in Ziffer 2 lit. a) ferner materiell rechtmäßig.
Gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
(1) Der Kläger ist mit Bezug auf das von ihm ausgeübte Gewerbe „Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen, Holz und Bautenschutz, Einbau von genormten Baufertigteilen, Montageservice“ unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (etwa BVerwG, U. v. 19.3.1970 – I C 6/69, VerwRspr 1971, 223, 224; U. v. 2.2.1982 – 1 C 52.78, juris, Rn. 17; B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 5; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29). Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 29).
Die Unzuverlässigkeit muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO aus Tatsachen ergeben. Diese Tatsachen – die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind – sind von der Behörde danach zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft schließen lassen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 31). Dazu werden die Tatsachen bewertet und das zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden prognostiziert. Nach den festgestellten, zeitlich zurückliegenden Tatsachen müssen zukünftige Verstöße wahrscheinlich sein (BVerwG, U. v. 16.9.1975 – I C 44/74, NJW 1976, 986, 988; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 32). Diese Tatsachen müssen dabei nicht unmittelbar im Gewerbebetrieb entstanden sein, sie müssen sich allerdings auf das Gewerbe beziehen und die Unzuverlässigkeit jedenfalls im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 33).
Der Begriff der Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden in Form eines moralischen oder ethischen Vorwurfes noch einen Charaktermangel voraus (BVerwG, U. v. 29.3.1966 – I C 62.65, juris, Rn. 7; U. v. 5.8.1965 – I C 69.62, juris, Rn. 37; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30). Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens, unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu untersagen (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 16; B. v. 23.11.1990 – 1 B 155/90, juris, Ls. 1; B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 21). Entfallen die Untersagungsvoraussetzungen danach, wird die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht berührt. Wohlverhalten nach Bescheidserlass kann nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, B. v. 9. April 1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Der Bescheid des Landratsamtes P. wurde mit der Bekanntgabe gegenüber dem Kläger am 12.12.2017 erlassen.
(a) Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich bezüglich seines angemeldeten Einzelgewerbes (Ziffer 2a) des Bescheides) aus dessen Mangel an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides.
(aa) Das Fehlen von Geldmitteln kann die ordnungsgemäße Führung des Betriebes im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindern. Von dem Gewerbetreibenden muss im Interesse eines redlichen und ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Ursachen zu der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft im Wesentlichen an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise an (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146/80, juris, Rn. 15).
(bb) Steuerschulden sind Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Land-mann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Damit Staat und Gemeinden ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können, sind sie auf den pünktlichen Eingang der von ihnen erhobenen Steuern angewiesen. Ein Gewerbetreibender, der sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entzieht, ver-sucht damit, sich im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten erfüllen. Es kann daher von dem Gewerbetreibenden nicht angenommen werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führt (BVerwG, B. v. 17.1.1964 – VII B 159/63, VerwRspr 1964, 983, 984 f.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind Steuerrückstände nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch der Zeitraum, während dessen der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, von Bedeutung (BVerwG, B. v. 29.1.1988 – 1 B 164/87, juris Rn. 3; B. v. 19.1.1994 – 1 B 5/94, juris, Rn. 6). Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris Rn. 4). Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen (Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 52b; vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen vom 14.12.2010, IV A 3-S 0130/10/10019, BStBl I 2010, 1430).
Laut Kontenstand des Finanzamtes P. vom 30.11.2017 bestanden für den Kläger Steuerrückstände in Höhe von 34.873,56 EUR. Diese setzten sich aus Umsatzsteuern für 2014 und August 2017 in Höhe von 24.533,56 EUR sowie aus Säumniszuschlägen in Höhe von 10.340,00 EUR zusammen. Damit liegen die Rückstände deutlich über dem absoluten Mindestbetrag von 5.000,00 EUR. Auch stammen sie mit den Jahren 2014 und 2017 aus einem längeren Zeitraum.
(cc) Der Kläger arbeitete hier im Zeitpunkt der Gewerbeuntersagung nicht nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept.
Der Untersagungsgrund der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit fällt nur dann weg, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und – trotz seiner Schulden – nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 15; BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO § 35 Rn. 23a).
Zwar kam der Kläger im Laufe des Gewerbeuntersagungsverfahrens zwischenzeitlich seinen steuerlichen Verpflichtungen nach. Allerdings wurde ein neuer Antrag des Klägers auf Ratenzahlung mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgelehnt. Der Kläger ging damit im Zeitpunkt der Gewerbeuntersagung nicht mehr nach einem erfolgsversprechenden Sanierungskonzept vor.
(b) Die Untersagung der selbständigen Tätigkeit des Klägers ist zum Schutz der Allgemeinheit geboten. Eine abstrakte Gefahr in Form einer nach der Lebenserfahrung typischerweise an-zunehmende Gefährdungslage ist hier gegeben (BeckOK GewO/Brüning, 47. Ed. 1.6.2019, GewO, § 35 Rn. 35). Eine solche liegt jedenfalls darin, wenn Vermögen der öffentlichen Hand gefährdet wird, etwa durch die unberechtigte Vorenthaltung von Umsatzsteuern (OVG Bautzen, B. v. 8.3.2011 – 3 B 354/10, juris, Rn. 9).
(c) Die Gewerbeuntersagung ist auch verhältnismäßig. Ein milderes, gleich effektives Mittel zum Schutz des gefährdeten Vermögens der öffentlichen Hand ist nicht ersichtlich. Bei der Gewerbeuntersagung handelt es sich um die ultima ratio zur Abwehr der Gefährdungen aus der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (Landmann/Rohmer/Marcks, 81. EL März 2019, GewO § 35 Rn. 78). Die Schäden, die durch die Fortsetzung der Tätigkeit bei Erlass des Bescheides zu erwarten waren, standen nicht außer Verhältnis zu der Beeinträchtigung des Klägers. Dies ergibt sich hier insbesondere aus der Höhe der Steuerrückstände. Eine teilweise Untersagung oder die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen wäre weniger wirksam. Anders als die vollumfängliche Gewerbeuntersagung sind diese nicht in der Lage, das Risiko der Vermögensgefährdung der öffentlichen Hand auszuschließen.
(3) Des Weiteren konnte die Gewerbeuntersagung des Klägers gem. § 35 Abs. 7a GewO in Verbindung mit § 35 Abs. 1 S. 1 GewO auf eine selbständige Tätigkeit im Bereich der angemeldeten Tätigkeit … GmbH erstreckt werden.
(a) Auch wenn dem Kläger nicht ausdrücklich die Tätigkeit untersagt wurde, die seiner bisherigen leitenden Tätigkeit entspricht, ist durch die Untersagung sämtlicher sonstiger Gewerbe auch das erfasst, das der bisherigen Vertretungstätigkeit entspricht. Es würde – so das Bundesverwaltungsgericht – eine unnötige Förmelei darstellen, eine Benennung dieses Gewerbes zu fordern (BVerwG, U. v. 19.12.1995 – 1 C 3/93, juris, Rn. 20).
(b) Gleichzeitig mit dem Verfahren gegen den Kläger als Vertretungsberechtigtem der … GmbH wurde auch das Untersagungsverfahren gegen diese eingeleitet.
(c) Der Kläger ist ebenfalls unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 7a, Abs. 1 S. 1 GewO. Unzuverlässig ist für eine künftige gewerbliche Betätigung der bisher unselbständig Tätige, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft ein seiner bisherigen abhängigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Im Übrigen entspricht der Maßstab dem des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die insoweit erforderliche Prüfung ist auch hier der der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U. v. 19.12.1995, 1 C 3/93, juris, Rn. 31).
(aa) Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich in diesem Fall aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der … GmbH. Diese ist in dem Gewerbebetrieb eingetreten, in dem der Kläger als Vertretungsberechtigter bestellt war (OVG Münster, B. v. 28.8.2017 – 4 A 2232/15, juris, Rn. 9). Als deren Geschäftsführer muss sich der Kläger deren mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurechnen lassen.
Die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ergibt sich hier zum einen aus den Rückständen der … GmbH gegenüber der S.-Bau. Im Zeitpunkt des Bescheidserlass betrugen diese etwa 66.000 EUR.
Durch das nicht ausgeglichene Beitragskonto bei der Sozialkasse hat der Kläger die Erfüllung einer ihm als Arbeitgeber obliegenden gesetzlichen Zahlungspflicht verhindert, Leistungsansprüche seiner Arbeitnehmer beeinträchtigt, die Funktionsfähigkeit des Sozialkassenverfahrens beeinträchtigt und sich einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, ihre Beitragspflichten erfüllenden Arbeitgebern des Baugewerbes verschafft (vgl. OVG Magdeburg, B. v. 7.10.2010, 1 L 2/10, juris, Rn. 41).
Mit dem Urlaubskassenverfahren wird den besonderen Produktionsbedingungen des Baugewerbes Rechnung getragen. Unterjährige Beschäftigung und häufige Arbeitgeberwechsel führen im Baugewerbe dazu, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen zusammenhängenden Urlaubsanspruch erwerben. Das Urlaubskassenverfahren stellt sicher, dass gewerbliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Urlaubsansprüche bei verschiedenen Arbeitgebern der Bauwirtschaft ansparen und zu gegebener Zeit gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber geltend machen können. Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes gewährt ergänzend zu den bestehenden staatlichen Leistungssystemen eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Unfallrente. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft nimmt ferner als Service und Verwaltungserleichterung der Betriebe des Baugewerbes im Rahmen der Winterbauförderung die Aufgabe wahr, im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Winterbeschäftigungsumlage einzuziehen. Die Sozialkassenverfahren gewähren Leistungen, zu deren Erbringung der einzelne Arbeitnehmer nicht in der Lage wäre. Sie setzen voraus, dass die Lasten von den Arbeitgebern gemeinsam und solidarisch getragen werden (Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, BT-Drucks. 18/10631, S. 648 f.).
Führt ein Arbeitgeber die ihm obliegenden Beiträge demnach nicht an die S.-Bau ab, so verschafft er sich gegenüber seinen unmittelbaren, ebenfalls tarifgebundenen Konkurrenten einen rechtswidrigen Vorteil. Gleichzeitig gefährdet er die Funktionsfähigkeit des Sozialkassensystems.
Gem. § 7 Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der jeweiligen Fassung in ihrem jeweiligen Geltungsbereich für alle Arbeitnehmer. Es ist hier verfassungsrechtlich unbedenklich, dass das SoKaSiG die Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe rückwirkend auf alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber erstreckt (BAG, U. v. 20.11.2018 – 10 AZR 121/18).
Der Kläger kann dem auch nicht entgegenhalten, dass er im Zeitpunkt des Bescheidserlases auch Zahlungsansprüche gegenüber der S. Bau in Höhe von etwa 47.000 EUR hatte. Das Beitragskonto war in diesem Zeitpunkt nicht ausgeglichen, sodass eine Auszahlung tarifvertraglich nicht möglich war. Selbst bei Zugrundelegung einer zulässigen Verrechnung der Ansprüche wären die Zahlungsrückstände mit etwa 19.000 EUR immer noch hoch genug, um unter Berücksichtigung der andauernden Rückstände und ihrer Höhe eine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit zu bejahen.
Hinzu kommen die Steuerrückstände der … GmbH von 11.230,52 EUR im Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Diese sind jedenfalls in Gesamtbetrachtung mit den Rückständen gegenüber der SoKa Bau geeignet, die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit der … GmbH zu bestärken.
(bb) Bezüglich der Verhältnismäßigkeit gilt das oben gesagte.
(cc) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 7a GewO handelt es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung. Im Rahmen des Ermessens ist dabei die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, mit der der Gewerbetreibende auf die selbständige Gewerbetätigkeit ausweicht. Der Verwaltungsentscheidung muss zumindest konkludent entnommen werden können, dass das Ausweichen in die gewerbliche Betätigung so wahrscheinlich ist, dass deren Untersagung erfolgen soll. (BVerwG, U. v. 19.12.1995 – 1 C 3/93 -, BVerwGE 100, 187-199, Rn. 33). Aus dem Bescheid ergibt sich zumindest konkludent, dass das Landratsamt davon ausging, dass der Kläger eine weitere gewerbliche Tätigkeit aufnehmen werde.
(4) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung in Ziffer 2 lit. b) des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Die Gewerbeuntersagung konnte gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GewO sowie gem. § 35 Abs. 7a GewO in Verbindung mit § 35 Abs. 1 S. 2 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden, auf die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person sowie auf alle anderen Gewerbearten erstreckt werden.
(a) In Ziffer 2 lit. a) des Bescheides wurde dem Kläger im selben Verfahren sein tatsächlich ausgeübtes Gewerbe sowie in Ziffer 2 lit. b) die selbständige Tätigkeit im Gewerbe der … GmbH untersagt.
(b) Die Unzuverlässigkeit des Klägers beschränkt sich nach den oben dargelegten Tatsachen nicht nur auf das von ihm ausgeübte Gewerbe. Die durch das Landratsamt P. festgestellten Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger auch für andere Tätigkeiten und Gewerbe unzuverlässig ist.
Die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit ist ein Umstand, der gewerbeübergreifend zu einer Unzuverlässigkeit führt. Sie ist nicht auf die gegenwärtige Tätigkeit des Klägers beschränkt. Der Kläger hat durch die Nichterfüllung seiner eigenen steuerlichen Zahlungspflichten sowie der … GmbH, der Verpflichtungen gegenüber der S.-Bau sowie der AOK Verpflichtungen verletzt, die für sämtliche Gewerbetreibenden gelten, sie haben nicht nur einen Bezug zu ihrer konkret ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 27).
(c) Es war im Zeitpunkt der Gewerbeuntersagung auch ein Ausweichen des Kläger auf andere Gewerbe zu erwarten. Diese Wahrscheinlichkeit folgt schon aus der Tatsache, dass der Kläger – trotz der sich ansammelnden Rückstände, sowohl für ihn selbst als auch für die … GmbH, und der sich daraus ergebenden Unzuverlässigkeit – an seiner gewerblichen Tätigkeit festhielt. Durch das Festhalten an dem ausgeübten Gewerbe bekundet der Gewerbetreibende regelmäßig seinen Willen, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine zukünftige, anderweitige gewerbliche Tätigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Bescheidserlasses ausschlossen (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17/79, juris, Rn. 29).
(d) Auch durch die Ausübung sonstiger Gewerbe oder die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie die Leitung eines Gewerbebetriebes durch den Kläger besteht eine Gefährdung von Rechtgütern der Allgemeinheit. Es besteht die Gefahr, dass der Kläger auch bei Aufnahme einer anderen gewerblichen Tätigkeit erneut Rückstände anhäuft, und dass dies auch bei der Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder mit der Leitung eines Gewerbebetriebes Beauftragter geschieht.
(e) Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist verhältnismäßig. Der Ausschluss des Klägers aus dem Wirtschaftsverkehr steht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 GG im Einklang. Insbesondere verstößt der Bescheid nicht gegen die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, die gewerbliche Betätigung eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden zu verhindern. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der erweiterten Gewerbeuntersagung sind erfüllt, der Kläger ist gewerbeübergreifend unzuverlässig und die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Die gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit trägt ihr Gewicht in sich, eine Unterscheidung zwischen leichten und schweren Fällen gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit ist vor dem Hintergrund des Begriffes der Unzuverlässigkeit fehl am Platz. Nur in ganz extremen Ausnahmefällen mag trotz Unzuverlässigkeit und Untersagungserforderlichkeit der Einwand der Verletzung des Übermaßverbotes mit Erfolg erhoben werden (so BVerwG, U. v. 16.3.1982 – 1 C 124/80, juris, Rn. 24; vgl. auch B. v. 25.3.1991 – 1 B 10/91, juris, Rn. 4; B. v. 12.1.1993 – 1 B 1/93, juris, Rn. 5).
Ein solcher extremer Ausnahmefall kann hier nicht angenommen werden. Insbesondere ergibt sich dieser gerade nicht aus dem Vortrag, dass der Kläger aufgrund seines Alters Probleme haben werde, eine abhängige Beschäftigung zu finden, und aus der sich daraus ergebenden Gefährdung der Unterhaltspflichten des Klägers. Bei diesen Folgen handelt es sich nicht um außergewöhnliche, sondern regelmäßige Folgen einer erweiterten Gewerbeuntersagung.
(f) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
c) Die Frist zur Betriebseinstellung in Ziffer 3 des Bescheides erfüllt die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 S. 2 VwZVG. Es ist dem Kläger billigerweise zuzumuten, seinen Betrieb bis zum 28.2.2018 bzw. innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides einzustellen. Die Frist ist mit der Angabe eines konkreten Datums bzw. durch die Nennung einer Frist von vier Wochen ab Bestandskraft bestimmt, es ist eindeutig erkennbar, wie viel Zeit dem Kläger zur Erfüllung bleibt. Fehler sind im Rahmen der Ermessensausübung des Landratsamtes, insbesondere bei der Bemessung der Länge der Frist, nicht ersichtlich.
d) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides erfüllt die Voraussetzungen der Art. 29, 30, 31, 36 des Bayrischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
e) Die Kostenentscheidung in Ziffer 5 lit. b) des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Als Veranlasser des Verfahrens hat der Kläger dessen Kosten gem. Art. 2 Abs. 1 KG zu tragen. Die Bescheidsgebühr von 400,00 EUR entspricht Art. 5, 6 Abs. 2 KG in Verbindung mit Tarifnummer 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses zum KG. Diese setzt einen Kostenrahmen von 50,00 EUR bis 2.000,00 EUR für Gewerbeuntersagungen nach § 35 Abs. 1 GewO fest. Die Höhe ist unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes nicht zu beanstanden. Die Geltendmachung der Auslagen ist ebenfalls ordnungsgemäß.
II.
Der Kläger hat als unterliegende Partei gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 709 ff. ZPO.

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