Aktenzeichen M 16 K 16.1192
Leitsatz
1. Der Anzeige über die Betriebsaufgabe nach § 14 Abs. 1 GewO ist hinsichtlich der Frage der tatsächlichen Gewerbeausübung keine konstitutive Wirkung beizumessen, da die Gewerbeabmeldung lediglich ein Indiz dafür ist, dass das Gewerbe auch tatsächlich eingestellt werden soll; diese rein tatsächliche Vermutung kann jedoch widerlegt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gewerbetreibender ist dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird, wobei sich die Unzuverlässigkeit insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben kann. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Steuerrückstände sind dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheiden kommt, was die Verbindlichkeit der in ihnen enthaltenen feststellenden Regelungen (insbesondere über das Bestehen und die Höhe einer Steuerschuld) anbetrifft, grundsätzlich die gleiche rechtliche Wirkung wie solchen Steuerbescheiden zu, die auf einer Steuererklärung oder auf einer von Amts wegen erfolgten Ermittlung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen beruhen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren wendet sich als Kläger in der Hauptsache gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Mit Bescheid der Landeshauptstadt München vom 11. Februar 2016 wurde dem Antragsteller nach vorheriger Anhörung die Ausübung des Gewerbes „…“ untersagt (Nr. 1 des Bescheids). Die Untersagung wurde zudem auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf jede selbständige gewerbliche Tätigkeit im stehenden Gewerbe ausgedehnt (Nr. 2 des Bescheids). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das genannte Gewerbe sowie seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma „…“ spätestens mit Ablauf des zehnten Tages nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3 des Bescheids). Für den Fall, dass der Antragsteller diesen Verpflichtungen nicht nachkomme, wurden die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 4 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Finanzamt … – Abteilung Erhebung – (im Folgenden: Finanzamt) habe mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 mitgeteilt, dass der Antragsteller dort aus seiner gewerblichen Tätigkeit Umsatzsteuern einschließlich Säumniszuschlägen und Nebenkosten in Höhe von insgesamt 9.753,29 Euro schulde. Durch die neu hinzugekommene Schätzung der Umsatzsteuervorauszahlung für das III. Quartal 2015 habe sich die Steuerschuld auf 11.905,29 Euro erhöht. Bereits am 22. Februar 2016 werde die Schätzung der Umsatzsteuervorauszahlung für das IV. Quartal 2015 zur Zahlung fällig, so dass sich die Steuerschuld weiter erhöhen werde. Die Vollstreckung sei im Wesentlichen erfolglos verlaufen. Der Vollziehungsbeamte des Finanzamts habe am 11. Juni 2015 einen fruchtlosen Pfändungsversuch unternommen. Der Antragsteller habe bisher keine freiwilligen Zahlungen geleistet. Besteuerungsgrundlagen hätten geschätzt werden müssen. Das Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsportals enthalte für den Antragsteller acht Einträge (jeweils „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ vom 7. Juli 2014 und zwei Einträge vom 28. August 2014 sowie jeweils „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ vom 26. Februar 2015, 9. März 2015, 9. April 2015, 29. Juli 2017 und 27. Oktober 2017). Nach den Feststellungen des Kreisverwaltungsreferats besitze der Antragsteller nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Die Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt nicht ordnungsgemäß nachkomme. Er lebe in ungeordneten Vermögensverhältnissen und sei unverändert wirtschaftlich leistungsunfähig, wie die Einträge im Vollstreckungsportal – Schuldnerverzeichnis – bewiesen. Er habe sein Gewerbe auch insoweit nicht ordnungsgemäß betrieben, als er seinen Steuererklärungs- und Anmeldepflichten weiterhin nicht nachkomme. Bei Würdigung aller bekannten Tatsachen könne auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit nur durch eine Untersagung der ausgeübten Gewerbetätigkeiten Rechnung getragen werden. Die Gewerbeuntersagung werde nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglichen Gewerbes als selbständiger Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe ausgedehnt, da sich die Unzuverlässigkeit auch auf die Vertretungsfunktion für einen Gewerbebetrieb und auch auf alle anderen Gewerbe erstrecke.
Mit Schreiben vom … Februar 2016 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers hierzu mit, dieser habe das Gewerbe bereits zum 28. Februar 2014 abgemeldet. Dies sei mit formlosem Schreiben vom selben Tag gegenüber dem Kreisverwaltungsreferat angezeigt worden. Die Steuerschulden basierten ausschließlich auf Schätzungsbescheiden, die für Zeiträume nach Abmeldung des Gewerbes erlassen worden seien. Der Unterzeichner werde sich mit dem Finanzamt in Verbindung setzen und dafür sorgen, dass die Schätzungsbescheide aufgehoben würden. Dem Antragsteller sei nicht bekannt, im Jahre 2014 zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgefordert worden zu sein. Es werde gebeten, den Vorgang nochmals zu überprüfen und den Bescheid aufzuheben, bis der Sachverhalt geklärt sei.
Am … März 2016 hat der Antragsteller Klage erhoben. Er begehrt die Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 2016.
Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, es fehle das Rechtsschutzbedürfnis an der Untersagung, da der Antragsteller das Gewerbe bereits mit Wirkung vom 28. Februar 2014 abgemeldet habe. Das Schreiben vom 28. Februar 2014 sei von ihm persönlich in den Briefkasten des Kreisverwaltungsreferats eingeworfen worden. Vorsorglich sei mit Schreiben vom 23. Februar 2016 nochmals eine Abmeldung zum 28. Februar 2014 übersandt worden. Das Finanzamt sei kontaktiert worden, um dafür zu sorgen, dass die Schätzungsbescheide aufgehoben würden. Es würden dann keine Steuerrückstände bestehen. Des Weiteren würden die vemeintlichen Gläubiger ermittelt, um den Sachverhalt „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ u.a. zu ermitteln. Dem Antragsteller könne keine Unzuverlässigkeit im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit vorgeworfen werden. Sämtliche Pflichten, insbesondere gegenüber dem Finanzamt würden ordnungsgemäß erfüllt.
Weiter beantragt der Antragsteller, ihm unter Beiordnung seines Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Mit Schreiben vom 13. April 2016 trat die Landeshauptstadt München der Klage entgegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Behauptung des Antragstellers, sein Gewerbe bereits am 28. Februar 2014 abgemeldet zu haben, habe nicht zweifelsfrei bewiesen werden können und sei wenig glaubhaft angesichts der Tatsache, dass er die danach anfallenden Steuerschätzungen unwidersprochen in Kauf genommen und es nicht einmal nach dem Anhörungsschreiben vom 9. Dezember 2015 für nötig erachtet habe, dem Gewerbeamt die Betriebseinstellung mitzuteilen. Es sei daher davon auszugehen, dass er seinen Gewerbebetrieb erst nach Bescheiderlass rückwirkend am 23. Februar 2016 zum 28. Februar 2014 abgemeldet habe. Hierbei sei nicht auszuschließen, dass diese rückwirkende Abmeldung erfolgt sei, um der drohenden Untersagung zu entgehen und das Gewerbe zu einem späteren Zeitpunkt zulasten der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten fortzusetzen. Bei dem Finanzamt stünden derzeit noch die geschätzten Umsatzsteuern 2013 bis Februar 2014 in Höhe von 2.794,29 Euro aus, nachdem die Schätzungen der Umsatzsteuervorauszahlungen März 2014 bis Dezember 2014 sowie I. bis III. Quartal 2015 nach der rückwirkenden Gewerbeabmeldung weggefallen seien. Von einer planmäßigen Schuldentilgung sei hier aber nicht auszugehen, da der Antragsteller weder eigene Steuerzahlungen erbracht noch dem Finanzamt ein tragfähiges Sanierungskonzept zur geordneten Rückführung der noch bestehenden Steuerschulden vorgelegt habe. Es bestehe auch keine Ratenzahlungsvereinbarung. Zudem habe der noch verbliebene Besteuerungszeitraum geschätzt werden müssen, da der Antragsteller die steuerlichen Erklärungs- und Anmeldepflichten nicht erfüllt habe. Ungeachtet der teilweisen Stornierung der Steuerschuld könne auch bei verhältnismäßig geringem Rückstand bei fortdauernder Verletzung der steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten die Annahme der Unzuverlässigkeit begründet sein, insbesondere wenn zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses acht Einträge im Schuldnerverzeichnis bestanden hätten. Die Löschung sei bis heute nicht erfolgt und auch nicht vorgetragen worden. Der Antragsteller sei demzufolge auch als wirtschaftlich nicht leistungsfähig und damit als gewerberechtlich unzuverlässig einzuschätzen.
Mit Beschluss vom 14. November 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die auf die hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist nur eine summarische Prüfung. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern, das den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 35). Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso ungewiss ist wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (Geiger in Eyermann, a.a.O., § 166 Rn. 26).
Die Klage des Antragstellers hat unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 11. Februar 2016 dürfte rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
An der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung bestehen nicht bereits deshalb Zweifel, weil der Antragsteller das Gewerbe rückwirkend zum 28. Februar 2014 abgemeldet hat.
Zwar setzt eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO grundsätzlich voraus, dass das Gewerbe, dessen Ausübung untersagt werden soll, noch im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung tatsächlich ausgeübt wird (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C-10/03 – juris). Der Anzeige über die Betriebsaufgabe nach § 14 Abs. 1 GewO ist jedoch diesbezüglich keine konstitutive Wirkung beizumessen (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand August 2014, § 35 Rn. 26). Die Gewerbeabmeldung ist nur ein Indiz dafür, dass das Gewerbe auch tatsächlich eingestellt werden soll. Diese rein tatsächliche Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Dabei wird in diesem Zusammenhang die Vermutung stärker sein, dass ein angemeldetes Gewerbe begonnen, als die Vermutung, dass ein abgemeldetes Gewerbe auch tatsächlich eingestellt ist. Denn es liegt nahe, dass sich der Gewerbetreibende durch eine „Scheinabmeldung“ einem drohenden Gewerbeuntersagungsverfahren entziehen will. Das Gewerbe muss daher ernsthaft und endgültig aufgegeben sein (z. B. Veräußerung, Verpachtung, Betriebseinstellung) und der Gewerbetreibende muss ggf. einen anderen Beruf ergriffen haben (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand August 2014, § 14 Rn. 48b, § 35 Rn. 26).
Im Fall des Antragstellers ist schon nicht hinreichend belegt, dass die Anzeige der Gewerbeabmeldung schon vor Erlass des Bescheids erfolgt ist. Die rückwirkende Gewerbeabmeldung (mit vom Antragsteller am 23. Februar 2016 unterschriebenen Formblatt) ging nach Aktenlage erst nach Bescheiderlass mit Schreiben vom 23. Februar 2016 bei der Behörde ein. Soweit der Antragsteller geltend macht, bereits am 28. Februar 2014 ein entsprechendes Schreiben in den Briefkasten des Kreisverwaltungsreferats eingeworfen zu haben, liegen hierfür keine Nachweise vor. Aus der Akte ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Behörde eine Betriebsaufgabe hätte bekannt sein müssen, insbesondere hat sich der Antragsteller im Anhörungsverfahren hierzu nicht geäußert, obwohl sich dies im Falle einer bereits seit längerem erfolgten tatsächlichen Betriebsaufgabe aufgedrängt hätte. Das Anhörungsschreiben war dem Antragsteller mit Zustellungsurkunde am 11. Dezember 2015 zugestellt worden. Auch in Bezug auf die im Wesentlichen erst nach der behaupteten Betriebsaufgabe zum 28. Februar 2014 fortlaufend aufgelaufenen bzw. fällig gewordenen Steuerrückstände ist der Antragsteller erst nach Bescheiderlass tätig geworden. Somit sprechen auch die äußeren Umstände gegen eine tatsächliche Betriebsaufgabe vor Erlass des Bescheids. Nachweise oder Belege für die Richtigkeit seines gegenteiligen Vorbringens hat der Antragsteller nicht beigebracht.
Das Kreisverwaltungsreferat dürfte zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgegangen sein.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C-146/80 – juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris). Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt. Dies gilt auch dann, wenn es um Steuerrückstände geht (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris Rn. 4).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C-17/79 – juris; BVerwG, B.v. 16.6.1995 – 1 B 83/95 – juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Steuerrückstände dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung. Die Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, sind solche nicht gezahlten Steuern, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Wann die Steuerschuld fällig ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen und im Übrigen aus § 220 AO (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97- juris Rn. 5).
Nicht maßgeblich ist dabei, dass aufgelaufene Steuerschulden (auch) auf Schätzbescheiden beruhen. Dies folgt zum einen daraus, dass der Erlass von Schätzbescheiden die von der Rechtsordnung zwingend (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgesehene Folge der Nichterfüllung der Steuererklärungspflicht darstellt; eine Person, die diese Pflicht missachtet, kann nicht verlangen, von den rechtlichen Konsequenzen verschont zu bleiben, die die Gesetze an ein solches Fehlverhalten knüpfen. Zum anderen kommt auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheiden, was die Verbindlichkeit der in ihnen enthaltenen feststellenden Regelungen (insbesondere über das Bestehen und die Höhe einer Steuerschuld) anbetrifft, grundsätzlich die gleiche rechtliche Wirkung wie solchen Steuerbescheiden zu, die auf einer Steuererklärung oder auf einer von Amts wegen erfolgten Ermittlung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen beruhen. Denn auch Schätzbescheide bilden nach § 218 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AO die Grundlage für die Verwirklichung der Steuerschuld; auch sie sind so lange den Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuergläubiger und dem Steuerschuldner zugrunde zu legen, als sie nicht aufgehoben wurden oder ihre kraft Gesetzes bestehende Vollziehbarkeit (vgl. § 361 Abs. 1 Satz 1 AO) ausgesetzt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 19). Da für die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit die Nichterfüllung von öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten aller Art von Bedeutung ist, ist es auch unbeachtlich, dass sich ein bestimmter Anteil an den Steuerschulden aus angefallenen Säumniszuschlägen ergibt (vgl. z.B. BayVHG, B.v. 17.10.2008 – 22 ZB 08.2592 – juris Rn. 2).
Nach diesen Maßstäben dürfte die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen sein. Die negative Prognose über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers wurde in nachvollziehbarer Weise auf die aus dem Gewerbebetrieb herrührenden Steuerschulden, die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten sowie auf die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Antragstellers gestützt.
Der Antragsteller hatte fortlaufend Umsatzsteuern nicht abgeführt und keine freiwilligen Zahlungen geleistet. Nach der im Schreiben des Finanzamts vom 1. Oktober 2015 dargestellten Entwicklung waren die Rückstände in Höhe von 1.820,- Euro zum 30. Mai 2014 auf 9.753,29 Euro zum 1. Oktober 2015 angestiegen. Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts blieben erfolglos. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bestanden Umsatzsteuerrückstände einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 11.905,29 Euro. Zudem war von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Er war mit acht Einträgen im Vollstreckungsportal – Schuldnerverzeichnis – erfasst („Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ sowie „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“). Anzeichen für eine Besserung der wirtschaftlichen Situation waren nicht erkennbar. Eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt lag nicht vor. Von einer planmäßigen Schuldentilgung war daher nicht auszugehen.
Insgesamt dürfte damit zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Prognose über die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers gerechtfertigt gewesen sei, da er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bot, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben werde. Auf nachträgliche positive Veränderungen – wie hier die nachträgliche Minderung der Rückstände – kommt es in diesem Zusammenhang – wie ausgeführt – nicht an. Diese wären im Rahmen eines Verfahrens auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung (vgl. § 35 Abs. 6 GewO) geltend zu machen.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen, ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der nicht unerheblichen Zahlungsrückstände und der fortlaufenden Nichtbegleichung aufgelaufener öffentlich-rechtlicher Forderungen war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erforderlich. Eine mildere, gleichermaßen geeignete Maßnahme war nicht erkennbar.
Die Gewerbeuntersagung dürfte vorliegend auch nicht unverhältnismäßig sein. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verstoßen kann (BVerwG, B.v. 9.3.1994 – 1 B 33.94 – juris; BVerwG, B.v. 1.2.1994 – 1 B 211.93 –juris; BayVGH, z.B. B.v. 4.6.2014 – 22 C 14.1029 – juris Rn. 19). Die Voraussetzungen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im Fall des Antragstellers jedoch nicht gegeben. Auch evtl. geringe Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt würden es nicht rechtfertigen, von einer Gewerbeuntersagung wegen fortgesetzter Pflichtverletzung abzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2014 a.a.O.). Eine zeitliche Befristung der Gewerbeuntersagung war bereits deshalb nicht veranlasst, weil bei Wegfall der Unzuverlässigkeit gemäß § 35 Abs. 6 GewO ein Anspruch auf Wiedergestattung der Ausübung des Gewerbes besteht. Im Übrigen wären auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums die Gründe für die Prognose der fehlenden Zuverlässigkeit des Antragstelelrs entfallen würden. Eine (zeitlich zu befristende) „Strafsanktion“ stellt die Gewerbeuntersagung nicht dar.
Auch die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf weitere gewerbliche Betätigung des Antragstellers auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO und die diesbezügliche Ermessensausübung (§ 114 Satz 1 VwGO) dürften nicht zu beanstanden sein.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Erlass einer solchen erweiterten Gewerbeuntersagung das Vorliegen einer „gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit“ des Betroffenen voraus. Darüber hinaus muss die Erstreckung der Untersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten erforderlich sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegt. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C-17/79 – juris; U.v. 2.2.1982 – 1 CB 2/81 – juris; B.v. 11.9.1992 – 1 B 131/92 – juris; B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; U.v. 15.4.2015 – 8 C-6/14 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 22 B 09.2785 – juris). In Bezug auf die erweiterte Gewerbeuntersagung ist in der Rechtsprechung auch geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang steht (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1/93 – juris; BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 22 B 09.2785 – juris Rn. 15).
Diese Voraussetzungen dürften hier gegeben sein. Der Antragsteller dürfte gewerbeübergreifend unzuverlässig sein, da er mit der fortlaufenden Verletzung von steuerrechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten Pflichten verletzt hat, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies rechtfertigt die Annahme, dass der Antragsteller ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde. Bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen liegt eine „gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“ vor (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C-6/14 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 27.1.2014 – 22 BV 13.260 – juris Rn. 17).
Die Erstreckung der Untersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten dürfte auch erforderlich gewesen sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen vorlag. Es lagen im hier zu beurteilenden Einzelfall des Antragstellers in Bezug auf die anzustellende Prognose (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.1992 – 1 B 131/92 – juris Rn. 5) zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Umstände vor, die eine anderweitige Gewerbeausübung in Zukunft ausgeschlossen hätten. Wie im Bescheid zu Recht ausgeführt, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller zur Umgehung der Untersagungsverfügung, wenn diese nur auf die derzeit ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten beschränkt wäre, auf eine von der Untersagung nicht erfasste Tätigkeit ausweichen würde. Da er auch als Geschäftsführer für die Firma „… (haftungsbeschränkt)“ tätig sei, erstrecke sich dessen Unzuverlässigkeit auch auf die Ausübung einer Geschäftsführer- und Betriebsleitertätigkeit, da die festgestellte Unzuverlässigkeit auch auf die Vertretungsfunktionen für einen Gewerbebetrieb durchschlagen könne. Da hier zu der eigenen wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers auch noch Pflichtverstöße bei der Zahlung von Steuern hinzukämen, bestehe aufgrund dieses charakterlichen Mangels des Geschäftsführers zumindest die Gefahr, dass auch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ihre Pflichten künftig nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden, auch wenn noch keine tatsächlichen Unzuverlässigkeitsanzeichen in Bezug auf die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) bekannt geworden waren. Der Antragsteller hat sich im Rahmen der Anhörung im Übrigen auch hierzu nicht geäußert.
Auch die Ermessensausübung dürfte vorliegend der gerichtlichen Prüfung (§ 114 Satz 1 VwGO) standhalten. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken solle (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 30; U.v. 15.4.2015 – 8 C-6/14 – juris Rn. 18). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
Gegen die weiteren Verfügungen des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsteller rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Da die Klage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, konnte dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen werden.