Steuerrecht

EuGH-Vorlage zur Dokumentation der Ausübung des Zuordnungswahlrechts

Aktenzeichen  XI R 7/19

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
EuGH-Vorlage
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:VE.180919.XIR7.19.0
Normen:
§ 15 Abs 1 UStG 2005
Art 167 EGRL 112/2006
Art 168 Buchst a EGRL 112/2006
Art 250 Abs 1 EGRL 112/2006
Art 252 EGRL 112/2006
Art 273 EGRL 112/2006
UStG VZ 2014
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

1. Steht Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde?
2. Steht Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. September 2018, Az: 14 K 1538/17, Urteil

Tenor

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Steht Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde?
2. Steht Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird beziehungsweise (bzw.) eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?
II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.

Tatbestand

A.
1
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
2
Die Beteiligten streiten über den Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer Photovoltaikanlage.
3
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 2014 (Streitjahr) eine Photovoltaikanlage. Den erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in ein Stromnetz bei einem Energieversorger ein. Der Einspeisevertrag wurde im Streitjahr abgeschlossen und sah eine Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer vor.
4
Am 29.02.2016 gab der Kläger die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab und erklärte eine Umsatzsteuer in Höhe von … €. Die Vorsteuerbeträge betrafen im Wesentlichen die ausgewiesene Steuer in der Rechnung vom 11.09.2014 über Lieferung und Installation der Anlage. Erklärungen zur Photovoltaikanlage gab der Kläger zuvor nicht ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) stimmte der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr zunächst zu.
5
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat das FA die Ansicht, dass der Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 11.09.2014 nicht gewährt werden könne. Der Kläger habe eine unternehmensbezogene Zuordnungsentscheidung nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres) getroffen. Das FA setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr mit Umsatzsteuerbescheid vom 30.11.2016, zuletzt geändert durch Bescheid vom 27.03.2017, dementsprechend fest. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 18.05.2017) und Klage hatten keinen Erfolg.
6
Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) führt in seinem Urteil vom 12.09.2018 – 14 K 1538/17 im Wesentlichen aus, dass der Kläger, dem ein Zuordnungswahlrecht zustehe, die Photovoltaikanlage nicht rechtzeitig seinem Unternehmensvermögen zugeordnet habe. Dies ergebe sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, denen sich das FG anschließe. Auch aufgrund mittlerweile ergangener Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei hieran nicht zu zweifeln.
7
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts; insbesondere sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur zeitnahen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern mit Blick auf die EuGH-Entscheidung Gmina Ryjewo vom 25.07.2018 – C-140/17 (EU:C:2018:595, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2018, 687) in Frage zu stellen.
8
Das FA verteidigt die angefochtene Vorentscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger vor Betrieb der Photovoltaikanlage kein Unternehmer im Sinne (i.S.) des Umsatzsteuerrechts gewesen sei und in der vom EuGH in der Rechtssache Gmina Ryjewo (EU:C:2018:595, UR 2018, 687) entschiedenen Fallkonstellation kein Zuordnungswahlrecht bestanden habe.


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