Aktenzeichen M 6 S 18.226
FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 47 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1 Auch bei anwaltlicher Vertretung kann ein Antrag auslegungsbedürftig sein. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV genügt es, wenn die Informationen nur darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (Anschluss EuGH BeckRS 2012, 80440; hier bejaht, wenn die Dauer des Aufenthaltstitels nicht mit der tatsächlichen Aufenthaltsdauer übereinstimmt). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Nr. 4 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 sowie den Bescheid vom 6. Februar 2018, mit denen der Antragsgegner die sofortige Vollziehbarkeit der Feststellung der fehlenden Berechtigung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Inland sowie der Verpflichtung zur Vorlage seines tschechischen Führerscheins zur Eintragung eines diesbezüglichen Sperrvermerks angeordnet hat.
Dem Antragsteller wurde mit Strafurteil des Amtsgerichts … vom … Dezember 2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von neun Monaten vor Erteilung einer erneuten Fahrerlaubnis angeordnet.
Am … August 2006 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE. Mit Schreiben vom 13. September 2006 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage vorzulegen, ob der Antragsteller auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Nachdem der Antragssteller der Gutachtensaufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkam, lehnte der Antragsgegner den Antrag mit Bescheid vom 17. August 2007 ab.
Mit Kurzmitteilung vom 31. Oktober 2007 (Bl. 51 d.A.) teilte die Polizeiinspektion G* … dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller bei einer Verkehrskontrolle am 26. Oktober 2007 im Besitz eines tschechischen Führerscheins war. Mit Schreiben vom 5. November 2007 wandte sich der Antragsgegner über das KraftfahrtBundesamt an die zuständigen tschechischen Behörden und teilte u.a. mit, dass der Antragsteller nach Ansicht des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Erteilung des Führerscheines seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Mit Schreiben vom 26. Februar 2008 (Bl. 81 d.A.) übermittelte das Kraftfahrt-Bundesamt ein Schreiben des Bezirksamtes U* … der Tschechischen Republik vom 14. Februar 2008. Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Antragssteller zum Nachweis der Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses bei den tschechischen Behörden zwei Dokumente vorlegte, die hinsichtlich des zeitweiligen Aufenthalts des Antragstellers unterschiedliche Ausstellungsdaten enthielten. Aus diesem Grund sah das Bezirksamt die Bedingungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis nicht als erwiesen und übergab das Verfahren zur weiteren Überprüfung des Sachverhalts an das zuständige Magistrat der Stadt M* … Aus der Chronologie der Behördenakte lässt sich schließen, dass das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts offenbar erst im September 2017 beim Antragsgegner einging.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 teilte die Kriminalinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz gemäß § 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz – StVG – mit, dass der Antragssteller am 14. September 2007 über eine Agentur, gegen die wegen Betrugs und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen ermittelt werde, eine tschechische Fahrerlaubnis erworben habe (Bl. 61 d.A.).
Am … August 2017 beantragte der Antragssteller die Umschreibung der am 14. September 2007 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B. Mit E-Mail vom 31. August 2017 teilte das gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit mit, dass der Antragsteller vom 13. März 2007 bis 3. Dezember 2007 im Besitz eines EU-Aufenthaltstitels gewesen sei. Das tschechische Ausländerzentralregister weise einen Aufenthalt vom 11. November 2006 bis zum 4. September 2007 in der Stadt C* … und vom 5. September 2007 bis 3. Dezember 2007 in der Stadt M* … aus (Bl. 74 d.A.).
Nach erfolgter Anhörung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Dezember 2017 den Antrag auf Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass die auf den Antragsteller ausgestellte tschechische Fahrerlaubnis vom 14. September 2007 nicht dazu berechtige, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen (Nr. 2), verpflichtete den Antragsteller, seinen Führerschein binnen acht Tagen nach Zustellung des Bescheids vorzulegen und einen Sperrvermerk anbringen zu lassen (Nr. 3), ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 3 des Bescheids an (Nr. 4), drohte für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung in Nr. 3 des Bescheids nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an (Nr. 5) und entschied über die Kosten (Nr. 6).
Zur Begründung führte der Antragsgegner an, dass mit dem Schreiben des Bezirksamts U* … vom 14. Februar 2008 unbestreitbare Informationen des Ausstellerstaats vorlägen, die darauf hinwiesen, dass der Antragsteller im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz alleine zu dem Zweck gegründet habe, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Demgegenüber habe das gemeindliche Einwohnermeldeamt mitgeteilt, dass der Antragssteller seit dem 3. April 2005 durchgehend mit Hauptwohnung im Gemeindebereich gemeldet gewe sen sei. Trotz entsprechender Aufforderung vom 11. Oktober 2017 habe sich der Antragssteller dazu nicht weiter erklärt und keine Angaben zu seinem Aufenthalt in der Tschechischen Republik gemacht.
Mit Schreiben vom … Dezember 2017, beim Antragsgegner eingegangen am selben Tag, legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2017 ein, über den nach Mitteilung des Antragsgegners vom 25. April 2018 noch nicht entschieden wurde.
Am 20. Dezember 2017 wurde am Führerschein des Antragstellers ein Ungültigkeitsvermerk angebracht.
Mit Schreiben vom … Januar 2018, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2017 Klage erheben und beantragte mit Schreiben vom *. Mai 2018 zuletzt,
„die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2017 nebst Ergänzung [vom] 6.2.2018 wiederherzustellen“.
Im Rahmen der Erstzustellung (dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 29. Januar 2018) wurde der Antragssteller aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2007 oder andere Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergebe, dass für das Jahr 2007 keine Steuerpflicht in Deutschland bestanden habe. Darüber hinaus werde um Übermittlung von Belegen hinsichtlich des Aufenthalts in der Tschechischen Republik im fraglichen Zeitraum gebeten (Mietvertrag, Nebenkostenabrechnung, etc.). Außerdem wurden die Parteien auf die aktuelle Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen (Az. 11 CS 17.315).
Mit Bescheid vom 6. Februar 2018, dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegner zugestellt am 7. Februar 2017, ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung (auch) der Nr. 2 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 an.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2018 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid sei formell wie materiell rechtmäßig. Die Anordnung des Sofortvollzugs sowohl der Vorlageverpflichtung als auch der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung seien außerdem ordnungsgemäß begründet worden. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege daher das Suspensivinteresse des Antragstellers.
Das Eilverfahren wurde mit Beschluss vom 14. Mai 2018 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
II.
1. Der Antrag ist zunächst dahingehend auszulegen, dass mit ihm die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des mit Schreiben vom … Dezember 2017 eingelegten Widerspruchs des Antragstellers gegen die Nr. 2 und 3 des Bescheids des Antragsgegners vom 12. Dezember 2017 beantragt werden soll.
1.1 Der Antrag ist angesichts seines nicht zwischen den einzelnen Ziffern des Bescheids differenzierenden Wortlauts trotz anwaltlicher Vertretung des Antragstellers auch in der Fassung vom 4. Mai 2018 auslegungsbedürftig. Eine am erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragstellers ausgerichtete Auslegung gem. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO ergibt, dass sich der Antrag nicht gegen die bereits von Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 des Bescheids richtet (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG). Der Antragsteller hat die zwangsgeldbedrohte Verpflichtung aus Ziffer 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 bereits erfüllt. Da nicht anzunehmen ist, dass der Antragsgegner dennoch ein Zwangsgeld fällig stellen wird, fehlt dem Rechtsbehelf in der Hauptsache insoweit das Rechtschutzbedürfnis, so dass auch ein gegen die Zwangsgeldandrohung gerichteter Eilantrag als unzulässig abzulehnen wäre. Die Beschränkung auf die Ziffer 2 und 3 des Bescheids entspricht außerdem dem Wortlaut des Antrags, in dem nur die Wiederherstellung, nicht aber die hinsichtlich der Ziffer 5 erforderliche erstmalige Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs beantragt wird, auch wenn dies möglicherweise nicht bewusst so formuliert wurde.
1.2 Die Auslegung ergibt weiterhin, dass entgegen des Wortlauts nicht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage, sondern des mit Schreiben vom … Dezember 2017 erhobenen Widerspruchs begehrt wird. Denn ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur statthaft, wenn ein Rechtsbehelf in zulässiger Weise erhoben wurde, dessen aufschiebende Wirkung das Gericht wiederherstellen kann. Damit scheidet die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen die Nr. 2 und 3 des Bescheides aus, da der Kläger das ihm gem. Art. 15 Art. Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO zustehende Wahlrecht bereits zugunsten der Einlegung eines Widerspruchs ausgeübt hat. Die vom Kläger erhobene Klage stellt sich damit derzeit als unzulässige (weil verfrüht erhobene) Untätigkeitsklage im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO dar, die erst nach Ergehen des Widerspruchbescheids unter dessen ausdrücklicher Einbeziehung als gewöhnliche Anfechtungsklage fortgesetzt werden kann (BayVGH, B.v. 12.3.2010 -11 ZB 08.1495 – juris. Rn. 14). Allerdings wurde in zulässiger Weise Widerspruch gegen den Bescheid erhoben, so dass der Antrag gem. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO rechtsschutzwahrend im eingangs genannten Sinne auszulegen war.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig, auch wenn die Eintragung des Sperrvermerks bereits erfolgt ist. Da die Nr. 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 die Rechtsgrundlage für das Bestehenbleiben des Sperrvermerks darstellt, besteht für den eingelegten Widerspruch – anders als bei einer Zwangsgeldandrohung – weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis und damit ein auch insoweit zulässiger Hauptsacherechtsbehelf (vgl. zum vergleichbaren Fall der Vorlageverpflichtung als Rechtsgrund für die Einbehaltung BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris). Im Falle des Obsiegens könnte das Gericht im Wege des Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die vorläufige Tilgung des Sperrvermerks anordnen.
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Begründung des Sofortvollzugs genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Bei der vorliegend gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweisen sich die Nr. 2. 2 und 3 des Bescheids des Antragsgegners vom 12. Dezember 2017 zudem als formell und materiell rechtmäßig, so dass die hiergegen erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. In einem solchen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers, bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache vorläufig in Besitz eines Führerscheins ohne Sperrvermerk zu bleiben, so dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende originäre Ermessensentscheidung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
3.1 Die in den Bescheiden vom 12. Dezember 2017 und 6. Februar 2018 angeordnete sofortige Vollziehung der Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 genügt den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (st. Rspr. des BayVGH, zuletzt BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; Schmidt, in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 36).
Gemessen daran hat sich der Antragsgegner in seinen Bescheiden ausreichend mit der persönlichen Situation des Antragstellers auseinandergesetzt. In dem Bescheid vom 6. Februar 2018 führt der Antragsgegner hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs der Nummer 2 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 (Feststellung der Nichtberechtigung) unter Bezugnahme auf die Umstände des Einzelfalls aus, dass insbesondere die aktenkundige Vorgeschichte des Antragstellers wegen Trunkenheit im Verkehr ein erhöhtes Risiko für andere Verkehrsteilnehmer zur Folge habe. Nur eine für sofort vollziehbar erklärte Feststellung werde in das Fahreignungsregister eingetragen. Dies sei im Sinne der öffentlichen Verkehrssicherheit notwendig, um das sonst mögliche Vortäuschen einer gültigen Fahrerlaubnis zu unterbinden. Hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs der Ziffer 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 (Eintragung des Sperrvermerks) verweist der Antragsgegner ebenfalls auf die Täuschungsmöglichkeit hinsichtlich der Gültigkeit des Führerscheins. Die vorliegende Fallgestaltung weist gegenüber sonstigen Entziehungsfällen keine Besonderheiten auf, die für den Antragsgegner Anlass zu einer noch weitergehenden Begründung des angeordneten Sofortvollzugs hätten sein müssen.
3.2 Rechtsgrundlage der in Ziffer 2 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 getroffenen Feststellung ist § 28 Abs. 4 Satz 2 der Fahrerlaubnisverordnung -FeV. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung des Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis erlassen, im Inland fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen. Die fehlende Berechtigung ergibt sich nach summarischer Prüfung im Einklang mit der Rechtsansicht des Antragsgegners aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV. Die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland entfällt nach dieser Vorschrift, wenn der Inhaber ausweislich vom „Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen“ zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte. Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenom men, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt.
3.2.1 Ausreichend im Sinne dieser Vorschrift und der Richtlinie 2006/126/EG ist es, wenn die Informationen nur darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – C-467/10 – NJW 2012, 1341 Rn. 74 f.; BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 3 C 18/12 – BVerw-GE 146, 377 = juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 29.3.2018 – 29.03.2018 – juris). Liegen unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats im genannten Sinne vor, sind bei der Beurteilung dieser Frage sodann alle Umstände des anhängigen Verfahrens zu berücksichtigen, also auch die „inländischen Umstände“ (EuGH, U.v. 1.3.2012 – C-467/10 – NJW 2012, 1341 Rn. 75; vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2018 – 11 CS 17.1257 – juris Rn. 10; B.v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2458 – juris Rn. 12 m.w.N.; OVG NW, B.v. 9.1.2018 -16 B 534/17 – juris Rn. 14 ff.).
3.2.2 Nach den oben genannten Maßstäben ist zunächst auszugehen, dass unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, die darauf hinweisen, dass der Antragsteller im Ausstellungsstaat einen fiktiven Wohnsitz hatte. Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 teilte das Bezirksamt U* … mit, dass der Antragsteller zum Nachweis der Erfüllung der Aufenthaltsbedingungen zwei Dokumente über die Bescheinigung eines zeitweiligen Aufenthalts mit unterschiedlichen Ausstellungsdaten vorlegte. Bestätigt wird dies von der E-Mail des gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 31. August 2017, demzufolge der Antragsteller vom 13. März 2007 bis 3. Dezember 2007 im Besitz eines EU-Aufenthaltstitels gewesen ist, das tschechische Ausländerzentralregister jedoch einen Aufenthalt vom 11. November 2006 bis zum 4. September 2007 in der Stadt C* … und vom 5. September 2007 bis 3. Dezember 2007 in der Stadt M* … ausweise (Bl. 74 d.A.). Das Bezirksamt sieht daher die Bedingungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis nicht positiv als erwiesen an, sondern hegt umgekehrt Zweifel an deren Erfüllung, zumal die beiden Dokumente den Eindruck einer Aufenthaltsunterbrechung hervorrufen könnten. Dieser Einschätzung schließt sich auch der erkennende Einzelrichter an und verweist ergänzend darauf, dass der Antragssteller nach den Angaben des Ausländerzentralregisters wenige Tage vor der Erteilung der Fahrerlaubnis noch seinen Wohnort wechselte und dabei eine Adresse angab, der ausweislich einer Internetrecherche offenbar zu einem Motel gehört („… … … … …“). Soweit die Antragschrift geltend macht, in dem Schreiben des Bezirksamts U* … vom 14. Februar 2008 sei mit der Bezeichnung Verwaltungsorgan nicht das Bezirksamt, sondern der Antragsgegner gemeint, widerspricht dies dem ersten Absatz des Schreibens („Das Bezirksamt des Bezirks U* … erhielt als das gemäß […] zuständige Verwaltungsorgan am 5.2.2008 den Beschluss…“) 3.2.3 Diese Umstände weisen jedenfalls in der Zusammenschau auf einen Wohnsitzverstoß hin, was es dem Antragsgegner erlaubte, die ihm vorliegenden Informationen aus dem Inland zu nutzen, nämlich die durchgehende Meldung des Antragstellers mit alleinigem Wohnsitz im Inland seit dem 3. April 2005 in der Gemeinde D. (Bl. 56 d.A.). In Bezug auf das gerichtliche Eilverfahren kommt hinzu, dass der Antragsteller der gerichtlichen Aufforderung im Rahmen der Erstzustellung, Einkommenssteuerbescheide für das Jahr 2007 und weitere Belege wie Mietvertrag und Nebenkostenabrechnungen hinsichtlich des Aufenthalts in der Tschechischen Republik vorzulegen, bis zur Entscheidung des Gerichts nicht nachgekommen ist. Auch im Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller keine weitergehenden Angaben hinsichtlich seines Aufenthalts in Tschechien gemacht, sondern lediglich über seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass sämtliche Zweifel von der Behörde „gesät worden seien“. Schließlich hat der Antragsteller laut polizeilicher Mitteilung vom 12. Oktober 2012 die Fahrerlaubnis über eine Agentur erworben, gegen die wegen Betrugs und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen ein Ermittlungsverfahren angestrengt wurde. Liegen wie hier Hinweise aus dem Ausstellungsmitgliedstaat vor, dass das Wohnsitzerfordernis nicht erfüllt ist, trifft den Antragsteller jedoch eine Obliegenheit, hierzu substantiierte und verifizierbare Angaben zu machen (BVerwG, B.v. 28.1.2015 – 3 B 48/14 – juris Rn. 6; B.v. 22.10.2014, a.a.O. Rn. 3; U.v. 30.5.2013 – 3 C 18.12 – BVerwGE 146, 377 Rn. 30; BayVGH, B.v. 22.5.2017 – 11 CE 17.718 – juris Rn. 20; B.v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230 – juris Rn. 20; B.v. 20.5.201 – 11 CS 15.685 -juris Rn. 15; OVG NW, U.v. 16.5.2014 – 16 A 2255/10 – juris Rn. 30). Dies ist bislang nicht geschehen, so dass der Antragsgegner in der Gesamtschau aller Informationen voraussichtlich davon ausgehen durfte, dass der Antragsteller in der fraglichen Zeit keinen Wohnsitz im Sinne des § 7 FeV in Tschechien hatte.
3.2.4 Fehler hinsichtlich der Ermessensausübung wurden weder geltend gemacht, noch sind solche Fehler ersichtlich. Die Behörde weist in ihrem Bescheid vom 12. Dezember 2017 zutreffend darauf hin, dass mit dem Erlass des Be scheids Rechtssicherheit erzeugt wird und sich nur hierdurch Rechtsnachteile für andere Verkehrsteilnehmer ausschließen ließen.
3.3 Nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung hat auch die Anfechtungsklage hinsichtlich der in Ziffer 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 angeordneten Vorlageverpflichtung keine Aussicht auf Erfolg. Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG i.V.m § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 3 FeV. Nach dieser Vorschrift sind ausländische Führerscheine nach der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung unverzüglich der entscheidenden Behörde zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV, auf den § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FeV in entsprechender Anwendung verweist, besteht die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat. Dies ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO infolge der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Februar 2018 der Fall.
Allerdings kam der Einlegung des Widerspruchs vom 17. Dezember 2017 (auch) gegen die Ziffer 2 des Bescheids bis zur Anordnung des Sofortvollzugs aufschiebende Wirkung zu, so dass im Umkehrschluss zu § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV in diesem Zeitraum keine Rechtsgrundlage (mehr) für die Vorlageverpflichtung bestand (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2017 – 11 CS 17.315 -, B.v. 11.7.2016 – 11 CS 16.1084, v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230, B.v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – alle in juris). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Sach- und Rechtslage ist nach der h.M. allerdings der Zeitpunkt der Eilentscheidung des Gerichts (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 413 ff. m.w.N. zum Streitstand). Die daran geübte Kritik, dadurch komme es gewissen Fällen zu einer Entkoppelung von dem für das Hauptsacheverfahren relevanten Zeitpunkt, geht vorliegend ins Leere. Da es sich bei der in Ziffer 3 des Bescheids um eine Dauerregelung handelt, die den Rechtsgrund für das Fortbestehen des Sperrvermerks darstellt (vgl. oben 2.), wäre auch im Hauptsacheverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts und nicht, wie etwa bei der Frage der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entziehungsverfügung, auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Da die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Feststellung der Nichtberechtigung in Ziffer 2 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 infolge der zu Lasten des Antragstellers ausfallenden Interessenabwägung auch nicht wiederherzustellen war (vgl. oben 3.2), liegen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 FeV zum Zeitpunkt der Eilentscheidung vor.
Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache fällt daher auch die Interessenabwägung hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 3 des Bescheids vom 12. Dezember 2017 zu Lasten des Antragstellers aus. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind – wie auch hinsichtlich der Vollziehung der Ziffer 2 – nicht ersichtlich.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).