Steuerrecht

Fremdenverkehrsbeitrag, Verpachtung eines fremdenverkehrsbeitragsrechtlich relevanten Betriebs, Beitragsrelevanz eines Veräußerungsgewinns, Unerheblichkeit der Einkunftsart, Maßgeblichkeit des steuerrechtlichen Gewinns

Aktenzeichen  4 ZB 21.441

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12545
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 6
EStG § 2 Nr. 7
EStG § 22 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 1 und 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 19 K 19.1975 2020-12-29 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.144 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag hinsichtlich seines Gewinns aus der Veräußerung eines Grundstücks mit einer verpachteten Schank- und Speisewirtschaft im Stadtgebiet der Beklagten. Der Kläger hat das Grundstück im Jahr 2011 erworben und im Jahr 2017 veräußert.
Mit Bescheid vom 12. November 2018 zog die Beklagte den Kläger zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 1.144 Euro heran. Der Berechnung wurde ein steuerrechtlicher Gewinn aus der Veräußerung für das Gebäude in Höhe von 22.016 Euro, ein Vorteilssatz von 65% und ein Beitragssatz von 8% zugrunde gelegt. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid wies das Landratsamt Ansbach mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2019 zurück. Die gegen Bescheid und Widerspruchsbescheid gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 29. Dezember 2020 ab.
Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.
Bezüglich des weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Soweit die Zulassungsgründe fristgerecht dargelegt worden sind und den Darlegungsanforderungen genügen, greifen sie nicht durch (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO).
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
Zur Begründung seines Antrags trägt der Kläger vor, zutreffend stelle das Verwaltungsgericht darauf ab, dass der Kläger die Verpachtung der Gaststätte im Anwesen nicht gewerbsmäßig betrieben habe und deshalb durch den Verkauf des Anwesens auch kein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG erzielt worden sei. Dennoch sei es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sachlich gerechtfertigt, auch nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einkommensteuerrechtlich relevante Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als Veräußerungsgewinn bei der Bemessung des durch den Fremdenverkehr vermittelten Vorteils nach § 2 Abs. 2 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten zu berücksichtigen. Dabei berufe sich das Verwaltungsgericht auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München vom 29. Oktober 2015 und 26. April 2018 (M 10 K 15.2764 und M 10 K 17.1638), zitiere diese aber nicht vollständig. Denn nach Feststellung des Verwaltungsgerichts München in diesen Urteilen solle dies „jedenfalls dann“ gelten, wenn es sich bei dem Veräußerungsobjekt um einen Tourismusbetrieb handle und dieser vom Erwerber auch als solcher fortgeführt werde. Daher sei es entscheidungserheblich, ob das Veräußerungsobjekt vom Erwerber tatsächlich als Tourismusbetrieb fortgeführt werde, was nach Absprache des Klägers mit den Käufern hier nicht der Fall sei. Auch sei die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2005 (4 BV 04.1306) dahingehend zu verstehen, dass der Veräußerungsgewinn bei Betriebsaufgabe nur dann fremdenverkehrsbeitragspflichtig sei, wenn die Verpachtung vor der Betriebsaufgabe gewerbsmäßig im Sinne von § 15 EStG erfolgt sei.
Mit diesen Ausführungen werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargelegt.
aa) Selbstständige Tätigkeit im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrechts ist regelmäßig auch die Vermietung und Verpachtung von Räumen oder Gebäuden, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind. Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich steuerrechtlich um eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung handelt. Der Begriff der „selbstständig Tätigen“ im Fremdenverkehrsbeitragsrechts greift weiter als im Steuerrecht. In Art. 6 KAG erschöpft sich die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals darin, unselbstständig tätige Arbeitnehmer mit Blick auf die Beitragspflicht auszunehmen, sodass der Begriff der Selbstständigkeit hier nicht auf Gewerbetreibende und Freiberufler beschränkt ist (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 5.12.2006 – 4 B 05.3119 – juris Rn. 18; U.v. 27.3.2003 – 4 B 98.2772 – BayVBl 2003, 725 = juris Rn. 19, 22; B.v. 12.2.2002 – 4 CS 02.1220 – juris Rn. 9).
Vermieter oder Verpächter von Räumen an Gewerbetreibende, die ihrerseits – wie hier bei Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft – unmittelbar Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen, haben mittelbare Vorteile durch den Fremdenverkehr im Sinne von Art. 6 Abs. 1 KAG. Als mittelbarer Vorteil stellt sich der Nutzen dar, der durch Geschäfte mit den am Fremdenverkehr unmittelbar beteiligten Kreisen im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung gezogen wird. Dies beruht auf der Erwägung, dass es keinen Unterschied machen kann, ob ein auf den Fremdenverkehr ausgerichteter Gewerbetrieb vom Eigentümer selbst oder vom Mieter oder Pächter betrieben wird. Nach der Rechtsprechung des Senats muss dabei der mittelbare Vorteil durch einen typischen und offensichtlichen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr geprägt sein. Dieser ist jedenfalls dann gegeben, wenn im Miet- oder Pachtvertrag die auf den Fremdenverkehr ausgerichtete Nutzung des Betriebs festgelegt ist und keine Vermietung sogenannter neutraler Räume vorliegt, bei denen die jeweilige Nutzung dem Mieter oder Pächter überlassen bleibt (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2006, a.a.O., juris Rn. 19). Insoweit fällt in Vermietungs- und Verpachtungsfällen auch kein erhöhter Fremdenverkehrsbeitrag an, denn der Mieter oder Pächter kann den Miet- oder Pachtzins als Betriebsausgabe absetzen, sodass ein entsprechend geringerer Gewinn des Mieters oder Pächters fremdenverkehrsbeitragspflichtig ist. Zum Ausgleich dafür wird der Gewinn aus dem Miet- oder Pachtverhältnis beim Vermieter oder Verpächter als mittelbarer Vorteil aus dem Fremdenverkehr beitragspflichtig.
bb) Bei Veräußerung eines Grundstücks, auf dem sich ein fremdenverkehrsbeitragspflichtiger Betrieb befindet, ist der steuerrechtlich festgestellte Veräußerungsgewinnanteil für den Betrieb grundsätzlich ebenfalls fremdenverkehrsbeitragspflichtig.
Das gilt unabhängig davon, ob der Erwerber des Grundstücks den fremdenverkehrsbeitragsrechtlich relevanten Betrieb weiterführt. Denn andernfalls handelt es sich um eine Betriebsaufgabe des Verkäufers. Der Betriebsaufgabegewinn unterliegt jedoch grundsätzlich auch der Fremdenverkehrsbeitragspflicht (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2005 – 4 BV 04.1306 – juris Rn. 17; B.v. 24.1.2005 – 4 ZB 04.2044 – juris Rn. 3; B.v. 1.12.2000 – 4 ZB 99.961 – BayVBl. 2001, 405). Die zwischen den Parteien im Zulassungsverfahren ausführlich diskutierte Frage, ob der Kläger mit den Käufern eine private Nutzung des verkauften Grundstücks (also nicht zu Fremdenverkehrszwecken) vereinbart hat und ob die Käufer, wie von der Beklagten umfangreich vorgetragen und durch beigefügte Anlagen dokumentiert wird, das Gebäude auf dem verkauften Grundstück zu Fremdenverkehrszwecken nutzen wollen und hierfür umbauen (Ferienwohnungen), ist daher nicht entscheidungserheblich.
Dass der Gewinn nicht nur im Falle eines Verkaufs mit anschließender Weiterführung des Fremdenverkehrsbetriebs, sondern auch bei Verkauf unter Aufgabe eines bisher dem Fremdenverkehr dienenden Betriebs der Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterliegt, rechtfertigt sich damit, dass mit dem Veräußerungsgewinn für den Betrieb gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sowie dem Betriebsaufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) stille Reserven des Betriebs realisiert werden, die infolge der jährlichen Absetzung für Abnutzung (AfA) der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als periodengerechte Verteilung des Aufwands bzw. Berücksichtigung des Wertverzehrs entstanden (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2010 – 4 CS 10.1776 – juris Rn. 9; U.v. 10.10.2005 – 4 BV 04.1306 – juris Rn. 17) und die bisher nicht der Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterlagen.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (UA S. 11 ff.) ausgeführt, dass das nicht nur in den Fällen gilt, in denen die Vermietung oder Verpachtung gewerblich im Sinne von § 15 EStG erfolgt ist, sodass ein Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG oder ein Betriebsaufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG entsteht, sondern auch dann, wenn das vermietete oder verpachtete Objekt sich im Privatvermögen des Eigentümers befindet und die jährlichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG und der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern sind, soweit es sich im oben genannten Sinn um fremdenverkehrsbeitragsrechtlich relevante Betriebe handelt. Der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liege generell der Gedanke zugrunde, dass der An- und Verkauf von (nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten) Immobilien innerhalb der dort genannten Frist von zehn Jahren eine gewisse Nähe zur „Gewerblichkeit“ indiziert und dies die (einkommensteuerrechtliche) Besteuerung legitimiere. Auch die Gewinnermittlung gemäß § 23 Abs. 3 EStG lasse die Nähe zum gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG erkennen. Diese gesetzgeberische Wertung, private Spekulationsgewinne nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1, Abs. 3 EStG einkommensteuerrechtlich zu erfassen, lasse sich auf das Fremdenverkehrsbeitragsrecht übertragen und stehe auch im Übrigen im Einklang mit dessen Prinzipien (vgl. VG München, U.v. 29.10.2015 – M 10 K 15.2764 juris Rn 29 ff., Rn. 49 ff.). Damit setzt sich die Zulassungsbegründung des Klägers nicht auseinander und legt insoweit schon deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dar (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, sodass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auch nicht vorliegen. Wie ausgeführt ist auch der Vermieter oder Verpächter einer fremdenverkehrsbeitragsrechtlich relevanten Immobilie eine selbstständig tätige natürliche Person im Sinne von Art. 6 Abs. 1 KAG und § 1 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten.
Hinsichtlich der Aufdeckung stiller Reserven im Falle der Veräußerung des Betriebsvermögens (mit oder ohne Betriebsaufgabe) durch einen nichtgewerblich „selbstständig Tätigen“ im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrechts ist dieselbe Sachlage gegeben wie bei der gewerblichen Vermietung oder Verpachtung. Auch der nichtgewerbliche Vermieter oder Verpächter vermindert durch die jährlichen Absetzungen für Abnutzung (AfA) den Gewinn (vgl. § 7 Abs. 4, § 23 Abs. 3 EStG) und damit den Fremdenverkehrsbeitrag und kann bei Veräußerung des Betriebs durch die Aufdeckung stiller Reserven einen Gewinn erwirtschaften, der bisher nicht beitragspflichtig war. Nach § 23 Abs. 3 EStG ist Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG mindern sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG abgezogen worden sind.
Soweit aus der Veräußerung eines fremdenverkehrsbeitragsrechtlich relevanten Betriebs ein einkommens- oder körperschaftssteuerpflichtiger Gewinn (vgl. § 2 Abs. 2 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten) entsteht, ist der Gewinn auch fremdenverkehrsbeitragspflichtig. Das gilt auch, soweit der Veräußerungsgewinn auf die allgemeine Wertsteigerung von Immobilien zurückzuführen ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2000 – 4 ZB 99.961 – BayVBl 2001, 405 = juris Rn. 13). Ob der Betrieb durch den Erwerber fortgeführt wird, ist nach dem oben Ausgeführten ebenfalls nicht maßgeblich. Es gibt auch keinen Grund, insoweit zwischen einer – vorherigen – gewerblichen und nichtgewerblichen Vermietung oder Verpachtung zu unterscheiden.
Die Höhe des steuerpflichtigen Gewinns aus der Veräußerung wird in der Zulassungsbegründung nicht infrage gestellt.
b) Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Kläger führt hierzu nicht näher aus und formuliert auch keine entsprechende Rechts- oder Tatsachenfrage.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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