Aktenzeichen M 10 K 17.931
Leitsatz
1 Gemeinden können durch Abgabensatzungen nur solche Personen verpflichten, die in ihrem Gebiet Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, ein Gewerbe ausüben oder sonst in nähere Beziehung zur Gemeinde treten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine solche Beziehung zur Gemeinde ist anzunehmen, wenn der Betroffene dort eine Betriebsstätte gem. § 12 AO unterhält. Dafür ist es aber nicht schon hinreichend, dass die von einem Gewerbetreibenden verwalteten Objekte im Gebiet der Gemeinde gelegen sind. (Rn. 23 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der Beklagten betreffend die Jahre 2011 und 2012, jeweils vom 30. März 2016, sowie für das Jahr 2013 vom 28. Juni 2016 und für das Jahr 2014 vom 5. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 3. Februar 2017 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.
2. Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide vom 30. März 2016, vom 28. Juni 2016 und vom 5. Dezember 2016 (für die Jahre 2011 bis 2014 und für die Vorauszahlungen für die Jahre 2016 und 2017) in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 3. Februar 2017 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 6 KAG können Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt, zur Deckung ihres Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung von den selbständig tätigen, natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Davon hat die Beklagte durch den Erlass ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 31. Juli 2001 Gebrauch gemacht, die mit Wirkung ab 1. Januar 2016 durch die Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 2. April 2015 ersetzt wurde. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Satzungen bestehen nicht und werden auch nicht vorgetragen.
Nach § 1 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Der Kläger ist von der Beitragspflicht nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil seine Vermittlungsagentur nicht im Gemeindegebiet liegt. Gemeindliche Beitragssatzungen sind in ihrem Geltungsbereich als Ortsgesetze auf das Gebiet der Gemeinde begrenzt. Aus dem Territorialitätsprinzip folgt, dass die Gemeinden durch Abgabensatzungen (nur) solche Personen verpflichten können, die in ihrem Gebiet Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, ein Gewerbe ausüben oder sonstige Tatbestände erfüllen, durch die sie in nähere Beziehungen zur Gemeinde treten und sich damit in die Abgabenhoheit der Gemeinde begeben (s. hierzu und zum folgenden BayVGH, U.v. 9.4.1987 – 4 B 85 A.435 – NVwZ-RR 1989, 156f.). Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene zu der Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung steht. Eine solche Beziehung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn in der Gemeinde eine Betriebsstätte gem. § 12 AO unterhalten wird. Der Kläger unterhält keine Betriebsstätte im Gemeindegebiet der Beklagten. Gemäß § 12 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Unter einer Geschäftseinrichtung – nur diese Alternative kommt vorliegend in Betracht – ist jeder der Tätigkeit eines Unternehmens dienende körperliche Gegenstand und jede der Tätigkeit eines Unternehmens dienende Zusammenfassung körperlicher Gegenstände zu verstehen (Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 12, Rn. 4). Erforderlich ist, dass der Unternehmer eine gewisse Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung hat. Das bloße Tätigwerden in fremden Räumen reicht hierzu nicht aus (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 12 Rn. 12).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Ferienwohnungen „dienen“ nicht der Tätigkeit des Unternehmens des Klägers, sondern ihre Verwaltung ist der Gegenstand dieses Unternehmens, das Objekt, auf das sich die unternehmerische Tätigkeit des Klägers richtet. Wie sich aus dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ergibt, unterhält er im Gemeindegebiet der Beklagten keine Geschäfts- oder Büroräume und keine sonstigen Anlagen. Es hält sich kein von ihm angestelltes Personal ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Ferienwohnungen auf. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger Gerätschaften, die er zur Ausübung seiner Verwaltungstätigkeit benötigt, dauerhaft in den von ihm verwalteten Ferienwohnungen untergestellt hat. Es genügt für sich allein nicht, dass die von einem Gewerbetreibenden verwalteten Objekte im Gebiet der fremdenverkehrsbeitragserhebenden Gemeinde gelegen sind (BayVGH, U.v. 9.4.1987 – 4 B 85 A.435 – NVwZ-RR 1989, 156f.; Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 26). Da es an einer objektiv verfestigten Beziehung des Klägers zum Gemeindegebiet der Beklagten in dem dargelegten Sinn fehlt, ist eine Fremdenverkehrsbeitragspflicht nicht gegeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.