Aktenzeichen 22 ZB 16.2587
Leitsatz
Eine Behörde ist an den von ihr erklärten vorläufigen Vollstreckungsverzicht nicht mehr gebunden, wenn die Pflicht zur Vorlage von Nachweisen bzw. Unterlagen, an die der Verzicht geknüpft worden war, nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt wird. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde nach dem Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist eine weitere Frist setzt. Einer Fristverlängerung ist nicht die Zusage eines (weiteren) vorläufigen Vollstreckungsverzichts zu entnehmen. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 2 S 16.1284 2016-11-15 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung aus einer bestandskräftigen Untersagung der von ihr ausgeübten krankenpflegerischen und gewerblichen Tätigkeiten sowie gegen eine erneute Zwangsmittelandrohung.
Mit Bescheid des Landratsamtes Freising vom 26. Januar 2015 wurde der Klägerin die Ausübung der selbständigen Tätigkeit „Versorgungsservicezentrale, ambulante Alten- und Krankenpflege“ untersagt. Für den Fall, dass die Tätigkeit nicht bis spätestens einen Monat nach Unanfechtbarkeit des Bescheides eingestellt werden sollte, wurde ihr eine Unterbindung dieser Tätigkeit im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht. Soweit es sich dabei um eine krankenpflegerische Tätigkeit handelt, wurde die Verfügung auf Art. 18 Abs. 4 Satz 1 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes – GDVG -, im Übrigen auf § 35 Abs. 1 GewO gestützt. Die Klägerin biete aufgrund bekannt gewordener negativer Erkenntnisse keine Gewähr dafür, dass sie ihr bisheriges Gewerbe bzw. ihre bisherige Tätigkeit künftig ordnungsgemäß ausüben werde. Ihre Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die vorhandenen Rückstände bei öffentlichen Trägern sowie die Eintragung im Schuldnerverzeichnis würden eindeutig erkennen lassen, dass die Klägerin in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München am 29. September 2015 über die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 26. Januar 2015 (Az. M 16 K 16.756) sicherte der Vertreter des Beklagten für den Fall einer Klagerücknahme zu, unter bestimmten, im Einzelnen protokollierten Voraussetzungen vorläufig nicht aus der Untersagungsverfügung zu vollstrecken. Die Klägerin sollte u.a. bis Ende März 2016 ein Betriebs- und Sanierungskonzept und erstmals zu diesem Termin Zahlungsbestätigungen bestimmter Gläubiger vorlegen. Am Ende dieser mündlichen Verhandlung wurde das Klageverfahren eingestellt, nachdem der damalige Klägerbevollmächtigte die Klage zurückgenommen hatte (vgl. Sitzungsprotokoll vom 29.9.2015).
Zur Durchsetzung der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 26. Januar 2015 zur Betriebseinstellung wurde der Klägerin mit Bescheid des Landratsamtes vom 3. August 2016 erneut die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, da das Sanierungskonzept bzw. Nachweise nicht innerhalb der vorgenannten Frist vorgelegt worden seien, sei die Klägerin mit Schreiben vom 4. Mai 2016 zur Betriebseinstellung aufgefordert worden.
Die Klägerin erhob Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 3. August 2016 und beantragte die Feststellung, dass die „Gewerbeuntersagung gegen die Klägerin“ angesichts des im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015 im Verfahren M 16 K 15.756 „Vereinbarten“ nicht vollstreckbar ist (Az. M 16 K 16.3730).
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 15. November 2016 ab.
Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 17. Januar 2017 (vgl. zur deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt (§ 124 Abs. 2 VwGO).
1. Aus den Darlegungen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (UA S. 9 f.) angenommen, dass die Nichtvollzugszusage des Landratsamtes nur für den Fall gelten sollte, dass bis Ende März 2016 alle Voraussetzungen erfüllt würden, die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. September 2015 im Einzelnen festgelegt sind. Die Klägerin habe bis Ende März 2016 dem Landratsamt keinerlei Unterlagen vorgelegt und damit das nach der Zusage erforderliche Betriebs- und Sanierungskonzept bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht beigebracht. Auch der weiteren Anforderung, bis zum 31. März 2016 Zahlungen an die AOK sowie die monatliche Ratenzahlung an das Finanzamt durch Bestätigungen der Gläubiger nachzuweisen, sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die Darlegungen der Klägerin stellen diese Bewertung nicht in Frage.
In der Antragsbegründung wird nicht geltend gemacht, dass die Klägerin bis Ende März 2016 ein Betriebs- und Sanierungskonzept und Zahlungsbescheinigungen der Gläubiger vorgelegt hat. Auch wurde nicht konkret dargelegt und es spricht auch sonst nichts dafür, dass die Nichtvollzugszusage des Landratsamtes vom 29. September 2015 entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auch für den Fall gelten sollte, dass diese Frist nicht gewahrt werden würde. Nachdem bis zum 31. März 2016 die Voraussetzungen der Zusage vom 29. September 2015 nicht erfüllt wurden, ist diese mit Ablauf dieses Tages unwirksam geworden.
Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass das Landratsamt mit Fristverlängerungen für die Erstellung eines Sanierungskonzepts einverstanden gewesen sei. Sie macht damit sinngemäß geltend, die Zusage eines vorläufigen Vollstreckungsverzichts hätte infolge von Fristverlängerungen über den 31. März 2016 hinaus gegolten. Dem ist nicht zu folgen.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu in der angefochtenen Entscheidung u.a. ausgeführt (UA S. 10), auch wenn der Klägerin nochmals Gelegenheit gegeben worden sei, weitere Unterlagen einzureichen, sei zu keiner Zeit ein weiterer Vollstreckungsverzicht ausgesprochen worden. Das Land ratsamt habe der Klägerin vielmehr mehrfach deutlich gemacht, dass sie den Verpflichtungen aus der Untersagungsverfügung nachzukommen habe, da sie die Voraussetzungen der Nichtvollzugszusage nicht erfüllt habe. Aus den klägerischen Darlegungen ergeben sich keine stichhaltigen Argumente gegen diese Bewertung.
Die Klägerin hat nicht erklärt, woraus folgen könnte, dass das Landratsamt im Zusammenhang mit einer gewährten Fristverlängerung zur Einreichung von Unterlagen einen erneuten, zumindest bis zum Erlass des Bescheides vom 3. August 2016 wirksamen Vollstreckungsverzicht ausgesprochen hat. Dem Umstand allein, dass die Behörde nicht unverzüglich Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, nachdem die in der Zusage gesetzte Frist verstrichen war, kommt insoweit keine Bedeutung zu. Auch der bloßen Vereinbarung einer Frist zur Vorlage bestimmter Nachweise kann keine Zusage entnommen werden, im Falle einer fristgemäßen Vorlage von Unterlagen werde über den Fristablauf hinaus längerfristig nicht vollstreckt.
Auf den Aussagegehalt von Unterlagen, welche die Klägerin nach dem 31. März 2016 vorgelegt hat, kam es nach den vorstehenden, durch die Antragsbegründung nicht wirksam in Frage gestellten Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich an. Dies gilt etwa für die Frage, ob diese Unterlagen inhaltlich Anforderungen erfüllt haben, die an ein Sanierungskonzept zu stellen sind. Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerin, sie habe u.a. nachweisen können, dass sie Verhandlungen bezüglich ihrer Schulden geführt, Vereinbarungen erzielt und Zahlungsrückstände getilgt habe. Die Höhe der Steuerschulden habe noch nicht festgestanden; hierzu und zum Umsatz ihres Gewerbes habe sie Nachweise vorgelegt. Diese Darlegungen begründen keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils.
2. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, inwieweit die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Sie weist hierzu nur darauf hin, dass bei „solchen Vergleichen, wie in diesem Fall abgeschlossen“, aufgrund „der Unbestimmtheit des Vergleichstextes unklar“ sei, welche Verpflichtungen von der Klägerin zu erfüllen wären. Zum einen ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht, dass diese Frage hier entscheidungserheblich gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat es für seine Entscheidung als maßgeblich angesehen, dass innerhalb der in der Nichtvollzugszusage vom 29. September 2016 festgelegten Frist kein Konzept vorgelegt wurde, ungeachtet der Frage nach dessen etwaigem Inhalt (vgl. unter 1.). Zum anderen sind Fragen betreffend die Bestimmtheit einer Nichtvollzugszusage keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich. Insoweit kann nur auf die im Einzelfall getroffene Zusage abgestellt werden.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG (mangels entgegenstehender Hinweise wie Vorinstanz).