Steuerrecht

Glaubhaftmachung der Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Aktenzeichen  7 V 2979/15

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 355
AO AO § 110

 

Leitsatz

Der bloße Hinweis auf Arbeitsbelastung und durch ihre Außendiensttätigkeit verursachte Abwesenheit genügt den Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht. Wiedereinsetzungsgründe sind insbesondere durch Vorlage entsprechender Unterlagen (Fahrtenbuch, Protokolle o.ä.) vollständig, substantiiert und genau vorzutragen..

Gründe

II.
Der Antrag ist gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, da die Familienkasse Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt hat, er ist aber unbegründet.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des Bescheids (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 24.2.2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:
1. Die Familienkasse hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, da er verspätet eingelegt worden ist.
Gemäß § 355 Abgabenordnung (AO) ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Im vorliegenden Fall gilt der Aufhebungsbescheid, der mit Absendevermerk vom 28. Juli 2015 (Dienstag) versehen war, gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 31. Juli 2015 (Freitag) bekannt gegeben. Die einmonatige Einspruchsfrist begann gemäß §§ 365 Abs. 1, 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) an dem Tag, der auf die Bekanntgabe des Verwaltungsakts folgte, somit am 1. August 2015 (Samstag) und endete gemäß § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 31. August 2015, einem Montag. Da der Einspruch erst am 3. September 2015 bei der Familienkasse eingelegt wurde, wurde die Einspruchsfrist versäumt.
2. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO lagen bei summarischer Prüfung nicht vor. Wiedereinsetzung ist gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 24.1.2005 III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312). Hiernach schließt jedes Verschulden die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es für eine Wiedereinsetzung nicht ausreicht, innerhalb der Antragsfrist des § 110 Abs. 2 AO lediglich die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Vielmehr müssen innerhalb dieser Frist auch die für eine Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen werden (vgl. nur BFH-Beschluss vom 17.6.2010 IX B 32/10, BFH/NV 2010, 1655 m.w.N.). Lediglich die Glaubhaftmachung der innerhalb der Frist vorgetragenen Gründe kann auch noch “im Verfahren über den Antrag” erfolgen. Nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 AO können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben ergänzt oder vervollständigt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 17.6.2010 IX B 32/10, BFH/NV 2010, 1655 m.w.N.; Rätke, in: Klein, AO, 11. Auflage 2012, § 110 Rn 45).
Im Streitfall war der Antragstellerin spätestens aufgrund der Ausführungen der Familienkasse im Schreiben vom 11. September 2015 bekannt, dass sie die Einspruchsfrist versäumt hatte. Der bloße Hinweis auf ihre Arbeitsbelastung und die durch ihre Außendiensttätigkeit verursachte Abwesenheit genügt den oben genannten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht, insbesondere hat sie die Wiedereinsetzungsgründe nicht durch die Vorlage entsprechender Unterlagen (Fahrtenbuch, Protokolle o.ä.) vollständig, substantiiert und genau vorgetragen.
3. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine “unbillige Härte” gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO gewährt werden.
Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (Beschlüsse des BFH vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510 und vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren sind auch im Fall der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Da – wie oben ausgeführt – keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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