Steuerrecht

Grunderwerbsteuer bei treuhänderischem Erwerb

Aktenzeichen  II R 22/19

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230221.IIR22.19.0
Normen:
§ 1 Abs 2 GrEStG 1997
§ 3 Nr 8 S 1 GrEStG 1997
§ 5 Abs 2 GrEStG 1997
§ 6 Abs 1 GrEStG 1997
§ 6 Abs 3 GrEStG 1997
§ 163 AO
§ 171 Abs 10 AO
§ 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO
§ 44 Abs 1 FGO
§ 45 FGO
§ 46 FGO
§ 66 FGO
§ 96 Abs 1 S 2 FGO
§ 102 FGO
§ 109 FGO
§ 675 BGB
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Erwirbt ein Treuhänder von einem Dritten für den Treugeber ein Grundstück (Erwerbstreuhand), ist sowohl der Grundstückserwerb durch den Treuhänder als auch der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig.
2. Für Grund und Umfang von Steuerbefreiungen sind grundsätzlich beide Erwerbsvorgänge getrennt zu betrachten.
3. Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer und die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO begründen zwei selbständige Verfahren.
4. Hat das FA im Rahmen einer die Festsetzung betreffenden Einspruchsentscheidung erstmals über einen Billigkeitsantrag entschieden, stellt eine unmittelbar erhobene Klage insoweit eine Sprungklage dar. Stimmt das FA dieser nicht zu, gilt sie als Einspruch. Das Verfahren ist formlos an das FA abzugeben.

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 4. Oktober 2017, Az: 6 K 1535/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 04.10.2017 – 6 K 1535/15 aufgehoben.
Die Klage wird hinsichtlich der Festsetzung von Grunderwerbsteuer abgewiesen.
Hinsichtlich der abweichenden Festsetzung von Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen wird das Verfahren an den Beklagten abgegeben.
Hinsichtlich der Festsetzung von Grunderwerbsteuer hat die Klägerin die Kosten des gesamten Verfahrens, hinsichtlich der abweichenden Festsetzung von Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen hat der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die A GbR war Eigentümerin eines Grundstücks. An der A GbR waren X zu 94 % und Y zu 6 % beteiligt.
2
An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), ebenfalls einer GbR, sind X zu 94 % und Z zu 6 % beteiligt. Die Klägerin erteilte Z den Auftrag, das Grundstück im eigenen Namen als Treuhänder und im Innenverhältnis auf Rechnung der Klägerin zu erwerben. Aufgrund eines mündlichen Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen X und Z, den Z am 26.05.2008 schriftlich bestätigte, sollte Z das Grundstück für die Klägerin halten, nach ihren Anweisungen verwalten, alle Nutzungen und Lasten an sie heraus- bzw. weitergeben, an sie berichten, alle das Grundstück betreffenden Vorgänge, Konten und Zahlungsflüsse offenlegen und auf ihr Verlangen herausgeben.
3
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20.11.2008 veräußerte die A GbR das Grundstück an Z. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) setzte gegenüber Z Grunderwerbsteuer fest. Dieser Bescheid ist nicht Streitgegenstand.
4
Ferner setzte das FA unter Berufung auf § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Bemessungsgrundlage betrug 291.870 €. Sie setzte sich zusammen aus dem an Z erstatteten Kaufpreis von 300.000 €, zuzüglich der dem Z ebenfalls erstatteten Grunderwerbsteuer von 10.500 € sowie abzüglich eines nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfreien Teils von 6 %, der der Höhe der Beteiligung von Z an der Klägerin entsprach.
5
Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 GrEStG die Freistellung auch des Anteils von 94 % und beantragte hilfsweise während des Einspruchsverfahrens die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung (AO). Das FA wies den Einspruch zurück und lehnte innerhalb der Einspruchsentscheidung den Billigkeitsantrag ab.
6
Die Klägerin erhob Klage sowohl gegen die Festsetzung als auch gegen die ablehnende Billigkeitsentscheidung. Das Finanzgericht (FG) setzte die Bemessungsgrundlage auf 18.630 € herab und führte aus, die Klage habe Erfolg. Nach dem Regelungszweck von § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG scheide eine Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Verwertungsbefugnis aus. Unabhängig von der Frage, ob insoweit eine rechtsfortbildende Gesetzesauslegung möglich sei, sei jedenfalls die teilweise Steuerbefreiung aus Billigkeitsgründen zu gewähren. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1694 veröffentlicht.
7
Mit der Revision rügt das FA u.a., das FG habe über die Festsetzung nicht entschieden. Diese sei rechtmäßig. Die Klägerin habe die Verwertungsbefugnis weder von der A GbR noch von X, sondern allein von dem Treuhänder Z erworben. X habe deshalb keine Verwertungsbefugnis zurückbehalten können. Hinsichtlich der Billigkeitsmaßnahme habe das FG seine Prüfungskompetenz nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überschritten, indem es eine eigene Ermessensentscheidung getroffen habe, ohne eine Bescheidung zu erwägen.
8
Das FA beantragt sinngemäß,die Vorentscheidung aufzuheben, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen den Grunderwerbsteuerbescheid richtet, den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen, soweit er die abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit betrifft.
9
Die Klägerin beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10
Sie trägt u.a. vor, mit den §§ 5, 6 GrEStG habe der Gesetzgeber bei Gesamthandsgemeinschaften eine wirtschaftliche und damit transparente Betrachtungsweise angeordnet. Danach sei die ideelle Beteiligung stets bei X verblieben, der lediglich unter Zurückbehaltung der Verwertungsbefugnis seine Beteiligung am Grundvermögen auf den Treuhänder Z übertragen habe. Im Billigkeitsverfahren sei zu bedenken, dass die für § 6 Abs. 3 GrEStG relevante Vermögensverlagerung bei X nicht stattgefunden habe.


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