Steuerrecht

Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter

Aktenzeichen  III R 38/17

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.121120.IIIR38.17.0
Normen:
§ 8 Nr 1 Buchst d GewStG 2002 vom 14.08.2007
§ 8 Nr 1 Buchst e GewStG 2002 vom 22.12.2009
§ 5 Abs 2 EStG 2009
§ 255 HGB
§ 247 Abs 2 HGB
Art 3 Abs 1 GG
GewStG VZ 2010
GewStG VZ 2011
GewStG VZ 2012
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Miet- oder Pachtaufwendungen, die ohne das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nach § 255 Abs. 2 und 2a HGB Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter wären, die bereits im Jahr der Herstellung aus dem Anlagevermögen ausscheiden, nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hinzugerechnet werden, obwohl eine Hinzurechnung bei der Herstellung materieller Wirtschaftsgüter unterbleiben würde.
2. Zur Zuordnung angemieteter Gegenstände zum fiktiven Anlagevermögen eines Filmherstellers.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 25. Oktober 2017, Az: 11 K 11196/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 25.10.2017 – 11 K 11196/17 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, stellt Filme, Videofilme und Fernsehprogramme her. Der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt in der Produktion von Kino- und TV-Filmen, jeweils als Einzelprojekt. Die Herstellungskosten finanziert sie mit Fördermitteln, Koproduktionsbeiträgen und Lizenzvergütungen sowie einem Eigenmittelanteil. Die Gewährung öffentlicher Fördergelder erfolgt oft unter der Bedingung, dass ein gewisser Anteil der Herstellungskosten des jeweiligen Filmes in einer bestimmten Region anfallen muss.
2
Jeder Film wird nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) an anderen Drehorten mit unterschiedlicher technischer Ausrüstung, anderen Kostümen und Requisiten gedreht. Dafür mietet die Klägerin die jeweils benötigten Räumlichkeiten und Gegenstände an. Die konkrete Auswahl der anzumietenden Räumlichkeiten und Gegenstände bestimmt sich nach den Wünschen des jeweiligen Filmteams sowie den Vergabebedingungen der Fördergelder. Ein Verschleiß der angemieteten Räumlichkeiten und Gegenstände findet während der in der Regel 30 Tage andauernden Filmproduktion nicht statt. Nach der Filmproduktion gibt die Klägerin die für den einzelnen Film angemieteten Räume und Gegenstände an den jeweiligen Vermieter zurück.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) führte bei der Klägerin für die Jahre 2010 bis 2012 eine Außenprüfung durch, die zu dem Ergebnis kam, dass der Gewerbeertrag der Klägerin in den Streitjahren um die Mietzahlungen zu erhöhen sei. Die Aufwendungen der Klägerin für die Anmietung beweglicher und unbeweglicher Wirtschaftsgüter für Filmprojekte belaufen sich auf 135.960 € im Jahr 2010, 586.444 € im Jahr 2011 und 120.611 € im Jahr 2012. Die vorstehend genannten Beträge setzen sich u.a. aus Mietaufwendungen für folgende Positionen zusammen: Steadycam (2. Kamera), Kameraanlage, Schneideraum Bild, Kran, Playbackanlage, Bürogeräte, Büroräume, Produktionsbüro, sonstige Räume, Hallenmiete, Nachdrehtag, Ausstattung Leih, Basis Aggregat, Aggregat Schweiz, Tonapparatur, Beleuchtungsgeräte, Lampen, Kabel, Sprechfunkgeräte.
4
Der Prüfer rechnete diese Aufwendungen dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchst. d des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzu, und zwar auch, soweit sie unbewegliche Wirtschaftsgüter betrafen. Das FA erließ am 13.07.2015 sowie nochmals am 10.11.2015 entsprechend geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2010 bis 2012 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Gewerbesteuer auf den 31.12.2010, den 31.12.2011 und den 31.12.2012 und wies den dagegen gerichteten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30.05.2017 als unbegründet zurück.
5
Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 25.10.2017 – 11 K 11196/17, Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 225). Das FG entschied, das FA habe zu Recht Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet. Die jeweils nur einmalige und projektbezogene Anmietung der Gegenstände spreche nicht gegen die fiktive Zuordnung zum Anlagevermögen, denn es habe sich bei den Räumlichkeiten, der technischen Ausstattung und den Kostümen und Kulissen um mehr oder weniger vergleichbare Gegenstände gehandelt. Es komme nicht darauf an, dass die jeweils angemieteten Räumlichkeiten und Gegenstände wegen der schöpferischen Einzigartigkeit des einzelnen Filmprojektes keinen Wert für andere Filme hätten und eine mehrfache Verwendung durch die Klägerin ausgeschlossen sei. Die Klägerin sei –anders als die Messe-Durchführungsgesellschaft in der vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 25.10.2016 – I R 57/15 (BFHE 255, 280) entschiedenen Sache– bei den Anmietungen auch nicht bloß als Dienstleisterin oder Mittlerin aufgetreten, sondern habe unternehmerische Entscheidungen treffen können. Soweit Mietaufwendungen für Räumlichkeiten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG statt nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzugerechnet worden seien, könne nicht verbösert werden.
6
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil des FG mit der Revision und trägt zur Begründung vor, die angemieteten Wirtschaftsgüter gehörten nicht zu ihrem fiktiven Anlagevermögen. Die Hinzurechnung der Miet- und Pachtaufwendungen sei zudem gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG–), weil Steuerpflichtige, die wie sie –die Klägerin– immaterielle Wirtschaftsgüter herstellten, einer höheren Gewerbesteuerbelastung unterlägen als Steuerpflichtige, die mit ihren hergestellten Produkten nicht dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterlägen.
7
Die Klägerin beantragt sinngemäß,das FG-Urteil aufzuheben und die Gewerbesteuermessbescheide für 2010, 2011 und 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.05.2017 dergestalt zu ändern, dass die nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG vorgenommene Hinzurechnung der Mietzahlungen im Umfang von 135.960 € (2010), 586.444 € (2011) und 120.611 € (2012) unterbleibt.
8
Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es unterstützt die Auffassung des FA und führt aus, die Requisiten, Gerätschaften und Räumlichkeiten würden zum Anlagevermögen rechnen, wenn der Filmproduzent Eigentümer wäre; das Merkmal der Dauerhaftigkeit des Einsatzes zum Gebrauch werde nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 30.03.1994 – I R 123/93 (BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810) auch bei sehr kurzfristiger Anmietung erfüllt. Das BFH-Urteil in BFHE 255, 280, dessen Bedeutung und Reichweite nicht ganz klar sei, stehe der Annahme fiktiven Anlagevermögens nicht entgegen. Der I. Senat gehe insofern von einem Sonderfall aus; falls der III. Senat dies anders sehe und sich auf die Grundsätze des Urteils in BFHE 255, 280 stützen wolle, müsse er den Großen Senat anrufen. Das dort verwendete Kriterium der Auftragsgebundenheit habe in der Literatur zu Gestaltungsvorschlägen geführt, wonach z.B. Konzertveranstalter im Auftrag des Auftretenden tätig werden sollten. Dies zeige, dass die Auftragsbezogenheit des Anmietens kein Kriterium für die Hinzurechnung sein könne. Die Hinzurechnung nicht aktivierter Mietaufwendungen sei folgerichtig.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben