Steuerrecht

Höhe der Beteiligung orientiert sich grundsätzlich am Nennkapital

Aktenzeichen  12 K 832/16

Datum:
20.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2021, 653
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
GmbHG § 5 Abs. 1, § 33 Abs. 2
EStG § 17 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Höhe der Beteiligung orientiert sich grundsätzlich am Nennkapital, jedoch vermindert um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft. (redaktioneller Leitsatz)
2. Hält eine GmbH eigene Geschäftsanteile, so vermitteln diese Anteile einem Gesellschafter nur formal eine Beteiligung. Die eigenen Anteile werden nicht als Beteiligung berücksichtigt und die Beteiligungsquote der übrigen Anteile entsprechend erhöht. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Veräußerer der Beteiligung muss die tatsächliche Möglichkeit gehabt haben, die aus einer wesentlichen/relevanten Beteiligung resultierende Rechte auszuüben oder im Konfliktfall effektiv durchzusetzen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Dies gilt auch, wenn der Geschäftsanteile mit keinem Stimmrecht verbunden ist (BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 36/9 BFH/NV 1998, 691). Auch nur ein kurzfristiges Innehaben der wesentlichen Beteiligung in einer sogenannten logischen Sekunde kann ausreichen (BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BStBl II 2011, 540).
Die Höhe der Beteiligung orientiert sich grds. am Nennkapital, jedoch vermindert um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft. Hält eine GmbH eigene Geschäftsanteile, so vermitteln diese Anteile nur formal einem Gesellschafter eine Beteiligung. Die Höhe der Beteiligung der übrigen Anteile ist nicht aus dem nominellen Stammkapital zu berechnen. Dieses ist vielmehr um den Wert der eigenen Anteile zu kürzen. Die eigenen Anteile werden nicht als Beteiligung berücksichtigt und die Beteiligungsquote der übrigen Anteile entsprechend erhöht. Dies beruht darauf, dass die mit den eigenen Anteilen verbundenen Rechte die Rechtsstellung der übrigen Anteilsinhaber nicht schmälern, diese also tatsächlich entsprechend höher beteiligt sind (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1989 VIII R 329/84, BFH/NV 1990, 27, Rz. 17; in BFH/NV 1998, 691, Rz. 34 m.w.N.; vom 28. Oktober 2009 IX R 17/09, BStBl II 2010, 539, Rz. 12; Gosch in Kirchhof, EStG, 19. Auflage 2020, § 17 Rz. 19 m.w.N.; Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, Stand August 2018, § 17 Rz. 114).
Nach diesem Maßstab war der Kläger im Zeitraum [YY.] Dezember 2004 bis [XX.] Februar 2005 zu mehr als einem Prozent am Kapital der R-GmbH beteiligt.
2. Eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis unterhalb dieser Grenze beteiligt sein soll. Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i. S. d. § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum. Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn der Käufer des Anteils aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-) Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind. Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 IX R 57/10, BStBl II 2012, 318).
Der Streitfall ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis unterhalb dieser Grenze beteiligt sein soll. Zwar hat der Kläger nur für einen kurzen Zeitraum – vom [YY.] Dezember 2004 bis [XX.] Februar 2005 – die Beteiligungsgrenze von einem Prozent geringfügig überschritten, jedoch zielte der den Ereignissen zugrundeliegende Gesamtplan nicht darauf ab, dass als Endergebnis der Kläger unterhalb der Beteiligungsgrenze beteiligt sein sollte. Dieses Ergebnis war nicht vorgesehen und ist auch nicht eingetreten. Die Konsequenz, dass durch den Erwerb eigener Anteile durch die R-GmbH von der B-GmbH die Beteiligungen einzelner Gesellschafter über die Beteiligungsgrenze rutschen würden, scheint bei der Gestaltung der Umstrukturierungen übersehen worden zu sein, denn der Kläger trägt glaubhaft vor, dass ihm nicht bekannt war, dass die R-GmbH eigene Anteile erwerben wollte. Dagegen, dass der Erwerb eigener Anteile durch die R-GmbH von der B-GmbH Teil des Gesamtkonzepts war, spricht auch der folgende Umstand: Die B-GmbH war auch in der Gesellschafterversammlung am [XX.] Dezember 2004 vertreten […] und zur Veräußerung ihrer Anteile an die R-GmbH vor der Veräußerung aller Anteile an die A-GmbH als Teil eines Gesamtplanes ist dem Protokoll der Gesellschaftersammlung nichts zu entnehmen. Außerdem fehlt es an der weiteren Voraussetzung für ein Gesamtkonzept, dass die abgeschlossenen Verträge aufeinander abgestimmt waren.
Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile des Klägers unterliegt somit der Besteuerung; die Höhe des Gewinns ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtsprechung des BFH zur Bestimmung der Höhe der nominellen Beteiligung über das durch eigene Anteile verminderte Stammkapital, die diesem Urteil zugrunde liegt, entstammt Entscheidungen, die zu einer Zeit ergangen sind, als die Beteiligungsgrenze i.S.d § 17 EStG wesentlich höher war als im Streitjahr.


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