Aktenzeichen II R 6/14
Art 49ff AEUV
Art 56 AEUV
§§ 51ff StBDV
Art 49 AEUV
§ 51 StBDV
Leitsatz
1. NV: Für die Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über das Niederlassungsrecht auf eine steuerberatende Tätigkeit in Deutschland muss der Dienstleister dort über eine ständige Präsenz (Geschäftsräume) verfügen.
2. NV: Eine ausländische Steuerberatungsgesellschaft, die nicht über einen den Anforderungen der §§ 51 ff. DVStB entsprechenden Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügt, kann die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen in Deutschland nicht auf die Dienstleistungsfreiheit stützen. Das Bestehen dieses Schutzes muss die ausländische Steuerberatungsgesellschaft durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen.
Verfahrensgang
vorgehend FG Köln, 10. April 2013, Az: 5 K 913/10, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 10. April 2013 5 K 913/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit einer Niederlassung in den Niederlanden. Sie ist in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht gemäß § 32 Abs. 3, § 49 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt. Sie wurde vom Finanzgericht (FG) Köln in einer Vielzahl von Fällen gemäß § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch rechtskräftig gewordene Beschlüsse als Prozessbevollmächtigte zurückgewiesen.
2
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) wies die Klägerin in Einspruchsverfahren der Eheleute A persönlich und als Gesellschafter einer GbR mit Bescheiden vom 4. Januar 2010 gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung in der bis einschließlich 2016 geltenden Fassung (AO) als deren Bevollmächtigte zurück. Die Einsprüche der Klägerin gegen diese Bescheide blieben erfolglos.
3
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen ergebe sich weder aus § 3a StBerG noch aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV–). Die Klägerin falle unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht (Art. 49 ff. AEUV), da sie in Deutschland nicht nur vorübergehend tätig sei, sondern ihre Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise erbringe. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 735 veröffentlicht.
4
Mit der Revision rügt die Klägerin insbesondere eine Verletzung von Art. 56 AEUV. Sie könne sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, obwohl sie bei Ergehen der Bescheide vom 4. Januar 2010 noch nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügt habe. Vor dem gegen sie ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juli 2011 II R 6/10 (BFHE 234, 474, BStBl II 2011, 906) habe es keine entsprechende Versicherung gegeben (Revisionsbegründung vom 10. März 2014, S. 19).
5
Der Senat setzte mit Beschluss vom 16. September 2014 das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das ebenfalls die Klägerin betreffende Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 20. Mai 2014 II R 44/12 (BFHE 246, 278, BStBl II 2014, 907) aus. Der EuGH hat darüber inzwischen mit Urteil X-Steuerberatungsgesellschaft vom 17. Dezember 2015 C-342/14 (EU:C:2015:827) entschieden.
6
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2010 und die Bescheide vom 4. Januar 2010 aufzuheben.
7
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8
Das Bundesministerium der Finanzen, das dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten ist, beantragt ebenfalls, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.