Aktenzeichen W 6 K 17.707
Leitsatz
1 Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (ebenso BVerwG BeckRS 1995, 31220646). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Falle einer Gewerbeuntersagung aufgrund von Steuerschulden ergeben sich verlässliche Anzeichen einer Besserung, die eine positive Prognose rechtfertigen würden, nicht schon aus Sanierungsbemühungen, vielmehr ist die Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzeptes zu verlangen (ebenso BayVGH BeckRS 2008, 28582). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine erweiterte Gewerbeuntersagung ist nach Bekundung des Willens, auf jeden Fall gewerblich tätig sein zu wollen, unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass ein anderes Gewerbe in Zukunft ausgeübt wird (ebenso BVerwG BeckRS 1994, 31221391). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen eine vom Beklagten ausgesprochene (erweiterte) Gewerbeuntersagung vom 12. Juni 2017.
1. Mit Schreiben vom 27. März 2017 teilte das Finanzamt O., Außenstelle Amorbach (künftig: Finanzamt), dem Landratsamt M. (künftig: Landratsamt) mit, dass für die Klägerin Steuerrückstände (Einkommens- und Umsatzsteuer einschließlich Säumnis- und Verspätungszuschläge) in Höhe von 8.389,04 EUR bestünden. Die Klägerin arbeite selbstständig im Auftrag von zwei Callcentern auf Provisionsbasis. Die übersandten Belege und Kontoauszüge zeigten, dass die gesundheitliche und wirtschaftliche Situation für die Klägerin nicht zufriedenstellend sei. Die von ihr laut eigenen Umsatzsteuererklärungen 2008, 2014 und 2015 vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge habe sie nicht an das Finanzamt abgeführt, sondern wohl für eigene finanzielle Engpässe verwendet. Der Vorschlag der Vollstreckungsschuldnerin, aus einer Kombination von Gewerbeeinnahmen mit noch zu beantragenden SGB II-Leistungen eine langfristige Tilgung ihrer Steuerrückstände zu erreichen, erscheine nicht vielversprechend. Die Klägerin übersehe hierbei, dass parallel zu der Tilgung der bisher aufgelaufenen Rückstände auch noch alle laufenden Vorauszahlungsbeträge und Bescheidsfestsetzungen bei Fälligkeit zu zahlen seien. In diesem Fall hätten die Unterbindung weiterer, nicht bezahlter Rückstände Vorrang. Die Vollstreckung sei im Wesentlichen erfolglos verlaufen: Forderungspfändungen hätten nicht zum Erfolg geführt, Ratenzahlungen seien nicht eingehalten worden und die Klägerin sei wirtschaftlich leistungsunfähig und infolge des Fehlens der erforderlichen Geldmittel zu einer ordnungsgemäßen Betriebsführung im allgemeinen und zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtung im Besonderen nicht in der Lage. Anzeichen für eine Besserung der wirtschaftlichen Situation seien nicht erkennbar. Umsatzsteuervoranmeldungen seien seit dem 1. Quartal 2016 im Schätzungswege ermittelt worden; Voranmeldungen lägen bis heute nicht vor.
Der Mitteilung des Finanzamts war ein Schreiben der Klägerin vom 13. Februar 2017 an das Finanzamt beigefügt, in dem sie vorschlägt, die Steuerrückstände aus einer Kombination von SGB II-Leistungen und Gewerbeeinnahmen tilgen zu wollen. Konkret schlägt die Klägerin vor, auf diese Weise 300,00 EUR pro Monat auf die Steuerrückstände zu zahlen.
Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Gewerbeuntersagungsverfahrens ergaben sich folgende Erkenntnisse:
Mit Schreiben vom 6. April 2017 teilte die Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg dem Landratsamt mit, dass aktuell Beitragsrückstände der Klägerin in Höhe von 94,87 € bestünden. Bezüglich dieses Betrages sei Ratenzahlung vereinbart worden. Sonst sei nichts Nachteiliges über die Klägerin bekannt geworden.
Mit Schreiben vom 18. April 2017 wurde die Klägerin zur beabsichtigten (erweiterten) Gewerbeuntersagung angehört und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17. Mai 2017 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 21. April 2017 äußerte sich die Klägerin zur beabsichtigten (erweiterten) Gewerbeuntersagung. Sie führte aus, sie könne die Steuerrückstände nur durch ihre gewerbliche Tätigkeit begleichen. Aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes und ihres Alters sei eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit für sie illusorisch. Durch den zumindest zeitweisen Bezug von Arbeitslosengeld II (ALG II), der inzwischen bewilligt sei, werde sie voraussichtlich in der Lage sein, die angelaufenen Rückstände mit monatlich 300,00 EUR zu tilgen. Dies habe sie auch dem Finanzamt entsprechend mitgeteilt. Sie führe seit Bewilligung des ALG II auch sowohl die laufenden Steuern als auch die Rückzahlungsrate ab. Das Finanzamt habe diesem Vorschlag nicht widersprochen. Auch an den ausstehenden Umsatzsteuererklärungen bzw. -Voranmeldungen arbeite sie aktuell und werde diese kurzfristig nachbzw. einreichen. Unter den genannten Voraussetzungen und Bedingungen werde die Steuerschuld im September 2019 abgetragen sein.
Am 8. Juni 2017 teilte das Finanzamt dem Landratsamt telefonisch mit, dass die Klägerin im Monat März 2017 600,00 EUR und in den Monaten April und Mai 2017 je 300,00 EUR zu Tilgung der Steuerrückstände an das Finanzamt gezahlt habe. Die Steuerschuld belaufe sich aktuell noch auf 7329,00 EUR. Es sei eine Fristverlängerung für die Einkommensteuererklärung bis 21. Juli 2017 bewilligt worden. Seit einschließlich 2. Quartal 2016 sei trotz eindringlicher Hinweise des Finanzamts keine Umsatzsteuervoranmeldung mehr getätigt worden. Im Juli würden Umsatzsteuer- und Einkommensteuerzahlungen von 340,00 EUR bzw. 500,00 EUR fällig, die auf Schätzungen beruhten, da keine Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt seien. Das angekündigte Zahlungsmodell der Klägerin werde nach Einschätzung des Finanzamts nicht genehmigt werden. Die Klägerin habe im Januar 2017 letztmals Kontakt mit dem Finanzamt gehabt.
2. Mit Bescheid vom 12. Juni 2017 untersagte das Landratsamt der Klägerin die Ausübung des angemeldeten Gewerbes „Büroservice“ sowie die Ausübung sämtlicher weiterer stehender Gewerbe, die Tätigkeit als vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbetreibenden beauftragten Person ganz und auf Dauer (Nr. I). Zur Abwicklung der laufenden Geschäfte wurde eine Frist von einem Monat ab Bestandskraft des Bescheides eingeräumt (Nr. II). Für den Fall, dass die Klägerin die Gewerbeausübung trotz Eintritt der Unanfechtbarkeit der Gewerbeuntersagung nach Ablauf der in Nr. II festgesetzten Frist nicht einstellt, wurde die Verhinderung der Fortsetzung des Betriebs im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. III). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. IV). Für den Bescheid wurden Gebühren in Höhe von 50,00 EUR und Auslagen in Höhe von 3,67 EUR festgesetzt (Nr. V).
Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass gem. § 35 Abs. 1 GewO die zuständige Behörde die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen habe, wenn Tatsachen vorlägen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden belegten und die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich sei. Unzuverlässig sei ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben werde. Im vorliegenden Falle werde die Unzuverlässigkeit durch die hohen Steuerrückstände und die Nichtvorlage der Umsatzsteuervoranmeldung belegt. Die Nichterfüllung steuerlicher Verpflichtungen stelle nach der einschlägigen Rechtsprechung grundsätzlich einen Untersagungsgrund dar. Da die Klägerin aus den genannten Gründen im gewerberechtlichen Sinne unzuverlässig sei, sei eine Gewerbeuntersagung zum Schutze der Allgemeinheit unbedingt erforderlich. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin sich zum einen ihrer Verpflichtung gegenüber dem Finanzamt hartnäckig entzogen habe und sich zum anderen in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung gegenüber den mit ihr im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden, die ihre Verpflichtungen in redlicher Weise erfüllten, verschafft habe. Im Rahmen der Überprüfung der Erforderlichkeit einer Gewerbeuntersagung habe die Entscheidungsbehörde eine Prognose über das künftige Verhalten bzw. die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen anzustellen. Wie aus der Entwicklung der Steuerrückstände ersichtlich sei, sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin ihren Verpflichtungen in Zukunft nachkommen werde. Zwar gingen seit März 2017 monatlich Tilgungsraten beim Finanzamt ein, die Vorstellung der Klägerin aus der Antwort auf das Anhörungsschreiben des Landratsamtes, die Tilgung mittels Arbeitslosengeld zu leisten und dabei das Gewerbe weiter zu betreiben, könne aber nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Auch die Voranmeldung zur Umsatzsteuer sei weiterhin unterblieben. Gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO könne die Gewerbeuntersagung auf sämtliche stehende Gewerbe ausgedehnt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten unzuverlässig sei. Die Nichterfüllung der Steuerpflichten stelle regelmäßig ein Indiz dafür dar, dass eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit vorliege, die die Untersagung sämtlicher stehender Gewerbe erforderlich mache. Die erweiterte Gewerbeuntersagung sei auch erforderlich, da Tatsachen vorlägen, die ein Ausweichen auf andere Gewerbe erwarten ließen. Die Wahrscheinlichkeit anderweitiger Gewerbeausübung folge schon daraus, dass die Klägerin trotz Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens und feststehenden Unzuverlässigkeit an ihrer gewerblichen Tätigkeit festgehalte und somit ihren Willen bekundet habe, sich in jedem Falle auf irgendeiner Weise gewerblich zu betätigen. Der Bescheid wurde der Klägerin am 16. Juni 2017 zugestellt.
3. Am 13. Juli 2017 erhob die Klägerin Klage und beantragte,
Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 12. Juni 2017 zugegangen 16. Juni 2017.
Im selben Schriftsatz beantragte die Klägerin, Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Abdeckung von Verfahrenskosten und ggf. Beauftragung eines Anwalts mit der weiteren Prozessführung.
Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, die Gewerbeuntersagung sei für die Öffentlichkeit zwangsläufig mit erheblichen Kosten verbunden. Falsch sei die Aussage des Beklagten im angefochtenen Bescheid, die Klägerin habe vorgeschlagen, ihre Schulden durch den Bezug von ALG II zu begleichen. Bereits aus der dem Beklagten vorgelegten, detaillierten Berechnung ergebe sich eindeutig, dass die von der Klägerin vorübergehend in Anspruch zu nehmende ALG II-Leistung lediglich etwa 21 Prozent der zu tilgenden Steuerschuld ausmache. Allein daraus ergebe sich, dass die Klägerin die Leistungen lediglich benötige, um den geringen Prozentsatz von knapp 15 Prozent ihres Existenzminimums vorübergehend über ALG II zu decken. Die Schuldentilgung erfolge also vollständig und die Abdeckung der Lebenshaltung ganz überwiegend (85 Prozent) aus dem weiterhin zu erwirtschaftenden Gewinn des Gewerbes, das der Beklagte untersagen wolle. Die Klägerin habe inzwischen sichergestellt, dass künftig die notwendigen Steuererklärungen auch zur Umsatzsteuer pünktlich und korrekt erfolgten. So liege zum Beispiel die Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 2017 fristgerecht beim zuständigen Finanzamt vor. Die Klägerin habe inzwischen auch mündliche Zusagen aus dem Bekanntenkreis erhalten, dass ihr auf Darlehensbasis die notwendigen Mittel zu einer sofortigen Tilgung der bestehenden Steuerschulden zur Verfügung gestellt würden. Die Zusage sei verständlicherweise daran gebunden, dass eine berechtigte Aussicht auf Tilgung dieser Darlehen bestehe. Diese Aussicht bestehe aber nur dann, wenn eine Gewerbeuntersagung nicht mehr drohe.
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2017 beantragte das Landratsamt für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf dem Schriftsatz vom 25. Juli 2017 im Verfahren W 6 S. 17.708 verwiesen. Darin wird ausgeführt, dass die Klägerin in ihrem Schreiben vom 21. April 2017 – entgegen der Äußerungen in der Klagebegründung – tatsächlich geäußert habe, dass sie die angelaufenen Steuerrückstände mit dem ihr bewilligten Arbeitslosengeld bestreiten werde. Die Gewerbeuntersagung sei auch erforderlich und verhältnismäßig. Nach der einschlägigen Kommentarliteratur könne nur in ganz extremen Ausnahmefällen trotz Unzuverlässigkeit und trotz Untersagungserforderlichkeit der Einwand der Verletzung des Übermaßverbotes mit Erfolg erhoben werden. Ein solcher Ausnahmefall liege nicht schon vor, wenn der Betroffene infolge der Untersagungsverfügung sozialhilfebedürftig zu werden drohe. Hinsichtlich der steuerlichen Mitwirkungspflichten treffe es zu, dass die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 2017 eingereicht habe. Diese Tatsache dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dennoch teilweise Schätzungen aufgrund unterbliebener Meldungen vorgenommen würden. Im Übrigen sei das in der Klageschrift vorgetragene Sanierungskonzept auch nicht seriös, da nur „mündliche Zusagen“ aus dem Bekanntenkreis vorlägen. Wie zuverlässig diese in Anspruch genommen werden könnten, sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus wurde im Schriftsatz erklärt, es möge sein, dass sich bei der Klägerin hinsichtlich ihrer Mitwirkungspflichten eine Besserung eingestellt habe. Gleichwohl habe sich die Steuerschuld bis heute nicht wesentlich reduziert. Auch bliebe festzustellen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Voraussetzungen der Gewerbeuntersagung zweifellos erfüllt gewesen seien.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2017 nahm die Klägerin zu den Ausführungen des Beklagten Stellung und führt aus, dass der Beklagte die Berechnungen in Anlage K3 nicht berücksichtigt habe. Aus dieser ergebe sich, dass der Steuerzahler im Falle einer Gewerbeuntersagung mit vermeidbaren Mehrkosten belastet würde. Die Behauptung des Beklagten, die Steuerschuld habe sich nicht erheblich reduziert, sei nicht nachvollziehbar. Es seien bisher 2100,00 EUR zurückbezahlt worden.
4. Im Verfahren W 6 S. 17.708 beantragte die Klägerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 22. September 2016 wiederherzustellen. Nachdem das Gericht die Klägerin darauf hinwies, dass die sofortige Vollziehung durch das Landratsamt nicht angeordnet wurde, erklärte die Klägerin die Rücknahme ihres Antrags, was zur Einstellung des Verfahrens durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. August 2017 geführt hat.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verfahrensakte W 6 S. 17.708 sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen.
1. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihrem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017; § 166 Rn. 8 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreifen (Bewilligungsreife), die gegeben ist, sobald das Prozesskostenhilfegesuch vollständig, einschließlich der Klärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, vorliegt (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 166 Rn. 14a).
2. Auch unter Berücksichtigung des prozesskostenhilferechtlichen Erfolgsmaßstabs bestehen derzeit keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage. Die erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. Juni 2017 ist zulässig aber unbegründet. Die vom Landratsamt ausgesprochene (erweiterte) Gewerbeuntersagung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
2.1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Bei dem Begriff der Unzuverlässigkeit handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Gesetzesbegriff ohne Beurteilungsspielraum (Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 27). Zur ordnungsgemäßen Ausübung eines Gewerbes gehört dabei nicht nur die Einhaltung gewerbespezifischer Verpflichtungen, sondern auch die Erfüllung der mit der Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten, weshalb die Nichterfüllung dieser Pflichten die Unzuverlässigkeit begründen kann.
Maßgeblich für die im Rahmen der Bewertung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zu treffenden Prognose wegen gewerbebezogener Schulden ist weiter, ob der Betroffene ein Sanierungskonzept nachweisen kann, aus dem erkennbar ist, dass er in absehbarer Zeit seinen Erklärungspflichten sowie seinen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommen und in der Lage sein wird, seine Schulden zu tilgen (Nachweis der Einkommens- und Ausgabensituation, Ratenzahlungsvereinbarungen und anderes mehr).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; B. v. 16.6.1995 – 1 B 83/95 – juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen. Am 8. Juni 2017 – und damit vier Tage vor Erlass der Gewerbeuntersagung – hatte die Klägerin nicht unerhebliche Steuerschulden beim Finanzamt i.H.v. 7.329,00 EUR. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin die vom Gewerbetreibenden treuhänderisch für den Staat vereinnahmte Umsatzsteuer nicht bezahlt hat (vgl. VG München, U. v. 7.1.2009 – M 16 K 09.2024 – juris). Außerdem kam die Klägerin ihren steuerrechtlichen Erklärungspflichten nicht nach. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses hatte die Klägerin seit dem 2. Quartal 2016 keine Umsatzsteuervoranmeldung mehr getätigt. Diese Umstände lassen den Schluss auf eine gewerberechtlich Unzuverlässigkeit der Klägerin zu.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Klägerin seit dem Monat März 2017 regelmäßig Zahlungen an das Finanzamt geleistet hat und die Steuerschuld so im Zeitraum vom 27. März 2017 bis zum 8. Juni 2017 um ca. 1.000,00 EUR reduziert hat. Allerdings ergeben sich verlässliche Anzeichen einer Besserung, die eine positive Prognose rechtfertigen würden, nicht schon aus Sanierungsbemühungen, vielmehr ist die Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzeptes zu verlangen (BayVGH, B. v. 23.10.2008 – 22 ZB 08.2549 – juris). Ein solches ist im vorliegenden Falle nicht gegeben.
Die Klägerin hat gegenüber dem Landratsamt mit Schreiben vom 21. April 2017 zwar erklärt, die Steuerrückstände aus einer Kombination von Gewinnen aus dem Gewerbebetrieb und ALG II begleichen zu wollen. Allerdings lässt dieses Konzept konkrete und belastbare Angaben vermissen, die es ermöglichen, die Tragfähigkeit des Konzepts zu überprüfen (vgl. OVG Berl.-Bbg., B. v. 26.4.2017 – OVG 1 N 49.15 – BeckRS 2017, 109033). So hat die Klägerin die Geschäftszahlen ihres Gewerbes nicht offengelegt. Sie behauptet im Verfahren zwar ca. 1000,00 EUR im Monat Gewinn aus dem Gewerbebetrieb zu erzielen, mit denen sie ihre Steuerverbindlichkeiten tilgen will. Belege, die diesen Wert nachvollziehbar machen, werden allerdings nicht vorgelegt. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur Einnahmen aus ALG II angibt. Einkünfte aus ihrem Gewerbebetrieb werden dagegen nicht angegeben. Außerdem hat das Finanzamt als Gläubiger dem Modell der Klägerin nicht zugestimmt (vgl. OVG NRW, B. v. 14.8.2017 – 4 A 2513/16 – juris). Das Finanzamt hat im Verfahren auch mehrfach betont, dass es das Sanierungskonzept der Klägerin für nicht erfolgsversprechend hält. Diese Einschätzung hat das Finanzamt plausibel darauf gestützt, dass die Klägerin in ihrem Konzept nicht berücksichtigt, dass nicht nur die Verbindlichkeiten zu begleichen sind, sondern laufend neue steuerliche Zahlungspflichten entstehen.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Klägerin, trotz ihrer Ankündigung im Schreiben vom 21. April 2017, die fälligen Umsatzsteuervoranmeldung bis zum Erlass des Bescheides dem Finanzamt nicht vorgelegt hat und damit ihren steuerlichen Erklärungspflichten trotz Ankündigung nicht nachgekommen ist.
Die Prognose der Unzuverlässigkeit – insbesondere auch im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Sanierungskonzepts – hat sich letztlich auch bestätigt. Zum Zeitpunkt der letzten Mitteilung des Finanzamtes am 24. Juli 2017 an das Landratsamt betrugen die Steuerschulden der Klägerin 10.322,91 EUR und waren damit deutlich höher als zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses.
2.2. Auch die erweiterte Gewerbeuntersagung ist rechtmäßig.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung setzt der Erlass einer solchen erweiterten Gewerbeuntersagung das Vorliegen einer „gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit“ des Betroffenen voraus. Mit der Verletzung steuerrechtlicher Pflichten hat die Klägerin Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dieses Verhalten begründet eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit. Dies rechtfertigt wiederum die Annahme, dass die Klägerin ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen wird.
Darüber hinaus muss die Erstreckung der Untersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende Tätigkeiten ausweicht. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass die Klägerin trotz Unzuverlässigkeit an einer gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch sie regelmäßig ihren Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist deshalb unter den Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass die Klägerin ein anderes Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung durch die Klägerin nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 CB 2/81 – juris; BVerwG, B. v. 11.9.1992 – 1 B 131/92 – juris; BVerwG, B. v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BayVGH, U. v. 1.6.2011 – 22 B 09.2785 – juris). Für solche besonderen Umstände fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte.
2.3. Auch hinsichtlich der anderen Ziffern des Bescheides bestehen keine rechtlichen Bedenken.
3. Auf die Frage, inwieweit die Klägerin die Kosten der Prozessführung tragen kann, kommt es deshalb nicht mehr an.