Steuerrecht

Keine Minderung eines Veräußerungsgewinns durch Schenkungsteuer

Aktenzeichen  1 K 1589/15

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG EStG § 17 Abs. 2
EStG EStG § 35b

 

Leitsatz

1. Beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen angefallene Schenkungsteuer kann einen später erzielten Veräußerungsgewinn grds. nicht mindern. Durch die Schenkungsteuer soll ausschließlich der Vermögensvorteil, den der Beschenkte erlangt, der Besteuerung unterworfen werden. Sie steht daher nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicht, steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen. Die Schenkungsteuer ist auch kein abziehbarer Aufwand zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Geschenks. Denn sie ist keine Gegenleistung für das Geschenk, sondern Folge der unentgeltlich erlangten wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Eine Doppelbelastung mit Schenkung- und Einkommensteuer ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände verfassungsrechtlich zulässig. Es besteht kein Verfassungsgrundsatz, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt sein müssen. Das Schenkung- und Einkommensteuerrecht ist gegenwärtig nicht in verfassungswidriger Weise so ausgestaltet, dass es typischerweise zu einer Steuerlast kommt, die so hoch ist, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird. Eine durch Billigkeitsmaßnahmen zu korrigierende, übermäßige Belastung mit Schenkung- und Einkommensteuer ist lediglich in atypischen, extremen Einzelfällen denkbar (hier verneint). (Leitsatz aus Beckzeitschrift)

Gründe

Finanzgericht Nürnberg
1 K 1589/15
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
– Kläger Prozessbev.: Rechtsanwälte Steuerberater B. B-Straße, B-Stadt
gegen
Finanzamt C., C-Straße, C.
– Beklagter
wegen Einkommensteuer 2010
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch den Richter am Finanzgericht ohne mündliche Verhandlung
am 12. Januar 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Postanschrift des Finanzgerichts Nürnberg: Deutschherrnstr. 8, 90429 Nürnberg Telefax-Anschluss des Finanzgerichts Nürnberg: 0911/27076-290 Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 860240, 81629 München Hausanschrift des Bundesfinanzhofs: Ismaninger Straße 109, München Telefax-Anschluss des Bundesfinanzhofs: 089/9231-201
Tatbestand
Streitig ist, ob Schenkungssteuer, die beim Erwerb von GmbH-Anteilen angefallen ist, einen später erzielten Veräußerungsgewinn mindert.
Der alleinstehende Kläger erwarb 2003 von seinem Vater durch Schenkung unter Lebenden Geschäftsanteile an der (E-GmbH). Die Anschaffungskosten des Vaters für diese Anteile betrugen 511.292,88 €. Das Finanzamt Z ging von einem Erwerbswert in Höhe von 1.918.586,00 € aus und setzte gegenüber dem Kläger 381.228,58 € Schenkungssteuer fest.
2010 veräußerte der Kläger die durch Schenkung erworbene zehnprozentige Beteiligung am Stammkapital der E-GmbH für 3.607.268,00 €. Seine Anstellung als Geschäftsführer bei der E-GmbH gab er auf.
In der Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte er unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 1.628.847,92 €. Bei der Gewinnermittlung zog er auch die beim Erwerb der Anteile angefallene Schenkungssteuer als Anschaffungskosten ab. Das beklagte Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß.
Im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung erkannte der Prüfer die Schenkungssteuer nicht als Anschaffungskosten an und erhöhte den Veräußerungsgewinn auf 1.857.585,00 €. Das beklagte Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ am 07.09.2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2010. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage zu deren Begründung er im Wesentlichen vortrug:
Die Schenkungssteuer sei bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns den Anschaffungskosten hinzuzurechnen. Andernfalls sei im Extremfall eine Steuerlast von 78% denkbar:
Steuer
Verkehrswert der verschenkten Anteile
20.000.000 €
Darauf entfallende ErbSt bei Klasse III
10.000.000 €
Verkaufspreis
20.000.000 €
Darauf entfallende Einkommensteuer
5.600.000 €
Summe
15.600.000 €
Eine derart hohe Steuerbelastung könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, weil sie faktisch eine Enteignung darstelle. Die Steuerbelastung des Klägers sei zwar geringer, wegen der Nichtberücksichtigung der Schenkungssteuer bei den Anschaffungskosten jedoch unangemessen hoch. Eine gerechte Besteuerung und Umverteilung von Vermögen sei durch die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer nicht mehr gegeben.
Der Kläger habe sich von den GmbH-Anteilen nicht aus Gründen der Vermögensmehrung getrennt. Vielmehr habe er die im langjährigen Familienbesitz befindlichen Anteile aus rein persönlichen Gründen verkauft, seine Geschäftsführertätigkeit im Unternehmen aufgegeben und sich beruflich neu orientiert. Unter Berücksichtigung dieser Umstände führe die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer zu einer Härtefallsituation. Die Hinzurechnung der Schenkungssteuer zu den Anschaffungskosten sei auch deshalb erforderlich.
Der Kläger hat beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 07.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2015 abzuändern und die Einkommensteuer auf 793.818,00 € festzusetzen. Hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Schenkungssteuer sei nicht den Anschaffungskosten hinzuzurechnen, weil es sich um eine nicht abzugsfähige Personensteuer im Sinne des § 12 Nr. 3 EStG handle.
Die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer sei nicht verfassungswidrig. Insbesondere führe sie nicht zu einer übermäßigen Steuerbelastung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorgelegten Finanzamtsakten und die Finanzgerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angesetzte Veräußerungsgewinn ist rechtmäßig. Die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer ist nicht verfassungswidrig. Ob eine Härtefallsituation besteht, die eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 Abgabenordnung (AO) rechtfertigt, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
1. Der angesetzte Veräußerungsgewinn ist rechtmäßig.
1.1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war. Veräußerungsgewinn in diesem Sinne ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG regelt abschließend und zwingend, dass bei unentgeltlichem Erwerb der veräußerten Anteile die Anschaffungskosten des zuletzt entgeltlich erwerbenden Rechtsvorgängers anzusetzen sind (vgl. Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 18.02.1982 X 184/78, EFG 1982, 566).
1.2. Danach kann der Kläger für die unentgeltlich erworbenen GmbH-Anteile nur die Anschaffungskosten seines Vaters ansetzen. Denn dieser war nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG der zuletzt entgeltlich erwerbende Rechtsvorgänger des Klägers. Da die Schenkungssteuer nicht beim Erwerb der GmbH-Anteile durch den Vater des Klägers anfiel, gehört sie nicht zu dessen und somit auch nicht zu den Anschaffungskosten des Klägers.
Die Nichtabziehbarkeit der Schenkungssteuer folgt zudem aus § 12 Nr. 3 EStG, weil es sich um eine sonstige Personensteuer in diesem Sinn handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2011 X R 63/08, BStBl. II 2011, 680).
Der angesetzte Veräußerungsgewinn ist auch im Übrigen rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG vorliegen.
2. Die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer ist verfassungsgemäß.
2.1. Ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitete objektive Nettoprinzip liegt nicht vor, weil es keine einkommensteuermindernde Berücksichtigung der Schenkungssteuer gebietet (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2011, a. a. O.).
Nach dem objektiven Nettoprinzip sind Einnahmen nicht brutto sondern nur gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung zu unterwerfen. Solche Erwerbsaufwendungen liegen indessen nur vor, wenn die Aufwendungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicht stehen, (steuerpflichtige) Einkünfte zu erzielen. Dies ist bei der Schenkungssteuer nicht der Fall. Anders als die Umsatzsteuer, die bei der Ermittlung der Einkünfte als Abzugsposten berücksichtigt wird, betrifft die Schenkungssteuer nicht den Betrieb eines Steuerpflichtigen oder die sich aus dem Einsatz seines Vermögens ergebenden Gewinne, Überschüsse oder Umsätze. Durch die Schenkungssteuer soll ausschließlich der Vermögensvorteil, den der Beschenkte erlangt, der Besteuerung unterworfen werden. Sie steht daher nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicht, steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen. Die Schenkungssteuer ist auch kein abziehbarer Aufwand zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Geschenks. Denn sie ist keine Gegenleistung für das Geschenk, sondern Folge der unentgeltlich erlangten wirtschaftlichen Verfügungsmacht.
2.2. Dahinstehen kann, ob § 35b EStG gegen Verfassungsrecht verstößt, weil er nur für Erwerbe von Todes wegen eine Steuerermäßigung vorsieht und Erwerbe durch Schenkungen unter Lebenden nicht begünstigt. Denn dadurch wird der Kläger nicht benachteiligt.
§ 35b EStG gilt nur dann erstmals für Veranlagungszeiträume ab 2009, wenn auch der Erbfall nach dem 31.12.2008 eingetreten ist (§ 50 Abs. 50 Buchst. c EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Nach der Aufhebung des § 35 EStG a. F. ab dem Veranlagungszeitraum 1999 bis zur Anwendbarkeit des § 35b EStG sah das Gesetz auch bei Erwerben von Todes wegen, mithin bei einer Belastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer, keine Steuerermäßigung vor.
Der Kläger erwarb die veräußerten GmbH-Anteile 2003 durch Schenkung. Hätte er sie 2003 durch Erbfall erworben, wäre es ebenfalls zu keiner Steuerermäßigung gekommen. Denn § 35b EStG gilt erst für nach dem 31.12.2008 eingetretene Erbfälle.
Die Beschränkung des § 35b EStG auf Erwerbe von Todes wegen benachteiligt den Kläger deshalb nicht. Im Streitfall ist daher nicht entscheidungserheblich, ob § 35b EStG wegen der Nichterfassung von Schenkungen unter Lebenden verfassungswidrig ist.
2.3. Ein Verfassungsverstoß liegt auch nicht deshalb vor, weil der Gesetzgeber die Doppelbelastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer nicht verhindert. Vielmehr ist sie im Hinblick auf die unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände verfassungsrechtlich zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes, also der Steuerquelle, einen weiten Gestaltungsspielraum. Mithin besteht auch kein Verfassungssatz des Inhalts, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt sein müssten, also etwa keine Lücken entstehen dürften bzw. mehrfache Belastungen vermieden werden müssten (BVerfG-Beschluss vom 08.01.1999 1 BvL 14/98, BStBl II 1999, 152). Im Übrigen kennt das Steuerrecht auch andere Einnahmen, die mit mehreren Steuern belastet sind – z. B. das Nebeneinander von Einkommen- und Gewerbesteuer, das durch § 32c EStG a. F. bzw. § 35 EStG n. F. nicht völlig egalisiert wird – (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2011, a. a. O.).
2.4. Die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG, weil sie zu keiner verfassungswidrigen, übermäßigen Besteuerung führt.
Dem Grundgesetz ist kein Gebot zu entnehmen, dass Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen sind. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs sah eine Gesamtbelastung mit Einkommensteuer und Gewerbeertragsteuer in Höhe von ca. 60% nicht als verfassungswidrig an. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG lasse sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz“) ableiten. Im Streitfall sei nicht erkennbar, dass eine verfassungsrechtliche Obergrenze zumutbarer Belastung durch Einkommen- und Gewerbesteuer erreicht wäre. Das Einkommen- und Gewerbesteuerrecht sei auch für hohe Einkommen gegenwärtig nicht so ausgestaltet, dass eine übermäßige Steuerbelastung und damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie festgestellt werden könne. Diese Überlegungen des BVerfG lassen sich auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen. Auch das Schenkungs- und Einkommensteuerrecht ist gegenwärtig nicht so ausgestaltet, dass es typischerweise zu einer Steuerlast kommt, die so hoch ist, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2011, a. a. O.). Denn typischerweise werden wertvolle Vermögenswerte nahen Familienangehörigen durch Schenkung unter Lebenden übertragen. Bei einer Veräußerung derart erworbener Vermögenswerte wird erfahrungsgemäß eine verfassungswidrige, übermäßig hohe steuerliche Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer bereits durch die schenkungssteuerlichen Freibeträge und die einschlägige Steuerklasse I verhindert.
Auch im Streitfall liegt keine verfassungswidrige, übermäßig hohe Steuerbelastung vor, wenn die Schenkungssteuer nicht den Anschaffungskosten hinzugerechnet wird. Denn in diesem Fall beträgt die Belastung mit Schenkungs-, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 35% des erzielten Veräußerungserlöses.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß §§ 17, 3 Nr. 40 Buchst. c EStG
1.857.585,00 €
ab geleistete Zuwendungen
-100,00 €
ab Vorsorgeaufwendungen
-3.297,00 €
zu versteuerndes Einkommen
1.854.188,00 €
Einkommensteuer
818.690,00 €
Solidaritätszuschlag
45.027,95 €
Schenkungssteuer
381.228,58 €
Steuerliche Gesamtbelastung
1.244.946,53 €
Veräußerungserlös GmbH-Anteile
3.607.268,00 €
Steuerliche Gesamtbelastung /Veräußerungserlös
0,35
in Prozent
35%
Die Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil extreme Ausnahmefälle – wie etwa das vom Kläger gebildete Beispiel – denkbar sind, in denen eine übermäßig hohe Belastung vorliegen könnte. Der Steuergesetzgeber darf sich bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Dabei ist nicht vom atypischen sondern realitätsgerecht vom typischen Fall auszugehen (vgl. Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 7. Aufl. 1975, 69. Lieferung 09.2015, Art. 3 GG Rz. 555). Solange eine in atypischen Sonderfällen eintretende übermäßige steuerliche Belastung durch Billigkeitsmaßnahmen (wie z. B. eine abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO) vermieden werden kann, ist die typisierende gesetzliche Regelung nicht verfassungswidrig. Voraussetzung ist allerdings, dass durch im Einzelfall gebotene Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des gesamten Gesetzes unterlaufen wird (vgl. Burkhart in Leibnitz/Rinck, a. a. O., Art. 3 GG Rz. 573, 574).
Vorliegend kann eine in Einzelfällen auftretende übermäßige Steuerbelastung durch Billigkeitsmaßnahmen vermieden werden, ohne dass dadurch die Geltung der gesamten gesetzlichen Regelung unterlaufen wird. Denn die steuerliche Belastung mit Schenkungs- und Einkommensteuer bedarf in der Mehrheit der Fälle mangels übermäßiger steuerlicher Belastung keiner Korrektur durch Billigkeitsmaßnahmen. Vielmehr ist lediglich in atypischen, extremen Einzelfällen eine durch Billigkeitsmaßnehmen zu korrigierende, übermäßige Steuerbelastung denkbar. Da diese Maßnahmen somit kein Ausmaß erreichen, dass zur Aufhebung der allgemeinen Geltung der gesetzlichen Regelung führt, ist diese nicht verfassungswidrig.
3. Im Streitfall dürfte keine Härtefallsituation vorliegen, die eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO rechtfertigt. Hierüber ist vorliegend indes nicht zu befinden. Denn über eine Steuerfestsetzung im Billigkeitswege gemäß § 163 AO ist nicht im Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung sondern in einem eigenständigen Verfahren zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 16.06.2008 II B 40/07, juris; BFH-Urteil vom 04.07.2007 VIII R 46/06, BStBl II 2008, 49).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.


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