Steuerrecht

nicht genehmigte Gastraumerweiterung

Aktenzeichen  AN 4 K 18.01628

Datum:
6.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30153
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG §§ 1, 2, 31
GewO § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 18.07.2018, Az. …, wird insoweit aufgehoben, als dem Kläger aufgegeben wird, im Bereich der im Bauplan Az. … oberhalb des als „Getränkebar/Anbahnungszone“ als „Zimmer“ bezeichneten Räume sämtliche Sitz- und Getränkeabstellmöglichkeiten zu entfernen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt vier Fünftel der Kosten des Verfahrens, die Beklagte ein Fünftel.

Gründe

Über die Klage konnte nach Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, aber ganz überwiegend nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 ist – mit Ausnahme der Verfügung der Entfernung sämtlicher Sitz- und Getränkeabstellmöglichkeiten in den als „Zimmer“ bezeichneten Räumen – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 stützt sich dabei auf die Rechtsgrundlage der § 31 GastG, § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Nach diesen Vorschriften kann die zuständige Behörde die Fortsetzung eines Gaststättenbetriebes verhindern, wenn ein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe ohne Erlaubnis betrieben wird.
a) Die Erweiterung der Bewirtschaftungsfläche ist erlaubnispflichtig, weil mit dem Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 2. Juni 2016 die Erlaubnis nach § 2 GastG nur für den Umfang „1 Aufenthaltsraum im EG (rot markierte Teilfläche gem. Bauplan Az. …*) sowie die Nebenräume gemäß dem baubehördlichen genehmigten Plan“ erteilt wurde. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 GastG ist jedoch eine Erlaubnis für alle durch die Gaststätte genutzten Räume erforderlich.
b) Die Bewirtschaftungsfläche wurde erweitert, indem der Gaststättenbetrieb auf den im Lageplan unter dem mit „Getränkebar/Anbahnungszone“ (nachfolgend als „Aufenthaltsraumerweiterung“ bezeichnet) eingezeichneten Raum (1.) und den neu geschaffenen Raum, bestehend aus dem im Lageplan jeweils oberhalb hiervon als „Zimmer“ bezeichneten Räume (nachfolgend in Fortführung der vom Klägervertreter genutzten Terminologie als „Koberraum“ bezeichnet) (2.), erweitert wurde.
1. Hinsichtlich der Aufenthaltsraumerweiterung ist von einer Erweiterung der Bewirtschaftungsfläche auszugehen. Wie sich aus den im Rahmen der Ortseinsicht vom 9. März 2018 gefertigten Lichtbildern (Bl. 57 und 58 der Behördenakte) ergibt, erfolgt eine gemeinsame Nutzung des genehmigten Gastraumes und der Aufenthaltsraumerweiterung, weil sich in beiden Raumteilen Getränkeautomaten und Bestuhlung befinden. Entsprechend wurde auch durch die Beklagte aufgrund des Aktenvermerks des Ordnungsamts vom 12. Oktober 2020 (vgl. Lageplan auf Bl. 73 der Gerichtsakte) festgestellt, dass in diesem Raum ein gaststättentypischer Betrieb erfolgte.
Dem steht nicht entgegen, dass das Bußgeldverfahren gegen den Kläger (Az. …*) wegen „illegaler Gastraumerweiterung“ am 10. Januar 2019 durch das Amtsgericht … nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt wurde. Im hier gegenständlichen Verfahren kommt es – anders als im genannten Ordnungswidrigkeitenverfahren – schlicht nicht darauf an, ob die Erweiterung vor oder nach einer Abnahme durch Mitarbeiter der Beklagten erfolgt ist, weil sich die Genehmigung nach § 2 GastG ausschließlich auf den zuvor als „Getränkebar/Anbahnungszone“ bezeichneten Raum erstreckte und nicht automatisch auf die Aufenthaltsraumerweiterung.
2. Auch hinsichtlich des „Koberraums“, der nach Angaben des Klägervertreters durch Entfernung der Zwischenwand geschaffen wurde (vgl. Bl. 67 der Gerichtsakte), ist von einer Erweiterung der Bewirtschaftungsfläche auszugehen.
Zwar ergibt sich die Erlaubnispflicht nicht schon aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.06.1961 – VII CB 61.59, GewA 1962,40 (40 f.); U.v. 26.02.1974 – I C 27.72, GewA 1974, 201), nachdem sich die dortigen Entscheidungen auf die Bewirtung von Besuchern der Prostituierten auf deren Zimmern bezogen. Allerdings handelt es sich nach Auffassung der Kammer auch bei der Bewirtung der Prostituierten im „Koberraum“ selbst um einen erlaubnispflichtigen Gaststättenbetrieb.
i. Bei der Abgabe von Getränken aus dem genehmigten Gastraum an Prostituierte, welche diese Getränke im „Koberraum“ zu sich nehmen, handelt es sich um ein Verabreichen von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle an jedermann bzw. einen bestimmten Personenkreis (§ 1 Abs. 1 GastG).
Der erforderliche räumliche Zusammenhang ist zumindest dann gegeben, wenn auch ohne räumliche Verbindung ein Raum vorhanden ist, der als Verzehrort genutzt wird; der Zusammenhang ist beispielsweise auch dann gegeben, wenn Getränke an Personen abgegeben werden, die sie in ein benachbartes Bordell mitnehmen und dort verzehren (Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, Kommentar, 13. Aufl. 1999, § 1 Rn. 45 f.). Die zudem für den Schankwirtschaftsbegriff erforderliche Mehrzahl von Verkehrspersonen kann auch durch häufigen Wechsel einzelner Personen erfüllt werden (Michel/Kienzle, a.a.O., Rn. 49). Bei lebensnaher Betrachtung ist unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags davon auszugehen, dass der „Koberraum“ bzw. der dortige Fensterplatz regelmäßig zeitnah nach Verlassen des Raumes durch eine Prostituierte zum Zwecke des persönlichen Treffens mit einem Kunden durch eine andere Prostituierte besetzt wird und dass bereits hierdurch ein häufiger Personenwechsel anzunehmen ist. Zudem war aus Sicht der Kammer insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger als Pächter des gesamten Erdgeschosses (vgl. Bl. 25 der Behördenakte) die erforderliche Verfügungsgewalt innehat und der Gaststättenbetrieb im Gebäude „…“ ausweislich der Betriebsbeschreibung („Konversation zwischen Kunden und Anbieterinnen“, Bl. 15 der Behördenakte) mit dem vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Funktionszweck des „Koberraums“ („Nutzung zum Zwecke der Anbahnung“, vgl. Bl. 67 der Gerichtsakte) übereinstimmt. Aus der Preisliste (Bl. 64 der Behördenakte) ergibt sich darüber hinaus, dass nicht von einer Abgabe zum Selbstkostenpreis ausgegangen werden kann.
ii. Ebenfalls ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die im „Koberraum“ konsumierten Getränke aus dem Getränkeautomaten des genehmigten Gastraumes bezogen werden, zumal der Kläger zugleich als Betriebsbetreiber, Untervermieter und Betreiber der Gaststätte in Personalunion in Erscheinung tritt.
c) Die Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (hierzu: Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 82. EL Oktober 2019, § 15 Rn. 26) noch vor. Eine Änderung der Rechtslage ist insbesondere hinsichtlich der bisher unveränderten und nicht erweiterten Genehmigung nach § 2 GastG nicht erfolgt und hinsichtlich der tatsächlichen Umstände stellen sich weiterhin die gleichen gaststättenrechtlichen Fragen.
d) Soweit im Bescheid die Entfernung aller Sitz- und Getränkeabstellmöglichkeiten auch im „Koberraum“ verfügt wurde, ist die Anordnung insoweit unverhältnismäßig (i.), im Übrigen erweist sie sich als rechtmäßig (ii.).
i. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der „Koberraum“ auch nach Vortrag der Beklagten nicht in seiner Gesamtheit als Gaststättenraum genutzt wird, sondern nur in einem kleinen, fensternahen Abschnitt (vgl. insoweit die grünen Schraffierungen auf Bl. 73 der Gerichtsakte), erscheint es der Kammer unverhältnismäßig, für den gesamten Raum eine Entfernung sämtlicher Sitz- und Getränkeabstellmöglichkeiten anzuordnen, weil hierdurch die unstreitig nicht zu gaststättenbezogenen Zwecken gehörende Nutzung unmöglich gemacht würde. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Verbot alkoholischer Getränke auch in diesem Raum durch Bußgelder sanktioniert werden kann.
ii. Im Übrigen ist die Anordnung rechtmäßig, insbesondere sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Unter Berücksichtigung der Befristung der Anordnung bis zur Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist diese auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen, weil es dem Kläger freisteht, durch Beantragung der Erweiterung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis eine entsprechende Fortführung des bisherigen Gaststättenbetriebs herbeizuführen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das Unterliegen der Beklagten zu einem nur untergeordneten Teil.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben