Steuerrecht

Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz bei finanziellem Aufwand von ca. 40 €

Aktenzeichen  XI R 29/20

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.210421.XIR29.20.0
Normen:
§ 5b EStG 2009
§ 150 Abs 8 AO
§ 5a GmbHG
§ 1 Abs 1 Nr 1 KStG 2002
§ 8 Abs 1 KStG 2002
§ 31 Abs 1 S 1 KStG 2002
§ 25 Abs 4 EStG 2009
Art 3 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
EStG VZ 2018
KStG VZ 2018
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

1. § 5b Abs. 1 EStG ist verfassungsgemäß.
2. Eine “unbillige Härte” i.S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 AO vor.
3. Ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ist auch für einen “Kleinstbetrieb” nicht (wirtschaftlich) unzumutbar.

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 9. September 2020, Az: 3 K 6/20, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 09.09.2020 – 3 K 6/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) einen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) zur Vermeidung unbilliger Härten auf die elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin verzichtet.
2
Die Klägerin ist eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG) mit einem Stammkapital von 2.500 €. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von sog. Internetplattformen. Gesellschafter-Geschäftsführer ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, ein Rechtsanwalt, der von der UG kein Geschäftsführer-Gehalt erhält.
3
Die Steuererklärungen und Bilanzen für die Jahre 2011 bis 2016 reichte die Klägerin in Papierform ein. Für das Jahr 2017 übermittelte die Klägerin die Steuererklärungen elektronisch, während sie ihre Bilanz sowie ihre Gewinn- und Verlustrechnung weiterhin in Papierform einreichte.
4
In der Begründung des Körperschaftsteuerbescheids für das Jahr 2017 vom 02.10.2018 wies das FA die Klägerin darauf hin, dass die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung nach § 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG) elektronisch zu übermitteln seien. Gleichwohl reichte die Klägerin die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2018 nicht nach dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz elektronisch ein, während sie ihre Steuererklärungen erneut in elektronischer Form übermittelte.
5
Mit Schreiben vom 29.10.2019 forderte das FA die Klägerin unter Verweis auf § 5b EStG, § 31 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 150 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) auf, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln. Ein Verzicht auf die elektronische Übermittlung gemäß § 150 Abs. 8 AO komme nicht in Betracht.
6
Mit E-Mail vom 01.11.2019 übersandte die Klägerin die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 und beantragte gleichzeitig, die Unterlagen auf diesem Weg einreichen zu dürfen, da sie nur geringe Umsätze bzw. Gewinne erwirtschafte und eine Infrastruktur zur elektronischen Einreichung der Bilanz nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu errichten sei. Sie habe keinen Steuerberater beauftragt. Die Buchhaltung werde vom Geschäftsführer der Klägerin erledigt. Ein Programm für die Erstellung einer E-Bilanz sei nicht vorhanden. Ihre Buchführungssoftware stamme aus dem Jahr 2008. Kenntnisse, um diese Daten für eine E-Bilanz aufzubereiten, seien nicht vorhanden.
7
Mit Schreiben vom 04.11.2019 und Bescheid vom 11.11.2019 lehnte das FA den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte es aus, dass eine Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen bereits deshalb nicht angenommen werden könne, da der Unternehmensgegenstand der Klägerin (Betrieb von Internetplattformen) entsprechende technische Fähigkeiten voraussetze. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei auch nicht erkennbar. Der Erwerb einer entsprechenden Software sei auch als anteilige Investition in die Folgejahre zu sehen, in denen die Bilanzen ebenfalls elektronisch einzureichen seien.
8
Der Einspruch, mit dem die Klägerin vortrug, dass sie grundsätzlich zur elektronischen Einreichung bereit sei, es ihr dazu aber an einer Eingabemöglichkeit bzw. Eingabemaske seitens der Finanzverwaltung mangele und der Erwerb einer entsprechenden Software bei einem Kleinstunternehmen einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 06.12.2019). Das FA ergänzte seine bisherigen Erwägungen dahin gehend, dass Kosten für eine neue Software nicht unverhältnismäßig seien, da allein auf der ELSTER-Website bereits neun Anbieter aufgelistet seien, die mit ihrer Software ELSTER unterstützen würden und kostenfrei erhältlich seien. Weitere Tatsachen, die eine unbillige Härte begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Das Ermessen sei daher pflichtgemäß ausgeübt worden.
9
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, die kostenlose Basisversion einer E-Bilanz-Software sei für sie nicht zumutbar und es sei Aufgabe der Finanzverwaltung, eine zumutbare, kostenlose Möglichkeit zur Übermittlung der Buchhaltungsdaten zur Verfügung zu stellen, durch Urteil vom 09.09.2020 – 3 K 6/20 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2021, 176) ab. Der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung seien rechtmäßig. Das FA habe den Antrag auf Verzicht auf die elektronische Übermittlung der Bilanz für das Streitjahr zu Recht abgelehnt. Die elektronische Übermittlung sei weder persönlich noch wirtschaftlich unzumutbar. Eine persönliche Unzumutbarkeit sei nicht ersichtlich. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin ihre Steuererklärungen elektronisch übermittele. Darüber hinaus sei ihr Unternehmenszweck der “Betrieb von Internetplattformen”. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin verfüge unstreitig über eine taugliche Hardware, so dass es ihr nur an einer entsprechenden Software mangele. Auf der ELSTER-Website seien aber bereits mehrere Software-Anbieter aufgelistet, die die Möglichkeit der Übertragung einer E-Bilanz böten. Das Programm “myebilanz” sei ein Programm, das die Funktion der Übertragung der E-Bilanz zur Verfügung stelle und in einer kostenfreien Basis-Version angeboten werde. Darüber hinaus werde eine kostenpflichtige “PLUS-Lizenz” für 40,54 € pro Jahr angeboten, was keinen erheblichen finanziellen Aufwand darstelle. Darüber hinaus seien auf der ELSTER-Website noch weitere Anbieter gelistet, die ihre Software zu einem vergleichsweise günstigen Preis anböten. In einem Fall variierten die Kosten zwischen 10 € und 25 €. Auch diese Kosten stellten keinen erheblichen finanziellen Aufwand dar.
10
Die Klägerin habe zwar ausweislich ihrer Gewinn- und Verlustrechnung im Jahr 2017 einen Verlust erzielt. In den Vorjahren seien aber zumeist Gewinne im unteren vierstelligen Bereich erwirtschaftet worden, so auch im streitgegenständlichen Wirtschaftsjahr 2018. Die vom FG ermittelten Kosten für eine entsprechende Softwarelösung seien auch in Bezug auf die Umsätze der Klägerin nicht als unverhältnismäßig anzusehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Kosten steuermindernd geltend gemacht werden könnten.
11
Zwar könne auch, wenn die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 AO nicht vorlägen, aus anderen Gründen eine unbillige Härte gegeben sein. Allerdings habe die Klägerin über ihre Auffassung hinaus, die Finanzverwaltung könne die elektronische Abgabe der Bilanz nur fordern, wenn sie selbst eine kostenfreie Eingabemöglichkeit zur Verfügung stelle, keine Gründe vorgetragen, die zu einer solchen unbilligen Härte führen könnten.
12
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler. Sie macht geltend, das FG habe entscheidungserhebliche Tatsachen falsch ermittelt und verkürzt einbezogen sowie daraus nicht nachvollziehbare Schlüsse gezogen.
13
Mangels vorhandener Schnittstelle der Finanzverwaltung genüge eine normale “Medienkompetenz” nicht, um eine E-Bilanz einzureichen.
14
Die persönliche Unzumutbarkeit dürfe nicht mit dem Argument verneint werden, der Steuerpflichtige könne die Leistungen Dritter (hier: Software-Anbieter) in Anspruch nehmen. Nur mit Hilfe ihrer eigenen Mittel und den Mitteln der Finanzverwaltung sei die Klägerin nicht in der Lage, den Datensatz für die E-Bilanz zu erzeugen und zu übermitteln. Die vom FG angeführte kostenlose Software sei eine “Bastelsoftware” und der Verweis darauf unwürdig. Es handele sich um ein “Feigenblatt”, um zu verdecken, dass sich die Finanzverwaltung davon “freigesprochen” habe, selbst einen Zugang zu eröffnen. Die kostenlose Variante der Software sei unbequem, um die Kunden zum Kauf der kostenpflichtigen Version zu bringen.
15
Die elektronische Übermittlung sei außerdem wirtschaftlich unzumutbar. Der tatsächliche Mindestbetrag, den das FG falsch ermittelt habe, betrage seit 31.08.2020 nicht mehr 25 €, sondern 39 € für eine Datenübermittlung. Außerdem sei nicht ihr Gewinn maßgeblich, sondern das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Es sei von einem Betrag von 660 € auszugehen (39 € entspreche 5,9 %). Überdies bestehe ein Verlustvortrag. Abweichungen in dieser Größenordnung müssten vom Steuerpflichtigen nach dem Rechtsgedanken der § 156 AO, § 39 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5a Satz 3, § 39a Abs. 5, § 41c, § 42d Abs. 5 EStG, § 1 bis 5 der Kleinbetrags-Verordnung (KBV) nicht mehr hingenommen werden. Der Gesetzgeber habe in den Gesetzesmaterialien die Kosten der Hardware, der üblichen Software und die Verbindungskosten im Blick gehabt. Nicht gemeint habe er die Kosten für spezielle Software; denn der Steuerpflichtige müsse ohnehin schon anteilig die allgemeinen Kosten tragen. Niemand würde der Finanzverwaltung zubilligen, für ein Papierformular 39 € zu verlangen oder dem Steuerpflichtigen ein unverständliches kostenloses Formular mit unsichtbaren Eingaben, das in einer Fremdsprache abgefasst sei, zur Verfügung zu stellen. Dass dies hier quasi im Verborgenen elektronisch geschehe, mache die Sache nicht annehmbarer.
16
Jedenfalls liege ein in § 150 Abs. 8 AO nicht benannter Fall der Unzumutbarkeit vor. Die Pflicht zur Inanspruchnahme eines externen Dienstleisters, um die eigenen steuerlichen Verpflichtungen erfüllen zu müssen, sei unzumutbar. Dies stelle per se keinen ordnungsgemäßen Zugang zur Finanzverwaltung dar, so dass kein adäquater Weg vorhanden sei, um die steuerlichen Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung zu erfüllen. Wo die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen keinerlei Wege eröffne, seine Bilanz selbst zu übermitteln, sondern ihn auf Angebote Dritter verweise, müsse der Verhältnismäßigkeitsmaßstab zugunsten des Steuerpflichtigen verschoben werden.
17
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Ablehnungsbescheid aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, die Klägerin von der Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung ihrer Bilanz zu befreien.
18
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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