Steuerrecht

Rechtmäßige Gewerbeuntersagung wegen Verletzung der Berufspflichten

Aktenzeichen  Au 5 K 16.1782

Datum:
14.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
GewO GewO § 35 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Um eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen, müssen Verstöße gegen die Rechtsordnung grundsätzlich von erheblichem Gewicht sein. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aber auch eine Vielzahl kleinerer Rechtsverletzungen kann die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit tragen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Erhebliche Verstöße gegen die Nachweispflicht des Schornsteinfegers aus § 4 Abs. 3 S. 1 SchfHwG können die Gewerbeuntersagung rechtfertigen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid vom 17. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Der Beklagte hat den Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ordnungsgemäß angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Mit Schreiben des Landratsamtes vom 9. August 2016 wurde dem Kläger die Gelegenheit zur Stellungnahme bis 1. September 2016 eingeräumt. Diese Frist ist anschließend zweimalig verlängert worden. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten eine Stellungnahme abgegeben. Die Tatsache, dass der Bevollmächtigte diese selbst als „vorläufige“ Stellungnahme bezeichnete, ändert nichts daran, dass das Landratsamt dem Kläger bereits ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hatte.
2. Die Untersagung der Ausübung des Gewerbes „Kaminkehrermeister“ (Ziffer 1 des Bescheides) ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (stRspr. BVerwG, z.B. BVerwG, B.v. 19.2.1995 – 1 B 19/95 – GewArch 1995, 200).
Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
a) Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich dabei insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris; BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris).
Der Begriff der Unzuverlässigkeit ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff und vom Gericht vollumfänglich zu überprüfen. Es besteht kein Beurteilungsspielraum der Behörde (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 27; BVerwG, U.v. 15. 11. 1967 – 1 C 43/67 – BVerwGE 28, 202 und U.v. 15. 7. 2004 – 3 C 33/03 – BVerwGE 121, 257). Daher kommt es auf ein vom Kläger behauptetes wettbewerbswidriges Verhalten des Landratsamtes nicht an.
Grundsätzlich müssen Verstöße gegen die Rechtsordnung von erheblichem Gewicht sein, um eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen. Es kann jedoch auch eine Vielzahl kleinerer Rechtsverletzungen die Annahme der Unzuverlässigkeit tragen, wenn der Gewerbetreibende trotz Ermahnungen, Bußgeldbescheiden oder Erlaubniswiderrufsverfahren weiter gegen die betriebsbezogenen Pflichten verstößt und damit zu erkennen gibt, dass ihm die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gleichgültig ist (Brüning in BeckOK, GewO, Stand September 2016, § 35 Rn. 23 g). Denn nach der Rechtsprechung kann eine Vielzahl kleinerer Gesetzesverstöße, die für sich betrachtet noch keine ausreichende Grundlage für eine Gewerbeuntersagung bieten würden, in ihrer Häufung eine Untersagung rechtfertigen, wenn sie einen Hang zur Nichtbeachtung der für die Betriebsführung maßgeblichen Gesetze und Vorschriften erkennen lassen (BVerwG, B.v. 31.1.1964 – VII B 37.63 – GewArch 1965, 36; VGH Baden-Württemberg, B.v. 20.7.1989 – 14 S 1564/89 – GewArch 1990, 253; vgl. auch Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand August 2016, § 35 Rn. 38, 43 m.w.N.).
Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit setzt dabei kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus, sondern knüpft nur an objektive Tatsachen an, die hinsichtlich der zukünftigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden eine ungünstige Prognose rechtfertigen. Auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden oder seine innere Einstellung kommt es hingegen nicht an (BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris Rn. 4).
b) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig. Es lagen nach Auffassung der Kammer zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses Tatsachen vor, die auf die nicht ordnungsgemäße Betriebsführung des Klägers schließen lassen.
Gegen den Kläger ergingen innerhalb eines Jahres zwölf mittlerweile rechtskräftige Bußgeldbescheide. Der Kläger hatte in zahlreichen Fällen seine ihm gesetzlich auferlegten Berufspflichten verletzt. Entgegen der klägerischen Auffassung handelt es sich hierbei nicht um unerhebliche Nachlässigkeiten. Vielmehr handelt es sich um erhebliche Verstöße gegen die Nachweispflicht des § 4 Abs. 2 (a.F.) bzw. Abs. 3 Satz 1 (n.F.) SchfHwG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich die Pflicht des Schornsteinfegers, der die Kehrungen ausführt, das Formblatt und die Bescheinigungen nicht nur wahrheitsgemäß, sondern auch vollständig auszufüllen. Diese Verpflichtung des sogenannten „freien Kaminkehrers“ dient nach Wegfall des Kehrmonopols der Information des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Dieser hat aufgrund der vorgelegten Angaben die fristgemäße Einhaltung der Kehrungen und Überprüfungen zu kontrollieren. Damit stellt diese Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG eine Kernpflicht der beruflichen Tätigkeit des Klägers dar, die zudem unmittelbar sicherheitsrelevant ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2017 – 22 C 17.700 – juris Rn. 18). Der Kläger hat in zahlreichen Fällen fehlerhafte und unvollständige Dokumente eingereicht. Messbescheinigungen wurden vom Kläger unvollständig ausgefüllt. In zwei Fällen (Fall … und Fall …) fehlte in dem vom Kläger eingereichten Formblatt unter anderem die Datumsangabe hinsichtlich der durchgeführten Kehrarbeiten. Der Kläger hat zudem mehrfach Kehrarbeiten bescheinigt, ohne die erforderlichen Daten der Feuerstättenbescheide anzugeben. Beispielswiese hatte der Kläger im Fall … die Kehrung an drei Feuerstätten bescheinigt, ohne die laufenden Nummern des Bescheids anzugeben. Hierbei wären jedoch laut des aktuellen Bescheides vier Feuerstätten zu kehren gewesen. Im Folgenden konnte vom bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger nicht nachvollzogen werden, welche von den vier Feuerstätten tatsächlich gekehrt wurde und bei welcher eine Kehrung noch ausstand. Nach Angaben des Klägers lagen ihm zum Teil die aktuellen Feuerstättenbescheide nicht vor. Diese hätte sich der Kläger von den Hauseigentümern jedoch vorlegen lassen müssen, da der beauftragte Schornsteinfeger die jeweiligen Kehrungen aufgrund der Angaben in den Feuerstättenbescheiden vorzunehmen und nachzuweisen hat. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger muss die nachgewiesenen Kehrungen zuordnen können, um die fristgemäße Ausführung überprüfen zu können. Gerade als ehemaligem Bezirksschornsteinfeger hätte dem Kläger bewusst sein müssen, wozu die Angaben auf dem Formblatt dienen, da er selbst ein Kehrbuch in dieser Tätigkeit zu führen hatte.
Diese Verstöße können nicht als Bagatellverstöße gewertet werden, da es gerade im Handwerk des Schornsteinfegers auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen – insbesondere auch der Nachweis- und Dokumentationspflichten – ankommt, um Brandgefahren und damit eine Gefährdung von Leib und Leben zu vermeiden. Hintergrund der Nachweispflichten ist die Kontrolle der Einhaltung der im Feuerstättenbescheid festgelegten Fristen. Ohne Angabe des Zeitpunkts der durchgeführten Arbeiten und weiteren Angaben wie den laufenden Nummern ist nicht ersichtlich, ob die Kehrungen an den jeweiligen Feuerstätten fristgerecht und ordnungsgemäß erfolgt sind. Eine Kontrolle der fristgerechten Ausführung der Kehrpflichten kann dann durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger in der gesetzlich vorgesehenen Weise nicht erfolgen. Die Brandsicherheit der Feuerstätten ist in solchen Fällen nicht mehr gewährleistet.
Über die Beanstandungen in den Bußgeldverfahren hinaus ergeben sich damit aus den vorgelegten Behördenakten zahlreiche Pflichtverletzungen des Klägers. Diese zeigen eine mangelhafte Betriebsführung und eine mangelnde Beachtung der gesetzlichen Vorgaben durch den Kläger. Die anhaltende Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben lässt auf eine nachlässige Einstellung des Klägers hinsichtlich seiner Verpflichtungen schließen.
Im Übrigen stellt das Vorgehen des Klägers im Fall, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 17.7.2017 a.a.O. Rn. 21) bereits ausgeführt hat, eine grobe Fehlleistung des Klägers dar. Auffallend ist nicht nur, dass der Kläger eine Vollmacht eines bereits Verstorbenen vorgelegt hatte, sondern auch, dass er Kehrungen dokumentiert hatte, die tatsächlich in diesem Haus nicht vorgenommen worden waren. Die Auffassung des Klägerbevollmächtigten, dass im Fall des Klägers keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Allgemeinheit gegeben seien, ist daher in keiner Weise nachvollziehbar. Insgesamt ergeben sich aus den vom Landratsamt vorgelegten Akten zahlreiche Verstöße gegen sicherheitsrelevante Berufspflichten des Klägers. Aufgrund der Vielzahl der Fälle hat der Beklagte daher zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses zu Recht angenommen, dass eine künftige ordnungsgemäße Betriebsführung des Klägers nicht gewährleistet ist.
c) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses lagen damit Tatsachen vor, die auf die Unzuverlässigkeit des Klägers schließen lassen. Die anhaltende Verletzung der dem Kläger auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen zeigen deutlich, dass er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß betreiben wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger bereits im Jahr 2014 den Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister zum Anlass hätte nehmen können, seine Betriebsführung auf Mängel zu überprüfen und eine nicht ordnungsgemäße Organisation seiner betrieblichen Verpflichtungen zu verbessern.
Die Untersagung des ausgeübten Betriebes war damit nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO zwingend geboten. Ein Ermessen ist der zuständigen Behörde hierbei nicht eingeräumt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar, da mildere Mittel, die in gleicher Weise geeignet wären, die bislang nicht ordnungsgemäße Betriebsführung zu verhindern, nicht ersichtlich sind.
3. Die in Ziffer 2 des Bescheides angeordnete Einstellung des Gewerbebetriebes innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Gewerbeuntersagung ist ebenfalls rechtmäßig. Die dem Kläger gesetzte Frist von zwei Wochen ist angemessen. Dieser Zeitraum ist für eine Abwicklung eines Betriebes dieser Art ausreichend.
4. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nichterfüllung der in Ziffer 2 des Bescheides angeordneten Verpflichtung genügt den rechtlichen Anforderungen der Art. 31 und 36 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Die Zwangsgeldandrohung ist hinreichend bestimmt formuliert. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes hält sich in dem in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Verpflichtung angemessen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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