Aktenzeichen 7 K 2784/15
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht den Gewinn der Klägerin in den Streitjahren 2008 und 2009 um Zuschätzungen erhöht hat.
Die Klägerin ist seit dem 3. Februar 2004 beim Amtsgericht München im Handelsregister unter HRB 151042 eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Betrieb eines Taxi-und Mietwagenbetriebs sowie der Handel mit Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen. Geschäftsführer der Klägerin sind K und außerdem seit 14. September 2009 S.
Durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts München (Az.: 1502 IN 3832713) vom 25. Juli 2014 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin mangels Masse abgelehnt. S wurde zum Liquidator der Klägerin bestimmt, eine Löschung erfolgte bislang noch nicht.
Für die Streitjahre 2008 und 2009 wurde die Klägerin zunächst – nach der vorangegangenen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für 2009 – erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 erging am 2. September 2011. Darin wurde der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 2008 mit 0 € festgestellt, nachdem der zum 31. Dezember 2007 festgestellte Verlustabzug von 302 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden war.
Mit einer Anzeige erklärte der von November 2004 bis August 2005 bei der Klägerin angestellte Fahrer X dem Finanzamt gegenüber unter Vorlage von Dienstplanaufstellungen und Monatsübersichten, dass die Klägerin nur einen Bruchteil der Lohnzahlungen ordnungsgemäß versteuert habe. Die bei der Klägerin angestellten Fahrer seien mit 45% am Nettoumsatz beteiligt gewesen. Die Differenz zur tatsächlichen Lohnzahlung sei den Fahrern bar und unversteuert ausgezahlt worden.
Mit Verfügung vom 12. Juli 2007 ordnete das Finanzamt die Durchführung einer LohnsteuerAußenprüfung für den Zeitraum Februar 2004 bis Juni 2007 und mit Verfügung vom 8. Oktober 2009 die Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2007 an (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 23. März 2012). Am 15. September 2010 erweiterte das Finanzamt die Lohnsteuer-Außenprüfung auf den Zeitraum Februar 2004 bis Dezember 2009 (vgl. Bericht zur Lohnsteuer-Außenprüfung vom 1. März 2012). Dabei stellte das Finanzamt unter anderem das Fehlen eines Kassenbuchs sowie von Schichtzetteln oder gleichwertiger elekt ronischer Aufzeichnungen sowie ungeklärte Geldzuflüsse fest. Außerdem wurden Schichtzetteln und Lohnabrechnungen aufgefunden, aus denen hervorging, dass nicht die tatsächlichen Umsätze in der Buchhaltung der Klägerin aufgezeichnet wurden.
Das Finanzamt nahm daraufhin eine Schätzung und Nachkalkulation der Einnahmen für die Jahre 2005 bis 2009 vor (vgl. Anlage 10 zum BP-Bericht vom 23. März 2012). Da die Klägerin im Schreiben an das Finanzamt vom 13. Juli 2012 zugegeben hatte, dass die Tankbelege nicht vollständig erfasst worden waren, erfolgte keine Nachkalkulation auf Grundlage des erklärten Tankaufwands. Vielmehr wurde die Jahresfahrleistung der Fahrzeuge anhand der Zwischenstände der Kilometerzähler anlässlich Reparatur- und Wartungsrechnungen sowie TÜV-Protokollen ermittelt. Das Finanzamt berechnete unter Berücksichtigung der der Klägerin erteilten Taxikonzessionen, welcher Erlössatz den erklärten Erlösen und dem erklärten Tankaufwand zugrunde liegt. Der so berechnete Erlössatz wurde dann auf die gefahrenen Kilometer laut Kilometerstände der Taxen angewandt. Die gegen die daraufhin ergangenen Änderungsbescheide für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 eingelegte Klage wurde mit Urteil vom 28. Juli 2014 als unbegründet abgewiesen (Az. 7 K 1127/13).
Entsprechend der Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung und der Außenprüfung erließ das Finanzamt am 5. Mai 2014 Änderungsbescheide nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2008 und 2009, zum Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2008 und 2009 sowie über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums auf den 31. Dezember 2008. Dabei setzte das Finanzamt im Jahr 2008 zusätzliche Erlöse (netto) von 231.607 € und zusätzlichen Tankaufwand (brutto) von 27.622 € und im Jahr 2009 zusätzliche Erlöse (netto) von 212.838 € und zusätzlichen Tankaufwand (brutto) von 19.390 € an. Aufgrund der Angaben des früheren Fahrers nahm das Finanzamt außerdem Hinzuschätzungen von Löhnen in Höhe von 45% der Nettoerlöse vor (104.223 € für 2008 und 95.770 € für 2009), die zuzüglich von Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (24.428 € für 2008 und 24.194 € für 2009) ebenfalls als Aufwand berücksichtigt wurden. Insgesamt wurde dem Gewinn für das Jahr 2008 ein Betrag von 75.334 € und für das Jahr 2009 von 73.484 € hinzugerechnet. Der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums auf den 31. Dezember 2008 vom 2. September 2011 wurde ebenfalls am 5. Mai 2016 aufgehoben. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos, sie wurden mit Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Außerdem hob das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit der dagegen gerichteten Klage trägt die Klägerin unter anderem vor, dass die Änderungsbescheide rechtswidrig seien, weil sie nicht auf dem Ergebnis einer Betriebsprüfung beruhten, sondern auf Vermutungen. Eine Betriebsprüfung sei nur für die Jahre 2005 bis 2007 durchgeführt worden, eine Erweiterung der Prüfung für die Folgejahre sei nicht erfolgt, insbesondere seien auch keine Akten für die Jahre 2008 und 2009 eingesehen worden, obwohl alle Unterlagen lückenlos vorhanden gewesen seien. Der Prüfer habe einen Generalverdacht gegen alle Taxiunternehmen gehegt. Da die Klägerin außerdem einen nicht unerheblichen Teil ihrer Einkäufe von Treibstoff nicht belegen habe können, sei das Finanzamt pauschal davon ausgegangen, dass sie ihre Umsätze verschleiere.
Es sei unverständlich, inwiefern der Treibstoffverbrauch als Ansatzpunkt bei der Ermittlung des Umsatzes dienen könne. Der Umsatz lasse sich auf Basis der gesetzlichen Taxitarife nur errechnen, indem man die gesamte Kilometerleistung zugrunde lege und hierbei den Anteil der leer und besetzt gefahrenen Kilometer heranziehe. Letztere Faktoren ließen sich nur empirisch ermitteln. Hierzu seien nur Sachverständige in der Lage, die mit dem Taxiwesen und den Besonderheiten der jeweiligen Einsatzgebiete vertraut seien. Im Übrigen sei der Tankaufwand in den Folgejahren stets vollständig und korrekt verbucht worden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide jeweils vom 5. Mai 2014 zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2008 und 2009, die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2008 und 2009 sowie den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums auf den 31. Dezember 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2015 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor:
Die Steuerbescheide 2008 und 2009 seien aufgrund der Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung entsprechend der Prüfungsanordnung vom 15. September 2010 zu Recht geändert worden. Aus verwaltungsökonomischen Vereinfachungsgründen seien die Erkenntnisse aus der Lohnsteuer-Außenprüfung im Rahmen des Betriebsprüfungsberichts unter der Anlage 10 „Erläuterung der Prüfungsfeststellungen“ für den gesamten Zeitraum 2005 bis 2009 ausgeführt und dargestellt worden.
Die Änderung der Steuerbescheide für 2008 und 2009 sei gemäß § 164 Abs. 2 AO erfolgt, so dass auch kein Verwertungsverbot aus den Erkenntnissen der durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung bzw. der Betriebsprüfung bestehe. Wie das Finanzgericht Nürnberg festgestellt habe (Urteil vom 9. November 1999 I 332/97, EFG 2000, 205), stelle die einen Vorbehaltsbescheid ändernde Steuerfestsetzung eine erstmalige Steuerfestsetzung dar, der keine Verwertungsverbot entgegengehalten werden könne, das auf der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften beruhe.
Die beiden Geschäftsführer der Klägerin seien rechtskräftig mit Urteil des Amtsgerichts München vom 10. November 2015 wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Steueramtmann Y und Herrn B als Zeugen vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die Akten des finanzgerichtlichen Verfahrens 7 K 1127/13 (vgl. Beiziehungsbeschluss vom 9. August 2016) sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Im Streitfall bestand kein Verwertungsverbot aus den Erkenntnissen der durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung bzw. der Betriebsprüfung der Vorjahre wegen des Fehlens einer Prüfungsanordnung in den Streitjahren. Da die Steuerbescheide für 2008 und 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.d. § 164 Abs. 1 S.1 Abgabenordnung (AO) standen, war das Finanzamt zu einer Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 AO berechtigt. Die einen Vorbehaltsbescheid ändernde Steuerfestsetzung stellt eine erstmalige Steuerfestsetzung dar, der auch kein Verwertungsverbot entgegengehalten werden kann, das auf der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften beruht (Urteil des Finanzgericht Nürnberg vom 9. November 1999 I 332/97, EFG 2000, 205).
2. Hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums auf den 31. Dezember 2008 vom 2. September 2011 mit Änderungsbescheid vom 5. Mai 2016 ist die Klage unbegründet. Es bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids, mit dem der verblei bende Verlustabzug zum 31. Dezember 2008 mit 0 € festgestellt worden ist, nachdem der zum 31. Dezember 2007 festgestellte Verlustabzug von 302 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden war.
3. Das Finanzamt war nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO auch berechtigt, die Betriebseinnahmen der Klägerin zu schätzen und auf dieser Grundlage die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2008 und 2009 zu ändern.
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn u.a. die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. Die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (§ 158 AO). § 147 Abs. 1 AO verlangt die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen und insbesondere auch die Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFB – Urteil vom 18. März 2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978 unter Hinweis auf die nach den Vorschriften in § 22 Umsatzsteuergesetz i.V.m. §§ 63 bis 68 der UmsatzsteuerDurchführungsverordnung bestehende Pflicht zur Einzelaufzeichnung, die sich unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG auswirkt). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist jede einzelne Bareinnahme aufzuzeichnen (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599). Tägliche und wöchentliche Aufzeichnungen der Bareinnahmen genügen nicht. Von dieser grundsätzlich auch für Taxiunternehmer geltenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen macht der BFH aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes nur dann eine Ausnahme, wenn die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, vorhanden sind und nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahrt werden (BFH-Urteil in BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 32 ff.). Von der Aufbewahrung dieser Einnahmenursprungsaufzeichnungen kann nur dann abgesehen werden, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH-Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 34). Insoweit hat der BFH im Beschluss vom 25. Oktober 2012 X B 133/11 (BFH/NV 2013, 341, Rz 6) betont, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel nur entbehrlich ist, wenn deren Inhalt täglich – und nicht nur in größeren Zeitabständen – nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird.
Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 m.w.N. und BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 X B 133711, BFH/NV 2013 und vom 28. November 2012 X B 74/11, BFH/NV 2013, 766).
Im Streitfall steht aufgrund der Aussagen des Lohnsteuerprüfers fest, dass die Buchhaltung der Klägerin nicht den genannten Voraussetzungen entsprochen hat. Wie der Lohnsteuerprüfer glaubhaft dargelegt hat, wurden ihm die Kassenbücher in einer Art Loseblattsammlung vorgelegt. Diese enthielten zwar eine chronologische Erfassung der Einnahmen, jedoch konnte aus den Aufzeichnungen des Kassenbuchs nicht nachvollzogen werden, von welchem Fahrer bzw. welchem Fahrzeug die Einnahmen stammten. Eine Einzelaufzeichnung der Einnahmen ist somit nicht erfolgt (vgl. BFH in BFH/NV 2015, 978).
Von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen kann im Streitfall auch nicht abgesehen werden, weil die Klägerin auch keine Schichtzettel und weitere Aufzeichnungen, aus denen sich die Kilometerzähler und die Taxameter jedes einzelnen Fahrzeuges ersehen lassen, aufbewahrt hat. Die Aufbewahrung der Schichtzettel war auch nicht entbehrlich, da deren Inhalt nicht täglich nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen worden ist. Das Kassenbuch entsprach als Loseblattsammlung weder diesen Voraussetzungen noch erfolgten tatsächliche Eintragungen bzw. Übertragungen der erforderlichen Daten. Im Übrigen geht der Senat aufgrund der Aussage des Zeugen B, der die Buchhaltung der Klägerin bearbeitet hat, davon aus, dass die Klägerin überhaupt keine Schichtzettel angefertigt hat, da sich der Zeuge insoweit an keine Einzelheiten mehr erinnern konnte.
Darüber hinaus war die Buchführung nach Aktenlage auch materiell unrichtig. Das Finanzamt hat ermittelt, dass die Klägerin ihren Fahrern ab dem Jahr 2005 Löhne unversteuert ausgezahlt hat (vgl. Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin vom 1. März 2012) und Tankbelege nicht verbucht worden sind, wie es auch seitens der Klägerin in dem Schreiben vom 13. Juli 2012 an das Finanzamt eingestanden worden ist.
Das Finanzamt war daher dem Grunde nach gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO zur Schätzung befugt.
4. Die vom Finanzamt gewählte Schätzungsmethode ist grundsätzlich in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig.
Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Ziel der Schätzung ist es, bezogen auf den jeweils festgestellten Sachverhalt die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933, unter II.2.b.aa der Gründe, m.w.N.). Die Finanzbehörde muss danach die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Buchführungsunterlagen auch dann berücksichtigen, wenn die Buchführung zwar nicht ordnungsgemäß ist, sich aus dieser aber Anhaltspunkte für eine sachgerechte Schätzung ergeben (Forchhammer in Leopold/ Madle/Rader, AO, § 162 Rz 31, m.w.N.).
Die Auswahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde bzw. des Finanzgerichts, das an die von der Behörde gewählte Schätzungsmethode nicht gebunden ist und nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis besitzt. Bei dieser Entscheidung kommt der Art der zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen, den vorliegenden und verwertbaren Unterlagen und der Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741).
Nach diesen Grundsätzen ist die vom Finanzamt durchgeführte Nachkalkulation der Betriebseinnahmen grundsätzlich in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig.
Es bestehen keine Bedenken gegen die im Streitfall gewählte Schätzungsmethode. Das Finanzamt durfte die Jahresfahrleistung der Taxis der Klägerin für die Streitjahre anhand der Kilometerstände, die auf Reparatur- und Wartungsrechnungen sowie TÜV-Protokollen angegeben waren, berechnen und sodann die wahrscheinlichen Umsatzerlöse durch Multiplikation der Jahresfahrleistung mit dem durchschnittlichen Bruttoerlös pro Kilometer schätzen. Die erklärten Umsatzerlöse wurden ins Verhältnis zu der rechnerischen Jahresfahrleistung der Taxis gesetzt, die sich unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Verbrauchs an Dieselmengen ergibt, die die Klägerin nach dem von ihr erklärten Aufwand für Diesel eingekauft hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte das Finanzamt grundsätzlich für die Berechnung des durchschnittlichen Bruttoerlöses pro Kilometer auf die entsprechenden Werte aus den Bilanzen der Klägerin abstellen, da sich hieraus Anhaltspunkte für eine sachgerechte Schätzung ergeben. Denn das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht nur die Einnahmen, sondern auch den Aufwand für Diesel entsprechend verkürzt hat. Auf der Grundlage des von der Klägerin erklärten Aufwands für Diesel und der Jahres-fahrleistung würden sich Durchschnittsverbrauchswerte von 4,5 l pro 100 km (2008) und 4.4 l pro 100 km (2009) ergeben (vgl. S. 25 des Gutachtens vom 16. Mai 2014, Bl. 254 ff FG Akte 7 K 1127/13 Teil II), die bei den eingesetzten Fahrzeugtypen (Mercedes E-Klasse) und der Nutzungsart als Taxi unrealistisch niedrig sind. Im Übrigen hat auch der Geschäftsführer der Klägerin im finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zum Verfahren 7 K 1127/13 in einem Schreiben an das Finanzamt vom 21. September 2010 einen Durchschnittsverbrauch von 8,5 l pro 100 km eingeräumt.
Folgerichtig hat das Finanzamt die Differenz zwischen den von der Betriebsprüfung kalkulierten Umsatzerlösen zu den von der Klägerin erklärten Umsatzerlösen den Betriebseinnahmen hinzugeschätzt und die Betriebsausgaben – gleichfalls im Schätzungs Weg anhand der vom ADAC veröffentlichten durchschnittlichen Dieselpreise pro Jahr – um den nicht erklärten Aufwand für Kraftstoffe erhöht.
Die vom Finanzamt im Rahmen der Schätzung ermittelten Werte sind als solche grundsätzlich wirtschaftlich möglich und vernünftig. Dies wird insbesondere aus der vom Buchsachverständigen des Finanzgerichts München vorgenommenen Kalkulationen ersichtlich. Der Buchsachverständige konnte aufgrund des Auskunftsschreibens des Landratsamts 19. Dezember 2013 die der Klägerin erteilten Genehmigungen für die eingesetzten Mietwagen -inklusive der geliehenen Fahrzeuge – und Taxen feststellen. Anders als das Finanzamt, das seiner Berechnung einen Durchschnittsverbrauch von 9 l pro 100 km zugrunde gelegt hat, wurden vom Buchsachverständigen insoweit 8,5 l pro 100 km angesetzt, dieser Betrag entspricht auch den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin. Insoweit wurden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um – auf den Streitfall bezogen – die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Das Gericht hält die im Gutachten vom 1. Juli 2014 getroffenen Feststellungen hinsichtlich der ermittelten Jahresgesamtfahrleistung von 412.848 km im Jahr 2008 und 397.120 km im Jahr 2009 und des angenommenen Durchschnittsverbrauchs von 8.5 l pro km sowie einen durchschnittlichen Bruttoerlös pro Kilometer Umsatz von 1,02 € (2008) und von 1,07 (2009) für sachgerecht (Gutachten vom 16. Mai 2014). Dabei entfallen 8.5 von der gesamten Jahresfahrleistung im Jahr 2008 insgesamt 58.368 km (2008) bzw. 43.070 km (2009) auf Fahrten mit den als Mietwagen eingesetzten Fahrzeugen. Im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO) folgt das Gericht den Berechnungen des Gutachtens, nach denen sich anhand der Kilometerleistung und dem Bruttoerlös pro gefahrenem Kilometer insgesamt Bruttoerlöse von 421.105 € für das Jahr 2008 sowie 424.918 € für das Jahr 2009 ergeben. Diese Bruttoerlöse liegen unter den von der Betriebsprüfung nachkalkulierten Erlösen (471.988 € für 2008 und 447.268 € für 2009).
Bei der Steuerfestsetzung sind außerdem zusätzliche Aufwendungen für Kraftstoff zu berücksichtigen. Während sich anhand der Angaben der Klägerin in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung gefahrene Kilometer von 220.482 (2008) und 205.894 (2009) errechnen, hat der Gutachter 412.848 km im Jahr 2008 und 397.120 km im Jahr 2009, also eine Abweichung von 192.366 km (2008) und 191.226 km (2009), festgestellt. Ausgehend von einem Verbrauch von 8,5 Liter pro 100 km und einem Durchschnittspreis pro Liter laut ADAC-Statistik von 1,32 € (2008) und 1,07 € (2009) errechnen sich somit zusätzliche Ausgaben von 21.583 € (2008) und 17.392 € (2009).
Da die bei der Klägerin angestellten Fahrer mit 45% am Nettoumsatz beteiligt worden waren, geht der Senat im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis wie der Lohnsteuerprüfer davon aus, dass 45% der Nettoumsätze als Lohnaufwand zu berücksichtigen sind.
Die Nettoumsätze ermitteln sich wie folgt:
2008 2009
Jahresfahrleistung gesamt
davon Fahrleistung Mietwagen (19% USt)
davon Fahrleistung Taxi (7% USt)
412.848 km 58.368 km (14%) 354.480 km (86%)
397.120 km 43.070 km (11%) 354.050 km (89%)
Summe Bruttoerlöse laut Gutachten Mietwagen (brutto) 19% USt
Nettoerlöse Mietwagen Taxi (brutto) 7% USt
Nettoerlöse Umsätze Taxi
421.105 €
58.955 € (14%) 9.413 €
49.542 € 362.150 € (86%)
23.692 € 338.458 €
424.918 € 46.741 € (11%)
7.463 €
39.278 € 378.177 € (89%) 24.740 € 353.436 €
Summe Nettoerlöse laut Gutachten 387.999 € 392.714 €
Bruttoerlöse laut Gewinn- und Verlustrechnung
davon entfallen auf Fahrleistung Mietwagen (brutto) 198 € 857 €
19% USt 32 € 137 €
Nettoerlöse Umsätze Mietwagen 166 € 720 €
davon entfallen auf Fahrleistung Taxi (brutto) 223.971 € 218.675 €
7% USt 14.652 € 14.306 €
Nettoerlöse Umsätze Taxi 209.319 € 204.369 €
Summe Nettoerlöse laut Klägerin 209.485 € 205.089 €
Nettoerlöse laut Schätzung Gericht 387.999 €
./. Nettoerlöse laut Gewinn- u. Verlustrechnung 209.485 €
Differenz Nettoerlöse, d.h. Nettoumsatzerhöhung 178.514 €
daraus 45% Löhne 80.331 €
392.714 € 205.089 € 187.625 €
84.431 €
Außer Ansatz bleiben die auf den hinzugeschätzten Lohnaufwand anfallende Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag sowie Kirchensteuer. Nach ständiger Rechtsprechung sind Rückstellungen für Mehrsteuern, die auf Steuerhinterziehung beruhen, regelmäßig erst dann zu bilden, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss, also frühestens, wenn der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat (sog. aufdeckungsorientierte Maßnahme). Weder die Kenntnis des Steuerpflichtigen von der Steuerhinterziehung noch die allgemeine Erfahrung, dass nach Durchführung einer Außenprüfung häufig mit Steuernachforderungen zu rechnen ist, reichen für die Bildung einer Rückstellung aus (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731; Krumm in Blümich, EStG, § 5 Rz. 920).
Die Schätzung durch den Senat stellt sich somit wie folgt dar:
2008 2009
nicht erklärte Erlöse netto 178.515 € 187.625 €
./. zusätzlicher Tankaufwand brutto 21.583 € 17.392 €
./. Lohnaufwand 80.331 € 84.431 €
hinzuzurechnender Betrag 76.601 € 85.802 €
Da die dem Gewinn der Klägerin hinzuzurechnenden Beträge somit über den bislang gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung berücksichtigten Beträge von 75.334 € (2008) und 73.484 € (2009) liegen und im finanzgerichtlichen Verfahren keine Verböserung stattfindet, ist die Klage abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.