Steuerrecht

Sozialgerichtliches Verfahren – Nichtzulassungsbeschwerde – Versäumung der Begründungsfrist – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten – Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze – Übermittlung per Telefax – Überprüfung des Sendeprotokolls

Aktenzeichen  B 14 AS 250/21 B

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:091221BB14AS25021B0
Normen:
§ 160a Abs 1 S 1 SGG
§ 160a Abs 2 S 1 SGG
§ 160a Abs 2 S 2 SGG
§ 67 Abs 1 SGG
Spruchkörper:
14. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 25. Oktober 2018, Az: S 21 AS 834/17, Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht für das Saarland, 19. Januar 2021, Az: L 4 AS 54/18, Urteil

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 19. Januar 2021 wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die nach PKH-Bewilligung durch den Senat fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht innerhalb der bis 13.10.2021 verlängerten Frist zu ihrer Begründung (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG) begründet worden. Vielmehr ist die Begründung erst am 19.10.2021 am BSG eingegangen.
2
Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind nicht erfüllt. Der Kläger versäumte die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht schuldlos. Die Wahrung dieser Frist ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Bundessozialgerichts (§ 160a Abs 4 iVm § 169 Satz 2 SGG) und im Fall ihrer Säumnis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
3
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl BSG vom 18.3.1987 – 9b RU 8/86 – BSGE 61, 213 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; BSG vom 30.1.2002 – B 5 RJ 10/01 R – SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; BSG vom 3.3.2009 – B 1 KR 69/08 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; BSG vom 27.5.2008 – B 2 U 5/07 R – SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).
4
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führt zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags aus, er habe die Beschwerdebegründung vollständig diktiert und sein Personal angewiesen gehabt, diese am 12.10.2021 an das BSG per Telefax zu übermitteln. Er selbst habe sich in der Woche des Fristablaufs krankheitsbedingt nur zeitweise in der Kanzlei aufgehalten. Die Angestellte, die mit der Fristüberwachung beauftragt sei, habe sich am 12. und 13.10.2021 jeweils bis 13 Uhr in der Kanzlei aufgehalten. Einer anderen Mitarbeiterin sei am 12.10.2021 nachmittags aufgefallen, dass die Begründung noch nicht gefaxt gewesen sei. Diese Mitarbeiterin habe den Faxversand noch am 12.10.2021 um 17:41 Uhr erledigt und ihm dies mitgeteilt. Nach krankheitsbedingter Rückkehr einer weiteren Mitarbeiterin sei die Begründung am 19.10.2021 (erneut) an das BSG gefaxt worden. Erst durch das Schreiben des Gerichts vom 25.10.2021, wonach die am 19.10.2021 eingegangene Begründung nicht fristgerecht sei, habe man bemerkt, dass das am 12.10.2021 gefaxte Dokument durch einen Zahlendreher in der Vorwahl nicht an das BSG gesandt worden sei. Es handle sich um eine unglückliche Verkettung von Umständen bei ansonsten äußerst sorgfältiger Handhabung von Fristen.
5
Dieser Vortrag vermag die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung jedoch nicht zu entschuldigen. Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax – wie hier – anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl nur BGH vom 24.10.2013 – V ZB 155/12; BGH vom 30.3.2021 – VIII ZB 37/19; BVerwG vom 18.3.2004 – 6 PB 16/03; BSG vom 9.2.2010 – B 11 AL 194/09 B; BSG vom 24.9.2014 – B 9 SB 27/14 B). Solche Vorkehrungen getroffen zu haben, trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht vor; sie ergeben sich angesichts der – erneut – gefaxten Beschwerdebegründung am 19.10.2021 auch nicht aus den konkreten Umständen. Dass sich der Rechtsanwalt in dieser Zeit krankheitsbedingt nur zeitweise in der Kanzlei aufgehalten hat und auch Mitarbeiterinnen zumindest zeitweise erkrankt waren, ist für die Frage der ordnungsgemäßen Organisation der Fristenkontrolle insoweit ohne Bedeutung, zumal der Rechtsanwalt vorgetragen hat, die für die Fristenkontrolle zuständige Angestellte sei am 12. und 13.10.2021 bis 13 Uhr in der Kanzlei gewesen.
6
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.


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