Steuerrecht

Teilwertabschreibung auf Investmentanteile: Ausgleichsposten

Aktenzeichen  XI R 42/20

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.210421.XIR42.20.0
Normen:
§ 6 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG 2009
§ 6 Abs 1 Nr 2 EStG 2009
§ 3 Abs 3 S 1 InvStG vom 15.12.2003
§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst g InvStG vom 15.12.2003
§ 5 Abs 1 S 1 EStG 2009
EStG VZ 2011
EStG VZ 2012
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

Eine Teilwertabschreibung auf bilanzierte Anteilscheine an einem Immobilienfonds ist nicht im Umfang des Bestandes eines sog. passiven steuerlichen Ausgleichspostens (“negativ thesaurierte Erträge”, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004), der die Anschaffungskosten der Anteilscheine nicht mindert (Senatsurteil vom 01.07.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516, BStBl II 2021, 292), “gesperrt”.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 16. Januar 2020, Az: 10 K 1848/16 K,G,F, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16.01.2020 – 10 K 1848/16 K,G,F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

A.
1
Streitig ist, ob eine Teilwertabschreibung auf Anteilscheine (Fondsbeteiligung) im Umfang eines sog. passiven steuerlichen Ausgleichspostens, der im Zusammenhang mit diesen Investmentanteilen gebildet wurde, ausgeschlossen ist.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Er erwarb im Jahre 2010 von der …-GmbH Anteilscheine des … Fonds (Anschaffungskosten: … €). Die Fondsmittel wurden überwiegend in Büro-, Handels- und Logistikliegenschaften in der Europäischen Union investiert. Der Investmentfonds unterliegt den Regelungen des Investmentsteuergesetzes 2004 in der in den Jahren 2011 und 2012 (Streitjahre) anwendbaren Fassung (InvStG 2004); es handelt sich um ein Spezial-Sondervermögen i.S. von § 15 InvStG 2004. Die Anteile sind nicht zum Handel an der Börse zugelassen, können aber gleichwohl an verschiedenen Börsenplätzen gehandelt werden. Der Fonds ermittelt und veröffentlicht täglich den Rücknahmepreis der Anteile (als Anteilspreis, der bei Rückgabe der Fondsanteile ohne jeden weiteren Abschlag erstattet wird). Dabei wird der Anteilswert in der Weise ermittelt, dass der Wert der zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich etwaiger aufgenommener Kredite und sonstiger Verbindlichkeiten des Sondervermögens (Inventarwert) durch die Zahl der umlaufenden Anteile geteilt wird. Die im Sondervermögen des Fonds gehaltenen Vermögensgegenstände werden fortlaufend bewertet. Im Fonds gehaltene Immobilien werden bei Erwerb und danach nicht länger als zwölf Monate mit dem Kaufpreis notiert, anschließend werden sie mit dem vom Sachverständigenausschuss festgestellten Wert angesetzt. Dieser Wert wird für jede Immobilie spätestens alle zwölf Monate ermittelt. Treten bei einer Immobilie Änderungen wesentlicher Bewertungsfaktoren ein, wird die Neubewertung ggf. zeitlich vorgezogen.
3
Der Kläger reichte mit seinen Steuererklärungen für die Streitjahre jeweils Erträgnisaufstellungen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) ein. In diesen sind u.a. die Dividenden und die ausschüttungsgleichen Erträge aus den Fondsanteilen ausgewiesen, ebenfalls die Position “davon ab AfA Beträge Immobilien ‘negativ thesaurierte Erträge’ Bildung eines passiven steuerlichen Ausgleichspostens” (2010: ./. … €; 2011: ./. … €; 2012: ./. … €). Der Betrag für 2010 ergab sich aus dem insgesamt ausgewiesenen Betrag von ./. … €, dem wegen des Verkaufs eines (in den o.g. Anschaffungskosten nicht mehr berücksichtigten) Fondsanteils der Betrag von … € hinzugerechnet wurde.
4
Bei den vorgenannten Beträgen handelt es sich um diejenigen Beträge, die der Fonds dem Kläger nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004 jeweils als “Betrag der Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung” (AfA/AfS) mitgeteilt hatte. Der Kläger stellte die Beträge in den jeweiligen Jahren –wie im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18.08.2009 (BStBl I 2009, 931, Tz 16b) vorgesehen– in einen passiven steuerlichen Ausgleichsposten (pStAP) ein.
5
Im Jahr 2010 und in den Streitjahren nahm der Kläger jeweils im Hinblick auf einen gesunkenen Kurswert der Anteile ausgehend von den o.g. Anschaffungskosten Teilwertabschreibungen vor (2010: … €; 2011: … €; 2012: … €). Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die Fondsanteile zu den Bilanzstichtagen der Jahre 2010 bis 2012 jeweils den Teilwert bzw. Verkehrswert hatten, mit dem der Kläger sie unter Berücksichtigung der vorgenannten Teilwertabschreibungen jeweils bewertet hat (Anschaffungskosten abzüglich der Teilwertabschreibungen).
6
Im Zuge einer Außenprüfung wurde die Ansicht vertreten, ein pStAP, der aufgrund der vom Fonds nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g InvStG 2004 mitgeteilten AfA-Beträge beim Anteilseigner gebildet wurde, sei in die Bewertung der Fondsbeteiligung einzubeziehen. Durch die gewinnmindernde Berücksichtigung der “AfA-Beträge” in der Steuerbilanz des Anteilseigners ändere sich der “steuerliche Buchwert” der Fondsbeteiligung, da insoweit bereits ein Wertverzehr in Bezug auf die Anteile steuerlich berücksichtigt sei. Bei der Berechnung des steuerlichen Teilwerts sei daher der Handelsbilanzansatz, der generell auf den fortgeführten Anschaffungskosten bzw. dem Rücknahmepreis beruhe, um die gewinnmindernd berücksichtigte AfA bzw. den pStAP in der Steuerbilanz zu korrigieren und ggf. eine entsprechende Teilwertaufholung vorzunehmen. Daher seien zur Ermittlung des “steuerlichen Buchwerts” für das Jahr 2011 die o.g. Anschaffungskosten von … € um den bis dahin gebildeten pStAP von … € (… € aus 2010 und … € aus 2011) auf … € zu mindern. Die von dem Kläger in den Jahren 2010 und 2011 vorgenommenen Teilwertabschreibungen von zusammen … € (… € in 2010, … € in 2011) hätten zu einem Teilwert der Fondsbeteiligung von … € geführt (Anschaffungskosten in Höhe von … € ./. … €). Daher seien die Teilwertabschreibungen nur noch in Höhe der Differenz zum vorgenannten “steuerlichen Buchwert” von … € und damit in Höhe von … € möglich gewesen. In Höhe von … € (… € ./. … €) sei dagegen in 2011 eine Zuschreibung bzw. Gewinnerhöhung vorzunehmen. Für 2012 sei der sich danach ergebende Buchwert von … € um den in 2012 gebildeten pStAP (… €) auf … € zu vermindern, um den neuen “steuerlichen Buchwert” zu ermitteln. Die von dem Kläger für 2012 vorgenommene Teilwertabschreibung von … € habe zu einem Teilwert für die Fondsbeteiligung von … € geführt (… € ./. … €). Damit sei eine Teilwertabschreibung für 2012 nur noch in Höhe der Differenz zum vorgenannten “steuerlichen Buchwert” von … € und damit in Höhe von … € möglich gewesen. In Höhe von … € (… € ./. … €) sei dagegen in 2012 eine Zuschreibung bzw. Gewinnerhöhung vorzunehmen.
7
Auf dieser Grundlage –und mit Blick auf weitere, im anhängigen Revisionsverfahren nicht mehr streitige Feststellungen– erließ das FA unter dem 11.11.2014 und dem 21.11.2014 entsprechende Änderungsbescheide wegen Körperschaftsteuer 2011, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012, Gewerbesteuermessbetrags 2011 und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012. Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass die InvStG-Regelungen keinen Vorrang vor allen anderen Vorschriften hätten: § 3 InvStG 2004 betreffe die Besteuerung auf der Ebene des Fonds, § 2 InvStG 2004 die Besteuerung auf der Ebene des Anlegers. Damit würde ausdrücklich das Nebeneinander von ertragsteuerrechtlichen Vorschriften und des InvStG betont. Die Höhe der Teilwertabschreibungen sei angesichts der unstreitigen (und dauerhaften) Wertminderung zutreffend. Zum 31.12.2011 sei weiterhin ein pStAP von … € zu berücksichtigen und zum 31.12.2012 ein solcher von … €. Indem das FA den pStAP nicht mehr ansetze, verstoße es gegen das BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 931, Tz 16b. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11.05.2016).
8
Das Finanzgericht (FG) Münster gab der Klage zum Streitpunkt “Teilwertabschreibungen Fondsbeteiligung” statt (Urteil vom 16.01.2020 – 10 K 1848/16 K,G,F, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2020, 749).
9
Das FA hat fristgerecht Revision eingelegt (Ablauf der Revisionsbegründungsfrist: 12.05.2020). Die Revisionsbegründung des FA vom 08.05.2020 wurde per Briefpost versandt (Briefumschlag mit Freistempleraufdruck “11.05.2020”) und ging am 15.05.2020 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Nach einem entsprechenden Hinweis hat das FA unter dem 04.06.2020 beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) zu gewähren. Dazu wird vorgetragen, die Aufgabe zur Post sei (entsprechend der behördlichen Aktenverfügung) am 08.05.2020 erfolgt und man könne angesichts des Fristendes in 2,5 Werktagen bzw. 4,5 Kalendertagen ein Vertrauen auf eine übliche Postlaufzeit –nach der Auskunft der Deutschen Post AG auf ihrer Internetseite am folgenden Werktag nach der Einlieferung der Postsendung– in Anspruch nehmen.
10
Der Kläger hat eine Anschlussrevision angekündigt, aber im Schriftsatz vom 02.06.2020 ausdrücklich (“noch”) nicht erhoben.
11
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil im Umfang der Klagestattgabe aufzuheben, weil “der pStAP den steuerlichen Buchwert der Fondsbeteiligung ändert”.
12
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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