Steuerrecht

Untersagung des selbständig ausgeübten Handwerkes

Aktenzeichen  RN 5 S 20.2026

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34616
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
HWO § 16 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 4.9.2020 gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides des Landratsamtes R.-I. vom 4.8.2020 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für eine Klage, mit der er sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung sowie die Untersagung der selbständigen Tätigkeit der Bäckerei durch das Landratsamt R.-I. wendet.
Am 22.11.2017 meldeten der Antragsteller und … jeweils unter dem Namen „Bäckerei …“ das Gewerbe „Bäckerei.“ zum 21.11.2017 bei der Gemeinde … an. Am 19.2.2018 meldeten sie das Gewerbe zum 31.12.2017 ab. Am 30.8.2019 meldete der Antragsteller das Gewerbe zum 1.1.2018 wieder an. Am 24.1.2020 meldete …  das Gewerbe zum 31.12.2019 ab.
Am 23.2.2018 wurde in der Bäckerei eine lebensmittelrechtliche Kontrolle durchgeführt. Am 12.7.2018 erließ das Landratsamt gegen den Antragsteller Bußgelder in Höhe von insgesamt 150,00 EUR wegen Verstößen gegen lebensmittelrechtliche und infektionsschutzrechliche Vorschriften sowie Vorgaben der Zusatzstoffzulassungsverordnung. Es seien verschiedene Verunreinigungen im Betrieb festgestellt worden, zudem könnten keine Bescheinigungen des Gesundheitsamtes über Infektionsschutzerst- und -folgebelehrungen vorgelegt werden. Angaben zu Zusatzstoffen in Lebensmitteln seien nicht ordnungsgemäß kenntlich gemacht worden. Auf den Bußgeldbescheid wird Bezug genommen.
Im Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsportals bestand für den Antragsteller am 19.2.2020 eine Eintragung vom 4.10.2017 wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung.
Am 17.2.2020 wurde in der Bäckerei eine lebensmittelrechtliche Kontrolle durchgeführt. Mit Bescheid vom 18.2.2020 wurde gegenüber dem Antragsteller die Beseitigung diverser lebensmittelrechtlicher Mängel angeordnet. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 19.2.2020 teilte das Landratsamt unter anderem dem Zweckverband Zentrale Buchungs- und Realsteuerstelle …, der AOK Dienststelle …, der Handwerkskammer N./Ob. und dem Finanzamt … mit, dass gegen den Antragsteller ein Gewerbeuntersagungsverfahren angelegt worden sei und bat um Auskunft, ob jeweils Rückstände bestünden und über sonstige Tatsachen, die für die gewerberechtliche Zuverlässigkeit von Bedeutung seien. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.
Das Gewerbezentralregister enthielt am 19.2.2020 für den Antragsteller keine Eintragungen. Gleiches galt für Führungszeugnis des Antragstellers am 20.2.2020.
Mit E-Mail vom 21.2.2020 teilte der Zweckverband mit, dass weder gegen den Antragsteller noch gegen … derzeit offene Forderungen bestünden.
Die AOK B. teilte mit Schreiben vom 26.2.2020 mit, dass unter der Betriebsnummer … in der Zeit vom 15.9.2019 bis 30.9.2019 eine Arbeitnehmerin angemeldet gewesen sei. Bis heute fehlten die Beitragsnachweise für den Monat September 2019, die Beitragshöhe für die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat September sei daher geschätzt worden. Die Beitragsnachweise seien trotz vielfacher telefonischer Erinnerungen nicht nachgereicht worden, auch stehe noch ein Teil der Beitragszahlung offen. In der Zwischenzeit sei weder unter der Festnetznummer noch unter der Handy-Nummer jemand zu erreichen.
Am 27.2.2020 wurde in der Bäckerei eine weitere lebensmittelrechtliche Kontrolle durchgeführt. Mit Bescheid vom 27.2.2020 wurde gegenüber dem Antragsteller die Beseitigung diverser lebensmittelrechtlicher Mängel angeordnet. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Die Handwerkskammer N./Ob. teilte mit Schreiben vom 2.3.2020 mit, dass dem Antragsteller mit Bescheid vom 22.6.2017 eine Ausnahmebewilligung für das Bäckerhandwerk nach § 8 HwO erteilt worden sei. Unterlagen zur Eintragung in die Handwerksrolle seien jedoch zu keinem Zeitpunkt vollständig vorgelegt worden. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich seine Gewerbeanmeldung als Gesellschafter der GbR abgemeldet und zum 30.8.2019 wieder angemeldet. Das Unternehmen habe zwar einen Antrag auf Eintragung in die Handwerksrolle eingereicht, der zusätzlich angeforderte Gesellschaftsvertrag sei bis dato jedoch nicht vorgelegt worden. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, ob und in welchem Umfang der Antragsteller tatsächlich an der GbR beteiligt sei. Der Antragsteller und … übten seit nunmehr drei Jahren das zulassungspflichtige Bäcker- und Konditorhandwerk selbständig aus, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. An der Zuverlässigkeit des Antragstellers würden daher erhebliche Zweifel angemeldet, gegen die Durchführung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens bestünden keine Einwände. Das Schreiben nahm Bezug auf eine Stellungnahme der Handwerkskammer vom 4.12.2018, nach der der Antragsteller und … die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Bäcker- und Konditorhandwerk im Dezember 2017 beantragt hätten. Trotz wiederholter Aufforderung sei der zur Eintragung erforderliche Gesellschaftsvertrag nicht eingereicht worden. Nach Abmeldung des Antragstellers als Mitgesellschafter sei … mehrfach aufgefordert worden, die zur Eintragung erforderlichen Betriebsunterlagen vorzulegen. Der Antragsteller fungiere nach den Erkenntnissen der Handwerkskammer weiterhin als Betriebsleiter.
Am 27.5.2020 erließ das Landratsamt aufgrund der bei den Kontrollen am 17. und 27.2.2020 festgestellten Mängeln weitere Bußgelder in Höhe von insgesamt 400,00 EUR wegen lebensmittelrechtlicher und infektionsschutzrechtlicher Verstöße des Antragstellers sowie Verstößen gegen die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung. Es seien bei den Kontrollen im Februar Verunreinigungen im Back-, Spül-, Lagerraum, in der Backstube und der äußeren Gefrierzelle festgestellt worden. Am Handwaschbecken seien bei beiden Terminen keine Mittel zum hygienischen Trocknen der Hände zu Verfügung gestellt worden. Der Fußboden in der Küche sei beschädigt gewesen, wodurch dieser schwer zu reinigen sei. Die Wandfliesen beim Türbereich im Spülraum seien nicht verfugt gewesen, wodurch eine leichte Reinigung nicht möglich gewesen sei. Zudem seien Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kämen, nicht ausreichend gereinigt gewesen. Es seien Rohstoffe und Zutaten vorgefunden worden, welche nicht so gelagert worden seien, dass gesundheitsgefährdender Verderb verhindert und Schutz vor Kontamination gewährleistet sei. Es konnte nicht gewährleistet werden, dass Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht würden, dass sie keiner Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt wären. An beiden Kontrollterminen habe der Antragsteller für die im Betrieb beschäftigten Personen keine Bescheinigungen des Gesundheitsamtes über die Durchführung der Erstbelehrung nach dem Infektionsschutzgesetz vorlegen können. Auch sei er Kennzeichnungspflichten bezüglich der verwendeter Zusatzstoffe nicht nachgekommen. Auf den Bußgeldbescheid wird Bezug genommen.
Laut handschriftlicher Anmerkung in der Akte betrugen die Rückstände bei der AOK am 28.5.2020 377,52 EUR.
Am 28.5.2020 bestand weiterhin der Eintrag des Antragstellers im Schuldnerverzeichnis vom 4.10.2017.
Mit Schreiben vom 28.5.2020 und erneut mit Schreiben vom 8.6.2020 wurde der Antragsteller zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung angehört. Mit E-Mail vom 26.6.2020 nahm der Antragsteller Stellung. Er teilte mit, dass er seit 1.1.2020 Inhaber der Bäckerei sei, vorher sei dies … gewesen. Die AOK habe Forderungen gegen … und nicht gegen ihn, das Bußgeld vom 12.7.2018 richte sich nicht gegen ihn. Er habe seine Steuernummer erst im Juni erhalten, in der kommenden Woche habe er einen Termin mit seinem Steuerberater. Auf die Anhörungsschreiben und die Stellungnahme wird Bezug genommen.
Am 25.6.2020 wurde in der Bäckerei eine weitere lebensmittelrechtliche Kontrolle durchgeführt. Mit weiterem Bescheid vom 30.6.2020 wurde gegenüber dem Antragsteller die Beseitigung diverser lebensmittelrechtlicher Mängel angeordnet. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Das Finanzamt … teilte mit Schreiben vom 6.7.2020 mit, dass der Antragsteller seit dem 1.1.2020 als Einzelunternehmer steuerlich beim Finanzamt … geführt werde. Steuererklärungen/Voranmeldungen seien bisher nicht beziehungsweise nicht fristgerecht eingereicht worden. Es lägen bereits zum jetzigen Zeitpunkt Rückstände vor. Laut handschriftlicher Telefonnotiz in der Akte vom 9.7.2020 befanden sich die Rückstände im niedrigen dreistelligen Bereich. Unter 5.000,00 EUR werde vom Finanzamt keine konkrete Auskunft erteilt.
Nach der Ordnungwidrigkeitenanzeige der Polizeiinspektion … vom 14.7.2020 wurde am 23.6.2020 bei der Polizeiinspektion angerufen und mitgeteilt, dass der Antragsteller im Verkaufsraum keine Maske trage. Eine Kontrolle durch die Streifenbesetzung habe dies bestätigen können. Es sei vom Besitzer außerdem keine Plexiglasscheibe zwischen Kunden und Verkäufer angebracht worden. Der Antragsteller habe sich als uneinsichtig gezeigt, als ihn die Polizei auf die Einhaltung der Maskenpflicht angesprochen habe. Er habe eine Diskussion angefangen und gesagt, dass er die Maske nie trage und sie auch in Zukunft nicht tragen werde. In Thüringen bestehe keine Maskenpflicht, wenn er den Sicherheitsabstand von 1,5 m einhalte. Der Sicherheitsabstand sei jedoch von ihm unterschritten worden, als er Kunden bedient habe, während die Polizei noch vor Ort gewesen sei. Ein Hinweis, dass er keine Maske aufsetzen müsse, wenn er eine Plexiglasscheibe auf der Theke anbringe, sei vom Antragsteller nicht ernst genommen worden. Der Antragsteller habe gesagt, dass er sich nicht wie andere Läden zum Deppen mache, eine Plexiglasscheibe sähe erstens nicht gut aus und zweitens müsse er seine Kunden anschreien, damit sie ihn verstehen würden. Auf die Ordnungswidrigkeitenanzeige wird im Übrigen Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 4.8.2020, dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 6.8.2020, wurde dem Antragsteller die Ausübung des Gewerbes/selbständig ausgeübten Handwerks „Bäckerei.“, die Gewerbeausübung generell sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit der mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person, untersagt (Ziffer 1). Der Antragsteller habe seine selbständige Tätigkeit zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheids einzustellen (Ziffer 2). Falls der Antragsteller der Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheides nicht rechtzeitig nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides werde angeordnet (Ziffer 4). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahren zu tragen. Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt, die Auslagen betrugen 4,11 EUR (Ziffer 5).
Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergebe sich aus seiner finanziellen Leistungsunfähigkeit aufgrund des Eintrags im Schuldnerverzeichnis im zentralen Vollstreckungsregister in Hof sowie aus seinem anhaltenden Fehlverhalten gegenüber lebensmittelrechtlicher Vorschriften. Auch verletze der Antragsteller seine steuerrechtlichen Pflichten. Auch wenn die Rückstände niedrig seien, sei ein Hang zur Missachtung steuerlicher Pflichten anzunehmen, wenn der Antragsteller in den ersten sieben Monaten seiner Tätigkeit keine Voranmeldungen eingereicht habe und von sich aus keinen Kontakt mit dem Finanzamt aufnehme. Ein Hang zur Missachtung geltender Vorschriften sei auch darin erkennbar, dass der Antragsteller seinen Verpflichtungen gegenüber anderen Stellen (Handwerkskammer, Krankenkasse) nicht nachkomme. Der Antragsteller betreibe seinen Gewerbebetrieb handwerksmäßig, indem er Back- und Konditorwaren selbst herstelle und in den Verkehr bringe. Der Beruf des Bäckers und Konditors werde umfassend ausgeübt. Das Verhalten gegenüber der Krankenversicherung ließe ebenfalls nicht auf die Zuverlässigkeit des Antragstellers schließen.
Die Gewerbeuntersagung sei auf andere Tätigkeiten auszudehnen, weil die zugrundeliegenden Tatsachen der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Verhaltens gegenüber anderen Behörden und Körperschaften im Wesentlichen gewerbeübergreifenden Charakter hätten und den Antragsteller für jede gewerbliche Tätigkeit unzuverlässig mache. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller auf ein anderes Gewerbe ausweichen, als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetriebes auftreten oder mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragt werde. Der Antragsteller sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit während der Zeit, in der kein Gewerbe aktiv angemeldet gewesen sei, Leiter der Produktion gewesen. Dies liege auch deshalb nahe, weil das Gewerbe erst deutlich später angemeldet worden sei. Auch die Nichterfüllung der Zahlungs- und Auskunftspflichten beweise, dass die Gewerbeuntersagung nicht auf die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit beschränkt werden könne. Das Interesse des Antragstellers am Betrieb des Gewerbes habe hinter den Interessen der Allgemeinheit zurückzustehen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse erforderlich. Aufgrund der bisher begangenen Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften und der tatsächlichen Feststellung kurz vor Bescheidserlass, dass die Missstände weiter bestünden, sei abermals ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet worden. Eine Besserung der Situation sei nicht erkennbar gewesen. Aufgrund der Vermögensverhältnisse, die sich in dem Eintrag im Schuldnerverzeichnis ausdrücken würden, und seines Verhaltens gegenüber anderen Behörden, bestünde die begründete Besorgnis, dass der Antragsteller auch nach Zugang des Bescheides sein Gewerbe unter lebensmittelrechtlichen Missständen ausüben, nicht in die Handwerksrolle eingetragen und nicht Willens sein werde, die geltenden rechtlichen Vorgaben allgemein einzuhalten und seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es sei nicht ersichtlich, dass mit einer Verhaltensänderung während eines anhängigen Rechtsstreits zu rechnen sei, Anzeichen für eine Besserung der lebensmittelrechtlichen Verhältnisse in absehbarer Zeit seien nicht ersichtlich. Es bestehe Klarheit darüber, dass es sich bei der Untersagung mit sofortiger Wirkung um einen gravierenden Eingriff in die privaten und wirtschaftlichen Belange des Antragstellers handele. In Abwägung der Interessen des Antragstellers gegenüber denen der Allgemeinheit auf Schutz vor weiteren Rechtsverstößen in einem eventuell lang andauernden Rechtsstreit sei hier dem Interesse der Allgemeinheit der Vorrang eingeräumt worden. Es könne der Allgemeinheit nicht zugemutet werden, dass der Antragsteller weiterhin Lebensmittel in den Verkehr bringe, die nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben hergestellt und deren Inhaltsstoffe nicht hinreichend gekennzeichnet würden. Auch werde die Einstellung des Antragstellers zu rechtlichen Vorgaben dadurch ersichtlich, dass er sich geweigert habe, bei einer Kontrolle durch die Polizeiinspektion … eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. In Zeiten einer globalen Pandemie mit einer äußerst dynamischen Entwicklungsmöglichkeit sei ein derartiges Verhalten eines Gewerbetreibenden, der auch eine Vorbildfunktion gegenüber seinen Angestellten habe, nicht hinzunehmen. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung schütze in erster Linie nicht den Gewerbetreibenden, sondern seine Angestellten und Kunden. Durch sein Verhalten nehme er zumindest billigend Gesundheitsrisiken seiner Mitmenschen in Kauf. Auch unter Berücksichtigung der Grundrechte des Gewerbetreibenden (Art. 12 Abs. 1 GG) sei die sofortige Vollziehung der Gewerbeuntersagung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschafts- und Individualgüter notwendig, um weitere Rechtsverstöße zu vermeiden sowie mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, dass sich der Antragsteller in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden verschaffe.
Im Übrigen wird auf den Bescheid nebst Begründung Bezug genommen.
Mit weiterem Bescheid vom 4.8.2020 wurden gegen den Antragsteller weitere Bußgelder in Höhe von 500,00 EUR wegen der bei der Kontrolle am 25.6.2020 festgestellten lebensmittel- und infektionsschutzrechtlichen Verstöße sowie Verstößen gegen die Verordnung über die Kennzeichnung von Eiern und die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung erlassen. Es seien Verunreinigungen vorgefunden worden und es habe keine Dokumentation über die Durchführung von Erst- und Folgebelehrungen für die im Betrieb Beschäftigten nach dem Infektionsschutzgesetz festgestellt werden können. Ebenso sei die Kennzeichnungspflicht für Zusatzstoffe nicht beachtet worden und Eier ohne Aufdruck eines Erzeugercodes vorrätig gehalten worden. Auf den Bußgeldbescheid wird Bezug genommen.
Mit dem Anhörungsbogen zum Bußgeldverfahren nach der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung (BayIfSMV), beim Landratsamt eingegangen am 5.8.2020, teilte der Antragsteller mit, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten sei, eine Maske zu tragen. Der angebliche Sicherheitsabstand von 1,5m betrage im Laden des Antragstellers 1,62m. Alle Kunden trügen eine Maske.
Mit Schreiben vom 7.10.2020 teilte der Prozessvertreter des Antragstellers mit, dass dieser die fehlende Eintragung in der Handwerksrolle habe vornehmen lassen und legte ein entsprechendes Schreiben der Handwerkskammer N.-Ob. vor. Auf dieses wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 4.11.2020 forderte das Gericht den Antragsteller auf, mitzuteilen, ob zwischenzeitlich die lebensmittel- und infektionsschutzrechtlichen Beanstandungen beseitigt worden seien und bat das Landratsamt um Überprüfung der Durchführung der Maßnahmen. Das Gericht wies die Beteiligten unter anderem darauf hin, dass es für die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungshandlung ankomme, im einstweiligen Rechtsschutz bezüglich der Frage, ob die Gewerbeausübung bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt werden könne, allerdings zusätzlich Tatsachen zu berücksichtigen seien, die nach Erlass der Gewerbeuntersagung eingetreten seien. Bei einer Beseitigung der lebensmittel- und infektionsschutzrechtlichen Beanstandungen sei eine positive Prognose aufgrund von Tatsachen, die nach Bescheidserlass eingetreten seien, denkbar. Mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Anordnungen fehle es insbesondere an einer entsprechenden Abtrennung durch geeignete Schutzwände sowie an der Ausarbeitung eines Schutz- und Hygienekonzeptes.
Ausweislich des Aktenvermerkes vom 5.11.2020 suchte das Landratsamt die Bäckerei des Antragstellers auf, um festzustellen, ob zwischenzeitlich eine geeignete Trennvorrichtung errichtet worden sei. Dabei zeigte der Antragsteller den Beamten eine Trennvorrichtung, die sich auf dem Tresen befand. Diese war ca. 1m breit. Die Beamten stellten fest, dass die Trennvorrichtung nicht über den gesamten Thekenbereich verlaufe. Der Antragsteller habe daraufhin mitgeteilt, dass dies auch nicht erforderlich sei. Auf Frage nach einem Schutz- und Hygienekonzept zeigte der Antragsteller auf ein Desinfektionsmittelfläschchen neben der Kasse und auf einem Tisch für die Kunden. Die Nachfrage, ob dieses Hygienekonzept auch schriftlich festgehalten sei, wurde verneint. Auf weitere Nachfrage teilte der Antragsteller mit, dass er eventuell doch etwas derartiges auf seinem Computer gespeichert habe, es sei jedoch ziemlich aufwändig, dies herauszusuchen und solange müssten die Kunden in seinem Laden warten. Unter Übergabe der Visitenkarte wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er das Hygienekonzept per E-Mail an das Landratsamt übermitteln könne. Vor Ort konnte kein Hygienekonzept vorgelegt werden. Während der Kontrolle stand ein Jugendlicher neben der Trennvorrichtung, um etwas zu kaufen. Auf den Aktenvermerk und die beigefügten Fotos wird im Übrigen Bezug genommen.
Laut Aktenvermerk vom 11.11.2020 wurde die Bäckerei des Antragstellers erneut durch das Landratsamt aufgesucht. Durch den Antragsteller wurde mitgeteilt, dass er nach der Kontrolle am 5.11.2020 das Konzept seinem Rechtsanwalt zugesandt habe, vor Ort habe er kein schriftliches Konzept. Er würde dies dem Landratsamt noch zukommen lassen. Der Antragsteller zeigte den Beamten die am Boden befindliche Linie zur Einhaltung des Abstandes, außerdem habe er die Trennvorrichtung, die nach wie vor ca. 1m breit war, erneuern müssen, da die vorherige kaputt gegangen sei. Eine Trennvorrichtung über den vollständigen Thekenbereich war nicht vorhanden. Während der Kontrolle hielt sich der Antragsteller sowohl vor als auch hinter der Theke auf, eine Mund-Nasen-Bedeckung trug er nicht. Auf den Aktenvermerk und die beigefügten Fotos wird im Übrigen Bezug genommen.
Am 12.11.2020 übermittelte der Antragsteller sein Schutz- und Hygienekonzept an das Landratsamt. Auf dieses wird Bezug genommen.
Am 4.9.2020 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erhoben und einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Er trägt vor, dass die Eintragung im Schuldnerverzeichnis nicht im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit des Antragstellers stünde, da dieser die Bäckerei erst im Mai 2016 erworben habe. Sie belegten gerade nicht die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Antragstellers, dieser erfülle regelmäßig seine Verbindlichkeiten und die der Bäckerei. Die aufgeführten lebensmittelrechtlichen Verstöße seien das Ergebnis von Prüfungen, deren Anforderungen nicht erfüllt seien. Es sei nur einer anstelle der notwendigen zwei Prüfer anwesend gewesen, zudem sei der Antragsteller während der Prüfungen nicht anwesend gewesen. Die Prüfungen seien außerdem während des laufenden Betriebes durchgeführt worden, sodass die Bäckerei nicht „klinisch rein“ sei, außerdem habe der Antragsteller Kontakt zu seinem Vermieter aufgenommen, damit dieser die geforderten Maßnahmen umsetze. Einige der Mängel seien zwischenzeitlich behoben worden. Der Antragsteller habe seine Steuernummer erst im Juli 2020 bekommen, sein Steuerberater kümmere sich um die Regelung der mit dem Finanzamt abzuklärenden Dinge, es bestehe daher auch ein regelmäßiger Austausch mit dem Finanzamt. Es lägen keine Unregelmäßigkeiten vor, die die Einstellung des Betriebes rechtfertigen würden. Auch sei fraglich, inwiefern die Nichteintragung in die Handwerksrolle die Schließung des Betriebes rechtfertigen könne. Auch habe der Antragsteller die vom Antragsgegner geforderten Schritte veranlasst. Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Infektionsschutzmaßnahmeverordnung sei ebenfalls nicht korrekt, da der Antragsteller schon seit langem in Besitz eines ärztlichen Attestes sei, das ihm bescheinige, dass es ihm nicht zumutbar sei, eine Maske zu tragen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der AOK beträfen nicht den Antragsteller, sondern die frühere Betriebsinhaberin, Frau … Die Anordnung der sofortigen Vollziehung entspreche der Vernichtung der Existenzgrundlage des Antragstellers und seiner Mitarbeiter. Es handele sich bei den daraus resultierenden Einkünften um die einzigen des Antragstellers. Der Antragsteller führe die Bäckerei derzeit alleine und sei mit handwerklichen Dingen besser vertraut als mit dem administrativen Bereich, sodass er die vom Antragsgegner gesetzten Fristen nicht überall eingehalten habe. Der Antragsteller habe in der Zeit seit Bescheidserlass diverse Maßnahmen zur Umsetzung der Hygienemaßnahmen in der von ihm betriebenen Bäckerei unternommen, diese stellten eine Umsetzung des vom Antragsteller erstellten Schutz- und Hygienekonzept dar. Der Antragsteller sei Mieter, bezüglich der beanstandeten Mängel im baulichen Bereich habe er mit seinem Vermieter Kontakt aufgenommen, dieser habe ihm glaubhaft versichert, die geltend gemachten Mängel bis spätestens Ende November beseitigen zu lassen. Dazu gehörten insbesondere die Verlegung eines neuen Industriebodens im Ofenraum und die Neuverfliesung der Wände. Der Antragsteller habe außerdem sein Hygienekonzept innerhalb der gerichtlich angeordneten Frist vorgelegt. Die Tatsache, dass die ärztliche Bescheinigung erst am 24.6.2020 ausgestellt worden sei, sei nicht gleichbedeutend mit der Tatsache, dass dem Antragsteller das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorher zumutbar gewesen sei.
Er ist der Auffassung, dass die Interessen des Antragstellers keineswegs vor den Interessen der Allgemeinheit zurückträten. Die Verstöße seien entweder nicht existent, oder zwischenzeitlich beseitigt. Die Aussage des Antragsgegners, dass während des gerichtlichen Verfahrens nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen sei, sei daher zum einen falsch, da die Beanstandungen zum Teil zu Unrecht vorgenommen worden seien, zum anderen habe der Antragsteller sein Verhalten bereits angepasst. Es sei ausreichend, dass der Antragsteller das Hygienekonzept innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist vorgelegt habe.
Er lässt mit der Klage beantragen
1. Der Bescheid des Beklagten vom 4.8.2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht dazu befugt ist, vom Antragsteller die Einstellung seiner selbständigen Tätigkeit als Bäcker zu verlangen und zur Durchsetzung dieses Anspruchs ein Zwangsgeld zu erheben.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht dazu befugt ist, das in der Nr. 3 des angefochtenen Bescheides festgesetzte Zwangsgeld anzuordnen.
Daneben beantragt er im einstweiligen Rechtsschutz:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und Nrn. 2 des Bescheides des Beklagten vom 4.8.2020 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Er trägt vor, dass das Finanzamt … am 28.9.2020 keine Veränderung der Situation des Antragstellers gemeldet habe. Bei einer weiteren Kontrolle am 1.10.2020 sei festgestellt worden, dass Gäste alkoholische Getränke (Bier) in der Bäckerei kaufen und vor Ort verzehren könnten. Der Antragsteller verfüge nicht über die notwendige Gaststättenerlaubnis.
Er ist der Auffassung, dass Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen ließen, weder ein Verschulden voraussetzten noch im Rahmen des Gewerbebetriebs eingetreten sein müssten. Die gewerberechtliche Zuverlässigkeit beurteile sich als eine Frage der persönlichen Veranlagung und Haltung nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Betroffenen, sodass auch Komponenten außerhalb Gewerbebetriebs maßgeblich sein könnten. Im Betrieb des Antragstellers seien über einen längeren Zeitraum Hygienemängel festgestellt worden. Aufgrund der Feststellungen bei den jeweiligen Kontrollterminen werde deutlich, dass ihm die Einsicht bezüglich der Notwendigkeit dieser Anforderungen oder die Fähigkeit fehle, die gebotene Hygiene/Reinlichkeit in dem Betrieb zu gewährleisten. Auch hätten die verhängten Bußgeldbescheide nicht zu einer grundlegenden Verhaltens- oder Bewusstseinsänderung beim Antragsteller geführt. Die menschliche Gesundheit gehöre zu den besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern, ihrem Schutz dienten die lebensmittelrechtlichen Anforderungen an die Hygiene und Sauberkeit im Umgang mit Lebensmitteln und in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen Lebensmittel gelagert und verarbeitet würden. Die Einhaltung dieser Hygienevorschriften gehöre zu den zentralen Pflichten eines lebensmittelverarbeitenden und -abgebenden Betriebs. Die negative Zukunftsprognose könne nachvollziehbar auf die zahlreichen und fortlaufenden Verstöße gestützt werden. Auch nach Unterrichtung über die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahren habe der Antragsteller keine Maßnahmen zur Vermeidung lebensmittelrechtlicher Missstände ergriffen. Bei einer Kontrolle am 25.6.2020 seien nahezu dieselben lebensmittelrechtlichen Missstände festgestellt worden wie bei den drei vorherigen Kontrollterminen. Es seien zudem nur Altverschmutzungen, die seit längerer Zeit nicht beseitigt worden seien, bemängelt worden. Es sei insofern unerheblich, ob die Kontrollen zu Beginn der Betriebszeit, während der Produktionszeit oder am Ende der Betriebszeit stattgefunden hätten. Es erschließe sich nicht, inwieweit der Antragsteller der Unterstützung seines Vermieters bedürfe. Außerdem sei der Antragsteller trotz mehrerer Bußgeldbescheide weder willens noch in der Lage, die maßgeblichen lebensmittel- und infektionsschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Nach Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen des Antragstellers werde an der sofortigen Vollziehung festgehalten. Durch den weiteren Betrieb der Bäckerei stehe zu befürchten, dass das Rechtsgut „Gesundheit“ verletzt werden könne. Dies werde neben den Hygienemängeln in der Bäckerei auch durch die fehlende Einsicht zur Vorbeugung der Verbreitung des Pandemiegeschehens deutlich. Die gewerblichen Interessen des Antragstellers an der Berufsausübung sowie der damit einhergehende finanzielle Schaden unterliege dem öffentlichen Interesse.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien, die Behördenakten, die dem Gericht vorlagen sowie die Gerichtsakten, auch im Hauptsachverfahren RN 5 K 20.2028 und im Verfahren RN 5 K 20.2343, Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist zulässig. Statthafter Rechtsbehelf ist hier der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Nach diesem stellt das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her. Das Landratsamt hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 des Bescheides angeordnet.
Der Antrag ist begründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides ist formell rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt jedoch aufgrund der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, zudem ist der zusätzliche Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG durch die Anordnung des Vollzugs der Gewerbeuntersagung vor Entscheidung in der Hauptsache nicht gerechtfertigt.
1. Die Anordnung des Sofortvollzuges ist formell rechtmäßig.
a) Für die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist es unschädlich, dass der Antragsteller zu dieser nicht gesondert angehört wurde. Eine gesonderte Anhörung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist nicht erforderlich. Es handelt sich bei der Anordnung des Sofortvollzuges nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des allgemeinen Verwaltungsrechts oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrensrechts. Die Anordnung setzt einen Verwaltungsakt voraus und regelt nur dessen Vollziehung (BVerwG, U. v. 12.5.1966 – II C 197.62, juris, Rn. 40 = BVerwGE 24, 92-106).
b) Das Landratsamt hat die Anordnung des Sofortvollzuges ferner gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß begründet. Die Begründung stellt auf den konkreten Einzelfall ab, es handelt sich nicht um eine formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 84).
Die Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen, sowie der Behörde den Ausnahmecharakter vor Augen führen und sie veranlassen, genau zu überprüfen, ob und warum ausnahmsweise der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsrechtsbehelfe durchbrochen werden soll. Die Behörde muss konkret die Gründe angeben, die dafürsprechen, dass die sofortige Vollziehung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen notwendig ist und warum die Interessen des Betroffenen zurückstehen müssen. Es genügt nicht, dass die Behörde auf die Gesichtspunkte, die den Grundverwaltungsakt selbst rechtfertigen, abstellt.
Das Landratsamt stellt hier für die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges darauf ab, dass sich das Verhalten des Antragstellers im Laufe des Gewerbeuntersagungsverfahrens nicht gebessert habe. Es habe aufgrund der Feststellung kurz vor Bescheidserlass, dass die lebensmittelrechtlichen Missstände immer noch bestünden, abermals ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden müssen. Auch werde die Einstellung zu rechtlichen Vorgaben durch das Verhalten des Antragstellers deutlich, der sich im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle geweigert habe, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. In Zeiten einer globalen Pandemie mit einer äußerst dynamischen Entwicklung könne dies nicht hingenommen werden. Er nehme zumindest billigend Gesundheitsrisiken für seine Kunden in Kauf.
Der Antragsgegner hat dabei die konkret betroffenen, widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen. Es kommt hier nicht darauf an, ob die materiellen Verbotsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerwG, B. v. 21.4.1995 – 1 VR 9/94, NJW 1995, 2505).
2. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt jedoch unter Berücksichtigung des besonderen Eingriffs in dessen Berufsfreiheit durch die Anordnung des Sofortvollzuges das öffentliche Vollzugsinteresse. Die Klage des Antragstellers hat nach summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides richtet.
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Dabei wägt es grundsätzlich das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes gegen das Interesse des Antragsstellers an der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ab. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird; bei offensichtlichem Erfolg der Hauptsache bei summarischer Prüfung überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 ff.; Kopp/Schenke, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 152 ff.). Weder liegt es im öffentlichen Interesse, einen offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt sofort zu vollziehen, noch dass ein unzulässiger oder unbegründeter Rechtsbehelf die sofortige Vollziehung verhindert (VG Würzburg, B. v. 14.7.2014 – W 6 S 14.485, juris, Rn. 57).
a) Die Gewerbeuntersagung ist nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, summarischen Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Unabhängig davon, ob sich aus den Sachverhalten, die den lebensmittel- und infektionsschutzrechtlichen Bußgeldbescheiden zugrunde lagen, eine negative Prognose für den Antragsteller schlussfolgern lässt, war nach summarischer Prüfung die Untersagung des durch den Antragsteller ausgeübten Gewerbes nicht zum Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit als „ultima ratio“ erforderlich.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (etwa BVerwG, U. v. 19.3.1970 – I C 6/69, VerwRspr 1971, 223, 224; U. v. 2.2.1982 – 1 C 52/78, juris, Rn. 17; B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 5; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 29). Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 29).
Die Unzuverlässigkeit muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus Tatsachen ergeben. Diese Tatsachen – die bereits in der Vergangenheit eingetreten sein müssen – sind von der Behörde danach zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft schließen lassen (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 31). Dazu werden die Tatsachen bewertet und das zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden prognostiziert. Nach den festgestellten, zeitlich zurückliegenden Tatsachen müssen zukünftige Verstöße wahrscheinlich sein (BVerwG, U. v. 16.9.1975 – I C 44/74, NJW 1976, 986, 988; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 32). Diese Tatsachen müssen dabei nicht unmittelbar im Gewerbebetrieb entstanden sein, sie müssen sich allerdings auf das Gewerbe beziehen und die Unzuverlässigkeit jedenfalls im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 33).
Der Begriff der Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden in Form eines moralischen oder ethischen Vorwurfes noch einen Charaktermangel voraus (BVerwG, U. v. 29.3.1966 – I C 62.65, juris, Rn. 7 = BVerwGE 24, 38-44; U. v. 5.8.1965 – I C 69.62, juris, Rn. 37 = BVerwGE 22, 16-25; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 30). Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens, unzuverlässigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu untersagen (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 30).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 94/78, juris, Rn. 16; B. v. 23.11.1990 – 1 B 155/90, juris, Ls. 1; B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 21). Entfallen die Untersagungsvoraussetzungen danach, wird die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht berührt. Wohlverhalten nach Bescheidserlass kann nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 7). Der Bescheid des Landratsamtes Rottal-Inn wurde mit der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller am 6.8.2020 erlassen.
(1) Die Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt sich bezüglich seines angemeldeten Einzelgewerbes (Ziffer 1 des Bescheides) nicht aus einem Mangel an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides.
Das Fehlen von Geldmitteln kann die ordnungsgemäße Führung des Betriebes im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindern. Von dem Gewerbetreibenden muss im Interesse eines redlichen und ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Ursachen zu der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf knüpft im Wesentlichen an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise an (BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146/80, juris, Rn. 15 = BVerwGE 65, 1-8).
Auf Grundlage der durch das Landratsamt ermittelten Tatsachen lässt sich ein Mangel an finanzieller Leistungsfähigkeit und eine negative Prognose für den Antragsteller weder einzeln noch in der Gesamtschau annehmen.
(a) Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers ergibt sich nicht aus seiner Eintragungen im Schuldnerverzeichnis.
Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zeigen grundsätzlich, dass der Antragsteller zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit war und damit nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mittels Haftbefehl BayVGH, B. v. 3.8.2015, Az. 22 ZB 15.1271, juris, Rn. 12; B. v. 28.8.2013, Az. 22 ZB 13.1419, juris, Rn. 19).
Der Eintrag im Schuldnerverzeichnis wurde am 4.10.2017 angeordnet. Er datiert damit vor Beginn der gewerblichen Tätigkeit des Antragstellers.
Die Tatsachen, die die gewerbliche Unzuverlässigkeit begründen, müssen nicht bei Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes eingetreten sein, es kommt darauf an, ob sich die betreffenden Tatsachen auf die ordnungsgemäße Führung des Gewerbes auswirken (BVerwG, B. v. 6.12.1994 – 1 B 234/94, juris, Rn. 6; B. v. 9.9.1981 – 1 B 118.81, BeckRS 1981, 31250837).
Die einzelne Eintragung im Schuldnerverzeichnis ist allerdings in diesem konkreten Fall noch nicht ausreichend, um eine negative Prognose für den Antragsteller zu begründen. Seit der Eintragung im Jahr 2017 sind keine weiteren Eintragungen vorgenommen worden.
Hinzu kommt, dass die Eintragung wohl zum 4.10.2020 zu löschen war. Gemäß § 882e Abs. 1 ZPO wird eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach Ablauf von drei Jahren seit dem Tag der Eintragungsanordnung von dem zentralen Vollstreckungsgericht gelöscht. Die Eintragung wurde vorliegend am 4.10.2017 angeordnet.
(b) Der Mangel des Antragstellers an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus dessen Steuerrückständen.
Nach allgemeiner Meinung lassen Steuerschulden auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen. Sie sind Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 49 m. w. N.). Damit Staat und Gemeinden ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können, sind sie auf den pünktlichen Eingang der von ihnen erhobenen Steuern angewiesen. Ein Gewerbetreibender, der sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entzieht, versucht damit, sich im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten erfüllen. Es kann daher von dem Gewerbetreibenden nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führt (BVerwG, B. v. 17.1.1964 – VII B 159/63, VerwRspr 1964, 983, 984 f.).
Nach dem Bundesverwaltungsgericht sind Steuerrückstände nur geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl wegen ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch der Zeitraum, während dessen der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, von Bedeutung (BVerwG, B. v. 29.1.1988 – 1 B 164/87, juris, Rn. 3; B. v. 19.1.1994 – 1 B 5/94, juris, Rn. 6).
Eine feste Grenze, ab deren Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B. v. 9.4.1997 – 1 B 81/97, juris, Rn. 4). Beträge unter 5.000,00 € werden regelmäßig nicht als ausreichend angesehen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 52b; vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen vom 14.12.2010, IV A 3-S 0130/10/10019, BStBl I 2010, 1430).
Irrelevant ist dabei, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, B. v. 1.2.1994 – 1 B 9/94, juris, Rn. 3; B. v. 29.1.1988 – 1 B 164/87, juris, Rn. 4; BayVGH, B. v. 13.6.2006 – 22 ZB 06.1392, juris, Rn. 2; Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 51).
Im Zeitpunkt des Bescheidserlass beliefen sich die Steuerrückstände des Antragstellers auf einen mittleren dreistelligen Betrag, sie lagen damit deutlich unter dem grundsätzlichen Mindestbetrag von 5.000,00 EUR.
(c) Schließlich sind auch die Rückstände gegenüber der AOK B. nicht geeignet, eine finanzielle Leistungsunfähigkeit zu bejahen. Zwar lässt sich auch für die Höhe der Beitragsrückstände, die für eine Gewerbeuntersagung erforderlich sind, keine konkrete Norm aufstellen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 57). Unabhängig davon, ob es sich bei dem Antragsteller um den Schuldner der Forderung handelt, lässt sich aus dem Betrag von 377,52 EUR (28.5.2020) jedoch noch keine Prognose für die Zukunft treffen.
(d) Auch in ihrer Gesamtbetrachtung sind die Umstände nicht geeignet, einen Mangel an finanzieller Leistungsfähigkeit und die Verhinderung der ordnungsgemäßen Führung des Betriebs anzunehmen. Die geringen Zahlungsrückstände und der einzelne Eintrag im Schuldnerverzeichnis lassen noch nicht die Prognose zu, dass der Antragsteller auch in Zukunft seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen wird.
(2) Auch aus der Verletzung steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Erklärungspflichten ergibt sich hier für sich nicht die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Aufgrund der relativ kurzen Zeiträume, in dem die jeweiligen Erklärungspflichten nicht eingehalten wurden, lässt sich noch keine negative Prognose für die Zukunft schlussfolgern.
(a) Die Einhaltung der steuerlichen Erklärungspflichten gehört zu den Verpflichtungen, die einem Gewerbetreibenden obliegen. Der Antragsteller hat diese verletzt, indem er keine Voranmeldungen beziehungsweise Steuererklärungen abgab. Auf Grundlage dieser Tatsachen lässt sich jedoch noch keine negative Prognose für ihn begründen. Der Antragteller ist erst seit dem 1.1.2020 als Einzelunternehmer steuerlich beim Finanzamt geführt; im Zeitpunkt des Bescheidserlass ging er seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer damit erst etwa acht Monate nach. Zwischenzeitlich ist der Antragsteller steuerlich vertreten.
Auf Grundlage dieser Tatsachen war im Zeitpunkt des Bescheidserlass noch keine Grundlage für eine negative Prognose gegeben. Der Zeitraum, in dem der Antragsteller seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkam, war noch nicht lang genug, um für die Zukunft davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen wird.
(b) Gleiches gilt für die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Erklärungspflichten. Nach Angaben der AOK B. war im Betrieb des Antragstellers und von … in der Zeit vom 15.9.2019 bis 30.9.2020 eine Arbeitnehmerin gemeldet, für diese fehlte die Beitragsnachweisung.
Unter Berücksichtigung des kurzen Zeitraumes von zwei Wochen, für den die Rückstände angenommen wurden, kann jedoch noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller auch in Zukunft seinen Erklärungspflichten nicht nachkommen wird.
(3) Soweit sich die Unzuverlässigkeit des Antragstellers aus den Verstößen gegen lebensmittel- und infektionsschutzrechtliche Anforderungen ergeben soll, die den Bußgeldbescheiden vom 12.7.2018, 27.5.2020 und 4.8.2020 sowie vom 11.8.2020 zugrunde liegen, ist im Rahmen der summarischen Prüfung fraglich, ob diese bereits geeignet sind, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu begründen.
Die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden steht in Frage, wenn er wegen Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern belegt wurde. Dabei ist der Sachverhalt, der dem jeweiligen Bußgeldbescheid zugrunde liegt, darauf zu überprüfen, ob sich aus ihm die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ergibt. Anders als bei Straftaten kann eine einzige Ordnungswidrigkeit wohl nur in Ausnahmefällen zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen; eine Vielzahl kleinerer Gesetzesverletzungen, die für sich betrachtet noch keine ausreichende Grundlage für eine Gewerbeuntersagung bieten, können in ihrer Häufung die Untersagung rechtfertigen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35, Rn. 43, 37).
Die gewerberechtliche Unzuverlässig kann sich bei Gewerben, die im Zusammenhang mit Lebensmitteln stehen, insbesondere aus Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften ergeben. Die menschliche Gesundheit gehört zu den besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern. Ihrem Schutz dienen die lebensmittelrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Hygiene und Sauberkeit im Umgang mit Lebensmitteln und in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen Lebensmittel gelagert und verarbeitet werden (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182, juris Rn. 19). Die Einhaltung dieser Hygienevorschriften gehört zu den zentralen Pflichten eines lebensmittelverarbeitenden und -abgebenden Betriebs (vgl. VG München, U. v. 21.12.2015 – M 16 K 15.2439, juris, Rn. 40).
Der Antragsteller hat während seiner gewerblichen Tätigkeit wiederholt lebensmittel- und infektionsschutzrechtliche Pflichten nicht berücksichtigt. Dabei sind die Sachverhalte in Gesamtbetrachtung nach summarischer Prüfung wohl noch nicht geeignet, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu bejahen.
(a) Gegen den Antragsteller wurden am 12.7.2018, am 27.5.2020 sowie am 4.8.2020 Bußgeldbescheide wegen der Verletzung lebensmittel- und infektionsschutzrechtlicher Vorschriften erlassen.
Aus diesen ergibt sich zunächst, dass der Antragsteller die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II der VO EG 853/2004 sowie etwaige spezielle Anforderungen der VO EG 853/2004 nicht erfüllte.
Insbesondere wurde bei sämtlichen Kontrollen festgestellt, dass Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wurde, in einzelnen Bereichen nicht sauber und instandgehalten waren. Darüber hinaus wurde bei sämtlichen Kontrollen festgestellt, dass Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kamen, nicht gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert waren. Die Reinigung und Desinfektion erfolgte nicht so häufig, dass kein Kontaminationsrisiko bestand. Rohstoffe und Zutaten, die in dem Lebensmittelunternehmen vorrätig waren, wurden nicht so gelagert, dass gesundheitsgefährdender Verderb verhindert und Schutz vor Kontamination gewährleistet war. Lebensmittel wurden nicht auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen geschützt, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen beziehungsweise derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.
Bei der Kontrolle im Februar 2018 wurde bereits festgestellt, dass am Handwaschbecken im Spülraum keine Mittel zum hygienischen Trocknen der Hände vorhanden waren. Bei den Kontrollen am 17.2.2020 und 27.2.2020 waren ebenfalls keine entsprechenden Mittel vorhanden.
Darüber hinaus wurde bei sämtlichen Kontrollen festgestellt, dass der Antragsteller gegen die Anforderung des § 43 Abs. 1 IfSG verstieß, nach dem Personen gewerbsmäßig die in § 42 Abs. 1 IfSG bezeichneten Tätigkeiten erstmalig nur dann ausüben und mit diesen Tätigkeiten erstmalig nur dann beschäftigt werden dürfen, wenn durch eine nicht mehr als 3 Monate alte Bescheinigung des Gesundheitsamtes oder eines durch dieses beauftragten Arztes nachgewiesen worden ist, dass sie über die in § 42 Abs. 1 IfSG genannten Tätigkeitsverbote und über die Verpflichtungen nach den Absätzen 2, 4 und 5 vom Gesundheitsamt oder von einem durch das Gesundheitsamt beauftragten Arzt belehrt wurden und nach der Belehrung im Sinne der Nummer 1 in Textform erklärt haben, dass ihnen keine Tatsachen für ein Tätigkeitsverbot bei ihnen bekannt sind. Der Antragsteller konnte bei keiner der Kontrollen für sämtliche in seinem Betrieb beschäftigten Personen die Bescheinigung des Gesundheitsamtes über die Durchführung der Erstbelehrung nach dem Infektionsschutzgesetz vorlegen.
Schließlich gab der Antragsteller bei sämtlichen Kontrollen Lebensmittel mit einem Gehalt an kenntlichmachungspflichtigen Zusatzstoffen nach § 9 Abs. 6 der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung ab, ohne dass die Zusatzstoffe auf einem Schild oder neben dem Lebensmittel beziehungsweise einem Aushang oder alle verwendeten Zusatzstoffe in einer schriftlichen Aufzeichnung, die dem Endverbraucher unmittelbar zugänglich war, angegeben haben.
Bei der Kontrolle am 23.2.2018 bot der Antragsteller entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung Kleingebäck ohne Preisangaben zum Verkauf an. Bei der Kontrolle am 4.8.2020 hatte der Antragsteller außerdem Eier ohne Aufdruck des Erzeugercodes vorrätig gehalten.
Dennoch genügen diese Verletzungen lebensmittel- und hygienebezogener Vorschriften noch nicht, um im Rahmen einer Prognose die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers anzunehmen.
So haben die Verstöße einen keinen besonders hohen Schweregrad. Nur zwei der festgesetzten Bußgelder sind hoch genug, um eine Eintragung in das Gewerbezentralregister zu begründen. Einzig die Verstöße gegen die Hygienevorschriften in den Bescheiden vom 27.5.2020 und 4.8.2020 wurden mit Bußgeldern von über 200,00 EUR geahndet. Die einzelnen angeordneten Bußgelder befanden sich mit bis zu 350,00 EUR im unteren Bereich der jeweiligen Bußgeldrahmen. Bei diesen Verstößen kann nach § 60 Abs. 5 Nummer 2 LFGB ein Bußgeld bis zu 50.000 EUR bzw. nach § 60 Abs. 5 Nummer 3 LFGB ein Bußgeld von bis zu 20.000 EUR verhängt werden.
Darüber hinaus ist die Anzahl der Verstöße (noch) nicht so hoch, dass aufgrund der Häufigkeit die Annahme einer Unzuverlässigkeit gerechtfertigt wäre.
(b) Weiterhin wurde gegen den Antragsteller mit Bescheid vom 11.8.2020 wegen der Missachtung infektionsschutzrechtlicher Anordnungen im Rahmen der Corona-Pandemie ein Bußgeld in Höhe von 5.000,00 EUR verhängt.
Der Antragsteller trug bei der polizeilichen Kontrolle am 23.6.2020 in seinem Ladengeschäft keine Mund-Nasen-Bedeckung, auch war keine geeignete Schutzwand vorhanden, die einen zuverlässigen Infektionsschutz gewährleistet. Er verstieß damit nach dem Bescheid gegen die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 3 6. BayIfSMV, die für das Personal, die Kunden und ihre Begleitpersonen eine Maskenpflicht anordnet.
Die Anordnung der Maskenpflicht auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ist nach den Darlegungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof voraussichtlich rechtmäßig (vgl. zur entsprechenden Regelung in der 5. BayIfSMV: BayVGH, B. v. 11.5.2020 – 20 NE 20.843).
Nach § 1 Abs. 2 Nummer 2 6. BayIfSMV sind Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, von der Tragepflicht befreit. Unabhängig davon, ob dem Antragsteller das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unzumutbar ist, hat er dies jedenfalls im Zeitpunkt der Kontrolle weder geltend noch glaubhaft gemacht. Auch im Rahmen der Anhörung durch das Landratsamt zum beabsichtigten Bußgeld hat der Antragsteller die fehlende Zumutbarkeit nicht glaubhaft gemacht.
Das Robert-Koch-Institut empfiehlt das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, um Risikogruppen zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 zu verringern. Das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln, die etwa beim Sprechen, Husten oder Niesen ausgestoßen werden, zu schützen. Sie dient damit dem Fremdschutz, ein Eigenschutz ist bisher wissenschaftlich nicht belegt (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html).
(c) Es ist zweifelhaft, ob auf Grundlage dieser Verstöße im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bereits angenommen werden kann, dass dem Antragsteller die notwendige Zuverlässigkeit zur Führung des Gewerbes fehlt. Zwar hat der Antragsteller – sowohl als Gesellschafter der GbR als auch als alleiniger Inhaber der Bäckerei – gegen verschiedene gesundheitsschützende Anforderungen verstoßen. Trotzdem erscheint es aufgrund der besonderen Einschränkung der Berufsfreiheit durch die Gewerbeuntersagung zweifelhaft, ob auf Grundlage der Sachverhalte der drei lebensmittelrechtlichen Bußgeldbescheide und aufgrund des Sachverhaltes, der dem einen mit einem Bußgeld geahndeten Verstoß gegen die 6. Infektionsschutzmaßnahmeverordnung zugrunde lag, eine negative Prognose im Zeitpunkt des Bescheidserlass begründet werden konnte.
(4) Unabhängig von der Möglichkeit einer negativen Prognose aufgrund dieser gesundheitsbezogenen Verstöße ist die Untersagung des ausgeübten Gewerbes jedoch vorliegend zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten (noch) nicht erforderlich.
Bei der Untersagung des Gewerbes handelt es sich um die „ultima ratio“ zur Abwehr der aus der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden für die Allgemeinheit erwachsenden Gefahren. Die Behörden sind gezwungen, zu prüfen, ob die Gefährdung durch mildere Mittel abgewendet werden kann, zum Beispiel durch Abmahnungen, Auflagen, Kontrollen oder Teiluntersagungen. Die Gewerbeuntersagung ist nur dann erforderlich, wenn andere Mittel bei vernünftiger Abwägung aller Gesichtspunkte vom öffentlichen, aber auch privaten Interesse aus nicht länger vertretbar sind (BeckOK GewO/Brüning, 51. Ed. 1.3.2020, § 35 GewO, Rn. 36a m. w. N.).
Die Tatsachen, die hier die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen können, beschränken sich vorliegend auf lebensmittel- und infektionsschutzrechtliche Verstöße. Die durch sie entstehenden Gefahren für die Allgemeinheit können in diesem Fall bereits durch Anordnungen aufgrund der jeweiligen Spezialgesetze verhindert werden.
Unter Berücksichtigung des erheblichen Einschnittes in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Antragstellers ist hier jedenfalls noch nicht davon auszugehen, dass diese Verstöße eine Untersagung der ausgeübten Tätigkeit erforderlich machen. Das gilt insbesondere, als aufgrund der lebensmittelrechtlichen Verstöße jenseits der Anordnung ihrer Beseitigung keine weitergehenden Anordnungen getroffen wurden; auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnungen wurden ebenfalls jenseits der Bußgeldanordnung keine verhaltensbezogenen Anordnungen getroffen. So sind etwa auf Grundlage des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Maßnahmen bis hin zur vorübergehenden Betriebsschließung möglich.
Aufgrund des spezifischen Charakters der Verstöße wären in diesem Fall konkrete Anordnungen geeignet, das die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründende Verhalten einzuschränken beziehungsweise zu unterbinden. Der Rückgriff auf die Untersagung der gesamten gewerblichen Tätigkeit war vorliegend nicht erforderlich.
b) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Gewerbeausübung generell, die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit der mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
(1) In Ziffer 1 des Bescheides wurde dem Antragsteller die Ausübung seines angemeldeten Gewerbes untersagt.
(2) Die Tatsachen, die der Untersagung des ausgeübten Gewerbes zugrunde liegen, rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, dass der Antragsteller auch für andere Gewerbe beziehungsweise die genannte Tätigkeiten unzuverlässig ist.
Gewerbeübergreifend könnten sich insbesondere Verletzungen steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Zahlungs- und Erklärungspflichten auswirken. Diese sind hier zwar im Grundsatz gegeben, sie sind jedoch – wie bereits ausgeführt – nach summarischer Prüfung wohl nicht umfassend genug, um eine Unzuverlässigkeit für die untersagte, geschweige denn für jede andere gewerbliche Tätigkeiten zu rechtfertigen (vgl. etwa VG München, U. v. 15.5.2012 – M 16 K 12.21, juris, Rn. 27 f.).
c) Die Anordnung nach § 16 Abs. 1 HwO ist nach summarischer Prüfung formell und materiell rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
Nach § 16 Abs. 3 HwO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde die Fortsetzung des selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe untersagen, wenn dieses entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung ausgeübt wird.
(1) Die formellen Voraussetzungen der Untersagung der Fortsetzung des selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks nach § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO sind bereits nicht erfüllt. Das Landratsamt hat hier die IHK bereits nicht angehört, es fehlt darüber hinaus auch an deren Stellungnahme, sodass eine gemeinsame Stellungnahme von IHK und Handwerkskammer nicht vorliegt.
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO ist die Untersagung nur zulässig, wenn die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer zuvor angehört worden sind und in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt haben, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen.
Fehlt die gemeinsame Erklärung, so führt dies zu einem unheilbaren Mangel der angefochtenen Ordnungsverfügung. Unabhängig von der Frage, ob die Kammern tatsächlich eine gemeinsame Erklärung abgeben müssen, oder ob getrennte, inhaltlich übereinstimmende Erklärungen reichen (vgl. hierzu VG Arnsberg, B. v. 1.8.2007 – 1 L 568/07, juris, Rn. 9 ff.; B. v. 10.2.2005 – 1 L 1582/04, juris, Rn. 6), muss nicht nur ein formeller Anhörungsakt vor Erlass der Verfügung stattfinden (vgl. Art. 45 BayVwVfG). Die gemeinsame Erklärung muss als Stellungnahme tatsächlich erfolgt sein und einen bestimmten Inhalt haben. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung sprechen diese beiden Aspekte maßgeblich dafür, dass ein Nachholen der gemeinsamen Erklärung, insbesondere im Klageverfahren, nicht mehr zulässig ist (vgl. VG Arnsberg, B. v. 1.8.2007 – 1 L 568/07, Rn. 6 f.; VG Stuttgart, U. v. 3.4.2006 – 4 K 3119/05, juris, Rn. 18 f.; wohl auch VGH BW, B. v. 16 12.2005 – 6 S 1601/05, juris, Rn. 5 f.).
Von § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO konnte auch nicht nach § 16 Abs. 8 HwO abgewichen werden. Das Landratsamt ordnete keine vorläufige Untersagung an.
(2) Darüber hinaus ist die Untersagung der Fortsetzung des handwerklichen Betriebs im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach summarischer Prüfung materiell rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
Bei der Untersagung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sind daher die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz, beziehungsweise der gerichtlichen Entscheidung (Detterbeck HwO, 3. Aufl. 2016, § 16 Rn. 21 m. w. N.).
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung übt der Antragsteller seine Tätigkeit jedoch nicht länger entgegen der Handwerksordnung aus. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Der Antragsteller wurde zwischenzeitlich in die Handwerksrolle eingetragen. Mit Schriftsatz vom 7.10.2020 legte der Prozessvertreter des Antragstellers ein Schreiben der Handwerkkammer Niederbayern-Oberpfalz vor, aus dem sich ergibt, dass der Antragsteller in die Handwerksrolle eingetragen wurde.
3. Es besteht bezüglich der Untersagungen darüber hinaus kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Die Untersagung der ausgeübten Tätigkeit ist vor Rechtskraft der Hauptsache als präventive Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter nicht erforderlich.
Die Abweichung von der gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes gegen die Gewerbeuntersagung (§ 80 Abs. 1 VwGO) stellt einen selbständigen und über die Wirkung der Grundverfügung hinausgehenden Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers nach Art. 12 Abs. 1 GG dar. Sie hat zur Folge, dass ihm die berufliche Betätigung schon vor der Entscheidung in der Hauptsache untersagt wird (BVerfG, B. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07, juris, Rn. 20; VG Gelsenkirchen, B. v. 9.5.2018 – 7 L 261/18, juris, Rn. 34). Die Anordnung des Sofortvollzuges bewirkt ein vorläufiges Berufsverbot, und greift als subjektive Berufsausübungsschranke schwerwiegend in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung setzt daher voraus, dass auf Grundlage einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände festgestellt wird, dass der Sofortvollzug vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als präventive Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03, NJW 2003, 3618, 3619 m.w.N.; OVG Lüneburg, B. v. 26.10.2010 – 8 ME 181/10, juris, Rn. 3). Notwendig hierfür sind strenge Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und die strenge Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfG, B. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07, juris, Rn. 22). Dabei sind nur Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und es ausschließen, bis zur Rechtskraft des Hauptverfahrens abzuwarten. Dies hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob die weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG, B. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07, juris, Rn. 22; B .v. 13.8.2003 – 1 BvR 1594/03, NJW 2003, 3617; BayVGH, B. v. 3.5.2013 – 22 CS 13.594, juris, Rn. 27 m. w. N.).
Bei der menschlichen Gesundheit handelt es sich um eines dieser besonders wichtigen Gemeinschaftsgüter. Lebensmittelrechtliche Anforderungen in Hinblick auf Hygiene und Sauberkeit im Umgang mit Lebensmitteln und in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen Lebensmittel verarbeitet werden, dienen ihrem Schutz.
Die wiederholten Verstöße des Antragstellers lassen es fraglich erscheinen, ob diesem die Einsicht in die Notwendigkeit solcher Anforderungen oder/und die Fähigkeit fehlt, entsprechend zu handeln und die gebotene Hygiene und Reinlichkeit seiner Bäckerei zu gewährleisten. Der hieraus folgenden konkreten Gefährdung der menschlichen Gesundheit kann im Grundsatz nur durch den sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung wirksam begegnet werden (BayVGH, B. v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182, juris, Rn. 19 m. w. N.).
Unabhängig davon, dass die einfache Gewerbeuntersagung bereits wohl nicht erforderlich ist, und es für die erweiterte Gewerbeuntersagung auf Grundlage der Feststellungen des Landratsamtes an der notwendigen gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit fehlt, rechtfertigt hier auch das Verhalten des Antragstellers nach Bescheidserlass, die Entscheidung in der Hauptsache aufgrund von Gefahren für die Allgemeinheit abzuwarten. Im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Anordnungen wurde bereits die Beseitigung der Missstände angeordnet. Auch hat der Antragsteller nach den Unterlagen, die durch das Landratsamt vorgelegt wurden, zwischenzeitlich zumindest im Kassenbereich der Bäckerei eine Trennvorrichtung eingerichtet, sowie ein schriftliches Hygienekonzept vorgelegt.
Aufgrund dieser Tatsache, sowie der fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsstreits in der Hauptsache, ist ein sofortiger Vollzug der Gewerbeuntersagung nicht zum Schutz der Rechtsgüter gerechtfertigt.
III.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO. Der Antragsgegner hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
IV.
Der Streitwert richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dem die Kammer folgt. Nach Ziffern 54.2.1 sowie 54.2.2 beläuft sich dieser bei einer erweiterten Gewerbeuntersagung auf mindestens 20.000,00 EUR, nach Ziffer 1.5 ist der Streitwert im einstweiligen Rechtsschutz um die Hälfte zu reduzieren.


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