Steuerrecht

Zahlung aus öffentlichen Mitteln bei Zwischenschaltung eines freien Trägers der Jugendhilfe

Aktenzeichen  VIII R 37/19

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.250321.VIIIR37.19.0
Normen:
§ 3 Nr 11 S 1 EStG 2009
§ 18 Abs 1 S 1 EStG 2009
EStG VZ 2016
§ 33 SGB 8
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

Eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG an eine Pflegeperson kann bei Zwischenschaltung eines freien Trägers der Jugendhilfe nur vorliegen, wenn das zuständige Jugendamt weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger einen Eigenanteil einbehält, dies billigt und ihm gegen den freien Träger ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch zusteht, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung über die Mittelverwendung und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen kann.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 28. März 2019, Az: 12 K 3393/18 E, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28.03.2019 – 12 K 3393/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte im Streitjahr 2016 in ihren Haushalt ein neunjähriges Pflegekind aufgenommen. Weitere Pflegekinder wurden von ihr nicht betreut.
2
Sie wurde mit der Betreuung des Pflegekindes von der T-GmbH, einem privaten Träger der freien Jugendhilfe (nachfolgend nur noch: GmbH), als freie Mitarbeiterin beauftragt. Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Zusätzlich schlossen die Klägerin und die GmbH eine Übernahme- und Honorarvereinbarung.
3
Für ihre Leistungen erhielt die Klägerin von der GmbH ein monatliches Honorar, welches am erhöhten Betreuungsbedarf des Kindes orientiert war, eine Versorgungs- und Fortbildungspauschale sowie an das Pflegekind weiterzuleitendes Taschen- und Bekleidungsgeld. Hierüber erteilte sie der GmbH monatliche Rechnungen, in denen das Honorar, die Pauschalbeträge (als sog. Sachkostenersatz) und das an das Pflegekind weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld einzeln ausgewiesen waren. Als Honorare erhielt die Klägerin für die Monate Januar bis April 2016  11.924 € [4 * 2.981 €] und für Mai bis Dezember 2016  25.448 € [8 * 3.181 €]. Hinzu kamen im Streitjahr für vier Monate jeweils 779 € für Verpflegung/Fortbildung (3.116 €) und für acht Monate jeweils 819 € (6.552 €).
4
Der Beauftragung der Klägerin durch die GmbH lag Folgendes zugrunde: Zuständig für das Pflegekind war das Jugendamt der Stadt S. Dieses akzeptierte einen für den Sitz der GmbH mit dem dortigen Jugendamt (Stadt R) ausgehandelten Pflegesatz (in Höhe von täglich 205,76 € für die Monate Januar bis April und täglich 216,43 € für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2016) und beauftragte die GmbH mit der Betreuung des Kindes. In die Vereinbarung zwischen dem Jugendamt S und der GmbH war die Klägerin nicht als Vertragspartnerin einbezogen. Das von der GmbH an die Klägerin zu zahlende Honorar und der Sachkostenersatz wurden von der GmbH und der Klägerin wiederum ohne Einbeziehung des Jugendamts ausgehandelt. Allerdings fand im Vorfeld der Beauftragung der GmbH durch das Jugendamt und der Klägerin durch die GmbH eine dreiseitige Abstimmung statt, um zu klären, ob das Jugendamt der Beauftragung der Klägerin durch die GmbH zustimmt. Die Klägerin sollte wegen der engen Bindung zum Kind mit der Pflege beauftragt werden, obwohl sie angesichts des Betreuungsbedarfs über eine höhere fachliche Qualifikation hätte verfügen müssen.
5
Die GmbH behielt aus den vom Jugendamt S für die Betreuung gezahlten Tagessätzen einen Eigenanteil zurück. Von dem Restbetrag zahlte sie an die Klägerin die genannten vertraglich geschuldeten Honorare, den Sachkostenersatz und das an das Pflegekind weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld jeweils nach Rechnungsstellung durch die Klägerin aus. In der Gewinnermittlung der GmbH wurden die vom Jugendamt S gezahlten Pflegegelder als Betriebseinnahmen und die an die Klägerin gezahlten Beträge als Betriebsausgaben, das Taschen- und Bekleidungsgeld für das Pflegekind als durchlaufender Posten behandelt. Eine tatsächliche Kontrolle der Mittelverwendung bei der GmbH durch das Jugendamt S fand im Streitjahr nicht statt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) war das Jugendamt nicht berechtigt, die Verwendung der Mittel seitens der GmbH zu kontrollieren. Die GmbH hätte die Verwendung der Mittel für das Pflegekind auf Anfrage des Jugendamts jedoch offengelegt.
6
Die Klägerin ermittelte ihre Einkünfte als selbständige Erzieherin für das Streitjahr im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Sie berücksichtigte darin die empfangenen Honorare als Einnahmen (37.372 €) und die übrigen Beträge (die Sachkostenpauschale sowie das weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld) als durchlaufende Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG. Nach Abzug von Betriebsausgaben in Höhe von 12.589,40 € ergab sich ein Gewinn in Höhe von 24.782 €.
7
In der Veranlagung für das Streitjahr machte die Klägerin geltend, die von der GmbH gezahlten Honorare seien gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfrei. Zur Begründung berief sie sich auf die Senatsurteile vom 05.11.2014 – VIII R 27/11 (BFH/NV 2015, 960) und VIII R 29/11 (BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432).
8
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) folgte dem nicht. Er setzte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 29.12.2017 den erklärten Gewinn bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit an.
9
Das FG wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Die Begründung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1828 mitgeteilt.
10
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Sie habe ihre Honorare aus öffentlichen Mitteln erhalten und auch die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt.
11
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 28.03.2019 – 12 K 3393/18 E, die Einspruchsentscheidung vom 06.11.2018 und den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 29.12.2017 aufzuheben.
12
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
13
An den im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22.10.2018 – IV C 3 – S 2342/07/0001:138 (BStBl I 2018, 1109, unter E) dargestellten Kriterien für eine Zahlung von Pflegegeld aus öffentlichen Mitteln über einen Träger der freien Jugendhilfe an die Pflegeperson sei festzuhalten. Im Streitfall fehle es für die Annahme einer Zahlung aus öffentlichen Mitteln an einer Pflegegeldbewilligung des Jugendamts S gegenüber der Klägerin, einer eindeutigen und unmissverständlichen dreiseitigen vertraglichen Regelung zwischen Jugendamt, GmbH und der Klägerin zur Zahlung des Pflegegelds und an einer Vollmachtserteilung durch die Klägerin an die GmbH, mit der Entgegennahme und der Weiterleitung des Pflegegelds über diese einverstanden zu sein.
14
Der Senat hat der Klägerin für die Dauer des Revisionsverfahrens die Aussetzung der Vollziehung gewährt (Senatsbeschluss vom 10.12.2019 – VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357).


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