Strafrecht

1 WB 26/21

Aktenzeichen  1 WB 26/21

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B1WB26.21.0
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in einer einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1).
2
Der … geborene Antragsteller ist ehemaliger Soldat auf Zeit. Er trat zum 1. Juli 2020 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 1. Dezember 2020 wurde er im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Feststellung eines Sicherheitsrisikos wegen fehlender Eignung nach § 55 Abs. 4 SG aus dem Dienstverhältnis entlassen. Das hiergegen anhängige Beschwerdeverfahren wurde wegen der Vorgreiflichkeit des hier anhängigen Verfahrens ausgesetzt.
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Vor seiner Bewerbung um eine Einstellung in die Bundeswehr vom 23. Juli 2019 wurde mehrfach gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit der Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen 2015 und 2019 strafrechtlich ermittelt:
Am 19. Januar 2015 nahm er an einer Gegenveranstaltung zu einer “MVGIDA” Demonstration in … teil. Ein wegen einer trotz mehrfacher polizeilicher Aufforderung nicht aufgelöste Blockade des Demonstrationszuges eingeleitetes Strafverfahren wegen des Verdachts einer Störung von Versammlungen und Aufzügen (§ 21 VersG) wurde nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt.
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Am 16. März 2015 nahm er an weiteren Gegenveranstaltung zu einer “MVGIDA” Demonstration teil. Bei dieser Gelegenheit trug er ein Megaphon und erzeugte in der Nähe eines Polizeibeamten durch eine Rückkoppelung ein lautes Geräusch. Ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zulasten des Beamten wurde nach § 47 Abs. 1 JGG durch das Amtsgericht eingestellt.
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Am 11. Januar 2019 nahm er an einer Gegenveranstaltung zu einer zum Thema “Unsere Heimat, unser Auftrag” angemeldeten Demonstration in … teil. Nachdem Polizeibeamte eine unter einem PKW platzierten Böller sichergestellt und eine flüchtende Personengruppe – darunter den Antragsteller – verfolgt hatten, wurde auch die Identität des Antragstellers festgestellt und dieser durchsucht. Der Antragsteller wurde – adressiert an seinen Nebenwohnsitz, den Wohnsitz seines Vaters in … – zu einer Beschuldigtenvernehmung wegen des Verdachts einer Straftat nach § 40 SprengG vorgeladen. Er erschien zu der Vernehmung nicht. Das Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Am 29. August 2019 beauftragte der Sicherheitsbeauftragte des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) mit der einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1). Am 11. August 2019 gab der Antragsteller hierzu eine Sicherheitserklärung ab. Am 3. März 2020 wurde der Antragsteller durch das BAMAD befragt.
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Nachdem das BAMAD die Feststellung eines Sicherheitsrisikos empfohlen hatte, lud der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller zu einer persönlichen Anhörung am 30. September 2020. Vor dieser Anhörung wurde er nach § 6 SÜG belehrt und erhielt Gelegenheit, die vorläufige Bewertung des Geheimschutzbeauftragten zu lesen. Diese referierte folgende sicherheitserhebliche Erkenntnisse:
“Sie haben zwischen 2015 und 2019 mehrmals an Gegendemonstrationen gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten in … teilgenommen. Hierbei wurden Sie erkennungsdienstlich erfasst. Gegen Sie wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet, u.a. wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (§§ 21 und 23 VersammlG), wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und wegen gefährlicher Körperverletzung.
Sie hatten u.a. Sitzblockaden errichtet, um den genehmigten Demonstrationszug zu gefährden, haben mit Ihrem Megaphon die Menge zur Missachtung der polizeilichen Anweisungen aufgefordert und mit dem Megaphon Störgeräusche erzeugt, die zu Verletzungen Dritter geführt haben. Zudem standen Sie im Verdacht, verbotene sog. ‘Polenböller’ mit sich geführt zu haben. Im Zusammenhang mit den Demonstrationen haben Sie gegen Polizisten Anzeigen gestellt.
Das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wurde durch das Amtsgericht … am 30.01.2016 gemäß § 47 Abs. 1. Jugendgerichtsgesetz (JGG) i. V. m. § 153 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt; mit einer vorherigen Erledigung gemäß § 45 Abs. 1 JGG erklärten Sie sich nicht einverstanden, da Sie sich keiner Schuld bewusst gewesen seien.
Ihr Internetprofil weist eine Nähe und ein Sympathisantentum mit dem linksextremistischen Spektrum auf. Hier finden sich u.a. ‘Likes’ zum Thema ‘ANTIFA’, ‘ACAB’, ‘FUCK G20’. Angehörige der autonomen Szene und der ANTIFA sind Ihnen persönlich bekannt.
Nach Besprechung zweier Strafverfahren aus dem Jahr 2015 haben Sie gegenüber dem MAD dessen Nachfrage nach weiteren Strafverfahren verneint. Sie gaben zudem an, seit 2015 nicht mehr an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Erst auf konkreten Vorhalt des Aufzugs ‘Unsere Heimat, unser Auftrag!’ im Jahr 2019 konnten Sie sich an dieses Ereignis erinnern.
Gegenüber dem MAD äußerten Sie, dass Sie die Bundeswehr für einen Magneten für rechtsnationale Menschen hielten.”
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Hiernach sei beabsichtigt, ein Sicherheitsrisiko wegen Zweifeln am Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung festzustellen. Die Teilnahme an linksextremistisch ausgerichteten Veranstaltungen, das Verhalten des Antragstellers in diesem Zusammenhang, sein Internetprofil und die Bekanntschaft mit Angehörigen der autonomen Szene und der Antifa lasse Sympathien für die linksextremistische Ideologie erkennen. Zudem habe er die Teilnahme an der Demonstration 2019 und das Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz zunächst nicht offenbart. Dass er sich hieran nicht habe erinnern können, sei zweifelhaft. Er habe mutmaßlich versucht, die Verhaftung im linksextremen Spektrum zu verheimlichen. Wegen der Nähe zum linksextremistischen Bereich müsse seine Ausbildung an Kriegswaffen verhindert werden.
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Hierzu hat sich der Antragsteller in seiner persönlichen Anhörung umfassend geäußert und insbesondere zu seinen Beiträgen in sozialen Netzwerken im Internet, seiner Teilnahme an den angeführten Demonstrationen und den Strafverfahren sowie seinen Kontakten in die “linke Szene” ausführlich Stellung genommen.
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Unter dem 12. Oktober 2020 stellte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt der Bundeswehr fest, dass die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Mit Schreiben vom selben Tag, dem Antragsteller am 15. Oktober 2020 ausgehändigt, wurde ihm mitgeteilt, dass die Sicherheitsprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden sei.
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Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers ergäben sich daraus, dass er im Sicherheitsüberprüfungsverfahren unwahre Angaben gemacht habe. Er habe in der Befragung durch den MAD angegeben, seit 2015 kein Strafverfahren mehr gehabt zu haben. In der Befragung durch den Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt habe er die Geschehens- und Verfahrensabläufe abweichend von den Polizeiakten geschildert. Er habe die Wahrheitspflicht missachtet, um negative Auswirkungen auf sein Sicherheitsüberprüfungsverfahren zu vermeiden. Dies zerstöre das für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit unerlässliche Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und setze seine Glaubwürdigkeit herab.
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Zudem bestünden Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, wegen derer dem Sicherheitsinteresse nach § 14 Abs. 3 SÜG Vorrang einzuräumen sei. Trotz für ihn sprechender Aspekte blieben Zweifel, dass er zu weit am Rand des linken Spektrums agiert oder mit den Ideologien des Linksextremismus sympathisiert haben könnte. Seine Darstellung des Vorfalls bei der Demonstration 2019 enthalte Widersprüche, sei unglaubwürdig und verharmlose die Vorkommnisse. Seine Distanzierung von gewaltbereiten Mitstreitern sei nicht glaubhaft. Eine Stellungnahme im Internet, der Versuch, den Vorfall 2019 zu verheimlichen und dann zu verharmlosen, zeigten, dass der Antragsteller sich der Bedeutung dieser Umstände für die Prüfung bewusst sei. Sein Verhalten und die zeitlichen Abläufe sprächen gegen eine ausreichende Distanzierung zur linksextremen Szene und ihrer Ideologie. Da die Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung schwer wögen und für sich bereits ausreichten, um dem Antragsteller die Waffenausbildung zu versagen, komme es entscheidend nicht mehr auf seine Unzuverlässigkeit an. Eine positive Prognose sei derzeit nicht möglich.
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Am 26. Oktober 2020 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein. Die Entscheidung gehe teilweise von einem unrichtigen Sachverhalt aus, verkenne allgemeine Wertungsmaßstäbe grob und stelle sachfremde Erwägungen an. Dass ihm die Niederschrift zu der Anhörung vom 30. September 2020 nicht ausgehändigt worden sei, sei verfahrensfehlerhaft. Von dem Ermittlungsverfahren 2019 habe er erst erfahren, als ihm dies vom MAD vorgehalten worden sei. Die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung habe ihn nicht erreicht. Dass es keine Mitteilung der Verfahrenseinstellung gegeben habe, sei aktenkundig. Er habe gegenüber dem MAD auch nicht eingeräumt, 2019 zu einer polizeilichen Vernehmung geladen, aber nicht erschienen zu sein. Der Geheimschutzbeauftragte vermenge Angaben des Betroffenen zum Jahr 2019 mit Umständen aus 2015. Wertungen aus seinem Verteidigungsverhalten 2015 seien sachwidrig und irrational. Der Vorwurf, zu weit am Rand des linken Spektrums agiert und mit linksextremistischen Ideologien sympathisiert zu haben, entbehre jeder Grundlage. Er habe an Gegendemonstrationen gegen Feinde der Demokratie teilgenommen. Dass es zu Wortwechseln mit linksextremen Gegendemonstranten gekommen sei, sei nachvollziehbar. Er habe dem schwarzen Block nicht angehört und sei nie gewaltbereit aufgetreten. Die angeblichen Widersprüche seien konstruiert und überspitzt. Ihm vorzuwerfen, dass es auch gewaltbereite Gegendemonstranten gegeben habe, zeige ein defizitäres Grundrechtsverständnis. Seine Vita, sein politisches Engagement und sein Auftreten als Soldat würden seine Ablehnung von Extremismus verdeutlichen.
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Mit Beschwerdebescheid vom 3. März 2021, dem Antragsteller am 10. März 2021 zugestellt, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Sie sei unbegründet. Ein Anspruch auf Aushändigung eines Protokolls der Anhörung bestehe nicht. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos entspreche der Sach- und Rechtslage. Der Antragsteller habe von den strafrechtlichen Ermittlungen 2019 gegen ihn Kenntnis gehabt und diese bei der Sicherheitsüberprüfung bewusst verschwiegen. Die Ladung zu der polizeilichen Anhörung habe er dem MAD gegenüber eingeräumt. Von einer Verwechselung könne nicht ausgegangen werden. Dass keine Mitteilung über die Verfahrenseinstellung erfolgt sei, sei unerheblich. Maßgeblich sei die Ladung zur Vernehmung. Diese sei wirksam am Nebenwohnsitz bekannt gegeben worden. Dies müsse er sich zurechnen lassen. Es sei davon auszugehen, dass er seine Studienwohnung spätestens mit Semesterbeginn aufgesucht und die Post dort vorgefunden habe. Dass er damit die Wahrheitspflicht zugunsten seiner Privatinteressen missachtet habe, genüge um ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG zu begründen. Die Tatvorwürfe der Strafverfahren aus 2015 seien nicht entscheidungserheblich. Darüber hinaus bestünden Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG. Er lasse keine glaubhafte Distanzierung vom linksextremen, gewaltbereiten Spektrum erkennen. Hierfür sprächen die jahrelange Teilnahme an Demonstrationen aus dem linken Spektrum und die drei Strafverfahren in diesem Zusammenhang. Dass er keine Straftaten begangen habe, sei unerheblich. Hinzu komme das wahrheitswidrige Verschweigen des Strafverfahrens 2019. Seinen Einlassungen zu diesem Vorfall widerspreche der Polizeibericht. Beim MAD habe er eingeräumt, vor der Personenkontrolle Kontakt mit Angehörigen der ANTIFA gehabt zu haben, was er beim Geheimschutzbeauftragten verschwiegen habe. Seine Angaben zu der Demonstration seien unglaubhaft. Er habe sich im Bereich des schwarzen Blocks aufgehalten und sei auf den ersten Blick ein Teil desselben gewesen. Damit habe er aus freier Entscheidung den Schulterschluss zu gewaltbereiten Gruppen gesucht. Zu einer hinreichenden Distanzierung von gewaltbereiten extremistischen Strukturen sei es nicht gekommen. Die linksextremistische Szene verharmlose er damit. Wegen der dadurch begründeten Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung komme der Zweifelssatz des § 14 Abs. 3 SÜG zur Anwendung.
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Hiergegen hat der Antragsteller am 22. März 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 11. Mai 2021 dem Senat vorgelegt.
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Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein Beschwerdevorbringen. Er macht insbesondere geltend, von dem Strafverfahren 2019 erst in der Anhörung durch den MAD erfahren zu haben. Auf dessen Vorhalt habe er die offenkundig existente Ladung eingeräumt. Sie habe ihn aber zuvor auch an seinem Zweitwohnsitz nicht erreicht. Hierfür habe er die Vernehmung des Wohnungsinhabers als Beleg angeboten. Von einer wirksamen Bekanntgabe am Zweitwohnsitz sei nur auszugehen, wenn die Ladung dort auch zugehe. Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ließen sich nicht aus der Teilnahme an Demonstrationen gegen Gruppierungen, die demokratisch legitimierte Verfassungsorgane als Feinde der Demokratie bezeichneten, ableiten. Die Einleitung von Ermittlungsverfahren rechtfertige dies auch nicht. Die Entscheidung sei sachwidrig auf einen im Ermittlungsverfahren nicht bestätigten und fehlerhaften Polizeibericht gestützt worden. Das aktenkundige politische und soziale Engagement des Antragstellers zeige sein ausgeprägtes Demokratieverständnis fern von extremistischen Tendenzen. Die Feststellung des Sicherheitsrisikos sei von einem vorläufigen Votum des MAD ausgegangen, das sich in dessen Ermittlungen nicht bestätigt habe. Nach Aussage einer Mitarbeiterin der Fachabteilung Extremismusabwehr des MAD in einem Gespräch vom 5. Mai 2021 seien entsprechende Vorwürfe gegen ihn haltlos. Die Beiziehung der Niederschrift dieses Gesprächs und die Vernehmung der entsprechenden Mitarbeiter der Fachabteilung Extremismusabwehr des MAD werde angeregt.
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Der Antragsteller beantragt,
die Feststellung des Sicherheitsrisikos durch den Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 12. Oktober 2020 und den Beschwerdebescheid vom 3. März 2021 aufzuheben.
18
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
19
Die wegen der unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren festgestellte Unzuverlässigkeit des Antragstellers sei für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos hinreichend. Auch die Bedenken gegen sein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung stützten die angefochtenen Entscheidungen. Der Antragsteller habe weder die Unkenntnis von der Ladung zu der polizeilichen Vernehmung 2019 dargelegt noch seine Anwesenheit im schwarzen Block der Gegendemonstration 2019 widerlegt. Er habe selbst vorgetragen, die Kenntnis der Ladung dem MAD gegenüber einräumen zu können, sodass von einer Kenntnis der Ladung auszugehen sei. Er habe diese Kenntnis erst eingeräumt, als er einer unwahren Angabe überführt worden sei und damit die Wahrheitspflicht zugunsten seiner Privatinteressen missachtet. Ihm werde nicht die Teilnahme an der Gegendemonstration vorgeworfen, sondern der Aufenthalt im schwarzen Block, der seine Distanzierung von gewaltbereiten linksextremen Gruppierungen unglaubhaft mache. Durch die Differenzierung zwischen gewaltbereiten und nicht gewaltbereiten Teilen des schwarzen Blockes verharmlose er die linksextremistische Szene. Wer sich in den schwarzen Block einreihe, akzeptiere die dort vertretene Ideologie. Erschwerend wirke, dass der Antragsteller über Jahre hinweg freiwillig den Schulterschluss mit teils gewaltbereiten Gruppen gesucht habe. Damit bestünden Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, die eine Teilnahme an der Waffenausbildung ausschlössen. Derzeit biete er nicht die Gewähr dafür, schutzwürdige Interessen des Dienstherrn zu wahren. Sein Verhalten sei vom Versuch, sein Fehlverhalten zu verbergen, geprägt. Dies offenbare Charaktermängel, die sich nicht mit dem Einsatz in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten vereinbaren ließen. Die Befragung des Antragstellers durch den MAD am 5. Mai 2021 habe keine Relevanz für dieses Verfahren.
20
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

21
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
22
1. Der Antrag ist zulässig.
23
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt, wonach die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) Umstände ergeben hat, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. April 2019 – 1 WB 3.19 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dass das Wehrdienstverhältnis des Antragstellers durch die – trotz der Beschwerde nach § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO wirksame – Entlassung beendet wurde, steht der Zulässigkeit seines Antrages nicht entgegen (§ 1 Abs. 3 WBO).
24
Für den Antrag ist auch das Rechtsschutzinteresse nicht durch die Entlassung des Antragstellers entfallen. Denn auch hiergegen führt der Antragsteller ein Rechtsmittel, das im Hinblick auf die Entscheidung in dem vorliegenden Verfahren ausgesetzt worden ist.
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2. Der Antrag ist aber unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt der Bundeswehr vom 12. Oktober 2020 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 3. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
26
a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesministerium der Verteidigung beim Senat (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 35), hier mithin der 11. Mai 2021. Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 – 1 WDS-VR 7.07 – Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 Rn. 23; vom 30. Januar 2014 – 1 WB 47.13 – juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 – 1 WB 3.19 – juris Rn. 22).
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Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m.w.N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle – hier: dem Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt (Nr. 2418 ZDv A-1130/3) -, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
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Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m.w.N.).
29
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine “Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 – 1 WB 58.11 – juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 ).
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b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SÜG, Nr. 2418 ZDv A-1130/3) formell ordnungsgemäß erfolgt und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Bei der Sicherheitsüberprüfung wurde nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Insbesondere hatte der Antragsteller Gelegenheit – und hat hiervon auch Gebrauch gemacht -, sich vor der Feststellung des Sicherheitsrisikos persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i.V.m. § 6 Abs. 1 SÜG; vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 1 WB 57.12 – BVerwGE 148, 267 Rn. 54 ff.). Soweit die Gründe der Entscheidung durch das Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung um weitere Ausführungen ergänzt wurden, ist dies mit Zustimmung des Geheimschutzbeauftragten erfolgt; eine erneute Anhörung des Antragstellers hierzu war nicht erforderlich, weil keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen in das Verfahren eingeführt, vielmehr lediglich die Schlussfolgerungen aus diesen und die in die Ausübung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeflossenen Erwägungen erläutert und ergänzt wurden.
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Die angegriffenen Bescheide sind auch nicht deswegen rechtswidrig, weil dem Antragsteller keine Niederschrift seiner Anhörungen durch den MAD oder den Geheimschutzbeauftragten ausgehändigt wurden. Das Bundesministerium der Verteidigung führt zutreffend aus, dass es keinen Anspruch auf Aushändigung einer solchen Niederschrift gibt. Im Beschwerdeverfahren ist dem Antragsteller antragsgemäß Akteneinsicht gewährt worden. Damit ist seinem Anspruch auf Eröffnung der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes genügt.
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bb) Zwar hat der Geheimschutzbeauftragte den ihm zukommenden Spielraum überschritten, soweit er seine Bewertung auf Zweifel am Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG) stützt.
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Auf eine abweichende Einschätzung der Fachabteilung Extremismusabwehr des MAD kommt es entgegen der Einschätzung des Antragstellers allerdings nicht an. Diese Einschätzung ist für die Entscheidung in diesem Fall unerheblich, weil eine eigenständige Bewertung des Geheimschutzbeauftragten in Rede steht, die von der Bewertung anderer Dienststellen abweichen kann. Es bedarf daher auch nicht der vom Antragsteller angeregten Zeugenvernehmung.
35
(1) Es ist bereits zweifelhaft, ob der Geheimschutzbeauftragte den gesetzlichen Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG wahrt, wenn er aus der mangelnden Abgrenzung eines Demonstrationsteilnehmers, der selbst keine Straftat begangen hat, vom linksextremistischen, gewaltbereiten Spektrum bzw. dem “Schwarzen Block” einer Demonstration Indizien für die fehlende Bereitschaft, jederzeit für die Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten, ableitet.
36
(2) Jedenfalls geht der Geheimschutzbeauftragte nicht von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt aus, wenn er dem Antragsteller eine Nähe zu linksextremen und gewaltbereiten Gruppierungen attestiert, die ihn zu einer deutlichen Distanzierung von entsprechenden Bestrebungen verpflichtet hätten.
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(a) Unstreitig hat der Antragsteller 2015 zweimal und 2019 einmal an Gegendemonstrationen zu Demonstrationen von Gruppierungen des rechtsextremen Spektrums teilgenommen. Er hat bei diesen Gelegenheiten selbst keine Straftaten begangen. Drei gegen ihn im Zusammenhang mit den Demonstrationen eingeleitete Strafverfahren sind eingestellt worden. Dass der Antragsteller ein “gesundes Verständnis von Demokratie und gesellschaftspolitischer Verpflichtung” in der Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten gezeigt und die Ablehnung rechtsextremistischer Tendenzen glaubhaft gemacht hat, hält ihm der Dienstherr ausdrücklich zugute.
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(b) Die damit festgestellten äußeren und inneren Tatsachen rechtfertigen den Schluss auf eine Nähe des Antragstellers zu linksextremistischen gewaltbereiten Bestrebungen nicht.
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Die Teilnahme an nicht verbotenen Demonstrationen als solche kann schon deshalb nicht als Anhaltspunkt für eine gewaltbereite verfassungsfeindliche Einstellung gewertet werden, weil der Antragsteller damit von seinen Grundrechten auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch macht. Dies deutet nicht auf die Nähe zu verfassungsfeindlichen Gruppierungen hin.
40
Dass gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit Demonstrationsteilnahmen strafrechtlich ermittelt worden ist, ist wegen der Unschuldsvermutung kein hinreichendes Indiz für eine Nähe zu gewalttätigen Demonstrationsteilnehmern. Dies gilt auch für das Verteidigungsverhalten des Antragstellers und seines damaligen Bevollmächtigten. Die Nähe zu gewaltbereiten, die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnenden Kreisen indiziert auch nicht der Umstand, dass der Antragsteller selbst 2015 Strafanzeigen gegen Polizisten gestellt hatte. Denn damit macht er von einem durch die freiheitlich demokratische Grundordnung zur Verfügung gestellten Rechtsschutzinstrument Gebrauch und erkennt sie damit an.
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Entgegen der Einschätzung des Geheimschutzbeauftragten deutet auch eine von Polizeiberichten abweichende Beschreibung der Geschehensabläufe der Demonstration 2019 nicht mit der gebotenen Sicherheit auf eine Nähe zu linksextremen Gewalttätern. Insbesondere darf wegen der Unschuldsvermutung nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller Rädelsführer einer Gruppe war, deren Mitglieder Straftaten nach dem Sprengstoffgesetz begangen haben. Dass die ermittelnden Polizisten während des Einsatzes einen entsprechenden Eindruck hatten, hat das Strafverfahren gegen den Antragsteller gerade nicht bestätigt. Seine Einlassungen in der Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten, sind durch den Polizeibericht zu der Strafanzeige gegen ihn nicht widerlegt. Dort ist nur festgehalten, dass er Teil einer Personengruppe war, die vor Polizeibeamten weglief und deren Personalien deshalb nach einer Durchsuchung mitgeführter Gegenstände festgestellt wurden. Hierbei war weder festgestellt worden, dass der Antragsteller strafrechtlich relevante Gegenstände bei sich führte, noch, dass er zuvor im Besitz eines in der Umgebung aufgefundenen, aber nicht detonierten “Polenböllers” gewesen ist. Es ist auch nicht festgehalten, dass er ein Näheverhältnis zu den gleichzeitig mit ihm kontrollierten vier weiteren Personen oder der größeren, vor der Polizei weglaufenden Personengruppe gehabt hatte.
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Dass der Antragsteller auf den in Rede stehenden Demonstrationen – wie er einräumt – Gespräche mit Mitgliedern der ANTIFA und der autonomen Szene geführt hat, erlaubt ebenfalls nicht den Schluss, er sei gewaltbereiten linksextremen Kreisen zuzurechnen. Solche Gespräche lassen sich – wie der Antragsteller unwiderlegt vorträgt – aus dem Nebeneinander bei den in Rede stehenden Demonstrationen erklären, ohne dass notwendig eine gemeinschaftliche Gewaltbereitschaft bestanden haben muss.
43
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Aussagen des Antragstellers zum “Schwarzen Block” während der Befragung durch den Geheimschutzbeauftragten. Es bedarf keiner Feststellung, ob der Antragsteller tatsächlich die von ihm im gerichtlichen Verfahren bestrittene Differenzierung zwischen einem gewaltbereiten und einem nicht gewaltbereiten Teil des “Schwarzen Blockes” vorgebracht hat. Denn selbst wenn er eine solche – abwegige – Sichtweise geäußert hätte, indiziert dies nicht, dass er selbst zum “Schwarzen Block” gehört oder dessen gewalttätige Aktivitäten billigt bzw. unterstützt.
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Auch der Umstand, dass sich seine Einstellung gegenüber der Anwendung von Gewalt gewandelt hat, ist nicht geeignet, seine Nähe zu linksextremistischen Bestrebungen zu indizieren. Denn damit hat der Antragsteller die Motivation seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr erläutert und zu keinem Zeitpunkt Gewaltanwendung linksextremer Gruppen gerechtfertigt.
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Auch bei einer Gesamtschau aller vom Geheimschutzbeauftragten angeführten Aspekte ist eine Nähe des Antragstellers jedenfalls zu gewaltbereiten linksextremen Gruppierungen nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar.
46
cc) Die für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nach Maßgabe des Beschwerdebescheides auch selbständig tragenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) rechtfertigen die Entscheidung im Ergebnis jedoch. Der Dienstherr leitet die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers zutreffend aus dessen vorsätzlichen Falschangaben zum Strafverfahren 2019 ab. Unter Berücksichtigung seines Beurteilungsspielraums genügen die Feststellungen des Geheimschutzbeauftragten zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG und die hieran anknüpfende Prognose den oben geschilderten Anforderungen.
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(1) Falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sind grundsätzlich geeignet, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG nach sich zu ziehen (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 – 1 WB 24.17 – NVwZ 2019, 65 Leitsatz und Rn. 30 ff. m.w.N. und vom 18. Dezember 2019 – 1 WB 6.19 – juris Rn. 39).
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(2) Soweit der Geheimschutzbeauftragte seiner Einschätzung zu einem Sicherheitsrisiko gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG vorsätzlich falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren zugrunde legt, geht er auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers vom 25. November 2021 zu der Niederschrift von dessen Befragung durch den MAD am 3. März 2020 von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt aus.
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Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Niederschrift und der Stellungnahme des Antragstellers hat dieser nach der Erörterung der Demonstrationen und Strafverfahren 2015 auf mehrfache Nachfrage des MAD ausgeführt, weitere Strafanzeigen seien ihm nicht bekannt und er sei nach 2015 nicht mehr auf einer Demonstration gewesen. Erst auf konkreten Vorhalt hat er die Geschehnisse 2019 eingeräumt. Der Geheimschutzbeauftragte hat dieses Aussageverhalten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als unwahre Angabe im Ermittlungsverfahren gewertet und geht zutreffend davon aus, dass der Antragsteller Kenntnis von dem gegen ihn 2019 geführten Strafverfahren und dieses bewusst verschwiegen hatte.
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Dass dem Antragsteller die aktenkundig an seinen Zweitwohnsitz versandte Ladung zu der polizeilichen Vernehmung 2019 bekannt gewesen war, durfte rechtsfehlerfrei aus dessen in der Niederschrift protokollierten Einlassung beim MAD geschlossen werden, er sei postalisch zur Anhörung auf die Wache geladen worden, habe den Termin aber nicht wahrgenommen, weil er sich keiner Schuld bewusst und aufgrund der Geschichte mit der letzten Strafanzeige 2015 große Bedenken gehabt habe. Hat sich der Antragsteller hiernach überlegt, ob er der Vorladung Folge leisten soll oder nicht, muss er den Anlass für diese Überlegung – die Ladung – gekannt haben. Zwar hat er in seiner Stellungnahme zu dem Befragungsbericht des MAD bestritten, die dort niedergelegten Aussagen getätigt zu haben. Dieses Bestreiten ist aber nicht glaubhaft. Zum einen gibt der Befragungsbericht einen in sich stimmigen und widerspruchsfreien Ablauf der Befragung zu den Vorkommnissen 2019 wieder, der an keiner Stelle auf Missverständnisse zwischen dem Antragsteller und den Befragern hindeutet. Zum anderen ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Protokollverfasser die Aussagen des Antragstellers bewusst verfälschen und somit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begehen sollte. Es liegt entgegen der Einschätzung des Antragstellers auch fern, dass sich aus der Aktenlage ergebende Aussagen zu den Verfahren 2015 mit Aussagen zu dem Verfahren 2019 verwechselt worden sein könnten. 2015 hatte sich der Antragsteller aktenkundig auf die polizeilichen Vorladungen nämlich nicht so verhalten wie 2019. Er hatte vielmehr zu dem Vorfall im Januar 2015 schriftlich Stellung genommen und zu dem Vorfall im März durch einen Anwalt vortragen lassen, dass er den Termin nicht wahrnehmen werde.
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Dagegen sind die Einlassungen des Antragstellers zu der Demonstration 2019 und den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn nach Durchsicht seiner schriftsätzlich durch den Bevollmächtigten und ihn selbst niedergelegten Einlassungen und den Protokollniederschriften durchgängig von dem Bestreben geprägt, die Bedeutung der Vorfälle des Jahres 2019 herunterzuspielen und sich so selbst vor den Auswirkungen der Zwischenfälle auf seine berufliche Zukunft zu schützen. Es ist unglaubhaft, dass der Antragsteller seine eigene Teilnahme an einer Demonstration ca. ein halbes Jahr vor seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr vergessen haben könnte, obwohl er bei dieser Demonstration von Polizeibeamten verfolgt, etwa eine Stunde lang festgehalten, auf illegale Pyrotechnik durchsucht und befragt worden war. Wer sich in der Befragung durch den MAD erst auf konkreten Vorhalt an ein für einen unbescholtenen Studenten ungewohntes und emotional aufregendes Ereignis erinnern zu können behauptet, erweckt den Eindruck, der Konfrontation mit diesem Vorfall in der Befragung ausweichen zu wollen und weckt dadurch Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben. Diese Verletzung von Mitwirkungspflichten erschüttert das Vertrauen in seine Glaubwürdigkeit durchgreifend und rechtfertigt die Bewertung seines Bestreitens der Kenntnis von der Ladung als bloße Schutzbehauptung und bewusste Unwahrheit.
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Es bedarf auch keiner Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung des Inhabers der Wohnung, in der der Antragsteller seinen Zweitwohnsitz hat. Es liegt kein formgerechter Beweisantrag vor. Der Antragsteller hat keine konkrete Tatsachenbehauptung in das Wissen des – von ihm noch nicht einmal namentlich benannten – möglichen Zeugen gestellt, sodass keine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist. Mangels ausreichender konkreter Anhaltspunkte für eine – nicht einmal konkretisierte und damit auch nicht auf ihre Erheblichkeit überprüfbare – Behauptung ist dem in keiner Weise substantiierten Beweisangebot nicht nachzugehen. Dies verlangt auch der Amtsermittlungsgrundsatz nicht. Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträgen, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken könnte, brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 1995 – 11 B 21.95 – juris Rn. 4 und vom 26. Juni 2017 – 6 B 54.16 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 76 Rn. 7).
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(3) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass aus den unwahren Angaben im Sicherheitsermittlungsverfahren prognostisch auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen wurde und dass der damit einhergehenden Gefährdung von Sicherheitsinteressen Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gegeben wurde.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 WB 13.10 – Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 – 1 WB 24.17 – NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können. Hiernach sind rechtsfehlerfrei die vorsätzlichen Falschangaben des Antragstellers im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung für die Prognose des Geheimschutzbeauftragten ausgewertet worden. Sein Aussageverhalten begründet nachvollziehbare Zweifel an der uneingeschränkten Bereitschaft des Antragstellers wahrheitsgemäß Auskunft über seinen Umgang mit geheimhaltungsbedürftigem Material zu erteilen und vorbehaltlos an der Aufklärung von möglichem Fehlverhalten in diesem Zusammenhang mitzuarbeiten. Diese Zweifel rechtfertigen es auch, ihn von der seine Zuverlässigkeit voraussetzenden Waffenausbildung fernzuhalten.
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Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen (Nr. 2605 Abs. 1 und 2602 ZDv A-1130/3) oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen (Nr. 2608 ZDv A-1130/3), sind weder vom Antragsteller aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Insoweit ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG, Nr. 2605 Abs. 4 ZDv A-1130/3). Es sind auch keine für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine Verkürzung der grundsätzlich fünfjährigen Wirkungsdauer der Feststellung (Nr. 2609 ZDv A-1130/3) auf drei Jahre verlangen würden.


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