Strafrecht

2 StR 352/20

Aktenzeichen  2 StR 352/20

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:040821B2STR352.20.0
Normen:
§ 283 StGB
Spruchkörper:
2. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Frankfurt, 27. Januar 2020, Az: 5/12 KLs 2/20

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2020 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte in den Fällen 5 bis 15 der Urteilsgründe verurteilt ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch und
c) soweit die Einziehung eines 90.000 € übersteigenden Wertes von Taterträgen angeordnet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges, wegen Untreue in Tateinheit mit Bankrott in zwölf Fällen sowie wegen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen zu vier Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 98.700 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) in den Fällen 5 bis 15 der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
3
a) Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der A.                GmbH & Co KG (im Folgenden: A.  KG), deren Kommanditanteile von der M.               AG gehalten wurden, deren Alleinaktionärin wiederum die Tochter des Angeklagten war. Komplementärin war die A.                Verwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: A.   GmbH), deren Alleingesellschafterin die A.  KG war (sog. Einheitsgesellschaft). Die A.  KG hatte ein Konto bei der Commerzbank, wickelte ihren Zahlungsverkehr ab August 2015 aber über das bei der Deutschen Bank geführte Konto der A.  GmbH ab, die selbst keinen eigenen Geschäftsbetrieb führte.
4
Im Zeitraum zwischen 15. August 2016 und 23. September 2016 tätigte der Angeklagte in elf Fällen (Fälle 5 bis 15 der Urteilsgründe) „Entnahmen“ vom Konto der A.  GmbH, indem er sich an Geldautomaten Geldbeträge in Höhe von insgesamt 8.700 € auszahlen ließ, um diese für eigene, private Zwecke zu verwenden. Zu den genannten Zeitpunkten war die KG, deren Schulden stetig anwuchsen, nicht mehr in der Lage, ihre wesentlichen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ab Mai 2016 kam der Geschäftsbetrieb vollständig zum Erliegen. Auf Antrag vom 29. August 2016 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
5
b) Die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte in diesen Fällen „als Schuldner“ im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelte.
6
(1) Bei dem Tatbestand des Bankrotts nach § 283 StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt, dessen Täter nur der Schuldner sein kann. Ist dieser – wie hier – keine natürliche Person, kann die Schuldnereigenschaft einer natürlichen Person nach § 14 StGB (strafrechtlich) zugerechnet werden. Eine Zurechnung des besonderen persönlichen Merkmals der Schuldnereigenschaft kann auch im – hier rechtsfehlerfrei festgestellten – Fall faktischer Geschäftsführung über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfolgen (BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892), bei der GmbH & Co KG mittels einer doppelten Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 14 Rn. 80, 85).
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(2) Voraussetzung der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 StGB ist indes nicht nur eine entsprechende Organstellung des Handelnden, sondern auch, dass dieser „als” Organ oder Vertreter agierte. Entscheidend hierfür ist (nunmehr), dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen, und nicht bloß „bei Gelegenheit“ tätig wird; dabei kann zwischen rechtsgeschäftlichem und sonstigem Handeln zu differenzieren sein (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 − 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229, 237 mwN). Dies hat das Landgericht bei den Fällen 5 bis 15 der Urteilsgründe nicht erkennbar in den Blick genommen und so nicht bedacht, dass nicht bereits die rechtsgeschäftlich zu qualifizierenden Barabhebungen am Geldautomaten oder am Bankschalter zu einer Vermögensverschiebung führen. Denn der Bank gegenüber tritt der Angeklagte als Vertreter der A.  KG bzw. der A.  GmbH auf und die hierauf berechtigterweise vertrauende Bank leistet – schuldbefreiend – an diese (zum Ganzen vgl. Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski/Maihold, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 54 Rn. 33 f.; MüKo-HGB/Haertlein, 4. Aufl., Bankkartenverfahren, Rn. 183), nicht an den Angeklagten persönlich. Erst dessen nachfolgende – wenn auch von vornherein beabsichtigte – rein tatsächliche Verwendung für eigene Zwecke bewirkt (gleich einem „Griff in die Kasse“), dass Vermögen der Schuldnerin im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 12 StGB beiseitegeschafft wurde. Dass der Angeklagte, der nicht als vertretungsberechtigtes Organ, sondern – gleichsam wie ein Außenstehender – als natürliche (Privat-)Person agierte, auch insoweit mit Zustimmung handelte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892, 1894) oder ihm die Schuldnereigenschaft aus sonstigen Gründen zugerechnet werden könnte, ist weder festgestellt noch sonst durch den Gesamtzusammenhang der – insoweit sehr knappen – Urteilsgründe belegt.
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c) Dies muss die Aufhebung der tateinheitlich verwirklichten Untreue nach sich ziehen. Allerdings kann der Senat – ungeachtet der auf das Vermögen der KG abstellenden Betrachtungsweise des Landgerichts – ausschließen, dass den Gesellschaftern der A.  KG durch die Verwendung der durch Barabhebungen von Konten der A.  GmbH erlangten Geldbeträge kein Nachteil in entsprechender Höhe entstanden sein könnte (vgl. zur Untreue bei der Kommanditgesellschaft BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 ‒ 1 StR 532/12, NJW 2013, 3590, 3953 mwN; Beschluss vom 23. Februar 2012 ‒ 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38; Urteil vom 4. März 2020 – 5 StR 395/19, NStZ-RR 2020, 145).
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2. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 5 bis 15 der Urteilsgründe entzieht auch den Einzelstrafen und der Einziehungsentscheidung in diesen Fällen die Grundlage. Die weiteren Einzelstrafen und die weitergehende Einziehungsentscheidung haben indes Bestand. Sie weisen entgegen der Auffassung der Revision keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Insbesondere besorgt der Senat nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht, das Landgericht könnte das hohe Alter des Beschuldigten und die Auswirkungen der Strafe für sein weiteres Leben nicht ausreichend in den Blick genommen haben oder von einem unzutreffenden Schuldumfang ausgegangen sein.
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3. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 5 bis 15 der Urteilsgründe zieht ferner die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Dieser kann aber auch unabhängig davon keinen Bestand haben. Denn das Landgericht hat entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169 mwN), von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, eine Zäsurwirkung der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Tiergarten vom 7. Januar 2016 für die davor begangenen Straftaten (Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe) abgelehnt und nur eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Rechtsfehlerhaft hat sich das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – auch nicht mit der Erforderlichkeit eines Härteausgleichs im Hinblick auf die vollstreckte Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Fulda vom 15. Oktober 2014 auseinandergesetzt.
Franke     
        
Eschelbach     
        
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Schmidt      
   


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