Strafrecht

3 StR 454/21

Aktenzeichen  3 StR 454/21

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:220322B3STR454.21.0
Normen:
§ 53 Abs 1 StGB
§ 131 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b StGB
§ 131 Abs 1 S 1 Nr 2 StGB
§ 131 Abs 1 S 1 Nr 3 StGB
Spruchkörper:
3. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 24. Juni 2021, Az: III-2 StS 1/21

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Juni 2021 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in vier Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Gewaltdarstellung, wegen Gewaltdarstellung in sechs Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften und in einem Fall mit Besitz kinderpornographischer Schriften, sowie wegen Nötigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der Angeklagte rügt mit seiner nicht weiter ausgeführten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 120 Abs. 1 und 2 GVG ist in der gegebenen Konstellation nicht von Amts wegen zu klären. Eine solche Prüfung ist ungeachtet von §§ 269, 210 Abs. 1, § 336 Satz 2 StPO im Allgemeinen lediglich dann eröffnet und geboten, wenn die erstinstanzliche Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts nach Anklageerhebung durch den Generalbundesanwalt und mithin eine Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Bundes- und der Länderjustiz in Rede steht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 – 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 240 f., 247 f.; daran anschließend LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 269 Rn. 13; MüKoStPO/Moldenhauer, § 269 Rn. 9; SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 269 Rn. 10). Wesentliche Grundlage hierfür ist, dass insoweit nicht allein der hierarchische Gerichtsaufbau, sondern die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern betroffen ist. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Ermittlungsbehörde und das Gericht (vgl. § 120 Abs. 6 GVG), sondern auch auf die Zuständigkeiten für die Strafvollstreckung und das Gnadenrecht (vgl. BGH, aaO S. 241 ff.). Derartige Folgen ergeben sich indes nicht, wenn ein Oberlandesgericht aufgrund einer Anklage einer Generalstaatsanwaltschaft, mithin einer Staatsanwaltschaft des Landes, tätig wird. Daher hat sich der Bundesgerichtshof bei Revisionen gegen Urteile eines Oberlandesgerichts nach Anklageerhebung durch eine Generalstaatsanwaltschaft generell nicht von sich aus mit dessen sachlicher Zuständigkeit zu befassen. Inwieweit in Fällen objektiver Willkür anderes gelten kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2016 – 2 StR 159/15, BGHR StPO § 269 Unzuständigkeit 9 Rn. 15 ff. mwN; Beschluss vom 21. August 2019 – 3 StR 221/18, NStZ 2020, 291 Rn. 10), ist hier nicht näher zu erörtern, weil eine solche ersichtlich nicht vorliegt.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Urteilsgründen hinsichtlich einzelner Punkte für fraglich hält und eine Schuldspruchänderung beantragt hat.
4
a) Das Oberlandesgericht hat, soweit insofern von Belang, folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
Der Angeklagte speicherte auf seinem Mobiltelefon neun verschiedene – unter II. 3. a. aa. bis ii. der Urteilsgründe näher dargestellte – Videodateien, die entweder die Hinrichtung von Menschen oder das Abhacken eines Fingergliedes in einer heroischen, glorifizierenden Art zeigten. Er versandte in insgesamt zehn Fällen die Dateien, eine davon an zwei Personen. Empfänger der Dateien waren vier Mal eine Chatgruppe, zu der Minderjährige gehörten, und sechs Mal individuelle Minderjährige. Zwei dieser Empfänger sowie eine Angehörige der Chatgruppe wollte der Angeklagte im Übrigen durch weitere Bemühungen für eine Ausreise nach Syrien und einen gemeinsamen Anschluss an den “Islamischen Staat” (IS) gewinnen. Drei Videos übersandte er innerhalb rund einer Minute an die Chatgruppe.
6
Wegen dieses engen zeitlichen Zusammenhanges hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die drei Versendungen in Tateinheit stünden. Soweit der Angeklagte in zwei Fällen Videodateien an die für den IS geworbenen Personen geschickt habe, liege jeweils Tateinheit zwischen dem Werben um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland einerseits und der Gewaltdarstellung andererseits vor. Daneben verbleiben fünf weitere tatmehrheitliche Fälle der Gewaltdarstellung.
7
b) Diese rechtliche Würdigung enthält keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.
8
aa) Das vielfache Überlassen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) unterschiedlicher Videodateien zu verschiedenen Zeitpunkten steht grundsätzlich in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB). Dies gilt unabhängig davon, ob der Angeklagte mehrere versandte Dateien gleichzeitig im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Nr. 2 nF) StGB vorrätig hielt. Eine solche Vorbereitungshandlung wird nämlich durch ein tatsächliches Verwenden verdrängt (s. entsprechend zu § 130 Abs. 2, § 86a Abs. 1 StGB BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 3 StR 33/12, BGHR StGB § 130 Abs. 2 Verbreiten 2 Rn. 13; vgl. auch zu § 184b Abs. 1 StGB BGH, Beschlüsse vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09, juris Rn. 26; vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 21).
9
bb) Dass der Angeklagte sich in Bezug auf eine der Teilnehmerinnen der Chatgruppe ferner darum bemühte, sie für einen Anschluss an den IS zu gewinnen, begründet hier keine Tateinheit zwischen dem Werben für eine terroristische Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 5 Satz 2, Abs. 1, § 129b Satz 1 und 2 StGB und der Gewaltdarstellung nach § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StGB.
10
Nach den allgemeinen Maßstäben sind unterschiedliche Handlungen grundsätzlich für sich zu betrachten, sofern nicht ausnahmsweise (etwa nach dem jeweils in Betracht kommenden Tatbestand oder nach der Enge des Zusammenhangs) eine Bewertung als Tateinheit geboten ist. Selbst bei mehrfachem Werben liegt in der Regel Tatmehrheit vor (s. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2017 – AK 34/17, NStZ-RR 2017, 347, 348; vom 4. Juli 2019 – AK 33/19, juris Rn. 30; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Februar 2019 – AK 1/19, juris Rn. 11 ff., 30, 38). Dabei erfordert ein Werben im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB eine Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt (s. BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 197/14, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Werben 4 Rn. 11).
11
Daran gemessen handelt es sich um mehrere materiell-rechtliche Taten. Nach den konkreten Umständen ist das Übersenden eines nicht organisationsbezogenen Videos an die Chatgruppe kein Teilakt der eine konkrete Chatteilnehmerin betreffenden werbenden Tätigkeit. Das Video stellt für sich genommen keine Werbung für eine terroristische Vereinigung dar. Aus den Feststellungen ergibt sich weder ein Organisationsbezug noch eine entsprechende Kommentierung durch den Angeklagten. Überdies handelte es sich bei den vom Oberlandesgericht festgestellten Werbebemühungen um individuelle, auf einen Anschluss an den IS zielende Ansprachen der Minderjährigen zwischen dem 7. Februar und dem 26. März 2020. Demgegenüber richtete sich das am 28. März 2020 übersandte Video an die gesamte Chatgruppe aus elf Teilnehmern. Dass die Empfängerin das Video laut der Beweiswürdigung in einen Zusammenhang mit weiteren individuell erhaltenen Dateien gestellt hat, reicht nicht aus, die an die Gruppe weitergeleitete Gewaltdarstellung mit den die Zeugin betreffenden Werbebemühungen für den IS im Sinne einer Tateinheit zu verbinden.
12
cc) Schließlich ist die ausgeurteilte Anzahl von Gewaltdarstellungen zutreffend. Hierfür ist maßgeblich, dass der Angeklagte das in den Urteilsgründen unter II. 3. a. aa. dargestellte Video an zwei unterschiedliche Minderjährige –     B.   und     S.    – übersandte und damit zwei Mal überließ. Hieran ändert derselbe Inhalt nichts.
13
c) Der Senat kann die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss verwerfen; denn der Generalbundesanwalt hat lediglich eine Änderung des Schuldspruchs, nicht aber eine Aufhebung des Strafausspruchs beantragt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2019 – 3 StR 379/19, wistra 2020, 105 Rn. 11 mwN; vom 8. Juli 2009 – 1 StR 214/09, wistra 2009, 398).
Schäfer     
      
Wimmer     
      
Paul   
      
Anstötz     
      
Voigt     
      


Ähnliche Artikel


Nach oben