Strafrecht

Aberkennung der Inlandsgültigkeit einer tschechischen Fahrerlaubnis, Konsum von Amphetamin und Metamphetamin

Aktenzeichen  11 CS 22.348

Datum:
28.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6507
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 S. 2 und 3
FeV § 11 Abs. 7, 46 Abs. 5, Abs. 6 S. 2, 47 Abs. 2 S. 1, 2 und 3 Anlage 4 Nr. 9.1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 10 S 21.2069 2022-01-11 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Aberkennung der Inlandsgültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Vorlage seines Führerscheins.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Januar 2012 hat das Landratsamt Ansbach dem Antragsteller, der am 15. September 2011 ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss (Amphetamin und Metamphetamin) geführt hatte, die Fahrerlaubnis entzogen. Am 7. März 2016 erteilte ihm die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt O. (Tschechische Republik) eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B1 und B, die am 6. Februar 2017 auf die Klasse BE erweitert wurde. Überprüfungen des Landratsamts ergaben keinen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip.
Am 12. Juli 2021 führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug nach Konsum von Betäubungsmitteln. Die Blutprobe ergab folgende Werte: Amphetamin 84 μg/l, Metamphetamin mehr als 250 μg/l, THC 0,9 μg/l. Der hierzu erlassene Bußgeldbescheid vom 24. August 2021 ist seit 10. September 2021 rechtskräftig. Am 2. September 2021 wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle erneut eine Blutprobe beim Antragsteller entnommen, die folgende Werte ergab: Amphetamin 64 μg/l, Metamphetamin 146 μg/l.
Nach Anhörung erkannte das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Oktober 2021 unter Anordnung des Sofortvollzugs das Recht ab, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und verpflichtete ihn unter Androhung unmittelbaren Zwangs zur Vorlage seines Führerscheins, um einen Sperrvermerk anzubringen. Am 21. November 2021 stellte die Polizei den Führerschein sicher und übersandte ihn dem Landratsamt, das den Sperrvermerk am 21. Dezember 2021 angebracht hat.
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller Klage, über die das Verwaltungsgericht Ansbach noch nicht entschieden hat. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2022 abgelehnt. Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs sei der Antrag unzulässig, weil die Androhung sich mit der Vorlage des Führerscheins und Eintragung des Sperrvermerks erledigt habe. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die Aberkennung des Rechts, von der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, und die Aufforderung zur Vorlage des Führerscheins seien rechtmäßig. Das Landratsamt habe den angeordneten Sofortvollzug ausreichend begründet. Es habe den Antragsteller vor Bescheiderlass angehört. Dieser habe jedoch innerhalb der verlängerten Frist keine Stellungnahme abgegeben und auch nicht Akteneinsicht beantragt. Der Antragsteller sei aufgrund des Konsums von Amphetamin und Metamphetamin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für die darauf beruhende Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, komme dem Landratsamt kein Ermessensspielraum zu. Es stünden auch keine milderen Mittel zur Verfügung. Bei feststehender Ungeeignetheit komme die Einholung eines Gutachtens nicht in Betracht. Billigkeitserwägungen wie das Angewiesensein auf die Fahrerlaubnis könnten nicht berücksichtigt werden. Die Vorlageverpflichtung bezüglich des Führerscheins sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde lässt der Antragsteller ausführen, er sei nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es habe sich um einen sehr seltenen Konsum gehandelt. Der THC-Wert liege unter 1,0 ng/ml. Größere Ausfallerscheinungen seien nicht festgestellt worden. Der Antragsteller sei nicht drogenabhängig und könne Abstinenznachweise vorlegen. Da es sich um eine ausländische Fahrerlaubnis handele, komme eine Entziehung von vornherein nicht in Betracht. Die Maßnahme sei im Übrigen unverhältnismäßig und stelle eine unzumutbare Härte dar. Das Landratsamt habe von seinem Ermessensspielraum nicht oder in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Der Antragsteller sei dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen und verfüge über das erforderliche Trennungsvermögen hinsichtlich des Konsums von Betäubungsmitteln. Es liege kein Regelfall im Sinne der Vorbemerkung zur Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung vor. Es wären als mildere Mittel auch Auflagen wie beispielsweise die Anordnung eines ärztlichen Attests oder eines Gutachtens in Betracht gekommen. Im Übrigen sei der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt, weil ihm nicht rechtzeitig Akteneinsicht gewährt worden sei.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist nicht frei von Bedenken.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Anforderungen an die Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung orientieren sich an deren inhaltlicher Dichte (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a).
Die Beschwerdebegründung des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 17. Februar 2022 entspricht, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist, in weiten Teilen dessen Schriftsatz vom 25. November 2021 zur Begründung der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sie geht lediglich in wenigen Sätzen kurz auf die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein, ohne sich näher damit auseinanderzusetzen. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Beschwerde daher insgesamt unzulässig ist, da sie jedenfalls – ihre Zulässigkeit unterstellt – in der Sache keinen Erfolg hat. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
2. a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag hinsichtlich des angedrohten Zwangsmittels für die Vorlage des Führerscheins wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und dass der angefochtene Bescheid im Übrigen rechtmäßig ist. Formelle Verstöße sind nicht ersichtlich. Akteneinsicht gemäß Art. 29 BayVwVfG hat der bereits vor Bescheiderlass anwaltlich vertretene Antragsteller beim Landratsamt nicht beantragt und auch innerhalb der verlängerten Äußerungsfrist keine Stellungnahme abgegeben. Die erstmals mit der Klageerhebung beantragte Akteneinsicht hat das Verwaltungsgericht dem Bevollmächtigten des Antragstellers gewährt und ihm die Behördenakten mit Schreiben vom 27. Dezember 2021 zur Einsicht übersandt.
b) Der Bescheid ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat den Antragsteller zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen und ihm das Recht aberkannt, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erlischt (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FeV). Der Führerschein ist der Fahrerlaubnisbehörde zur Anbringung eines roten, schräg durchgestrichenen „D“ auf einem dafür geeigneten Feld vorzulegen (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 FeV).
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Metamphetamin und Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage II und III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper bzw. im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 19.11.2021 – 11 CS 21.2215 – juris Rn. 19; 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn 9 jeweils m.w.N.).
Der Antragsteller hat nicht nur (mehrfach) Metamphetamin und Amphetamin konsumiert, was allein schon zur Fahrungeeignetheit führt, sondern innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholt unter der Wirkung dieser berauschenden Mittel ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt. Seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen steht damit fest, ohne dass es hierzu einer ärztlichen Untersuchung oder einer sonstigen Begutachtung bedürfte. Auf die Höhe des zusätzlich festgestellten THC-Werts bei der Fahrt am 12. Juli 2021 kommt es damit ebenso wenig an wie darauf, ob Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, ob der Antragsteller drogenabhängig ist, ob er regelmäßig Betäubungsmittel konsumiert oder konsumiert hat oder ob er Abstinenznachweise vorlegen kann. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen, die am Vorliegen eines Regelfalls i.S.v. Nr. 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung zweifeln ließen mit der Folge, dass eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. der Aberkennung ihrer Inlandsgültigkeit hat die Fahrerlaubnisbehörde auch keinen Ermessensspielraum. Vielmehr ist bei feststehender Ungeeignetheit die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen bzw. ihre Inlandsungültigkeit abzuerkennen. Ob der Antragsteller auf die Fahrerlaubnis dringend angewiesen ist, spielt damit für die Entscheidung keine Rolle.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Fahrerlaubnisklasse AM ist in der Fahrerlaubnis der Klasse B enthalten (§ 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV) und wirkt sich daher ebenso wie die in Deutschland nicht gesondert vergebene Klasse B1 (vgl. Art. 4 Abs. 4 Buchst. a RL 2006/126/EG) nicht streitwerterhöhend aus.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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