Strafrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Aufhebung der Ausweisungsverfügung

Aktenzeichen  AN 5 K 17.02274

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7130
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § § 11 Abs. 1 S. 1, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1b, § 55

 

Leitsatz

1. Auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht können generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2019, 16744). Solche Gründen können in kontinuierlichen Verstößen gegen die Rechtsordnung liegen. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (st. Rspr. BVerwG NVwZ-RR 2013, 435), ohne dabei rechtlich an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte gebunden zu sein. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bedarf es der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (Anschluss an VGH München BeckRS 2015, 51945). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 27. September 2017 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung des Klägers ist ebenso wenig zu beanstanden wie das unter Ziffer II auf die Dauer von fünf Jahren befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot.
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 27. September 2017 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 25).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
Die Beklagte hat die Ausweisung unter anderem auf generalpräventive Gründe gestützt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das BVerwG hat zuletzt in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört der Kläger nicht zu den durch § 53 Abs. 3, 3a und 3b AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist.
Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet kontinuierlich gegen die Rechtsordnung verstoßen. Es ist sachgerecht, diesem Umstand mit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung zu begegnen. So ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften besteht und anderen Ausländern deutlich vor Augen geführt werden soll, dass ein Verhalten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen wird und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung mit allen rechtlichen Konsequenzen führt. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art abzuhalten.
Die Beklagte hat die Ausweisung zutreffend aber auch auf spezialpräventive Gründe gestützt. Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass von dem Kläger eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris, Rn. 18). Dabei sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris, Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v.4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht die Kammer mit der Beklagten davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Gefahrenprognose wird konkret durch das Verhalten des Klägers im Bundesgebiet getragen. Anlass für die Ausweisung sind die Strafbefehle des Amtsgerichts … vom 14. März 2016 wegen Diebstahls zu 10 Tagessätzen Geldstrafe, vom 13. Januar 2017 wegen Hausfriedensbruchs zu 10 Tagessätzen Geldstrafe, vom 3. Mai 2017 wegen vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu 60 Tagessätzen Geldstrafe sowie vom 17. Mai 2017 wegen Diebstahls zu 30 Tagessätzen Geldstrafe, wobei für die Strafbefehle vom 3. Mai 2017 und 17. Mai 2017 nachträglich eine Gesamtstrafe von 75 Tagessätzen gebildet worden ist. Der Kläger hatte in Supermärkten Ware geklaut, sich trotz Hausverbotes in einem Supermarkt aufgehalten sowie 2 Gramm Heroin erworben, um dieses später gewinnbringend zu verkaufen. Nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides wurde der Kläger durch das Amtsgericht … mit Urteil vom 8. Mai 2018 i.V.m. Urteil des Landgerichts … vom 24. Oktober 2018 wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in 8 Fällen und vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 7 Fällen und vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 5 Fällen, in 4 Fällen hiervon tateinheitlich mit vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger in einem Fall 0,21 Gramm Kräutermischungen mit sich geführt hatte und in den weiteren Fällen unterschiedliche Mengen Heroin (von 0,09 bis 5 Gramm) mit sich geführt, erworben oder gewinnbringend verkauft hatte. Das Landgericht … führte zur Strafzumessung aus, zu Gunsten des Klägers sei zu berücksichtigen gewesen, dass er sich geständig gezeigt habe und dass die Motivation zu den Taten in der Betäubungsmittelabhängigkeit zu sehen sei. Zu Lasten des Klägers wurden seine Vorstrafen und die Tatsache, dass er trotz polizeilicher Ermittlungen weiterhin Straftaten begangen habe, gewertet. Die Strafkammer bejahte das Vorliegen besonderer Umstände insbesondere wegen der hohen Zahl des delinquenten Verhaltens in kurzer Zeit, die es unerlässlich machten, eine Freiheitsstrafe zu verhängen (§ 47 Abs. 1 StGB), weil nur hierdurch die erforderliche Einwirkung auf den Kläger erreicht werden könne; durch Geldstrafe sei er nicht zu beeindrucken. Dabei verneinte sie die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung, da eine positive Legalprognose für den Kläger nicht zu stellen sei. Er sei schwer drogenabhängig und habe die Taten aufgrund seiner Drogenabhängigkeit begangen, welche noch nicht überwunden sei. Therapeutischen Maßnahmen habe er sich bisher nicht unterzogen. Zwar habe der Kläger während der Untersuchungshaft keine Betäubungsmittel konsumiert, jedoch sei davon auszugehen, dass er aufgrund seiner Lebensumstände nach seiner Haftentlassung seine Abstinenz nicht über längere Zeit fortführen könne und es deshalb zu neuen Straftaten kommen werde. Auch der psychiatrische Sachverständige Dr. … habe unter den gegebenen Umständen eine äußerst hohe Rückfallgeschwindigkeit prognostiziert. Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt führte die Strafkammer aus, dass zwar ein Hang i.S.d. § 64 StGB bestehe und die Gefahr drohe, dass der Kläger weitere erhebliche rechtswidrige Taten insbesondere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz begehen werde, jedoch bestehe nach den Ausführungen des Sachverständigen keine begründete Erwartung eines Behandlungserfolges. Unter anderem habe der Kläger erklärt, dass er eine Unterbringung nicht wünsche, um möglichst bald wieder in Freiheit zu sein.
Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte wie Betäubungsmitteldelikten an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, geht die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid daher zutreffend von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Insbesondere nach der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe handelt es sich bei dem abgeurteilten Betäubungsmitteldelikt um eine schwerwiegende Straftat, die typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft sind. Dies gilt insbesondere für den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden ist und in besonders schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährdet (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – juris Rn. 12). Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – juris Rn. 19). Bei Straftaten, die jedenfalls auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 – 10 C 14.2795 – juris Rn. 4; B.v. 21.2.2014 – 10 ZB 13.1861 – juris Rn. 6). Dies ist bislang nicht geschehen. Nach dem persönlichen Verhalten des Klägers muss daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Die vom Kläger weiterhin ausgehende Wiederholungsgefahr hat sich auch in den Verurteilungen durch das Amtsgericht … vom 25. Juni 2019 wegen wiederholtem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung in 3 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten und vom 21. November 2019 erneut wegen wiederholtem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten gezeigt. Den Verurteilungen lag zugrunde, dass sich der Kläger entgegen seiner räumlichen Beschränkung auf den Landkreis … in der Stadt … aufgehalten hatte. Bei beiden Verurteilungen sah das Strafgericht eine kurzzeitige Freiheitsstrafe als notwendig an (§ 47 StGB), die mangels günstiger Sozialprognose nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Der Kläger sei mehrfach vorbelastet, zeige eine hohe Rückfallgeschwindigkeit und habe bereits zuvor eine Haftstrafe verbüßt, die ihn unbeeindruckt ließ. Nach Aktenlage befindet sich der Kläger zudem bereits seit dem 28. November 2019 erneut in Untersuchungshaft. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 19. Dezember 2019 wird dem Kläger unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln vorgeworfen, nachdem der Kläger 0,38 Gramm Heroin mit sich geführt hatte.
Ausgehend von der Vielzahl der Straftaten, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der weiterhin nicht behandelten Betäubungsmittelabhängigkeit, der gefährdeten gewichtigen Rechtsgüter und dem Umstand, dass sich der Kläger weder durch Geldstrafen noch durch Haftstrafen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ, geht die Beklagte zutreffend von einer erheblichen Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Die Kammer schließt sich insofern der Bewertung der Strafgerichte an, die ebenfalls von einer besonderen Wiederholungsgefahr beim Täter ausgingen.
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.
Im Fall des Klägers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Danach ist ein solches dann gegeben, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Dies ist der Fall, da der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts … vom 10. April 2017 i.V.m Urteil des Landgerichts … vom 24. Oktober 2018 wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in 8 Fällen und vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 7 Fällen und vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 5 Fällen, in 4 Fällen hiervon tateinheitlich mit vorsätzlichen unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt worden ist. Auch wiegt das Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG besonders schwer, nachdem der Kläger wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde.
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht im vorliegenden Fall kein vertyptes besonders schweres oder schweres Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG entgegen.
In der nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellenden Gesamtabwägung unter besonderer Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Die Beklagte hat im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger seinen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet dazu missbraucht hat, hier schwerwiegende Straftaten zu begehen und dass keine Umstände ersichtlich sind, die das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiegen. Der Kläger reiste 2015 in das Bundesgebiet ein und ist seitdem kontinuierlich und erheblich straffällig geworden. Von einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse kann daher nicht ausgegangen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger vor seiner Einreise in seinem Heimatland gelebt hat, wird es ihm ohne größere Schwierigkeiten gelingen, sich dort wieder zu integrieren. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Der Vortrag des Klägers, dass er in seinem Heimatland verfolgt werde und die Todesstrafe fürchte, gebietet keine andere Beurteilung. Die Verfolgung im Heimatstaat stellt ggf. ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis dar. Der Berücksichtigung eines solchen im vorliegenden Verfahren steht die bestandskräftige Entscheidung des Bundesamts entgegen, das mit Bescheid vom 31. Januar 2017 im Asylverfahren das Vorliegen von Abschiebungshindernissen verneint hat. An diese Entscheidung ist die Beklagte gemäß § 42 Satz 1 AsylG auch bei einer späteren Änderung der Sach- und Rechtslage gebunden. Insoweit obliegt es dem Kläger, eine Änderung der Sach- und Rechtslage in einem entsprechenden Verfahren vor dem Bundesamt zu bewirken.
Das auf die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Gemessen an diesen Vorgaben kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, über die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von fünf Jahren angemessen ist.
Dass nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 27. September 2017 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in der behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer enthalten (BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23).
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten vom 27. September 2017 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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