Strafrecht

Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots

Aktenzeichen  1 OWi 103 Js 8763/19

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46984
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Obernburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 25 Abs.1 S. 1
BKatV § 4 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

Von der Verhängung eines Fahrverbots kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn entweder besondere Ausnahmezustände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt oder wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die in ihrer Gesamtheit eine Ausnahme zu begründen vermögen, oder wenn durch die Anordnung eines Fahrverbots bedingte erhebliche Härten oder gar eine Härte außergewöhnlicher Art eine solche Entscheidung als nicht gerecht erscheinen lassen (Bestätigung von KG BeckRS 2016, 4226). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten wurde gemäß § 226 Abs. 2 StPO abgesehen.
1. Der Betroffene? ist schuldig die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h überschritten zu haben und wird deshalb zu einer Geldbuße von 240 EUR verurteilt.
Dem Betroffenen wird auf die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
2. Das Fahrverbot wird gemäß § 25 Abs. 2a StVG erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
3. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.
1. Angewendete Vorschriften: §§ 41 (1) i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO, §§ 24 f. StVG, 11.3.7 BKat, § 4 (1) BKatV, § 17 OWiG

Gründe

II.
Am 05.04.2019 um 21.52 Uhr steuerte der Betroffene den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der B469, Abschnitt 310, Kilometer 0,46 Richtung Miltenberg. Dabei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Statt erlaubten 120 km/h, fuhr er mindestens 41 km/h zu schnell.
III.
Die Feststellung der persönlichen Verhältnisse unter Ziff. I. beruht auf den Angaben des Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 18.11.2019.
Die Feststellung des unter Ziff. II beschriebenen Sachverhalts beruht auf der Würdigung der nachfolgend aufgeführten Beweismittel.
1. Die Fahrereigenschaft steht aufgrund der Inaugenscheinnahme des Lichtbildes (Bl. 10) fest.
2. Dass das von dem Betroffenen geführte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der B469 Abbschnitt 310, Kilometer 0,46 fotografiert wurde und dass die Lichtbilder 10 und 73 d.A. an diesem Tag zu diesem Tatzeitpunkt an diesem Tatort aufgenommen wurden, ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Datenfeld, welches den Lichtbildern beigefügt ist. Zusätzlich gab der Zeuge POM … in der Hauptverhandlung an, von 18.45 Uhr bis 23.00 Uhr mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan Speed am Tatort eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt zu haben, was auch durch die Verlesung des Messprotokolls (Bl. 8 d. A.) verifiziert wird.
3. Beim Messverfahren Eso 3.0 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.
Vielmehr wurde die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gefahrenen PKWs mittels einer
-durch den als Messbeamten ausweislich der verlesenen Teilnahmebescheinigung (Bl. 57 f. d.A.), befähigten Zeugen durchgeführt
-ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Messprotokolls Bl. 8 d.A. entsprechend der gültigen Gebrauchsanweisung des Herstellers aufgebaut und bedient,
-ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Eichscheins (Bl. 9 d.A.) mit einem geeichten Geschwindigkeitsüberwachungsgerät
-ermittelt.
4. Dass die Messung an der Messstelle an der eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h galt, entsprechend der Gebrauchsanweisung erfolgt, hat der Zeuge POM? glaubhaft bekundet.
So sei die Beschilderung vorher und nachher geprüft worden und er habe den Display- und Kameratest beobachtet und nach der Bedienungsanleitung gemessen. Die Stelle sei ein Unfallschwerpunkt, da kein Seitenstreifen vorhanden sei. Die Messung sei zudem ohne besondere Vorkommnisse abgelaufen.
Der Zeuge gab zudem an, die Eichmarken kontrolliert zu haben, ohne Auffälligkeiten festgestellt zu haben. Er gab an gemäß eines laminierten, im Messfahrzeug befindlichen Merkhinweises die Eichmarken kontrolliert zu haben. Auf Nachfrage des Verteidigers gab der Zeuge an, 11 Eichmarken geprüft zu haben.
Zwar handelt es sich nach der Inaugenscheinnahme des Gerätes in der Fortsetzung der Hauptverhandlung vom 10.12.2019 um 13 Eichmarken, jedoch gibt dies nicht ausreichend Anlass, um an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage zu zweifeln.
So stellte sich bei der Inaugenscheinnahme des Gerätes heraus, dass die Eichmarken bereits aufgrund deren leuchtenden Farben und der Übersichtlichkeit des Gerätes durch einen Rundumblick leicht gezählt werden können und dass das Fehlen oder die Beschädigung von Eichmarken an den entsprechenden Stellen auffallen müsste. Dass der Zeuge nicht aus der bloßen Erinnerung heraus, beziehungsweise nach Überfliegen des Laminats alle Eichmarken aufzählen konnte, dies insbesondere nicht in einer Hauptverhandlung, in der kaum Zeit zum Nachdenken bestand, erschüttert nicht die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage und die fachliche Kompetenz des Zeugen. So ist es ein erheblicher Unterschied, ob das technische Gerät, welches regelmäßig vom Zeugen bedient wird und was die Eichmarken anbelangt übersichtlich ist, vor einem ist oder ob man nur einen Merkhinweis als Stütze zur Verfügung hat und versucht ist die Fragen schnell zu beantworten. Der Merkhinweis ist nicht so übersichtlich wie das Gerät, bei welchem ein Rundumblick genügt um die Stellen zu erfassen. Auf dem Merkhinweis, den der Zeuge bei seinen Unterlagen hat, wiederum sind die Marken deutlich kleiner dargestellt, sodass leichter Marken übersehen werden können oder dass man sich leichter verzählt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass keine große Diskrepanz zwischen den vom Betroffenen angegebenen Eichmarken und den tatsächlich vorhandenen Eichmarken gegeben ist.
5. Ausweislich des Datenfeldes im Messbild (Bl. 10 und 73 d.A.) wurden 167 km/h gemessen. Der Toleranzabzug betrug 6 km/h und lag damit im Bereich der Verkehrsfehlergrenzen.
6. Ein Anspruch auf die Lebensakte des Geräts sowie auf die Rohmessdaten bestand seitens der Verteidigung nicht. Auf den Beschluss des Gerichts vom 18.11.2019 wird insoweit hingewiesen.
Die Erweiterung der Akte stellt einen Beweisermittlungsantrag dar, dem das Gericht nur unter Aufklärungsgesichtspunkten nachkommen muss. Solche liegen nicht vor, da bereits ein großzügiger Toleranzabzug gemacht wurde, sodass die Rohmessdaten keinen weiteren Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Geschwindigkeiten zu erbringen vermag.
Auch hinsichtlich der Lebensakte des Messgeräts besteht insoweit kein Anspruch. So wurde nicht in substantiierter Weise vorgetragen, dass trotz geprüfter und unversehrter, sowie vollständiger Eichmarken, Reparaturen an dem Gerät, welche die Eicheigenschaft aufheben würden, erfolgt seien. Daher konnte davon ausgegangen werden, dass aufgrund der unversehrten und vollständigen Eichmarken keine entsprechenden Reparaturen durchgeführt wurden.
IV.
Die Geldbuße entspricht dem Regelsatz. Es bestand keine Veranlassung, im vorliegenden Falle von der Bußgeldkatalogverordnung und dem Bußgeldkatalog abzuweichen.
V.
Ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat ist neben der Geldbuße zur Einwirkung auf den Betroffenen geboten.
1. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Bußgeldkatalogverordnung liegt eine grobe Pflichtverletzung vor, wenn der Tatbestand der Nr. 11.3 des Bußgeldkatalogs in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs verwirklicht wird.
2. Die hier gegebene Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, für den gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 in der Regel die im Bußgeldkatalog bestimmte Dauer, hier ein Monat festzusetzen ist.
3. Zwar kann von der Verhängung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen werden, wenn entweder besondere Ausnahmezustände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 Bußgeldkatalogverordnung erfasste Normalfall vorliegt oder wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die in ihrer Gesamtheit eine Ausnahme zu begründen vermögen oder wenn durch die Anordnung eines Fahrverbots bedingte erhebliche Härten oder gar eine Härte außergewöhnlicher Art eine solche Entscheidung als nicht gerecht erscheinen lassen (KG, Beschluss vom 24.02.2016 – 3 Ws (B) 95/16 – 162 Ss 18/16 -, NJW 2016, 1110 [1111, Rn. 13]). Dieser Möglichkeit von einem Fahrverbot, ggf. gegen Erhöhung der Geldbuße abzusehen, ist sich das Gericht auch durchaus bewusst gewesen. Allerdings hat es von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, weil außergewöhnliche Umstände nicht ersichtlich sind und das Fahrverbot auch nicht unverhältnismäßig ist. Zumal die Frist des § 25 Abs. 2a StVG gewährt wurde.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO.


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