Strafrecht

Anforderungen an Nachweis für Ermächtigung des Verteidigers zur nachträglichen Berufungsbeschränkung

Aktenzeichen  202 StRR 4/21

Datum:
1.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1622
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO 302 Abs. 2, § 303 S. 1, § 318, § 349 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die nachträgliche Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stellt eine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar, für die der Verteidiger einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO bedarf. (Rn. 3)
2. Der Nachweis, dass eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO im Zeitpunkt der Erklärung der Rechtsmittelbeschränkung vorgelegen hat, kann auch nachträglich erfolgen. (Rn. 5)
3. Der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß steht nicht entgegen, dass das amtsgerichtliche Urteil für die Rechtsfolgenbemessung relevante Gesichtspunkte nicht enthält, weil das Berufungsgericht insoweit ergänzende Feststellungen treffen kann. (Rn. 6)

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 18.09.2020 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Beschränkung der Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch waren wirksam, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat.
a) Soweit die Staatsanwaltschaft in der Berufungshauptverhandlung ihr Rechtsmittel ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, fehlt es zwar ausweislich des Sitzungsprotokolls an der nach § 303 Satz 1 StPO an sich erforderlichen Zustimmung des Angeklagten, weil eine nachträgliche Beschränkung der Berufung eine Teilrücknahme darstellt (vgl. nur OLG Bamberg, Beschluss vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr 5 m.w.N.). Allerdings stellte die Erklärung in der Hauptverhandlung keine nachträgliche Teilrücknahme des Rechtsmittels dar. Denn die Staatsanwaltschaft hatte bereits mit der Einlegung der Berufung am 28.02.2018 ihr Rechtsmittel sogleich begründet und dabei explizit ausgeführt, dass das Strafmaß dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht wird. Diese vor der Hauptverhandlung abgegebene Erklärung ist zweifelsfrei als Beschränkung auf das Strafmaß auszulegen, für die es der Zustimmung des Angeklagten nach § 303 Satz 1 StPO nicht bedurfte.
b) Die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 20.04.2020 erklärte Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ist ebenfalls wirksam.
aa) Der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung steht die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO, wonach der Verteidiger zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten bedarf, nicht entgegen. Denn nach der vom Senat eingeholten Erklärung des Verteidigers vom 20.01.2021 lag eine derartige ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Dies ist ausreichend, weil für die Ermächtigung, die im Zeitpunkt der Erklärung der Rechtsmittelbeschränkung vorgelegen haben muss, keine besondere Form vorgeschrieben ist und der Nachweis auch nachträglich, etwa durch eine anwaltliche Auskunft, erbracht werden kann (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 27.03.2019 – 4 StR 597/18 = NStZ 2019, 548 = StraFo 2019, 422 = BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 14; 06.12.2016 – 4 StR 558/16 = NStZ-RR 2017, 185; 15.04.2015 – 1 StR 112/15 = NStZ-RR 2016, 24; 05.02.2014 – 1 StR 527/13 bei juris; Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 7).
bb) Soweit die Revision mit der Gegenerklärung geltend macht, die Berufungsbeschränkung sei unwirksam, weil das amtsgerichtliche Urteil keine Feststellungen zu den Umständen der Tat enthielt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn die Tatumstände sind nicht für den Schuldspruch, sondern lediglich für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung. Der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß steht indes nicht entgegen, dass das amtsgerichtliche Urteil für die Rechtsfolgenbemessung relevante Gesichtspunkte nicht enthält, weil das Berufungsgericht insoweit ergänzende Feststellungen treffen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2017 – 4 StR 547/16 = BGHSt 62, 155; OLG Bamberg, Beschluss vom 09.10.2017 – 3 OLG 6 Ss 94/17 = OLGSt StGB § 46 Nr 28).
2. Die Strafzumessung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Zur Begründung wird auf die Zuleitungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 27.12.2020 Bezug genommen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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