Strafrecht

Beschwerde, Verteidiger, Beiordnung, Pflichtverteidiger, Angeklagte, Einspruch, Angeklagten, Bestellung, Strafbefehl, Schriftsatz, Mitwirkung, Kostenentscheidung, Voraussetzungen, Einzelfall, sofortige Beschwerde, statthafte sofortige Beschwerde

Aktenzeichen  4 Qs 5/22

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 905
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Hof
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Zur – bejahten – Bestellung eines Pflichtverteidigers im Steuerstrafverfahren. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 Cs 1950 Js 17450/21 2021-12-23 Bes AGHOF AG Hof

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 23.12.2021, Az. 2 Cs 1950 Js 17450/21, aufgehoben.
2. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Peter Schlegel als Pflichtverteidiger beigeordnet.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.
Am 20.12.2021 erließ das Amtsgericht Hof auf Antrag des Finanzamts Hof gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen, der eine Gesamtgeldstrafe von 380 Tagessätzen zu je 35,00 € vorsah (Bl. 172ff. d.A.). Dieser Strafbefehl wurde dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 22.12.2021 zugestellt (zu Bl. 178 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 22.12.2021, eingegangen beim Amtsgericht Hof am 23.12.2021, legte der Verteidiger des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Schlegel, namens und im Auftrag des Beschwerdeführers Einspruch gegen den Strafbefehl ein und beantragte seine Bestellung als Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 2 StPO (Bl. 180-181 d.A.).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.12.2021 lehnte das Amtsgericht Hof den Antrag des Angeklagten, ihm Rechtsanwalt Schlegel als Pflichtverteidiger zu bestellen, ab (Bl. 183 d.A.).
Gegen diesen Beschluss, der dem Angeklagten am 28.12.2021 und seinem Verteidiger Rechtsanwalt Schlegel am 03.01.2022 zugestellt wurde, erhob der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.01.2022, eingegangen beim Amtsgericht Hof am selben Tag, sofortige Beschwerde (Bl. 188 d.A.).
II.
Die nach § 142 Abs. 7 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig. Sie ist zugleich auch begründet, weil die Voraussetzungen für die Beiordnung eines (Pflicht-)Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO im hier gegebenen Einzelfall vorliegen und daher dem dahingehenden Antrag des Angeklagten stattzugeben ist.
Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vor. Danach hat eine Pflichtverteidigerbestellung auch dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst hinreichend verteidigen kann.
Die Mitwirkung eines Verteidigers ist wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vorliegend geboten (§ 140 Abs. 2 StPO). Dabei kann die Frage dahinstehen, ob ein steuerstrafrechtlicher Vorwurf stets die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage begründet. Hierfür sprechen gewichtige Gründe: Es handelt sich um Blankettstrafrecht, bei dem die Rechtslage nur in einer Zusammenschau strafrechtlicher und steuerrechtlicher Normen zutreffend erfasst und bewertet werden kann. Verfügt der/die Angeklagte nicht nachgewiesenermaßen über Spezialwissen, ist er mit der Rechtsmaterie regelmäßig überfordert. Eine laienhafte oder intuitive Einschätzung der Rechtslage, wie sie bei Normen des Kernstrafrechts möglich ist, genügt nicht (vgl. LG Essen, Beschluss vom 02.09.2015 – 56 Qs 1/15, auf den Einzelfall abstellend LG Magdeburg BeckRS 2016, 12007).
Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da vorliegend weitere Umstände hinzutreten, die die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage begründen. So umfasst der vorgeworfene Tatzeitraum mehr als 4 Jahre, betrifft verschiedene Steuern und der Strafbefehl beinhaltet insgesamt 12 Taten. Die Berechnung der Steuerschuld bedarf näherer Kenntnisse des Steuerrechts, die bei dem Angeklagten nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden können. Zudem liegen den Steuerfestsetzungen Schätzungen zugrunde. Schließlich kann eine Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis, die nur einem Verteidiger gemäß § 147 StPO zusteht, nicht umfassend vorbereitet werden, was die Schwierigkeit der Sachlage begründet. Denn um die insgesamt 12 Tatvorwürfe zu prüfen, ist die Kenntnis der Berechnungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und die Auswertung der sichergestellten Geschäftsunterlagen erforderlich.
Dementsprechend waren der Beschluss des Amtsgerichts Hof aufzuheben und dem Angeklagten antragsgemäß Rechtsanwalt Schlegel als Pflichtverteidiger beizuordnen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO entsprechend.


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