Strafrecht

Entlassung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen eines Dienstvergehens

Aktenzeichen  3 CS 16.409

Datum:
4.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG BeamtStG § 23 Abs. 3 Nr. 1, § 47 Abs. 1 S. 2
StGB StGB § 201a Abs. 2 Nr. 1
BayDG BayDG Art. 9, Art. 10
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6

 

Leitsatz

1 Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr im Eilverfahren wegen der ihm obliegenden Prognose davon ausgeht, dass wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch das Herstellen unbefugter Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 2 Nr. 1 StGB) in einem Disziplinarverfahren gegen einen Beamten auf Lebenszeit wenigstens die Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen würde.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Die außerdienstliche Verwirklichung des Tatbestandes des § 201a StGB stellt ein außerdienstliches Dienstvergehen dar, das einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten aufweist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war.    (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei Bildaufnahmen während des Geschlechtsverkehrs ist davon auszugehen, dass der für die Maßnahmebemessung im Disziplinarverfahren maßgebliche Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung nach oben auszuschöpfen gewesen wäre.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 1 S 15.1128 2016-02-15 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.151,95 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 28. September 2015 entließ der Antragsgegner den Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis auf Probe bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum 31. Dezember 2015. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Über den erhobenen Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.
Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2016 ab. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu Recht abgelehnt, weil die angefochtene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe – offenkundig – rechtmäßig erscheint und daher der Rechtsbehelf in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Die mit der Beschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht es nicht beanstandet, dass der Antragsgegner angesichts der ermittelten Sachverhalte im Rahmen der ihm obliegenden Prognose davon ausgegangen ist, dass deshalb in einem Disziplinarverfahren gegen einen Beamten auf Lebenszeit wenigstens die Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 Nr. 1 BeamtStG sind dabei auch dann erfüllt, wenn der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bamberg vom 28. Dezember 2015 erhobene Vorwurf der Vergewaltigung bzw. des sexuellen Missbrauchs sowie die in dem Entlassungsbescheid des Antragsgegners vom 28. September 2015 aufgeführten unerlaubten Datenabfragen in polizeilichen Datenbanken einstweilen außer Betracht blieben. Bereits die vom Antragsteller eingeräumte Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) am 6. April 2015 stellt – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers – ein außerdienstlich begangenes Dienstvergehen dar. Gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dabei ist die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens regelmäßig anzunehmen, wenn dieses Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch das unbefugte Herstellen von Bildaufnahmen sieht § 201a Abs. 2 Nr. 1 StGB einen Strafrahmen vor, der bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren reicht. Gemessen an den Kriterien des Strafgesetzbuchs handelt es sich um eine Strafandrohung im mittleren Bereich (vgl. BVerwG, U. v. 19.8.2010 – 2 C 13/10 – juris Rn. 17 f.). Es trifft mithin nicht zu, wenn der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführt, dieser Verstoß gegen § 201a StGB wiege „weitaus weniger schwer als der Besitz kinderpornographischer Schriften“.
Der Gesetzgeber knüpfte mit der Einführung des § 201a StGB (jetzt in der geänderten Fassung der Vorschrift durch das 49. Strafrechtsänderungsgesetzes, die am 27.01.2015 in Kraft getreten ist) an schon früher erhobene Forderungen nach der Gleichbehandlung von unbefugtem Abhören (§ 201) und dem unbefugten Abbilden an. Als notwendig erachtet wurde die Ergänzung des strafrechtlichen Persönlichkeitsschutzes vor allem deshalb, weil mit der rasanten Entwicklung im Bereich der Videotechnik neue Möglichkeiten des unbefugten Eindringens in die Privatsphäre entstanden. So ist es aufgrund der Digitalisierung und Miniaturisierung von Geräten wie Web- und Spycams sowie Mobiltelefonen mit Kamerafunktion ein Leichtes, andere Personen unbemerkt detailgetreu aufzunehmen und die Bilder in Sekundenschnelle via Internet zu verbreiten (Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB, 29. Aufl. 2014, § 201a Rn. 1).
Die außerdienstliche Verwirklichung des Tatbestands des § 201a StGB weist auch einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – BVerwGE 152, 228 ).
Das Verhalten des Antragstellers ist nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet, das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Die Tathandlung, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt ist, führte zu einem erheblichen Ansehensschaden für die eigene Person des Antragstellers, aber auch für das der Beamtenschaft an sich. Von Polizeibeamten wird erwartet, dass sie den persönlichen Lebens- und Geheimbereich achten. Zudem verlieren die Bemühungen der Polizei um die Verhütung und Aufklärung von Straftaten an Glaubwürdigkeit, wenn Polizeivollzugsbeamte selbst Straftaten begehen. Der dienstliche Bezug ist vorliegend nicht von der Hand zu weisen. Wenn der Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Verhalten verharmlosend dahingehend beschreibt, dass er ein intensives Geschlechtsleben pflegte, mit Angehörigen des anderen Geschlechts durchaus anzügliche Kurznachrichten austauschte und mit ausschließlich erwachsenen Frauen einen offensiven Umgang pflegte, verkennt er, dass die weiteren im Entlassungsbescheid genannten Verhaltensweisen, von deren strafrechtlichen Verfolgung nach der Anklage gemäß § 154 Abs. 1 StPO abgesehen wurde, nicht nur einen weiteren Fall des § 201a StGB und weitere sexuelle Nötigungen beinhalten, sondern dass das Verhalten des Antragstellers in der Öffentlichkeit einer Diskothek sowie im Kreis der Kolleginnen auch offenkundig geworden ist.
Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außerdienstlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe hat das Bundesverwaltungsgericht geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist (BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – NVwZ-RR 2016, 421 ). Da vorliegend die Bildaufzeichnungen bei der angeklagten und einer weiteren Tat jeweils während des Geschlechtsverkehrs gefertigt wurden und noch weitergehende Verletzungen des persönlichen Lebensbereichs kaum denkbar erscheinen, ist davon auszugehen, dass der Orientierungsrahmen nach oben hin auszuschöpfen gewesen wäre. Die wiederholten Taten und die darin zum Ausdruck kommende Herabwürdigung der betroffenen Frauen zum Objekt des Geschlechtstriebs des Antragstellers hätten bei einem Lebenszeitbeamten zumindest zu einer Kürzung der Dienstbezüge geführt, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Alkoholisierung des Antragstellers bei der angeklagten Tat dazu führen könnte, einen Schuldminderungsgrund anzunehmen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Sätze 2 und 4, § 47 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben