Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von Cannabiskonsum

Aktenzeichen  M 26 S 16.5527

Datum:
23.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
FeV Anlage 4 Nr. 9.2.2

 

Leitsatz

Im Fall der Teilnahme eines Kraftfahrzeugführers am Straßenverkehr unter der Einwirkung von Cannabis ist zur Verneinung seiner Fahreignung eine weitere Aufklärung durch Ermittlungen zur Häufigkeit seines Konsums nur dann geboten, wenn er ausdrücklich behauptet und substantiell darlegt, er habe erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis eingenommen oder frühere Konsumakte lägen derart weit zurück, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann, und die neuerliche Einnahme beruhe auf besonderen Umständen (Anschluss BayVGH BeckRS 2016, 41727). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Er war Inhaber der Fahrerlaubnisklassen B, AM und L. Am … Dezember 2014 beantragte er die Ersterteilung der Klasse BE.
Der Antragsteller wurde am … März 2016 gegen 8.00 Uhr einer Verkehrskontrolle unterzogen, bei der die Polizei bei ihm drogentypische Auffälligkeiten (Gleichgewichtsstörungen, mittelstarkes Lidflattern, Nervosität, Zittern, glasige Augen) feststellte. Ein Urintest reagierte positiv auf Tetrahydrocannabinol (THC). Eine um 8.53 Uhr abgenommene Blutprobe ergab in der Analyse 4,3 ng/ml THC und 33 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH). Die Polizei hat zum letzten Betäubungsmittelkonsum des Antragstellers ausweislich des polizeilichen Berichts dessen Angabe aufgenommen, dass er am … März 2016 um 15.00 Uhr auf einer Party einen Joint geraucht habe. Dem ärztlichen Bericht vom … März 2016 ist unter der Rubrik Anamnese unter Drogeneinnahmen der Vermerk „gestern Cannabis“ zu entnehmen (s. Bl. 36 ff. der Behördenakte). Die zu dem Vorfall ergangene Bußgeldentscheidung vom … Juni 2016 erlangte am … Juli 2016 Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 29. August 2016 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis und Versagung der Fahrerlaubnisklasse BE an. Mit Schreiben vom … September 2016 und … Oktober 2016 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers hierzu mit, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Cannabiskonsum um einen einmaligen experimentellen Gebrauch auf einer Geburtstagsfeier gehandelt habe. Die Haschzigarette sei am … März 2016 um 3.00 Uhr morgens geraucht worden. Die Angabe 15.00 Uhr in der Ermittlungsakte beruhe auf einem Missverständnis. Der Antragsteller habe die Angaben im Protokoll beim Unterschreiben nicht überprüft. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch unter dem Einfluss von Cannabis gestanden.
Am … November 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers ein Gutachten eines zu einem öffentlichen Sachverständigen bestellten Rechtsmediziners vom … November 2016 zu der Frage vor, ob bei den beim Antragsteller ermittelten Blutwerten ein Konsum um 3.00 Uhr am selben Morgen möglich sei. Das auf elektronisch übersandte Unterlagen gestützte Gutachten, das insbesondere die Aussagen der sogenannten Maastricht-Studien in Zweifel zieht, bejahte dies.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2016 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 forderte er ihn zur Abgabe seines Führerscheins spätestens innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Bescheids auf; sofern er nicht mehr im Besitz des Führerscheins ist, zur Abgabe einer entsprechenden eidesstattlichen Erklärung innerhalb vorgenannter Frist. Den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse BE vom … Dezember 2014 lehnte er ab (Nr. 3). Für den Fall, dass der Antragsteller der Aufforderung unter Nr. 2 des Bescheids nicht nachkommt, drohte der Antragsgegner ein Zwangsgeld von a… EUR an (Nr. 4). Unter Nr. 5 des Bescheids ordnete er die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an. Nr. 6 enthält die Kostenentscheidung.
Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller einen gelegentlichen Konsum von Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht habe trennen können. Er sei deshalb fahrungeeignet und ihm sei die Fahrerlaubnis zu entziehen bzw. die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse BE zu versagen. Ein einmaliger Konsum sei nicht glaubhaft und ausreichend substantiiert dargelegt worden. Entsprechende Angaben seien als Schutzbehauptung zu werten.
Mit Schreiben vom … Dezember 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2016 ein.
Mit Schriftsatz vom selben Tag, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am … Dezember 2016, beantragte der Bevollmächtigte namens des Antragstellers:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 7. Dezember 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 2. Dezember 2016 wird wiederhergestellt.
2. Der Antragsgegner hat unverzüglich den abgelieferten Führerschein des Antragstellers zurückzugeben. Für den Fall, dass der Führerschein nicht mehr vorhanden oder unbrauchbar gemacht worden ist, hat der Antragsgegner unverzüglich einen neuen Führerschein entsprechend der bisherigen Klassen auszustellen.
Zum Nachweis der Einmaligkeit des Cannabiskonsums durch den Antragsteller verwies er auf das bereits vorgelegte Gutachten vom … November 2016. Ein medizinisches oder toxikologisches Gegengutachten habe der Antragsgegner nicht erstellen lassen. Er wiederholte auch, dass der letzte Konsum von der Polizei versehentlich auf den Vortag der Verkehrskontrolle datiert worden sei und der Antragsteller dies beim Unterschreiben des Protokolls nicht bemerkt habe. Zudem führte er aus, der Antragsteller sei beruflich auf seinen Führerschein angewiesen. Er müsse seine Arbeitsaufträge als A… allein mit dem Dienst-Kraftfahrzeug erledigen. Ohne Fahrerlaubnis sei er vom Arbeitgeber nicht sinnvoll einsetzbar. Zudem benötige er die Fahrerlaubnis, um seine Mutter und seine Schwester dabei zu entlasten, den schwer erkrankten Vater zu mehrmals wöchentlich stattfindenden Therapien zu fahren.
Am … Dezember 2016 ging der Führerschein des Antragstellers beim Antragsgegner ein.
Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2016 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verwies er auf die Ausführungen im Bescheid vom 2. Dezember 2016.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit darin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 des angegriffenen Bescheids begehrt wird. Der Antragsteller hat seinen Führerschein bereits abgegeben. Es ist bei dieser Sachlage nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl noch beitreiben wird (s. Art. 37 Abs. 4 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG).
2. Der Antrag ist ansonsten zulässig, jedoch unbegründet.
2.1. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) im vorliegenden Fall ausreichend einzelfallbezogen im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO auf den Seiten sechs und sieben seines Bescheids vom 2. Dezember 2016 begründet (zu den Anforderungen Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Zwar bedarf es regelmäßig der Darlegung besonderer Gründe, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde aber nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Sachverhalt zutrifft. Gerade dann, wenn wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch die Fälle des Fahrerlaubnisentzugs wegen fehlender Fahreignung gehören. Denn es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt und durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich auszuschließen ist (BayVGH, B. v. 10.8.2011 – 11 CS 11.1271 – juris Rn. 6, B. v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16). Im Rahmen der Antragsbegründung wurde auch – ohne zu diesem (insoweit entscheidungserheblichen) Zeitpunkt notwendigerweise den konkreten Beruf des Antragstellers bereits zu kennen – abgewogen und erörtert, dass ein Fahrerlaubnisentzug möglicherweise erheblich in die wirtschaftliche Situation des Antragstellers eingreift oder sogar existenzielle Folgen haben kann.
2.2. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Grundlage dieser Entscheidung ist eine Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen sind (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.).
Hier überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegte Widerspruch des Antragstellers nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Bescheid vom 2. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (s. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist.
2.2.1. Die in Nr. 1 des Bescheids vom 2. Dezember 2016 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die gilt insbesondere, wenn Erkrankungen und Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen und dadurch die Fahreignung ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht (BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439).
Vorliegend steht fest, dass der Antragsteller fahrungeeignet gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist, weil er gelegentlich Cannabis konsumiert und diesen Konsum nicht vom Fahren trennt.
2.2.1.1. Der Antragsteller ist als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen.
Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt schon dann vor, wenn der Betroffene in zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (s. BVerwG, U. v. 23.10.2014 a. a. O. Rn. 16 ff.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (s. z. B. BayVGH, B. v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480 – juris Rn. 14, B. v. 18.6.2013 – 11 CS 13.882 – juris; vgl. hierzu auch VGH BW, B. v. 22.7.2016 – 10 S 738/16 – juris Rn. 6 ff.; OVG NW, B. v. 23.6.2014 – 16 B 500/14 – juris), der das erkennende Gericht in ebenfalls ständiger Rechtsprechung folgt (z. B. VG München, B. v. 15.12.2016 – M 26 S 16.5205, B. v. 29.10.2013 – M 6b S 13.3418 – juris), ist im Fall der Teilnahme eines Kraftfahrzeugführers am Straßenverkehr unter der Einwirkung von Cannabis zur Verneinung seiner Fahreignung eine weitere Aufklärung durch Ermittlungen zur Häufigkeit seines Konsums nur dann geboten, wenn er ausdrücklich behauptet und substantiell darlegt, er habe erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis eingenommen oder frühere Konsumakte lägen derart weit zurück, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann, und die neuerliche Einnahme beruhe auf besonderen Umständen. Erst wenn hier substantiierte Darlegungen erfolgen, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu überprüfen. Denn die Kombination von einmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme unter Einwirkung des konsumierten Stoffes und schließlich der Feststellung dieses Umstands bei einer Verkehrskontrolle spricht unter Berücksichtigung der relativ geringen polizeilichen Kontrolldichte insgesamt deutlich für einen sehr selten anzunehmenden Fall. Dennoch kann solch ein Zusammentreffen der genannten Umstände nicht völlig ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund bedarf es jedoch einer ausdrücklichen Behauptung mit substantiierten Darlegungen dazu, dass es sich bei der festgestellten Einnahme von Cannabis tatsächlich um einen erst bzw. einmaligen Konsum gehandelt hat.
Weder der Antragsteller noch sein Bevollmächtigter haben einen erst- oder einmaligen Konsum (Probierkonsum) im Vorfeld der Verkehrskontrolle am … März 2016 ausreichend substantiiert und schlüssig dargelegt. Hierzu hätte es einer wesentlich detaillierteren Schilderung der Umstände und Abläufe bedurft. Die Behauptung, es habe sich um einen experimentellen Probierkonsum anlässlich einer Geburtstagsparty gehandelt, genügt dem nicht. Sie ist auch im Zusammenhang mit der – ohnehin streitigen – Angabe zur Einnahmezeit derart pauschal, dass eine Einschätzung oder Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Darlegungen unmöglich bleibt. Gerade wegen der Diskrepanzen zwischen den Feststellungen der Polizei bzw. des blutabnehmenden Arztes zum letzten Betäubungsmittelkonsum vor der Verkehrskontrolle (…3.2016 um 15.00 Uhr bzw. gestern) und den anderslautenden Angaben des Antragstellers zur Einnahmezeit im Entziehungsverfahren (…3.2016 um 3.00 Uhr) hätte sich der Antragsteller nach Auffassung des Gerichts veranlasst sehen müssen, zur angeblichen Einmaligkeit des Konsums und dazu, wie bzw. warum es zur Einnahme gekommen ist, ausführliche Angaben zu machen sowie ggf. auch Nachweise zu erbringen oder anzubieten. Das dergleichen unterblieb, ist bei der vorliegenden Sachlage unverständlich, denn es wäre dem Antragsteller auf diese Weise möglich gewesen, sowohl die Erstmaligkeit der Einnahme als auch die nunmehr behauptete Einnahmezeit plausibler zu machen. Es ist anhand seines bisherigen Vortrags nicht ersichtlich, warum der Antragsteller dennoch darauf verzichtete, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen.
Abgesehen davon, dass ein erst- und einmaliger Probierkonsum nicht glaubhaft gemacht werden konnte, geht das Gericht – wie schon der Antragsgegner – von zwei feststehenden Konsumakten des Antragstellers aus.
Nach den sowohl von der Polizei als auch vom blutabnehmenden Arzt festgehaltenen Einlassungen des Antragstellers anlässlich der Verkehrskontrolle am … März 2016 hat dieser am … März 2016 (gegen 15.00 Uhr) Cannabis konsumiert. An seinen damaligen Angaben muss er sich festhalten lassen. Dass es, wie der Antragsteller vortragen lässt, wegen eines Missverständnisses zur Aufnahme falscher Zeitangaben durch die Polizei gekommen sein soll, die der Antragsteller aus Unachtsamkeit – mutmaßlich zurückzuführen auf den Cannabiseinfluss – mit der Unterzeichnung des polizeilichen Berichts fälschlich bestätigte, ist nicht plausibel dargetan. Es bleibt zudem unklar, warum auch der blutabnehmende Arzt im Zusammenhang mit der Anamnese eine Cannabiseinnahme am Vortag („gestern“) notierte. Wie bereits ausgeführt, hätte es jedenfalls einer ausführlichen und in sich schlüssigen Schilderung der Umstände bedurft, die zu der angeblich (einmaligen und) nächtlichen Einnahme von Cannabis am … März 2016 geführt haben sollen. Da es ohne nachvollziehbaren Grund hieran fehlt, entsteht vielmehr der Eindruck, dass die Korrektur der Einnahmezeit dazu dienen soll, die Angaben gegenüber der Polizei mit der angeblichen Einmaligkeit des Konsums und den Ergebnissen der Blutuntersuchung in Einklang zu bringen.
Weil es angesichts des am … März 2016 um 8.53 Uhr festgestellten Wertes von 4,3 ng/ml THC zumindest zu einer weiteren Einnahme kurz vor der Blutentnahme gekommen sein muss, ergeben sich für den Antragsteller zwei eigenständige Konsumakte, auf die der Antragsgegner seine Annahme, der Antragsteller sei gelegentlicher Konsument, stützen kann.
Die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Schluss, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (BayVGH, B. v. 18.4.2016 – 11 ZB 16.285 – juris m. w. N.). Zwar kann aus einem in einer Blutprobe festgestellten THC-Wert im Wege der Rückrechnung nicht mit jener Genauigkeit wie beim Alkohol ermittelt werden, wie hoch der Spiegel zu einem bestimmten, vor der Blutentnahme liegenden Zeitpunkt war. Auf die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC darf aber insoweit zurückgegriffen werden, als sich aus ihnen – gleichsam im Wege des Ausschlussverfahrens – „negative“ Aussagen dergestalt herleiten lassen, dass ein für einen bestimmten Zeitpunkt eingeräumter oder sonst feststehender Konsum von Cannabis keinesfalls (alleine) zu der in einer später gewonnenen Blutprobe festgestellten Konzentration geführt haben kann (BayVGH, B. v. 18.4.2016 a. a. O.).
Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar (Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, S. 247). Im Rahmen der Maastricht-Studien wurde festgestellt, dass bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten THC im Blut relativ schnell abgebaut wird und bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festgestellt werden konnten.
Diese Annahmen decken sich mit den diesbezüglichen Aussagen in der neuesten Empfehlung der Grenzwertkommission für die Konzentration von THC im Blutserum zur Feststellung des Trennungsvermögens von Cannabiskonsum und Fahren (Blutalkohol 52 [2015], 322 f.). Danach kann zugrunde gelegt werden, dass bei Konzentrationen ab 2,0 ng/ml (mit Sicherheitszuschlag wegen Messwertschwankungen ab 2,86 ng/ml) – sofern ein einmaliges/gelegentliches (z. B. nicht häufiger als einmal in der Woche) Konsummuster vorliegt – der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden haben muss (s. hierzu VG Gelsenkirchen, U. v. 20.1.2016 – 9 K 1253/15 – juris Rn. 73 ff, insbesondere Rn. 80). Bei einer Konzentration in einer Höhe von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum und sicher länger zurückliegendem Konsum geht die Grenzwertkommission für die Konzentration von THC im Blutserum von einer Anreicherung von THC infolge regelmäßigen Konsums aus, mit der Folge, dass die Fahreignung nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ohnehin ausgeschlossen ist (s. zum Themenkomplex auch BayVGH, B. v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690 – juris Rn. 17, VG Gelsenkirchen, a. a. O. Rn. 50 ff).
Das Vorstehende ließe im Übrigen selbst dann darauf schließen, dass der hier durch die Blutprobe am … März 2016 um 8.53 Uhr festgestellte THC-Wert von 4,3 ng/ml auf einen weiteren Konsumakt in engerem zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zurückzuführen sein muss, wenn man dem Antragsteller – wie nicht – darin folgen wollte, dass er nicht am Vortag, sondern am … März 2016 um 3.00 Uhr morgens einen Joint geraucht habe. Bei einem letztmaligen Konsum gegen 3.00 Uhr wäre danach – ausgenommen der Antragsteller wäre regelmäßiger Konsument – wohl mit Konzentrationen um 2 ng/ml oder darunter zu rechnen gewesen. Der beim Antragsteller ermittelte Wert war jedoch mehr als doppelt so hoch. Letztlich kann dies hier aber dahingestellt bleiben, da der gelegentliche Konsum des Antragstellers bereits feststeht. Auch auf die Aussagen des vorgelegten Gutachtens, welches von einer Einnahme am … März 2016 um 3.00 Uhr morgens ausgeht und demzufolge es für möglich erachtet wird, dass die um 8.53 Uhr festgestellten Blutwerte auf diesen Konsum zurückzuführen sind, kommt es folglich nicht an.
2.2.1.2. Der Antragsteller hat auch nicht im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Denn er hat nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung am … März 2016 ein Kraftfahrzeug mit einer THC-Konzentration von 4,3 ng/ml THC im Blutserum geführt und somit den auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 weiterhin maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml, ab dem von der Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit auszugehen ist (BayVGH, B. v. 23.5.2016, a. a. O. Rn. 15), überschritten. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, inwieweit die Polizisten oder der blutabnehmende Arzt Ausfallerscheinungen beim Antragsteller festgestellt haben. Auf die tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit kommt es nicht an.
2.2.1.3. Schließlich ändert daran, dass der Antragsteller im vorliegenden summarischen Verfahren als fahrungeeignet anzusehen ist, auch die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinen Beschlüssen vom 29. August 2016 (11 CS 16.1460 – juris) und 14. September 2016 (11 CS 16.1467 – juris) angedeutete Rechtsauffassung, im Hinblick auf die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV könne zukünftig bei nur einmaliger Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr mit einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr, solange sich diese im Bereich einer Ordnungswidrigkeit bewegt, möglicherweise nicht mehr ohne weiteres von fehlender Fahreignung ausgegangen werden, nichts. Denn in dieser Entscheidung, die zudem nur im Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtschutzes erging, hat sich das übergeordnete Gericht noch nicht festgelegt – was folglich nicht ausreichend ist, um die eben dargestellte Rechtsprechung der Kammer, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bislang geteilt hat (vgl. etwa BayVGH, B. v. 23.5.2016 a.a.O), infrage zu stellen.
Im Übrigen hielte es das erkennende Gericht selbst dann, wenn es wegen der vorgenannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von offenen Erfolgsaussichten ausgehen würde, nicht für vertretbar, den Antragsteller vorläufig wieder am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Denn für die Annahme, dass vom Antragsteller, der im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen ist, der Konsum und Fahren nicht trennen kann, keine höhere Gefahr als von anderen Verkehrsteilnehmern ausgeht, fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Auch wenn der Antragsteller seit dem Vorfall vom … März 2016 – womöglich unter dem Eindruck des Bußgeld- bzw. fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens – nicht mehr einschlägig im Straßenverkehr in Erscheinung getreten ist, rechtfertigte dies nicht die Prognose, dass er nicht mehr unter unzulässigem Cannabiseinfluss ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen wird. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs überwiegt somit die privaten und insbesondere auch beruflichen Interessen des Antragstellers an einer vorläufigen Fahrberechtigung.
2.2.2. Da die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der einstweiligen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch beim Sofortvollzug der im streitgegenständlichen Bescheid enthaltenen Anordnung, den Führerschein abzuliefern, der der Antragsteller zu Recht bereits nachgekommen ist. Die im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzungen zu den Kosten.
3. Die Kostenentscheidung zu diesem Verfahren beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).


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